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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 19.04.2001
Aktenzeichen: BVerwG 8 B 33.01
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 28 Abs. 1 Satz 2
Leitsätze:

Wenn Landesrecht die Veröffentlichung von Wahlanzeigen in gemeindlichen Amtsblättern zulässt, muss diese jedem Interessenten offen stehen und die Neutralitätspflicht der Gemeinde gewahrt werden.

Zur Zulässigkeit der Beteiligung von Bürgermeistern an Wahlkämpfen (Zusammenfassung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts).

Beschluss des 8. Senats vom 19. April 2001 - BVerwG 8 B 33.01 -

I. VG Neustadt an der Weinstraße vom 20.12.1999 - Az.: VG I K 2382/99 - II. OVG Koblenz vom 14.11.2000 - Az.: OVG 7 A 10595/00 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 8 B 33.01 OVG 7 A 10595/00

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 19. April 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß und Golze

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. November 2000 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerde-verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, vgl. 1.). Es liegt auch kein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, vgl. 2.).

1. Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden entscheidungserheblichen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Die entscheidungstragende Annahme des Berufungsgerichts, ein erheblicher Wahlfehler i.S.d. § 50 Satz 3 des Kommunalwahlgesetzes des Landes Rheinland-Pfalz liege nicht vor, beruht auf der Auslegung und Anwendung irrevisiblen Landesrechts. Die revisionsgerichtliche Prüfung müsste von dem Inhalt der irrevisiblen Vorschriften des Kommunalwahlrechts ausgehen, den das Berufungsgericht durch Auslegung ermittelt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (§ 173 VwGO i.V.m. § 562 ZPO). Das Revisionsgericht könnte insoweit lediglich nachprüfen, ob Bundesrecht - insbesondere Verfassungsrecht - ein anderes Ergebnis gebietet (ständige Rechtsprechung vgl. u.a. Urteil vom 12. November 1993 - BVerwG 7 C 23.93 - Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 38 S. 21 <23 f.>). Davon geht auch die Beschwerde aus. Die Rüge einer Verletzung von Bundesrecht bei der vorinstanzlichen Auslegung und Anwendung irrevisiblen Rechts vermag die Zulassung der Grundsatzrevision nur dann zu rechtfertigen, wenn die Beschwerde eine entscheidungserhebliche klärungsbedürftige Frage des Bundesrechts aufzeigt (ständige Rechtsprechung vgl. Beschluss vom 3. März 1994 - BVerwG 1 B 97.93 - Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 26 S. 5 <6>). Daran fehlt es hier.

Die Beschwerde schildert zunächst die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zum Kommunalwahlrecht. Anschließend stellt sie einige längere, sich inhaltlich überschneidende Fragen zum Kommunalwahlrecht. Gefragt wird allgemein, inwieweit Wahlaufrufe kommunaler Amtsträger und insbesondere die Veröffentlichung von Wahlaufrufen in gemeindlichen Amtsblättern zulässig sind. Soweit die Beantwortung dieser Fragen im vorliegenden Fall entscheidungserheblich ist, kann sie ohne weiteres aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen und der vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfolgen, ohne dass es hierzu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

Einerseits dürfen Amtsträger, insbesondere Bürgermeister, nicht nur als Wähler an der Wahl teilnehmen, sondern auch im Wahlkampf sich als Bürger des Rechts der freien Meinungsäußerung bedienen (vgl. Urteil vom 8. Juli 1966 - BVerwG 7 C 192.64 - BVerwGE 24, 315 <319>). Wie jeder andere Bürger dürfen sie sich insbesondere mit Auftritten, Anzeigen oder Wahlaufrufen aktiv im Wahlkampf beteiligen (vgl. Beschluss vom 30. März 1992 - BVerwG 7 B 29.92 - Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 37 S. 19 <20>). Andererseits werden Wahlempfehlungen zugunsten einer Partei oder eines Wahlbewerbers, die ein Bürgermeister in amtlicher Eigenschaft abgibt, nicht durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) gedeckt. Sie verstoßen vielmehr gegen die den Gemeinden und ihren Organen durch das bundesverfassungsrechtliche Gebot der freien Wahl (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG) auch im Kommunalwahlkampf auferlegte Neutralitätspflicht und sind deswegen unzulässig (vgl. Urteil vom 18. April 1997 - BVerwG 8 C 5.96 - BVerwGE 104, 323 <326 f.>). Die sich daraus ergebenden Grenzen für die zulässige Betätigung eines Bürgermeisters im kommunalen Wahlkampf sind überschritten, wenn ein Bürgermeister das ihm aufgrund seiner amtlichen Tätigkeit zufallende Gewicht und die ihm kraft seines Amtes gegebenen Einflussmöglichkeiten in einer Weise nutzt, die mit seiner der Allgemeinheit verpflichteten Aufgabe unvereinbar ist (vgl. Urteil vom 18. April 1997 - BVerwG 8 C 5.96 - a.a.O.). Ob ein Amtsträger eine Wahlempfehlung in amtlicher Eigenschaft abgegeben hat, ist eine Frage der tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung. Diese ist im Revisionsverfahren nur daraufhin nachprüfbar, ob gegen allgemeine Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen wurde (vgl. Urteil vom 18. April 1997 - BVerwG 8 C 5.96 - a.a.O. <327 f.>).

Von dieser Rechtslage geht auch das angefochtene Urteil aus und gelangt zu dem Ergebnis, es könne kein Zweifel daran aufkommen, dass die den Wahlaufruf unterzeichnenden Amtsträger bzw. die für das Amt des Ortsbürgermeisters neu Gewählten nicht in amtlicher Eigenschaft handelten.

Das Oberverwaltungsgericht ist in Anwendung und Auslegung des nicht revisiblen Landesrechts zum Ergebnis gelangt, dass im vorliegenden Fall Anzeigen - auch Wahlanzeigen - im Amtsblatt der Gemeinde veröffentlicht werden durften. Auch Bundesrecht verbietet nicht die Veröffentlichung von Anzeigen im Allgemeinen und Wahlanzeigen im Besonderen in Amtsblättern von Gemeinden. Die Veröffentlichung von Wahlanzeigen darf allerdings nicht zu einer Verletzung der Wahlrechtsgrundsätze des Grundgesetzes (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG) führen. Wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, wäre die durch das bundesverfassungsrechtliche Gebot der freien Wahl den Gemeinden auferlegte Neutralitätspflicht verletzt, wenn in einem gemeindlichen Amtsblatt ein amtlicher Wahlaufruf der Gemeinde erschiene oder eine Anzeige, die den Eindruck eines amtlichen Wahlaufrufs erwecken würde. Das Gebot der gleichen Wahl verlangt, dass, wenn überhaupt Wahlanzeigen in einem Amtsblatt veröffentlicht werden dürfen, diese Möglichkeit der Veröffentlichung jedem Interessenten offen steht. Von dieser Rechtslage geht auch das angefochtene Urteil aus.

2. Es liegt kein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem das Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) wird nicht prozessordnungsgemäß dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Insoweit rügt die Beschwerde in Wirklichkeit, das Oberverwaltungsgericht gehe von einem aktenwidrigen Sachverhalt aus. Dies trifft nicht zu.

Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, das Verwaltungsgericht habe die Wahlwerbeanzeigen im Amtsblatt für unzulässig gehalten, ist nicht aktenwidrig. Damit wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts kurz aber nicht unzutreffend wiedergegeben. Das Verwaltungsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, die vom Kläger gerügte Wahlwerbung im gemeindlichen Amtsblatt verstoße jedenfalls in ihrer konkreten Ausgestaltung gegen die maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben und stelle schon aus diesem Grund eine von der Kommune zu verantwortende unzulässige Wahlbeeinflussung dar (vgl. Urteilsabdruck S. 9 f.). Im Übrigen könnte insoweit das oberverwaltungsgerichtliche Urteil nicht auf einem Verfahrensmangel beruhen. Das Berufungsgericht hat die Sach- und Rechtslage umfassend zu prüfen. Selbst wenn es eine rechtliche Ausführung des Verwaltungsgerichts missverstehen sollte, kann seine Entscheidung daher nicht hierauf beruhen.

Das Oberverwaltungsgericht ist im Rahmen der ihm obliegenden tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gelangt, die Wahlanzeige sei "erkennbar von einem Dritten" geschaltet worden. Dies ist nicht aktenwidrig. Auch enthält das Urteil Ausführungen, mit denen dieses Ergebnis begründet wird. So führt es aus, die Wahlwerbung sei drucktechnisch hinreichend als Anzeige erkennbar (vgl. Urteilsabdruck S. 11).

Die Beschwerde behauptet, das Oberverwaltungsgericht gehe davon aus, dass die amtlichen Eigenschaften der Wahlwerber in den Anzeigen "keine Erwähnung" fänden. Dies trifft so nicht zu. Die Aussage des Oberverwaltungsgerichts bezieht sich nämlich nicht auf die neu gewählten Ortsbürgermeister von Nachbargemeinden. Vielmehr bezieht sie sich ausdrücklich nur auf den Verbandsbürgermeister und einen wieder gewählten Ortsbürgermeister aus dem Nachbarort. Aus dem Amtsblatt, das Teil der vom Oberverwaltungsgericht in Bezug genommenen Verwaltungsakten ist, ergibt sich ohne weiteres, dass diese Aussage des Berufungsgerichts zutrifft.

Das Oberverwaltungsgericht ist in Auslegung und Anwendung des irrevisiblen Landesrechts zu dem Ergebnis gelangt, das Verbot, das Amtsblatt der Gemeinde für politische Zwecke (insbesondere Wahlpropaganda) zu benutzen, beziehe sich lediglich auf den Teil des Amtsblatts, der gleichsam in der Hand der Gemeinde als Herausgeber liege. Es hat festgestellt, dass im vorliegenden Fall die Verbandsgemeinde Weilerbach nur verantwortlich ist für den amtlichen Teil sowie für Nachrichten und Hinweise. Dies hat es aus "dem Impressum des Amtsblattes der Verbandsgemeinde" geschlossen. Dies ist nicht aktenwidrig. Dem Vertrag zwischen der Gemeinde und dem Verlag Arbogast ist ein Impressum beigefügt. Dieses lautet: "Amtsblatt für die Verbandsgemeinde Weilerbach. Herausgeber und verantwortlich für den amtlichen Teil sowie für Nachrichten und Hinweise: Verbandsgemeindeverwaltung Weilerbach, ... Druck und Verlag: Franz Arbogast ...". Dieses Impressum ist auch abgedruckt in den Amtsblättern vom 12. Mai 1999 (dort S. 12), vom 2. Juni 1999 (dort S. 4), vom 18. Juni 1999 (dort S. 21) und vom 16. Juli 1999 (dort S. 5). Dass auch das Amtsblatt vom 25. Juni 1999 ein Impressum enthält, hat das Oberverwaltungsgericht nicht ausdrücklich festgestellt. Eine derartige Feststellung ergibt sich auch nicht aus dem Zusammenhang der Ausführungen in dem angefochtenen Urteil. Das Oberverwaltungsgericht hat das Impressum allein zur Begründung der Feststellung, die Gemeinde Weilerbach sei allgemein nur für den amtlichen Teil sowie für Nachrichten und Hinweise verantwortlich, herangezogen. Eine darüber hinausgehende Bedeutung hat es dem Impressum nicht zugemessen. Insbesondere hat es seine Feststellung, die Wahlwerbung sei als Anzeige erkennbar, nicht auf das Impressum gestützt.

Das Berufungsurteil beruht auch nicht auf einer Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO). Die Frage, ob die Wahlanzeige erkennbar von einem Dritten geschaltet war, war im gesamten Verfahren zwischen den Beteiligten umstritten. Der Beklagte und der Vertreter des öffentlichen Interesses hatten dies bejaht. Der Kläger hätte daher alles, was seines Erachtens hiergegen spricht, im Verfahren vortragen können und müssen. Dagegen verlangt der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht, dass das Gericht den Beteiligten vor seiner Entscheidung mitteilt, von welcher tatrichterlichen Würdigung eines streitigen Sachverhalts es ausgeht.

Soweit die Beschwerde meint, das Oberverwaltungsgericht verkenne den Inhalt des verwaltungsgerichtlichen Urteils und gehe zu Unrecht davon aus, die amtlichen Eigenschaften der Wahlwerber fänden in der Anzeige keine Erwähnung und die Ausgabe des Amtsblatts vom 25. Juni 1999 habe ein Impressum enthalten, wurde bereits oben dargelegt, dass dies nicht zutrifft.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 13 und 14 GKG.

Ende der Entscheidung

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