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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 31.05.2001
Aktenzeichen: BVerwG 8 B 44.01
Rechtsgebiete: VermG
Vorschriften:
VermG § 1 Abs. 3 |
Eine Steuerveranlagung, die mit der DDR-Rechtsordnung und den sie tragenden ideologischen Grundvorstellungen in Einklang steht, stellt kein qualifiziertes Einzelfallunrecht und damit keine unlautere Machenschaft im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG dar, auch wenn sie die Unwirtschaftlichkeit bestimmter Unternehmensformen bewusst herbeiführt.
Beschluss des 8. Senats vom 31. Mai 2001 - BVerwG 8 B 44.01 -
I. VG Gera vom 21.11.2000 - Az.: VG 6 K 1723/96 GE -
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS
BVerwG 8 B 44.01 VG 6 K 1723/96 GE
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 31. Mai 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer und Krauß
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 21. November 2000 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 246 000 DM festgesetzt.
Gründe:
Die Beschwerde der Kläger ist unbegründet, weil die geltend gemachten Gründe für die begehrte Zulassung der Revision nicht vorliegen.
1. Der Sache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Grundsätzlich bedeutsam in diesem Sinne ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.
a) Die von der Beschwerde sinngemäß aufgeworfene Frage,
ob in der gezielten Überschuldung eines Unternehmens mit Hilfe des Steuerrechts eine unlautere Machenschaft im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG liegt,
ist nicht klärungsbedürftig. Ihre Beantwortung im Sinne des angefochtenen Urteils ergibt sich ohne weiteres aus der bereits vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung. § 1 Abs. 3 VermG ist danach dadurch gekennzeichnet, dass bei dem Entzug des Eigentums in manipulativer, sittlich vorwerfbarer Weise unter Verstoß gegen die Rechtsordnung der DDR und die sie tragenden ideologischen Grundvorstellungen im Einzelfall nicht alles "mit rechten Dingen" zugegangen ist (stRspr, vgl. Urteil vom 29. September 1993 - BVerwG 7 C 42.92 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 9). Der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 3 VermG erfasst zwar nicht nur rechtsgeschäftliche Erwerbsvorgänge, sondern auch hoheitliche Erwerbsakte in Form willkürlicher Enteignungen (vgl. Urteil vom 28. Juli 1994 - BVerwG 7 C 41.93 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 28); Voraussetzung ist aber stets - wie der Bezug auf den Verstoß gegen die DDR-Rechtsordnung verdeutlicht - ein in der genannten Weise qualifiziertes Einzelfallunrecht (vgl. u.a. Urteil vom 28. Oktober 1999 - BVerwG 7 C 38.98 - Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 6 S. 22 <27>).
Danach liegt zum einen nicht schon in jeder Heranziehung zu einer rechtswidrig veranlagten Steuer eine unlautere Machenschaft; eine in manipulativer Weise erfolgte Ermittlung einer Steuerforderung kann jedoch den Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 3 VermG erfüllen (Beschluss vom 30. August 2000 - BVerwG 8 B 156.00 - VIZ 2000, 716 f.), wenn die Geltendmachung überhöhter - also nicht vom DDR-Recht gedeckter - Steuerforderungen zur Veräußerung eines Unternehmens geführt haben. Daraus folgt aber zum anderen, dass eine in Übereinstimmung mit der DDR-Rechtsordnung erfolgte Steuerveranlagung grundsätzlich kein qualifiziertes Einzelfallunrecht im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG darstellt, weil dieser Schädigungstatbestand Maßnahmen nicht erfasst, die den ideologischen Grundvorstellungen der DDR und der darauf gegründeten Rechtsordnung entsprachen, solange jedenfalls kein darüber hinausgehender diskriminierender Charakter hinzutritt (vgl. Beschluss vom 4. April 2000 - BVerwG 7 B 45.00 - Buchholz 428 § 1 Abs. 1 VermG Nr. 7 S. 19 <21>).
Dass die hier streitige Vorschrift des § 3 der Ersten Einkommensteueränderungsverordnung vom 5. März 1953 (GBl. DDR S. 392) mit dem Ausschluss der Abzugsfähigkeit des Geschäftsführergehalts bei der Ermittlung der Gewerbe- und Körperschaftssteuer im vorliegenden Fall nicht in manipulativer Weise zu konfiskatorischen Zwecken eingesetzt wurde, hat das Verwaltungsgericht plausibel dargelegt und mangels durchgreifender Verfahrensrügen bindend festgestellt (UA S. 15 f.). Die Beschwerde macht selbst nicht geltend, die das Unternehmen ruinierenden Steuern seien unter Verstoß gegen DDR-Recht überhöht festgesetzt worden; sie hält vielmehr die streitige Rechtsgrundlage mit ihrer gegen die Kapitalgesellschaften gerichteten und die Umgestaltung der gesellschaftlichen Struktur in der DDR bezweckenden ideologischen Tendenz insgesamt als solche für rechtsstaatswidrig. Damit kann - wie dargelegt - der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 3 VermG nicht begründet werden. Ob vermögensentziehende Maßnahmen, die durch rechtsstaatswidriges DDR-Recht gedeckt waren, ggf. nach § 1 VwRehaG aufgehoben werden können (vgl. Neuhaus in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/ Neuhaus, § 1 VermG Rn. 112), bedarf im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung.
b) Mit der Verneinung einer unter § 1 Abs. 3 VermG fallenden "kalten Enteignung" durch Steuerrecht erübrigt sich eine Entscheidung über das von der Beschwerde ferner aufgeworfene Problem, welcher Zeitpunkt für die "kalte Enteignung" maßgeblich ist.
c) Dass die Bejahung eines Anspruchs im Lastenausgleichsverfahren für den geltend gemachten vermögensrechtlichen Anspruch nicht bindend ist, ergibt sich ohne weiteres mangels einer entsprechenden Regelung aus dem Vermögensgesetz und bedarf keiner revisionsgerichtlichen Vertiefung.
d) Die abschließende Frage, ob die Kläger im Vergleich zu anderen Erben ungleich behandelt werden dürfen, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer über den konketen Fall hinausgehenden Verallgemeinerung.
2. Die Revision kann auch nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zugelassen werden.
Eine Abweichung des angefochtenen Urteils zu dem Beschluss vom 30. August 2000 (a.a.O.) scheidet schon deshalb aus, weil das Bundesverwaltungsgericht in dieser Entscheidung die Möglichkeit einer unlauteren Machenschaft nur für den hier nicht gegebenen und von der Beschwerde auch nicht geltend gemachten Fall einer überhöhten, durch die DDR-Rechtsordnung nicht gedeckten Steuerforderung bejaht hat.
Mit dem Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Oktober 2000 - BVerwG 7 C 1.00 - (VIZ 2001, 81) steht das angefochtene Urteil deshalb nicht in Widerspruch, weil sich dieser Beschluss mit § 1 Abs. 3 EntschG und § 1 Abs. 2 VermG, nicht aber entscheidungstragend mit § 1 Abs. 3 VermG befasst.
Die vermeintliche Divergenz zu der "vom BVerwG entwickelten Lehre von der faktischen Enteignung" schließlich ist nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise dargelegt worden, weil die Beschwerde nicht ausführt, welche jeweils entscheidungstragenden abstrakten Rechtssätze welcher Entscheidungen einander im Einzelnen angeblich widersprechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 13, 14 GKG.
Ende der Entscheidung
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