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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 22.05.2001
Aktenzeichen: BVerwG 8 B 69.01
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 227 Abs. 1 Satz 1 |
Wenn eine Rechtsanwalt trotz einer bereits seit geraumer Zeit bestehenden chronischen Erkrankung, die ihn schon in der Vergangenheit an der ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Berufspflichten gehindert hat, keine Vorsorge für die Wahrnehmnung von Gerichtsterminen trifft, verletzt er schuldhaft seine prozessuale Mitwirkungspflicht (wie BFH, Beschluss vom 17. Mai 2000 - IV B 86/99 - BFH/NV 2000, S. 1353).
Das Verwaltungsgericht kann unter diesen Umständen die beantragte Terminsaufhebung mangels "erheblicher Gründe" gemäß § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO ablehnen.
Beschluss des 8. Senats vom 22. Mai 2001 - BVerwG 8 B 69.01 -
I. VG Cottbus vom 10.01.2001 - Az.: VG 1 K 1954/96 -
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS
BVerwG 8 B 69.01 VG 1 K 1954/96
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 22. Mai 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer und Krauß
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 10. Januar 2001 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese jeweils selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 Million DM festgesetzt.
Gründe:
Die Beschwerde der Kläger hat keinen Erfolg, weil die Voraussetzungen für die begehrte Zulassung der Revision nicht vorliegen bzw. nicht in prozessordnungsgemäßer Weise dargetan worden sind.
1. Die Beschwerde hat nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargelegt, dass der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zukommt. Sie lässt schon die Formulierung einer konkreten klärungsbedürftigen Rechtsfrage vermissen, die über den Einzelfall hinaus fallübergreifende Bedeutung hätte. Stattdessen beschränkt sie sich auf bloße Angriffe gegen die inhaltliche Richtigkeit des angefochtenen Urteils, das auf die von der Beschwerde angesprochenen Fragen im Einzelnen - allerdings nicht im Sinne der Kläger - eingegangen ist (vgl. UA S. 12). Damit kann nach ständiger Rechtsprechung die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht begründet werden (vgl. BVerwGE 13, 90 <91>).
2. Das angefochtene Urteil leidet nicht unter den gerügten Verfahrensfehlern (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
a) Das Verwaltungsgericht hat den verfassungsrechtlichen Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) nicht dadurch verletzt, dass es trotz der angekündigten Abwesenheit ihres Prozessbevollmächtigten und dessen - zuvor abgelehnten - Terminsaufhebungsantrags zur Sache verhandelt und entschieden hat.
Gemäß § 173 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Termin "aus erheblichen Gründen" aufgehoben werden. Das Fehlen einer ordnungsgemäßen Vertretung in der mündlichen Verhandlung ist in der Regel ein solcher erheblicher Grund für eine Terminsaufhebung (Beschlüsse vom 26. April 1999 - BVerwG 5 B 49.99 - n.v., Abdruck S. 3 und vom 23. Januar 1995 - BVerwG 9 B 1.95 - Buchholz 303 § 227 ZPO Nr. 21), auch wenn im Verwaltungsprozess das Gebot der Verfahrensbeschleunigung (vgl. § 87 b VwGO) zu berücksichtigen ist. Das Ermessen des Gerichts verdichtet sich angesichts des hohen Rangs des Anspruchs auf rechtliches Gehör regelmäßig auf eine entsprechende Verpflichtung zur Terminsaufhebung (vgl. Beschluss vom 2. November 1998 - BVerwG 8 B 162.98 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 285; BVerfGE 25, 158 <166>; 26, 315 <319>). Allerdings wird für eine wegen Verhinderung des Rechtsanwalts beantragte Terminsaufhebung verlangt werden müssen, dass die Abwesenheit des Rechtsanwalts nicht verschuldet ist (Beschluss vom 26. April 1999, a.a.O.; zum vergleichbaren Problem bei der Wiedereinsetzung: BGH, Beschluss vom 26. Februar 1996 - II ZB 7/95 - NJW 1996, 1540 f.). Ferner besteht keine Verpflichtung zur Terminsverlegung, wenn der Antrag durch die Absicht der Prozessverschleppung getragen wird (Beschlüsse vom 19. Januar 1999 - BVerwG 8 B 186.98 - Buchholz 303 § 227 ZPO Nr. 26, vom 2. November 1998, a.a.O., und vom 3. August 1994 - BVerwG 6 B 31.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 257; BFHE 113, 4 <6>) oder ansonsten gegen die prozessuale Mitwirkungspflicht eines Beteiligten verstößt (Beschluss vom 5. Dezember 1994 - BVerwG 8 B 179.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 259; BFHE 113, 4 <6>; BFH, Beschluss vom 17. Mai 2000 - IV B 86/99 - BFH/NV 2000, S. 1353 <1354>). Im Übrigen muss die Erkrankung oder sonstige Verhinderung des Prozessbevollmächtigten schlüssig aus dem dem Verwaltungsgericht vorgelegten Attest hervorgehen (vgl. Urteile vom 13. April 1999 - BVerwG 1 C 24 - 26.97 - Buchholz 310 § 82 VwGO Nr. 19); die Bescheinigung muss so substantiiert sein, dass das Gericht auf ihrer Grundlage in der Lage ist, die Frage der behaupteten Verhandlungsunfähigkeit selbst zu beurteilen (BFH, Beschluss vom 17. Mai 2000, a.a.O.).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, trotz der Abwesenheit des Prozessbevollmächtigten der Kläger unter Ablehnung der Terminsaufhebung zu verhandeln und in der Sache zu entscheiden, nicht zu beanstanden. Die Kläger haben schon die Verhinderung des Prozessbevollmächtigten durch die geltend gemachte Erkrankung nicht substantiiert dargelegt. Die Beschwerde räumt selbst ein, dass der das Attest ausstellende Arzt - wie sich schon aus der Formulierung des Attests ergibt - den Prozessbevollmächtigten nicht selbst untersucht, sondern sich allein auf dessen "Bericht" verlassen hat.
Unabhängig davon hat das Verwaltungsgericht - zweitens - zutreffend der von ihm im Einzelnen dargelegten Prozessgeschichte die erkennbare Weigerung des Prozessbevollmächtigten der Kläger entnommen, an der gebotenen zügigen Verfahrensbearbeitung mitzuwirken. Es hat insoweit zu Recht auf die erst mehr als vierzehn Monate nach Klageerhebung und nach neun gestellten Anträgen auf Fristverlängerung - jeweils unter Hinweis auf Arbeitsüberlastung - erfolgte Klagebegründung verwiesen und ergänzend weitere zur Prozessverzögerung führende Anträge angeführt. Seine Folgerung, die vierjährige Verfahrensdauer sei in erster Linie auf diese Fristverlängerungs- und Vertagungsanträge des Prozessbevollmächtigten der Kläger zurückzuführen, wird durch den Akteninhalt gedeckt und rechtfertigt die Annahme, das Verhalten des Prozessbevollmächtigten verletze dessen prozessuale Mitwirkungspflichten und diene im Wesentlichen der Prozessverschleppung. Entgegen der Ansicht der Beschwerde steht dieser Bewertung nicht entgegen, dass das Verwaltungsgericht den Fristverlängerungsanträgen jeweils stattgegeben hat. Denn erst ihre Gleichartigkeit und Häufung trägt die letztendlich gezogene Folgerung. Der Einwand, schon der Streitwert von einer Million widerlege ein Interesse der Kläger an der Verschleppung des Prozesses, ist ebenfalls nicht stichhaltig. Wie sich aus der Klagebegründung ergibt, erhoffte der Prozessbevollmächtigte der Kläger im Wesentlichen eine Änderung des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG durch den Gesetzgeber unter dem Eindruck der öffentlichen Diskussion. Daraus kann angesichts der von den Klägern erkannten, für sie ungünstigen Rechtsprechung zur gültigen Fassung der einschlägigen gesetzlichen Vorschrift durchaus ein Interesse an der Verzögerung einer Entscheidung abgeleitet werden.
Abgesehen davon ist - drittens - die Verhinderung des Prozessbevollmächtigten der Kläger im vorliegenden Fall nicht unverschuldet. Zwar ist bei einer Erkrankung eines Prozessbevollmächtigten in der Regel davon auszugehen, dass die Verhinderung unverschuldet und damit ein "erheblicher Grund" im Sinne von § 227 Abs. 1 ZPO ist; eine andere Beurteilung ist aber dann geboten, wenn es sich nicht um eine plötzliche, nicht vorhersehbare, sondern um eine chronische, wiederholt in gleicher Weise auftretende Erkrankung handelt, die den Anwalt außerstande setzt, seinen Berufspflichten ordnungsgemäß nachzukommen (vgl. BGH, a.a.O., S. 1541 m.w.N.; BFH, Beschlüsse vom 23. Oktober 2000 - VI B 45/99 - BFH/NV 2001, S. 468 und vom 23. Juni 1999 - IV B 150/98 - BFH/NV 1999, S. 1614). Wenn ein Rechtsanwalt trotz einer bereits seit geraumer Zeit bestehenden Erkrankung keine Vorsorge für die Wahrnehmung von Gerichtsterminen trifft, stellt dies eine schuldhafte Verletzung seiner prozessualen Mitwirkungspflichten dar (BFH, Beschluss vom 17. Mai 2000, a.a.O.; BFHE 113, 4 <6>). Ebenso wie der Rechtsanwalt für den Fall der Erkrankung seines Büropersonals organisatorische Vorkehrungen, also Vertretungsregelungen, schaffen muss (BGH, Beschluss vom 20. Juni 1995 - XI ZB 9/95 - NJW 1995, 2497 <2498>), trifft ihn eine vergleichbare Vorsorgepflicht auch dann, wenn sein eigener Gesundheitszustand hierzu Anlass gibt, also für ihn erkennbar eine geordnete Erfüllung seiner prozessualen Mitwirkungspflichten wesentlich behindert (vgl. auch Müller NJW 1998, 497 <508>).
b) Ein Verfahrensfehler ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass das Verwaltungsgericht den Aussetzungsanträgen der Kläger gemäß Art. 100 GG und § 94 VwGO nicht nachgekommen ist.
Eine Aussetzung gemäß Art. 100 Abs. 1 GG schied schon deshalb aus, weil das Verwaltungsgericht in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung von der Verfassungsgemäßheit des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG ausgegangen ist. Die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 94 VwGO wegen der Strafanzeige des Prozessbevollmächtigten der Kläger gegen die Bundesregierung kam ohne weiteres deshalb nicht in Betracht, weil das Strafverfahren für den anhängigen Verwaltungsgerichtsprozess nicht vorgreiflich ist. Einer förmlichen Entscheidung über diese Anträge vor dem Erlass des Urteils bedurfte es nicht.
Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe vor einer Entscheidung über das Befangenheitsgesuch der Kläger gegen verschiedene Richter des Verwaltungsgerichts Cottbus nicht in der Sache entscheiden dürfen, geht ins Leere, weil das Befangenheitsgesuch mit Beschluss vom 14. April 2000 (Bl. 212 ff. d.A.) zurückgewiesen worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 und 3, § 14 GKG.
Ende der Entscheidung
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