Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 28.11.2007
Aktenzeichen: BVerwG 8 C 12.06
Rechtsgebiete: VermG


Vorschriften:

VermG § 1 Abs. 6
VermG § 2 Abs. 1 Satz 3
VermG § 30 Abs. 1 Satz 1
VermG § 30a Abs. 1 Satz 1
Die Globalanmeldung 3 der JCC, die u.a. auf bei der OFD Berlin verwahrte Wiedergutmachungsakten Bezug nimmt, genügt nur dann den Anforderungen an die Konkretisierung des zurückbegehrten Vermögenswertes, wenn Gegen-stand der Akten ein Entziehungs- oder Schädigungstatbestand hinsichtlich eines Vermögenswertes eines jüdischen Eigentümers ist (Bestätigung und Fortführung der bisherigen Senatsrechtsprechung <vgl. Urteile vom 24. November 2004 - BVerwG 8 C 15.03 - und Urteil vom 13. Dezember 2006 - BVerwG 8 C 3.06 ->).
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 8 C 12.06

Verkündet am 28. November 2007

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. November 2007 durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Postier und Neumann und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 22. Februar 2006 wird aufgehoben, soweit die Klage abgewiesen wurde.

Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe:

I

Die Klägerin wendet sich gegen die Rückübertragung verschiedener in P. T.straße ... gelegener Grundstücke an die Beigeladene. Sie begehrt die Rückübertragung dieser Grundstücke an sich selbst als Rechtsnachfolgerin ihres Vaters Heinrich M. Dieser schloss mit dem Voreigentümer Ludwig S., der das damals noch ungeteilte Grundstück 1920 erworben hatte, am 2. Dezember 1935 einen notariellen Kaufvertrag und war seit dem 23. Januar 1936 als Eigentümer der genannten Grundstücke im Grundbuch eingetragen. 1935 ist für das noch ungeteilte Grundstück ein Einheitswert von 74 600 RM ermittelt worden. Nach den Modalitäten des Kaufvertrages vom 2. Dezember 1935 zahlte der Vater der Klägerin an Dr. S. sofort 32 000 RM sowie später 8 000 RM gegen den Nachweis der Zuwachssteuer. Der Rest des Kaufpreises von 40 000 RM wurde dem Vater der Klägerin unverzinslich gestundet. Die Zahlung sollte Zug um Zug gegen Übergabe des Grundstücks unter Erteilung der löschungsfähigen Quittung einer Teilgrundschuld über 40 000 RM und nach Aushändigung der Grundschuldbriefe erfolgen.

Am 10. Dezember 1936 verließ Dr. S. mit seiner Familie wegen der politischen Verhältnisse Deutschland. Ende 1936 oder Anfang 1937 zahlte er die Reichsfluchtsteuer in Höhe von 24 968 RM, wobei ein Vermögen von ca. 99 000 RM zugrunde gelegt worden war. Im Januar 1952 stellte Dr. S. einen Antrag nach dem Entschädigungsgesetz, in dem er u.a. ausführte, dass er bereits 1950 aufgrund der Alliierten Rückerstattungsgesetze Anträge auf Rückerstattung von Gesellschaftsanteilen sowie verschiedener in B. gelegener Grundstücke gestellt habe. Bei der Oberfinanzdirektion B. sind verschiedene Akten vorhanden, die sich auf Wiedergutmachungsanträge des Dr. S. beziehen u.a. bezüglich verlorener Patente, Gesellschaftsbeteiligungen in B. und Forderzinsen aus Erdölgewinnerträgen, nicht aber bezogen auf das streitbefangene Grundstück.

Der Vater der Klägerin wurde 1936 von der Gestapo verhaftet und 1939 wegen Konkursvergehens, Betruges und Untreue zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Durch Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 5. Oktober 1947 wurde er rehabilitiert und später als Verfolgter des Naziregimes anerkannt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des in dieser Sache ergangenen Senatsurteils vom 24. November 2004 - BVerwG 8 C 15.03 - Bezug genommen.

Nach der Zurückverweisung der Streitsache an das Verwaltungsgericht hat das Verwaltungsgericht die Klage, soweit sie nicht wegen eines Flurstücks zurückgenommen wurde, erneut abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stehe kein Anspruch auf Rückgabe der Grundstücke bzw. auf Feststellung ihrer Berechtigung zu. Denn ihrem Antrag gehe der Restitutionsantrag der Beigeladenen vor, deren Rechtsnachfolge nach dem früheren jüdischen Eigentümer sich aus § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG ergebe. Die Beigeladene hätte den vermögensrechtlichen Anspruch rechtswirksam angemeldet und auch die Anmeldefrist eingehalten. Grundlage hierfür sei die sogenannte Anmeldung 3 vom 22. Dezember 1992 mit den dazugehörigen Anlagen. Es liege eine fristwahrende Anmeldung vor, die Angaben enthalte, die zu dem bestimmten Vermögensgegenstand hinführten. Dass nämlich Dr. S. Eigentümer des streitbefangenen Grundstücks gewesen sei, ergebe sich aus dem durch die Beigeladene vorgelegten allgemeinen Adressbuch von P. Zwar ergebe sich aus dem allgemeinen Adressbuch nicht, dass Dr. S. Jude gewesen sei. Dies sei aber auch nicht erforderlich, denn für die weitere Aufklärung des Sachverhalts könne die Beigeladene auch auf andere in der Anmeldung 3 oder der ihr beigefügten Anlage genannten Unterlagen und Akten zurückgreifen, um darzulegen, dass das Grundstück Gegenstand der Anmeldung sei. Für den erforderlichen Abgleich seien die bei der Oberfinanzdirektion B. vorhandenen Akten über Rückerstattungsverfahren heranzuziehen, da sie zu den Beständen gehörten, die in der Anlage zur Anmeldung 3 aufgeführt seien.

Aus den Rückerstattungssachen 51 WGA 830/57 und 33 WGA 1865/51 ergebe sich aber, dass Dr. S. Jude gewesen sei. In der Rückerstattungsakte 51 WGA 830/57 werde zudem der Bezug zur Entschädigungsakte 74693 hergestellt, die, auch wenn sie nicht Verfahrensgegenstand sei, in der eidesstattlichen Versicherung des Dr. S. vom 4. April 1957 ausdrücklich die Behauptung des Zwangsverkaufs des Wohnhauses und damit der hier betroffenen Vermögenswerte enthalte. Auch ergebe sich aus dem Beschluss des Kammergerichts in B. vom 4. Oktober 1963 - 18 W 542/62, dessen Abdruck sich in der Rückerstattungssache 51 WGA 830/57 befinde, ein Hinweis auf die hier betroffenen Grundstücke. Darin werde eine Äußerung des Vaters der Klägerin in dem gegen ihn durchgeführten Strafverfahren aus dem Jahre 1937 wiedergegeben, wonach er bestritten habe, dass der Ankauf des Patents und der Ankauf "des S.Žschen Grundstücks" etwas miteinander zu tun hätten.

Im Übrigen sei die Rückübertragung der streitbefangenen Grundstücke an die Beigeladene auch rechtmäßig, da es sich bei dem Verkauf der Grundstücke im Jahre1935 um eine Maßnahme i.S.d. § 1 Abs. 6 VermG gehandelt habe. Da das vorliegende Rechtsgeschäft von nationalsozialistischem Verfolgungsdruck nicht unbeeinflusst sei, hätte die Klägerin die bestehende Entziehungsvermutung auch nicht mit dem Beweis widerlegen können, dass das Rechtsgeschäft seinem wesentlichen Inhalt nach auch ohne Herrschaft des Nationalsozialismus abgeschlossen worden wäre.

Mit der durch Beschluss des Senats zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts, vertieft und ergänzt ihr bisheriges Vorbringen und geht davon aus, dass die Globalanmeldung der Beigeladenen nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 30a Abs. 1 VermG entspricht.

Sie beantragt,

die Beklagte wird unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 22. Februar 2006 unter Aufhebung der die Grundstücke T.straße ... betreffenden Bescheide des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt P. vom 7. Juni 1996, 10. Juni 1996 und 1. Juli 1996 in Gestalt der Widerspruchsbescheide des 6. Widerspruchsausschusses beim Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen, jeweils vom 23. Januar 1998, verpflichtet festzustellen, dass die Klägerin Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes bezüglich der Grundstücke in P.r, Flur 23, Flurstück 952 ist, sowie die Grundstücke Flur 23, Flurstücke 954, 955, 956/2, 957, 958 an die Klägerin zurück zu übertragen,

hilfsweise

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils und der genannten Bescheide zu verpflichten, die Berechtigung der Klägerin nach dem Vermögensgesetz auch bezüglich der im Hauptantrag enthaltenen Flurstücke 954, 955, 956/2, 957, 958 der Flur 23 festzustellen.

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Sie treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen und halten die Revision für unbegründet.

II

Die Revision der Klägerin ist begründet.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht. Es beruht auf einer rechtsfehlerhaften Anwendung der § 30 Abs. 1 Satz 1, § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG. Das Verwaltungsgericht hat zu geringe Anforderungen an die Konkretisierung des angemeldeten Vermögensgegenstandes gestellt. Da insoweit hinreichende tatsächlicher Feststellungen durch das Verwaltungsgericht getroffen sind und sich das erforderliche Tatsachenmaterial zudem aus den beigezogenen Verwaltungsvorgängen ergibt, kann der Senat in der Sache selbst über die Frage der Wirksamkeit der Anmeldung der Beigeladenen abschließend entscheiden. Soweit es um die weiteren Voraussetzungen der von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche, also das Bestehen des Schädigungstatbestandes und das etwaige Vorhandensein von Gründen für den Ausschluss der Rückübertragung gemäß § 4 VermG geht, verweist der Senat wegen des Fehlens entsprechender Tatsachenfeststellungen die Rechtssache an das Verwaltungsgericht gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zurück.

Die entscheidungstragende Ansicht des Verwaltungsgerichts, die Beigeladene habe eine vorrangige wirksame Anmeldung auf Grund der beim Rechtsvorgänger der Beklagten eingegangenen Globalanmeldung (Anmeldung 3) vorgenommen, entspricht nicht der Rechtslage. Das Verwaltungsgericht hat gegen § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG verstoßen, da es zu geringe Anforderungen an die Konkretisierung des angemeldeten Vermögensgegenstandes gestellt hat.

Zwar hat das Verwaltungsgericht im Gegensatz zu seinem Urteil vom 11. Dezember 2002 nunmehr zutreffend die gegenüber dem Bundesministerium der Justiz ausgesprochene Globalanmeldung der Beigeladenen vom 22. Dezember 1992 - Anmeldung 3 - mit den dazugehörigen Anlagen zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen gewählt. Damit befindet es sich in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats, der seit dem 1. Januar 2007 allein für das Sachgebiet des Vermögensrechts zuständig ist.

In Anlehnung an das Urteil des 7. Senats vom 23. Oktober 2003 - BVerwG 7 C 62.02 - (Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 30 = BVerwGE 119, 145, 150 f.), das sich zum ersten Mal mit der Globalanmeldung auf der Grundlage der Anmeldung 3 befasste, hat der erkennende Senat mit Urteil vom 24. November 2004 - BVerwG 8 C 15.03 - (BVerwGE 122, 219 <228 f.>) folgende Anforderungen für eine wirksame Globalanmeldung aufgestellt:

Die Anmeldung selbst und die dazugehörigen Anlagen müssen zu bestimmten Vermögensgegenständen führen und damit die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Satz 1 und § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG erfüllen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die Anmeldung selbst die erforderlichen Angaben zur Individualisierbarkeit der Vermögenswerte enthält. Es genügt vielmehr, dass diese sich aus Akten und Unterlagen ergeben, auf die in der Anmeldung verwiesen wurde.

Eine Bezugnahme auf Akten beschränkt die Anmeldung auf diejenigen Vermögenswerte, die aus den angeführten Akten feststellbar sind.

Voraussetzung einer Individualisierbarkeit auf Grund der Anmeldung ist allerdings, dass auf bestimmte Akten und Unterlagen verwiesen wurde, aus denen sich das betroffene Grundstück und das Eigentum eines Juden ergeben. Diese Anforderungen werden durch die Bezugnahme auf Akten erfüllt, aus denen sich die Entziehung oder der Zwangsverkauf eines konkreten jüdischen Grundstücks ergibt. Zu derartigen Fallakten gehören auch Akten, die Aufschluss über vergebliche Wiedergutmachungsanträge jüdischer Geschädigter oder deren Rechtsnachfolger nach 1945 ergeben.

Bezogen auf die Anmeldung 3 müssen die in der Anlage zur Anmeldung 3 genannten Unterlagen zu dem genannten Vermögenswert "hinführen", also "zielführend" sein. Das bedeutet, dass aus den Bezeichnungen der in Bezug genommenen bestimmten Akten hervorgehen muss, um welchen Vermögensgegenstand es sich handelt. Es muss sich ein Anstoß oder Hinweis ergeben, dass Inhalt der betreffenden Akten eine Entziehung oder ein Zwangsverkauf jüdischen Vermögens ist (Urteil vom 24. November 2004 - BVerwG 8 C 15.03 - a.a.O. S. 229).

Es genügt damit nicht die bloße Möglichkeit, dass sich aus diesen Akten sich irgendwie das Eigentum eines Juden ergibt. Einen einfachen Abgleich der Unterlagen, aus denen sich Hinweise auf die Eigentumsverhältnisse ergeben, mit jüdischen Adressbüchern, hat der Senat nur mit dem Ziel zugelassen festzustellen, ob der Eigentümer Jude war (Urteil vom 24. November 2004 - BVerwG 8 C 15.03 - a.a.O.)

Weiterhin hat der Senat das Erfordernis aufgestellt, dass aus der Bezeichnung der Akten in der Anlage zur Anmeldung 3 oder den hierzu in der Anlage wiedergegebenen Erläuterungen hervorgehen muss, dass die Akten den örtlichen Zuständigkeitsbereich des jeweiligen Landesamts zur Regelung offener Vermögensfragen betreffen, da ein Hinführen auf bestimmte Akten nur gegeben ist, wenn für die jeweilige Behörde als Adressat des Antrags und damit letztlich für den entscheidenden Sachbearbeiter, ist, dass sich aus den Akten die von ihr zu restituierende Vermögenswerte ergeben sollen.

Zusammengefasst bedeutet das nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats: Die Bezeichnung der Akten oder die hierzu in der Anlage zur Anmeldung wiedergegebene Erläuterung muss einerseits einen Hinweis darauf geben, dass Gegenstand der Akten eine Entziehungs- oder Schädigungstatbestand hinsichtlich eines Grundstücks eines jüdischen Eigentümers ist und andererseits, dass der angemeldete Vermögenswert in dem örtlichen Zuständigkeitsbereich des jeweiligen Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen belegen sein kann. Dabei reicht der abstrakte Verweis auf Archive und sonstige Materialien, weil er sich nur allgemein auf Aktensammlungen und nicht konkrete Akten bezieht, nicht aus (vgl. Urteil des Senats vom 24. November 2004 a.a.O. S. 230). Mithin kommt es entscheidend auf die Bezugnahme auf ein bestimmtes Aktenstück an, das zu einem gegenständlich und örtlich näher umgrenzten Vermögensgegenstand hinführt (Urteil vom 24. November 2004 a.a.O. S. 231). Der Empfänger der Anmeldung, also der zuständige Sachbearbeiter muss damit aus der Bezugnahme erkennen können, dass der Zuständigkeitsbereich seines örtlich zuständigen Amtes betroffen ist.

Der erkennende Senat hat zuletzt in seinem Urteil vom 13. Dezember 2004 - BVerwG 8 C 3.06 - (ZOV 2007, 87 ff.) unter Hinweis auf die beiden vorgenannten Urteile des 7. und des 8. Senats die Rechtsprechung fortentwickelt und zusammengefasst: "Danach ist einer Globalanmeldung die Anerkennung nicht zu versagen, wenn die Anmeldung selbst und die dazugehörigen Anlagen zu bestimmten Vermögensgegenständen führen und damit die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Satz 1 und § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG erfüllen (UA Rn. 20).

Diese rechtlichen Anforderungen hat das Verwaltungsgericht nicht hinreichend beachtet. Es hat zu geringe Anforderungen an die Konkretisierung des angemeldeten Vermögensgegenstandes aufgestellt.

Zwar kann sich die Konkretisierung auch aus den bei der Oberfinanzdirektion (OFD) B. geführten Rückerstattungsakten ergeben, auf die die Anmeldung 3 der Beigeladenen Bezug genommen hatte. Das setzt aber voraus, dass aus ihnen ein bestimmter Vermögenswert und ein Schädigungstatbestand ersichtlich sind. Während bei der Individualanmeldung in der konkreten Anmeldung die inzidente Behauptung einer Schädigung liegt, muss sich bei der Globalanmeldung ein Hinweis auf den Schädigungstatbestand ergeben, um den Vermögensgegenstand ausreichend zu konkretisieren. Dazu ist z.B. ein allgemeines Adressbuch allein zu ungenau. Sonst wären sämtliche in den in Bezug genommenen Adressbüchern genannten Grundstücke potentiell anmeldebelastet. Ein Hinführen liegt demnach nur dann vor, wenn sich aus der herangezogenen Wiedergutmachungsakte ergibt, dass ein bestimmtes Grundstück Gegenstand einer Schädigung war. Nur so handelt es sich um feststellbare Vermögenswerte i.S.d. § 2 Abs. 1 und § 2 Abs. 2 VermG. Auf solche feststellbaren Vermögenswerte bezieht sich im Übrigen ausdrücklich der Text der von der Beigeladenen im Dezember 1992 eingereichten Globalanmeldung ("auf Grund dieser uns kraft Gesetz verliehenen Eigenschaft beantragen wir hiermit 1. die Rückgabe und 2. hilfsweise die Entschädigung, wenn die Rückgabe nicht möglich oder aber gesetzlich ausgeschlossen ist, der feststellbaren Vermögenswerte i.S.d. § 2 Abs. 1 und § 2 Abs. 2 VermG ..."). Dieselbe Formulierung wird in der Anmeldung 3 aufgenommen "1. Vermögenswerte, sofern diese aus den nachfolgend aufgezählten Archiven, deren Bestände und Akten (siehe Anlage) feststellbar sind" (vgl. Abdruck der Globalanmeldungen im Urteil vom 23. Oktober 2003 - BVerwG 7 C 62.02 - Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 30 S. 38 f.).

Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht bejaht, dass die hier herangezogenen Wiedergutmachungsakten zu einem gegenständlich und örtlich näher umgrenzten Vermögensgegenstand hinführen. Zwar steht auf Grund der herangezogenen Unterlagen fest, dass Dr. S. Jude war. Aber weder der konkrete Vermögenswert noch der Entziehungstatbestand ergeben sich unter Zugrundelegung der Sicht des Empfängers einer Anmeldungserklärung aus den genannten Wiedergutmachungsakten. Sie enthalten keinen Hinweis auf eine Entziehung des in P. gelegenen streitbefangenen Grundstücks.

Die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, dass der in der eidesstattlichen Versicherung des Dr. S. vom 4. April 1957 behauptete Zwangsverkauf "des Einfamilienhauses" mit dem hier zu restituierenden Vermögenswert identisch ist, verkennt die Bedeutung des Hinführens zu dem bestimmten Vermögenswert. Aus der Entschädigungsakte ergibt sich kein Hinweis auf den streitgegenständlichen Vermögenswert und einen diesen betreffenden Entziehungstatbestand.

Zum einen spricht Dr. S. in dieser eidesstattlichen Versicherung von "meinem Einfamilienhaus" das im Frühjahr 1936 verkauft worden sein soll, wobei die Örtlichkeit nicht genannt wird. Das streitbefangene Grundstück ist bereits im Dezember 1935 verkauft worden. Zudem ist in der eidesstattlichen Versicherung zwei Sätze später von einem in B. gelegenen Grundstück (B.allee 26) die Rede, auf dem Dr. S. offenbar bis zu seiner Ausreise gewohnt hatte. Es wird daher nicht deutlich, dass es um das Einfamilienhaus in P. geht, zumal Dr. S. noch über weitere Grundstücke in B. verfügte.

Auch die im Strafverfahren von 1937 gegen den Rechtsvorgänger der Klägerin geäußerten Wendung: "Ich bestreite auf Befragen, dass der Ankauf des Patents und der Ankauf des S.Žschen Grundstücks etwas miteinander zu tun hätten", lässt aus Adressatensicht keinen Schluss auf einen bestimmten Vermögensgegenstand und Entziehungstatbestand zu. Es bleibt gerade offen, um welches S. Grundstück - von mehreren - es sich handelt. Ebenso ist unklar, wann der Zeitpunkt des Ankaufs gewesen sein soll. Auch diese Wendung hat mithin keine Anstoßfunktion und keinen Hinweischarakter. Für einen auf Grund üblicher Verwaltungsgrundsätze handelnden Sachbearbeiter war damit nicht erkennbar, dass das streitbefangene Grundstück anmeldebelastet war. Dementsprechend ist es auch erklärlich, dass in dem zuvor durchgeführten Investitionsvorrangverfahren niemand daran dachte, dass im vorliegenden Fall eine Globalanmeldung der Beigeladenen für das streitbefangene Grundstück in Betracht käme.

Das vom Verwaltungsgericht angeführte allgemeine Adressbuch von P., das seitens der Beigeladenen vorgelegt wurde, erfüllt die notwendige Anstoß- und Hinweisfunktion nicht. Es belegt indiziell vielmehr nur, dass Dr. S. 1928 Eigentümer des streitbefangenen Grundstücks war. Es führt aber nicht zu einem Hinweis, dass ein Entziehungs- oder Schädigungstatbestand hinsichtlich eines Grundstücks eines jüdischen Eigentümers vorliegt.

Nach allem führt damit die Globalanmeldung der Beigeladenen und die dazugehörigen Anlagen nicht zu einem bestimmten Vermögensgegenstand und erfüllt damit nicht die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Satz 1 und § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG, so dass die Berechtigung der Beigeladenen abschließend zu verneinen ist.

Dem Senat ist eine abschließende Entscheidung in der Sache verwehrt, da das Verwaltungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt her konsequent - bisher nicht geprüft hat, ob das Herausgabeverlangen der Klägerin zu Recht besteht, weil ihr Vater und Rechtsvorgänger einer Schädigung nach § 1 Abs. 6 VermG ausgesetzt war und ob ggf. einer Rückübertragung Ausschlussgründe entgegenzusetzen sind. Das nötigt den Senat zur Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

Zurück