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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 13.12.2005
Aktenzeichen: BVerwG 8 C 13.04
Rechtsgebiete: VermG
Vorschriften:
VermG § 5 Abs. 1 Buchst. a |
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
BVerwG 8 C 13.04
Verkündet am 13. Dezember 2005
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf und Golze, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Postier
für Recht erkannt:
Tenor:
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 5. Januar 2004 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Rückübertragung zweier in K. gelegener Grundstücke mit einer Gesamtgröße von 2 605 m². Auf den Grundstücken befindet sich ein Gebäude, das ehemals als Villa, später als Wohnhaus für mehrere Familien diente. Im Grundbuch von K. war seit 1949 Frau C.F. als Eigentümerin der streitgegenständlichen Flurstücke 180 und 181 der Flur 4, Blatt 1689 eingetragen. Deren Erbeserbin ist die Beigeladene.
Anfang der 50iger Jahre verließ die damalige Eigentümerin die DDR. Ab 1955 beherbergte das Gebäude eine Kinder-Tageskrippe. 1962 gelangten die Flurstücke in Anwendung von § 6 der Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten vom 17. Juli 1952 in staatliche Verwaltung, die zunächst beim Rat der Stadt K. lag. 1969 ging die Verwaltung auf den VEB Kommunale Wohnungsverwaltung N. und ab 1976 auf den VEB Gebäudewirtschaft K. über. Seit 1975 wurde das Gebäude zusätzlich als Kinderheim zur Dauerunterbringung und nach Auslagerung der Kinderkrippe im Jahre 1987 ausschließlich als Kinderheim genutzt.
Während der staatlichen Verwaltung wurden für die Grundstücke vier Aufbauhypotheken und Aufbaugrundschulden mit einem Nominalwert von insgesamt 66 100 M bestellt. Eine weitere, bereits 1961 bestellte Aufbaugrundschuld besaß einen Nominalwert von 9 400 M.
Ein Wertgutachten vom 11. November 1979 ergab, dass der Ertragswert des Grundstücks den Bodenwert von 5 200 M unterschritt. Ein Sachwert für das Gebäude war nicht ermittelt worden. Auf Antrag des Rates der Stadt K. wurden die Grundstücke mit Bescheid des Rates des Kreises N. vom 20. Februar 1981 gemäß § 14 des Aufbaugesetzes der DDR in Anspruch genommen und in Volkseigentum überführt. Zuvor hatten sie im Register der Aufbaugebiete beim Bezirksbauamt Potsdam Aufnahme gefunden. Zum Rechtsträger wurde der Rat der Stadt K. eingesetzt. Mit Feststellungsbescheid vom 15. September 1983 wurde zugunsten der Alteigentümerin eine Entschädigung in Höhe von 5 200 M festgesetzt. Dieser Betrag entsprach dem durch einen Sachverständigen festgestellten Verkehrswert der Grundstücke. Die festgesetzte Entschädigung wurde mit den dinglich gesicherten Forderungen verrechnet. 1986 verstarb die ursprüngliche Eigentümerin Frau C.F. Sie wurde von der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, Frau I.L., beerbt. Die Rechtsvorgängerin beantragte am 26. Mai 1991 die Rückübertragung der Grundstücke.
Mit Vermögenszuordnungsbescheid vom 13. August 1992 wies die Oberfinanzdirektion Cottbus das Eigentum an den Grundstücken dem Rechtsvorgänger des Klägers, dem Landkreis N., zu, der das Gebäude in der Folgezeit als Einrichtung der Jugendhilfe zur Unterbringung von Kindern und Jugendlichen nutzte.
Der Kläger stellte in seinem Bescheid vom 21. Juni 1995 als Amt zur Regelung offener Vermögensfragen die Berechtigteneigenschaft der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen fest, lehnte aber zugleich die Rückübertragung der Grundstücke ab. Eine Rückübertragung entfalle wegen § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG, da eine Änderung der Nutzungsart vorliege. Das Gebäude habe ursprünglich zu Wohnzwecken gedient, beherberge aber seit 1975 ein Kinderheim. Die Änderung der Nutzungsart sei auch mit einem erheblichen baulichen Aufwand einhergegangen, da in der Zeit von 1973 bis 1987 für Umbaumaßnahmen zur Verbesserung der Nutzungsmöglichkeiten ein Betrag von insgesamt 150 800 M aufgewandt worden sei. Es bestehe auch ein ernsthaftes öffentliches Interesse am Fortbestand der bisherigen Nutzung, was daran zu erkennen sei, dass nach 1991 etwa eine Million DM in das Gebäude investiert worden sei.
Der Widerspruch der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen hatte Erfolg. Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen hob mit Widerspruchsbescheid vom 24. August 1998 den angegriffenen Bescheid auf und übertrug das Eigentum an den streitbefangenen Grundstücken auf die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es könne dahinstehen, ob eine Nutzungsänderung im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG vorliege, da jedenfalls im Zeitpunkt des Vermögensverlustes die Voraussetzungen der Vorschrift nicht vorgelegen hätten. Es müsse bei der Anwendung der genannten Norm auf den Zeitpunkt des Eigentumsentzuges abgestellt werden. Eine bereits vor der Schädigung nach § 1 VermG erfolgte Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse der Vermögenswerte könne den gesetzlichen Ausschlusstatbestand nicht begründen.
Mit seiner am 25. September 1998 erhobenen Klage hat der Kläger der im Widerspruchsbescheid vertretenen Rechtsauffassung widersprochen und u.a. vorgetragen, dass in solchen Fällen, in denen die staatliche Verwaltung später in eine Enteignung münde, bereits die Anordnung der Verwaltung als Zeitpunkt des Vermögensverlustes angesehen werden müsse.
Mit Urteil vom 5. Januar 2004 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Ein Restitutionsausschluss nach § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG scheide aus. Zwar sei die frühere Nutzung der Grundstücke zu Wohnzwecken geändert worden, doch habe die Umnutzung in dem maßgeblichen Umfang bereits vor der Begründung von Volkseigentum stattgefunden. Die genannte Norm knüpfe als Regelung der nachträglichen Unmöglichkeit nur an solche Veränderungen an, die einen bereits entzogenen Vermögenswert beträfen. Die Norm stelle auf die Schädigung als das Ereignis ab, welches die anfängliche von der nachträglichen Unmöglichkeit scheide und den grundsätzlichen Risikoübergang bewirke. Die staatliche Verwaltung könne nicht als solches Schädigungsereignis gelten, da das Vermögensgesetz zwischen Schädigungstatbeständen unterscheide, die eine Restitution ermöglichten und solchen, wie die staatliche Verwaltung im Sinne des § 1 Abs. 4 VermG, die lediglich zu einer Aufhebung führten. Die Ausschlusstatbestände der §§ 4 und 5 VermG würden allein an die mögliche Rechtsfolge einer Restitution anknüpfen. Seit der Umnutzung der Grundstücke zur Kinderbetreuung im Jahre 1955 sei aber das Objekt in gleicher Weise geprägt gewesen. Deshalb sei der Umfang der Baumaßnahmen nach 1980 auch unerheblich.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der klagende Landkreis die Verletzung des materiellen Rechts durch das Verwaltungsgericht.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 5. Januar 2004 und den Widerspruchsbescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 24. August 1998 aufzuheben.
Der Beklagte und die Beigeladene, die jeweils das angefochtene Urteil verteidigen, beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision des Klägers ist mit dem Ergebnis der Zurückverweisung begründet (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Das angefochtene Urteil verletzt mit seiner entscheidungstragenden Annahme, § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG setze voraus, dass die maßgebliche mit erheblichem Aufwand verbundene Veränderung des Grundstücks oder Gebäudes in ihrer Nutzungsart oder Zweckbestimmung erst nach Verwirklichung eines Schädigungstatbestandes nach § 1 Abs. 1 bis 3 und 6 VermG erfolgt sein darf, Bundesrecht (1.). Da mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen derzeit nicht beurteilt werden kann, ob das gesetzliche Merkmal des erheblichen baulichen Aufwandes erfüllt ist, und auch nicht abschließend geklärt ist, ob ein öffentliches Interesse an der zukünftigen Nutzung der vollständigen Grundstücksfläche besteht, ist die Sache an das Verwaltungsgericht zur weiteren Sachaufklärung zurückzuverweisen (2.).
1. Das angefochtene Urteil beruht auf der Annahme, der Restitutionsausschlussgrund des § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG setzte voraus, dass die mit einem erheblichen baulichen Aufwand verbundene Veränderung nach Entziehung des Vermögensgegenstandes erfolgt sein muss. Diese Auffassung verstößt gegen § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG.
Das Verwaltungsgericht ist zunächst davon ausgegangen, dass die Berechtigung der Beigeladenen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG bereits festgestellt ist, weil die Grundstücke einer schädigenden Maßnahme unterlagen und ihr damit als Berechtigte im Sinne des § 2 Abs. 1 VermG dem Grunde nach ein Entschädigungsanspruch zusteht. Dagegen ist revisionsrechtlich nichts einzuwenden. Da die Berechtigtenfeststellung von keinem Beteiligten angegriffen wurde, ist sie bestandskräftig.
Eine an Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik sowie Sinn und Zweck orientierte Auslegung des § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG ergibt, dass auch vor dem eigentlichen Enteignungsakt liegende Veränderungen am Grundstück oder Gebäude in ihrer Nutzungsart oder Zweckbestimmung, sofern sie mit einem erheblichen baulichen Aufwand verbunden sind, den Restitutionsausschluss rechtfertigen können. Bei der Wortlautbetrachtung fällt auf, dass im Gegensatz zur Regelung in § 5 Abs. 2 VermG, der auf maßgebliche tatsächliche Umstände am 29. September 1990 abstellt, in § 5 Abs. 1 VermG kein zeitliches Kriterium für die von dieser Norm erfassten Nutzungsänderungen aufstellt. In welcher zeitlichen Reihenfolge also eine Nutzungsänderung im Verhältnis zum Tatbestand der Enteignung des Alteigentümers zu erfolgen hat, lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen. Wenn der Gesetzgeber den Rechtsstandpunkt des Verwaltungsgerichts hätte einnehmen wollen, hätte er ohne weiteres im Gesetzeswortlaut klarstellen können, dass nur die zeitlich nach dem Enteignungsakt eingetretenen Veränderungen des Grundstücks oder des Gebäudes zu einem Restitutionsausschluss führen sollten.
Auch die Entstehungsgeschichte der §§ 4 und 5 VermG gibt keinen näheren Aufschluss zur Frage des zeitlichen Kriteriums. Die gegenwärtige Fassung des § 5 Abs. 1 VermG entspricht der Ursprungsfassung. In den Gesetzesmaterialien (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Erläuterung zu den Anlagen zum Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31. August 1990 - Einigungsvertrag - BTDrucks 11/783 S. 7) wird zu § 5 VermG ausgeführt:
"Die Vorschrift ergänzt in Form von Regelbeispielen den Ausschlusstatbestand des § 4 Abs. 1 (unmögliche Restitution). Danach wird die Unmöglichkeit der Restitution - soweit es um die Rückübertragung des Eigentums an Grundstücken und Gebäuden im Sinne des § 2 Abs. 2 geht - in folgenden Fällen gesetzlich fingiert:
a) Restitution kommt nicht in Betracht, wenn Grundstücke und Gebäude mit erheblichem baulichen Aufwand in ihrer Nutzungsart oder Zweckbestimmung verändert wurden und ein öffentliches Interesse an dieser Nutzung besteht. Hierher gehört etwa der Fall, dass in einem vom Berechtigten früher zu Wohnzwecken genutzten Gebäude nach Überführung in Volkseigentum später eine Schule, ein Kindergarten oder ein Ambulatorium eingerichtet worden ist. Schutzwürdig und damit vorrangig vor dem Restitutionsinteresse des früheren Eigentümers ist die spätere Änderung der Nutzungsart und Zweckbestimmung aber nur dann, wenn sie mit erheblichem baulichen Aufwand herbeigeführt worden ist und nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch für die Zukunft von einem öffentlichen Interesse gedeckt ist."
In welcher zeitlichen Reihenfolge sich die besagte Nutzungsänderung zum Entziehungsakt steht, lässt sich dieser Begründung nicht entnehmen. Aus den Worten "nach der Überführung in Volkseigentum" und "die spätere Änderung" folgt noch nicht das Erfordernis einer der Schädigung nachfolgenden Nutzungsänderung, denn der Gesetzgeber hat nur beispielhafte Erläuterungen ("hierzu gehört etwa der Fall") gegeben, ohne damit ein abstraktes Kriterium aufzustellen, bei welchen Lebenssachverhalten man von einem Restitutionsausschluss ausgehen kann. Selbst wenn man aber diese Wendungen als Indiz für eine zeitliche Reihenfolge ansehen wollte, wäre das noch nicht beachtlich. Denn es gilt bei einer Diskrepanz von Gesetzeswortlaut und Gesetzesbegründung allein der im Wortlaut des Gesetzes zum Ausdruck gelangte Wille des Gesetzgebers. Die Erklärungen der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten müssen sich im Gesetzestext wieder finden, wenn sie bei der Auslegung der Norm berücksichtigt werden sollen (vgl. BVerfGE 62, 1 <45>).
Was die Systematik anbetrifft, so steht § 5 VermG in unmittelbarem Zusammenhang mit § 4 VermG. Wie schon aus der Gesetzesbegründung hervorgeht, ergänzt § 5 mit seinen speziellen Ausschlussgründen den allgemeinen Ausschlussgrund des § 4 Abs. 1 VermG. Anhaltspunkte für das Bestehen einer zeitlichen Zäsur ergeben sich aus § 4 Abs. 1 VermG insoweit, als nach Abs. 1 Satz 1 die Rückübertragung ausgeschlossen ist, wenn dies von der Natur der Sache her "nicht mehr" möglich ist. Eine bestimmte zeitliche Grenze lässt sich allerdings hieraus nicht entnehmen. Die Sonderfälle des Ausschlusses einer Unternehmensrückgabe nach § 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 VermG sowie des Rückübertragungsausschlusses nach § 4 Abs. 2 VermG, der zeitliche Grenzen verwendet, ändern an dieser grundsätzlichen Wertung nichts. In systematischer Hinsicht stellt § 5 ebenso wie § 4 VermG einen Einwendungstatbestand gegenüber der Geltendmachung des Rückübertragungsanspruchs dar. Zum Bestehen des Rückübertragungsanspruchs gehören gemäß § 1 VermG bestimmte Schädigungstatbestände. Diese sind auf der Ebene des Bestehens eines Anspruchs zu prüfen. Sie haben notwendigerweise bei der Frage, ob gegen einen derartigen Anspruch eine den Anspruch vernichtende Einwendung besteht, soweit es um die Rückübertragung geht, keine rechtliche Bedeutung. Vielmehr sind die Voraussetzungen für einen Restitutionsausschluss, unabhängig von den Voraussetzungen des ursprünglich geltend gemachten Anspruchs, sofern man die Grundsätze der allgemeinen Systematik zugrunde legt.
Den entscheidenden Gesichtspunkt für die Auslegung des § 5 Abs. 1 VermG in Bezug auf die Zeitpunktfrage erbringt die an Sinn und Zweck der Norm orientierte Auslegung. Sie führt dazu, dass schon mit der förmlichen Anordnung der staatlichen Verwaltung, der später der eigentliche Entziehungsakt nachfolgt, der maßgebliche Zeitpunkt für die Berücksichtigung von Grundstücks- und Gebäudeveränderungen gegeben ist. Denn bereits mit dem Verlust der Verfügungsbefugnis hat der ursprünglich Berechtigte keine Möglichkeit mehr, Veränderungen zu verhindern. Der nach den DDR-Bestimmungen verfügungsberechtigte staatliche Verwalter hatte das Recht, seinerseits die für § 5 Abs. 1 VermG relevanten Veränderungen des Grundstücks oder des Gebäudes schon endgültig ins Werk zu setzen. Die reale, faktische Schädigung des Eigentümers tritt damit schon mit der förmlichen Anordnung der staatlichen Verwaltung ein. Sie vollendet sich allerdings erst später bei der endgültigen Entziehung des Vermögenswertes. Mit baulichen Maßnahmen einhergehende Veränderungen des Grundstücks und des Gebäudes im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG sollen damit, auch wenn sie vor Eintreten des endgültigen Entziehungstatbestandes erfolgten, nach Sinn und Zweck der Regelung einen Restitutionsausschluss rechtfertigen.
Gemeinsamer Zweck der in § 5 Abs. 1 VermG geregelten Ausschlusstatbestände ist es, bestimmte rechtliche oder tatsächliche Veränderungen der Nutzungsart oder Zweckbestimmung eines entzogenen Grundstücks oder Gebäudes nicht dadurch infrage zu stellen, dass die früheren Eigentumsverhältnisse wieder begründet werden. Der Vorschrift liegt die gesetzliche Wertung zugrunde, dass an der Aufrechterhaltung solcher Veränderungen ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht. § 5 Abs. 1 VermG setzt den Eckwert Nr. 3 a) der Gemeinsamen Erklärung der beiden deutschen Regierungen zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990 um, in dem diese Zielrichtung bereits deutlich zum Ausdruck kommt (Urteil vom 1. Dezember 1995 - BVerwG 7 C 27.94 - BVerwGE 100, 77 <80> = Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 6 S. 10 <12>). Dieser Eckwert gibt die Zielrichtung vor. Er geht zwar davon aus, dass grundsätzlich enteignetes Grundvermögen an die ehemaligen Eigentümer oder Berechtigten zurückzugeben ist, sieht aber die Berücksichtigung der unter Buchstabe a genannten Fallgruppen vor. In diesen Fällen wird unter den Voraussetzungen des Entschädigungsgesetzes eine Entschädigung geleistet. Sinn und Zweck der Restitutionsausschlusstatbestände ist somit, dass die noch während des Bestehens der DDR eingetretenen rechtlichen oder tatsächlichen Veränderungen der Grundstücksnutzung und der Zweckbestimmung des Grundstücks zu respektieren sind, womit dem öffentlichen Interesse an der Beibehaltung der während der Existenz der DDR eingetretenen Veränderungen der Vorrang vor dem privaten Interesse an der Rückgabe eingeräumt wird. Es ist damit auf solche rechtlichen oder tatsächlichen Veränderungen der jeweiligen Grundstücks- oder Gebäudesituation abzustellen, die zur Zeit der Herrschaft der Rechtsordnung der DDR eingetreten sind (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2002 - BVerwG 8 C 1.01 - a.a.O.).
Mit diesem generellen Schutzzweck der Restitutionsausschlussnorm des § 5 VermG ist es vereinbar, dass nicht nur die zeitlich nach dem Eigentumsverlust eingetretenen Veränderungen an der Grundstücks- oder Gebäudesituation berücksichtigt werden, sondern auch solche, die während des Bestehens einer förmlich angeordneten staatlichen Verwaltung erfolgt sind.
Dementsprechend hat die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts von Anfang an die Auffassung vertreten, dass sich in den Restitutionsausschlusstatbeständen des § 5 Abs. 1 VermG die Absicht des Gesetzgebers widerspiegelt, bestimmte tatsächliche oder rechtliche Veränderungen der Nutzungsart oder Zweckbestimmung eines Grundstücks oder Gebäudes, an deren Aufrechterhaltung ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht, nicht durch die Wiederbegründung der früheren Eigentumsverhältnisse in Frage zu stellen. § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG sieht daher nach Art eines Auffangtatbestands vor, dass solche Grundstücke oder Gebäude keiner Rückgabepflicht unterliegen, an deren geänderter Nutzung gerade im Hinblick auf hierfür erfolgte bauliche Investitionen ein gesteigertes öffentliches Interesse besteht. Geschützt ist dabei nicht die geänderte Nutzung um ihrer selbst willen, sondern wegen des für sie betriebenen Investitionsaufwands, der nicht auf Grund der Rückgabe wertlos werden soll. Daraus folgt, dass es nur um einen baulichen Aufwand gehen kann, der gerade wegen der bestimmten Nutzungsänderung betrieben wurde (vgl. zur stRspr des BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2001 - 8 C 32.99 - Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 27; Urteil vom 30. November 1995 - 7 C 55.94 - Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 5; Urteil vom 19. November 1998 - 7 C 5.98 - Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 18; Urteil vom 25. September 2002 - 8 C 25.01 - BVerwGE 117, 70 <71 f.>).
Die Frage nach der zeitlichen Reihenfolge vom Vorliegen des Entziehungstatbestands und der Nutzungsänderung stellt sich nur in seltenen Fällen, weil die in § 5 Abs. 1 VermG beschriebenen Nutzungsformen mit einem unangetasteten Eigentumsrecht privater Dritter in der DDR nicht vereinbar waren. Deshalb ging im Regelfall einer Nutzungsänderung die Eigentumsentziehung voraus, was insbesondere bei den Fallgruppen der Buchstaben b und c, der Widmung zum Gemeingebrauch und der Verwendung im komplexen Wohnungsbau, deutlich wird. Für die Anwendung des Auffangtatbestandes des § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG muss jedoch die schützenswerte Änderung der Nutzung nicht zwingend der Eigentumsentziehung nachfolgen. Der hinter der Regelung des § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG stehende Gedanke des sozialen Ausgleichs der öffentlichen und privaten Interessen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Februar 1999 - 1 BvR 1579/95 - in VIZ 1999, 468 <469>) führt dazu, dass der Ausschluss der Rückübertragung von Vermögenswerten, unabhängig vom Zeitpunkt der Entziehung der Grundstücks- oder Gebäudesituation gerechtfertigt ist, wenn den gegen eine Rückübertragung streitenden Interessen höheres Gewicht zukommt. Den Interessen des ursprünglichen Eigentümers kommt jedenfalls dann kein höheres Gewicht zu, wenn er schon keinerlei Einfluss mehr auf die Veränderung der Nutzung der Grundstücks- oder Gebäudesituation haben konnte. Dies ist dann der Fall, wenn er bereits die Verfügungsbefugnis über das Grundstück verloren hatte und damit aus der Sicht des ursprünglichen Eigentümers die später erfolgte Nutzungsänderung in aller Regel nicht mehr korrigierbar war und wirtschaftlich ein nicht mehr ihm gehöriges Grundstück geprägt hat. Der seltene Ausnahmefall einer freiwilligen Rückkehr des Flüchtlings in die DDR, die zur Wiederherstellung der früheren Eigentumslage führen konnte, ist hier ebenso zu vernachlässigen wie die immerhin denkbare Härtefallentscheidung durch den staatlichen Verwalter.
Auch wenn die staatliche Verwaltung auf Grund der Regelung in § 1 Abs. 4 i.V.m. § 2 Abs. 4 VermG als eine eigenständige Schädigungsmaßnahme im Sinne des Vermögensgesetzes anzusehen ist, die noch zu keiner endgültigen Entziehung des Vermögenswertes führte, setzt die Schädigung, die letztlich in den Entziehungsakt einmündete, bereits mit der förmlichen Anordnung der staatlichen Verwaltung an. Mit der Anordnung der staatlichen Verwaltung kommt es bereits zur weitgehenden Entziehung der Eigentümerbefugnisse. Das geht aus den Anweisungen der DDR Stellen vom 18. Juli 1952 zur Verordnung vom 17. Juli 1952 (vgl. Nr. 3.5.1 ff. der RWS-Dokumentation 7 - Enteignung und offene Vermögensfragen in der ehemaligen DDR, Band 1) hervor. Dort sind die Befugnisse des staatlichen Verwalters niedergelegt, die bis zur Verwertung der betroffenen Gegenstände reichten (vgl. insbesondere III. der Richtlinien für die Räte der Städte und Gemeinden vom 1. September 1952 - 3.5.3 der RWS-Dokumentation). Ein Mitspracherecht war bei diesen Angelegenheiten ausgeschlossen. Es waren ausschließlich verschiedene Behörden, wie etwa der Rat des Kreises, zu beteiligen. Die formal gesehen vorläufige staatliche Verwaltung konnte von dem Eigentümer auch nicht mehr abgewendet werden, abgesehen vom Ausnahmefall, dass er als ehemaliger DDR-Flüchtling wieder in die DDR zurückgekehrt wäre. Die staatliche Verwaltung endete in der Regel mit der Veräußerung und damit der Entziehung des Vermögenswertes an private Dritte, der Überführung in Volkseigentum oder zumindest mit der Übernahme in landwirtschaftliche Bodenfonds, ohne dass der ursprüngliche Eigentümer jemals seine Befugnisse zurückerlangt hätte.
Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass im vorliegenden Fall schon vor dem förmlichen Entziehungsakt nach dem Aufbaugesetz erhebliche Investitionen auf dem Grundstück getätigt wurden. Auch wenn man diese durch den Eintrag der Aufbauhypotheken zunächst zu Lasten der eingetragenen Eigentümerin durchführte, entfiel das Investitionsrisiko für die Stellen der DDR, weil von dem Verbleib des Grundstücks im staatlichen Bereich auszugehen war.
Soweit der Senat in dem Urteil vom 25. Mai 2005 - BVerwG 8 C 6.04 - (ZOV 2005, 309 - zur Veröffentlichung in Buchholz unter 428 § 1 Abs. 8 VermG vorgesehen) ausgeführt hat, dass die Restitution nicht ausgeschlossen ist, wenn vor dem schädigenden Ereignis mit erheblichem baulichen Aufwand die Nutzungsart oder Zweckbestimmung verändert worden ist, da diese Norm nur einschlägig ist, wenn die Nutzungsart oder Zweckbestimmung des betreffenden Grundstücks oder Gebäudes im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vermögensgesetzes am 29. September 1990 nicht mehr dieselbe wie im Zeitpunkt des Vermögensverlustes war, steht das nicht in Widerspruch mit der jetzigen Entscheidung. Denn im vorliegenden Fall setzte die Schädigung bereits durch die förmliche Anordnung der staatlichen Verwaltung im Jahre 1962 an und mündete in den endgültigen Entzug des Eigentums durch den Bescheid des Rates des Kreises N. vom 20. Februar 1980 gemäß § 14 des Aufbaugesetzes ein.
2. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Zum einen hat das Verwaltungsgericht bisher keine Tatsachen zu dem Merkmal des erheblichen baulichen Aufwandes festgestellt. Zum anderen hat das Verwaltungsgericht nicht geprüft, ob im vorliegenden Fall die Rückgabe von Teilflächen in Betracht kommt, die dem durch § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG geschützten öffentlichen Interesse nicht dienen.
Bisher hat das Verwaltungsgericht nicht hinreichend festgestellt, mit welchem baulichen Aufwand die streitbefangenen Grundstücke und das Gebäude in ihrer Nutzungsart oder Zweckbestimmung verändert worden sind. Wenn ein erheblicher baulicher Aufwand festgestellt wird, so spricht manches dafür, dass auch eine Änderung der Zweckbestimmung des bisher als Kinderkrippe genutzten Wohnhausgrundstücks eingetreten ist. Denn die Umwandlung der Kinderkrippe zu einem Kinderheim stellt sich als Änderung der Zweckbestimmung dar. Nach der förmlichen Anordnung der staatlichen Verwaltung ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts eine Veränderung der Hausgrundstücke zumindest in ihrer Zweckbestimmung eingetreten durch die (Teil-) Umwandlung der Kindertageskrippe in ein Kinderheim mit Dauerunterbringung.
Mit der Einrichtung von dauerhaft zum Nachtschlaf geeigneten Räumen, Wasch- und Sanitärräumen sowie Aufenthalts- und Bereitschaftsräumen für das Personal, die auch in der Nachtzeit nutzbar sind, wird der Unterschied der Zweckbestimmung zu einer Kinderkrippe, die nur zu einer zeitweisen Nutzung des Gebäudes führt, besonders deutlich.
Das Verwaltungsgericht hat auch keine Tatsachen zu der Frage festgestellt, in welchem Maße die Räumlichkeiten nach 1975 noch als Kinderkrippe genutzt worden sind, insbesondere auch nicht, ob der Kinderheimanteil des Gebäudes schon überwog. Ob die Umwandlung zu einem Kinderheim mit einem erheblichen baulichen Aufwand verbunden war, ist bisher ebenso wenig ermittelt worden. Dafür sprechen die in den Verwaltungsvorgängen vorhandenen Zeichnungen für den Umbau des Kellers des Hauses, in dem verschiedene neue Räumlichkeiten zu einer dem Kinderheim dienenden Nutzung vorgesehen waren (vgl. Bl. 97 ff. der Beiakte). Wann die insgesamt 36 verschiedenen Räumlichkeiten in dem streitbefangenen Gebäude eingerichtet wurden, möglicherweise durch Abtrennung verschiedener größerer Räume, ist bisher nicht festgestellt worden.
Die vorgelegten Verwaltungsvorgänge enthalten zwar eine Vielzahl von Planungsunterlagen, Rechnungen und sonstigen Hinweisen auf konkrete Baumaßnahmen und deren Kosten, sie ermöglichen dem Senat aber keine hinreichende Klärung des Merkmals des erheblichen baulichen Aufwandes. Insbesondere kann den Unterlagen nicht entnommen werden, ob es sich um einen echten baulichen Aufwand im Zusammenhang mit der eingetretenen Veränderung der Zweckbestimmung oder der Nutzungsart handelt. Das Verwaltungsgericht wird gegebenenfalls mit Hilfe eines Sachverständigen die notwendigen Tatsachen feststellen müssen.
Im Hinblick auf die Rechtsprechung zum öffentlichen Interesse an einer zukünftigen Nutzung der Grundstücke, also nach dem Stichtag des 29. September 1990 (vgl. § 5 Abs. 2 VermG), wird das Verwaltungsgericht in Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 25. September 2002 - BVerwG 8 C 25.01 - BVerwGE 117, 70, <72 f.>) zu prüfen haben, welche und auf welchen Grundstücksteilen die im öffentlichen Interesse schützenswerte Grundstücksnutzung erfolgt. Insofern wird zu klären sein, ob der Restitutionsausschlussgrund des § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG die Rückgabe der beiden Hausgrundstücke erfasst oder wenigstens die Rückgabe von Teilflächen, die dem durch § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG geschützten öffentlichen Interesse nicht dienen, also von der geänderten Nutzung nicht erfasst oder für sie benötigt werden (Urteil vom 28. Februar 2001 - BVerwG 8 C 32.99 - Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 27), möglich ist.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 159 829,84 € festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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