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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 17.05.2000
Aktenzeichen: BVerwG 8 C 16.99
Rechtsgebiete: VermG, EGBGB
Vorschriften:
VermG § 1 Abs. 7 | |
VermG § 1 Abs. 8 Buchst. a | |
VermG § 4 Abs. 2 | |
VermG § 4 Abs. 3 | |
EGBGB Art. 233 § 11 Abs. 2 |
Die Bestimmungen des russischen Rehabilitierungsgesetzes sind andere Vorschriften im Sinne von § 1 Abs. 7 VermG (wie Urteil vom 25. Februar 1999 - BVerwG 7 C 9.98 - BVerwGE 108, 315 = Buchholz 428 § 1 Abs. 7 VermG Nr. 1).
Die Einziehung von Vermögenswerten durch ein sowjetisches Strafurteil kann durch eine Rehabilitierungsbescheinigung der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation im Sinne des § 1 Abs. 7 VermG "aufgehoben" werden, auch wenn das russische Gesetz keine förmliche Aufhebung des Urteils, sondern nur eine Rehabilitierung des Betroffenen vorsieht.
Die Rückübertragung von Vermögenswerten aufgrund einer russischen Rehabilitierungsentscheidung setzt voraus, daß diese wirksam ist und ihr zu entnehmen ist, daß (auch) die Vermögenseinziehung als rechtsstaatswidrig angesehen wird und keinen Bestand haben soll.
Die Zuteilung von Bodenreformeigentum ist ein Erwerb im Sinne von § 4 Abs. 2 VermG.
Ist der jetzige Eigentümer eines Bodenreformgrundstücks Erbe des Neubauern, ist entscheidend, ob der Neubauer bei Zuteilung des Grundstücks redlich war.
Gehört ein Grundstück einer Erbengemeinschaft, kann jeder Miterbe den die Rückübertragung des Grundstücks anordnenden Bescheid anfechten.
Urteil des 8. Senats vom 17. Mai 2000 - BVerwG 8 C 16.99 -
I. VG Potsdam vom 14.12.1998 - Az.: VG 9 K 2229/97 -
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
BVerwG 8 C 16.99 VG 9 K 2229/97
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. Mai 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf, Krauß, Golze und Postier
für Recht erkannt:
Tenor:
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 14. Dezember 1998 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.
Gründe:
I.
1990 beantragte der Beigeladene die Rückübertragung des Grundstücks E.-Straße 187 in Werder/Havel. Ursprünglich war sein Vater, Karl A. sen., Eigentümer des Grundstücks. Der Beigeladene ist Erbeserbe seines Vaters.
Karl A. sen. wurde 1946 von der sowjetischen Besatzungsmacht verhaftet und vom "Militärtribunal der rückwärtigen Dienste bei der Gruppe der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland" zum Tode durch Erschießen verurteilt. Er starb 1947 im Militärgefängnis Bautzen. Der streitgegenständliche Grundbesitz wurde im Zusammenhang mit der Verurteilung enteignet. In einem Schreiben des Landrates des Kreises Zauch/Belzig aus dem Jahre 1948 an die Mutter des Beigeladenen heißt es: "Das Grundstück ihres Ehemannes Karl A. ist durch Beschluß eines sowjetischen Kriegstribunals entschädigungslos enteignet worden und ist an den Bodenfonds zur Aufteilung vergeben worden."
Ebenfalls 1948 wurde Otto N., dem Vater des Klägers, das streitbefangene Grundstück als Bodenreformeigentum übertragen. Otto N. verstarb 1981. Aufgrund eines von ihm und seiner Ehefrau, der Mutter des Klägers, errichteten "Berliner Testaments" wurde diese im Mai 1992 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. In dem Testament setzten sich die Eheleute gegenseitig zum alleinigen Erben ein und bestimmten, daß Erben des zuletzt Versterbenden der Kläger und sein Bruder Heinz N. zu gleichen Teilen sein sollten. Auch ist das streitbefangene Grundstück Gegenstand eines Vorausvermächtnisses zugunsten des Klägers. Überdies schenkte die Mutter des Klägers diesem das streitbefangene Grundstück mit notariellem Vertrag vom September 1991.
1995 wurde Karl A. sen. auf Antrag des Beigeladenen durch die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation - Hauptmilitärstaatsanwaltschaft - rehabilitiert. In dem Bescheid, in dem die Verurteilung durch das Militärtribunal und das Strafmaß genannt werden, heißt es: "Nach § 3 des Gesetzes der Russischen Föderation 'über die Rehabilitierung von Opfern politischer Repressalien' vom 18. Oktober 1991 wurde der Bürger Karl A. rehabilitiert."
Mit Bescheid vom 29. Februar 1996 übertrug daraufhin der Beklagte das Grundstück an den Beigeladenen zurück. Zur Begründung führte er aus, der Tatbestand des § 1 Abs. 7 VermG sei infolge der russischen Rehabilitierung erfüllt. Ein redlicher Erwerb komme nicht in Betracht, da der Erwerb nicht durch Rechtsgeschäft erfolgt sei. Den vom Kläger und seiner Mutter erhobenen Widerspruch wies das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen zurück. Es bestehe - so die Begründung - ein Anspruch nach § 1 Abs. 7 VermG. Die russische Rehabilitierung habe sich nicht nur auf die Person des Vaters des Beigeladenen bezogen, sondern auch auf die mit der Verurteilung ausgesprochene Konfiskation seines Vermögens. Eine gesonderte Enteignung im Rahmen der Bodenreform habe hier nicht vorgelegen. Vielmehr sei das durch die Besatzungsmacht enteignete Vermögen dem Bodenfonds übergeben und dann neu verteilt worden. Restitutionsausschlußgründe lägen nicht vor.
Hiergegen haben der Kläger und seine Mutter Klage erhoben. Zur Begründung haben sie im wesentlichen ausgeführt: Die Mutter des Klägers habe aufgrund eines rechtsstaatlichen Aktes das Eigentum an dem streitbefangenen Grundstück erworben. Es sei zweifelhaft, ob die Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation staatsrechtlich berechtigt sei, eine Entscheidung zum Nachteil der Kläger zu treffen. Zumindest dürfe diese keine Auswirkung auf die vermögensrechtliche Situation haben.
Im Oktober 1998 verstarb die Mutter des Klägers.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 14. Dezember 1998 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt: Das Vermögensgesetz sei infolge der russischen Rehabilitierungsentscheidung anwendbar. Ein redlicher Erwerb liege nicht vor, da diese einen rechtsgeschäftlichen Erwerb voraussetze. Unabhängig davon sei die Mutter des Klägers nicht Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes geworden, da Bodenreformeigentum nach den Besitzwechselverordnungen nicht vererbbar gewesen sei. Die vermögensrechtliche Regelung gehe einem eventuellen Erwerb nach Art. 233 EGBGB vor. Auch Ausschlußgründe nach § 5 VermG seien nicht gegeben. Der Kläger sei nicht klagebefugt, da er nicht Eigentümer geworden sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Klägers, der die Verletzung materiellen Rechts rügt und beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 14. Dezember 1998 und den Bescheid des Beklagten vom 29. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Februar 1997 aufzuheben und die Zuziehung des Prozeßbevollmächtigten des Klägers für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte und der Beigeladene treten der Revision entgegen. Beide beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Der Oberbundesanwalt beteiligt sich am Verfahren.
II.
Die zulässige Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Da die Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts für eine abschließende Entscheidung über die Klage nicht ausreichen, muß der Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen werden (§ 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO).
1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Kläger klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO). Eigentümer und damit Verfügungsberechtigter im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 VermG des streitbefangenen Grundstücks ist heute die aus dem Kläger und seinem Bruder Heinz N. bestehende Erbengemeinschaft. Die Brüder sind Erben zu je ein Halb ihrer im Oktober 1998 verstorbenen Mutter. Diese war spätestens am 22. Juli 1992 mit Inkrafttreten der durch das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz vom 14. Juli 1992 (BGBl I S. 1257) eingefügten Bestimmung des Art. 233 § 11 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 1. Alt. EGBGB als Alleinerbin ihres 1981 verstorbenen Ehemannes Otto N. Eigentümerin des Grundstücks geworden. Das nicht unter Art. 233 § 11 Abs. 1 EGBGB fallende Grundstück war im Grundbuch als Grundstück aus der Bodenreform gekennzeichnet. Bei Ablauf des 15. März 1990 war der zu diesem Zeitpunkt bereits verstorbene Otto N. als Eigentümer eingetragen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ergibt sich auch aus Art. 233 § 16 Abs. 1 Satz 1 EGBGB nichts anderes. Nach dieser Vorschrift lassen die §§ 11 bis 15 des Art. 233 EGBGB die Bestimmungen des Vermögensgesetzes unberührt. Dies vermag aber nichts daran zu ändern, daß derjenige, der Eigentum an einem Grundstück erlangt hat, einen die Rückübertragung des Grundstücks an einen Dritten aussprechenden Bescheid mit der Begründung angreifen kann, die Bestimmungen des Vermögensgesetzes seien verletzt. Auch eine etwaige Belastung des Eigentümers mit einem Auflassungsanspruch nach Art. 233 § 11 Abs. 3 EGBGB stünde dem nicht entgegen. Das gleiche gilt für den Umstand, daß der Kläger nur Miterbe des Grundstücks ist; denn die Anfechtung ist eine zur Erhaltung des Nachlasses notwendige Maßregel (§ 2038 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz BGB).
2. Ob die Klage begründet ist, läßt sich anhand der bisherigen Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht abschließend beurteilen. Zwar ist der Beigeladene Berechtigter im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG (a). Möglicherweise ist aber die Rückübertragung des Grundstücks wegen redlichen Erwerbs (§ 4 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 VermG) ausgeschlossen (b).
a) Der Beigeladene ist Berechtigter im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG; denn der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 7 VermG ist eröffnet.
Das streitgegenständliche Grundstück wurde im vorliegenden Fall unmittelbar durch das Urteil des sowjetischen Militärtribunals - und damit besatzungsrechtlich - enteignet. Nach den - in den Entscheidungsgründen enthaltenen - tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts war die Enteignung mit dem Strafurteil "verbunden". In den Behördenakten, auf die im Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen wird, befindet sich ein Schreiben des Landrates des Kreises Zauch-Belzig vom 8. März 1948 an die Mutter des Beigeladenen, in dem es heißt: "Das Grundstück ihres Ehemannes Karl A. ist durch Beschluß eines russischen Kriegstribunals entschädigungslos enteignet worden." Dafür, daß die Enteignung nicht unmittelbar durch das Urteil, sondern erst durch weitere Maßnahmen sowjetischer oder deutscher Stellen erfolgt sein könnte, gibt es keinen Anhaltspunkt.
Die Bestimmungen des russischen Rehabilitierungsgesetzes sind andere Vorschriften im Sinne von § 1 Abs. 7 VermG (vgl. Urteil vom 25. Februar 1999 - BVerwG 7 C 9.98 - BVerwGE 108, 315 <320 f.> = Buchholz 428 § 1 Abs. 7 VermG Nr. 1 S. 1 <5>).
Aufgrund dieser Bestimmungen wurde im vorliegenden Fall die rechtsstaatswidrige strafrechtliche Verurteilung des Rechtsvorgängers des Beigeladenen - einschließlich der durch das Urteil erfolgten Enteignung - im Sinne des § 1 Abs. 7 VermG "aufgehoben". In der Rehabilitierungsentscheidung der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation - Hauptmilitärstaatsanwaltschaft - wird die Verurteilung des Vaters des Beigeladenen durch das Militärtribunal genannt und ausgesprochen, daß dieser nach § 3 des Gesetzes der Russischen Föderation "über die Rehabilitierung von Opfern politischer Repressalien" vom 18. Oktober 1991 rehabilitiert wird. Das russische Rehabilitierungsgesetz sieht allgemein nicht vor, daß die für die Rehabilitierung zuständige Staatsanwaltschaft ein Strafurteil förmlich aufhebt. Für durch Strafurteil erfolgte Vermögenseinziehungen bestimmt es, daß im Anschluß an die Rehabilitierung im Gesetz genannte Behörden über die Rückgabe des Vermögens entscheiden (vgl. Art. 16 <1> des Gesetzes). Rehabilitierung bedeutet danach, daß die betroffene Person als Opfer politischer Repressionen anerkannt wird (vgl. Art. 8 <1> des Gesetzes). Diese Anerkennung genügt den an eine Aufhebung im Sinne des § 1 Abs. 7 VermG zu stellenden Anforderungen. Denn damit wird das in der sowjetischen Verurteilung liegende Unwerturteil aufgehoben und anerkannt, daß die Verurteilung rechtsstaatswidrig war.
Allerdings eröffnet nicht jede russische Rehabilitierung die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 7 VermG. Vielmehr setzt eine Rückgabe von Vermögenswerten nach Maßgabe des § 1 Abs. 7 VermG zum einen eine Entscheidung voraus, der - erforderlichenfalls im Wege der Auslegung - zu entnehmen ist, daß (auch) der jeweilige Vermögensverlust als rechtsstaatswidrig angesehen wird und daher nach dem Willen der entscheidenden Stelle keinen Bestand mehr haben soll (vgl. Urteile vom 17. April 1997 - BVerwG 7 C 15.96 - BVerwGE 104, 279 <289> = Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 26 S. 50 <58> und vom 25. Februar 1999 - BVerwG 7 C 9.98 - BVerwGE 108, 316 <322> = Buchholz 428 § 1 Abs. 7 VermG Nr. 1 S. 1 <6>). Dies ist hier der Fall. Durch das sowjetische Urteil wurde auch das Vermögen des Vaters des Beigeladenen eingezogen. Die russische Rehabilitierungsentscheidung nennt dieses Urteil und spricht - ohne jede Einschränkung - aus, daß "der Bürger Karl A. rehabilitiert" wird. Einen Zusatz, aus dem sich ergeben könnte, daß sich die Rehabilitierung auf die Todesstrafe beschränkt und die Vermögenseinziehung nicht mitumfaßt, enthält die Entscheidung nicht.
Zum anderen ist § 1 Abs. 7 VermG nur anwendbar, wenn die Rehabilitierung wirksam ist. Auch dies ist hier der Fall. Der Anwendungsbereich des russischen Rehabilitierungsgesetzes ist eröffnet (Art. 1 des Gesetzes). Der Vater des Beigeladenen wurde durch ein sowjetisches Gericht wegen eines Verbrechens verurteilt. Das Gesetz ist im vorliegenden Fall auch auf deutsche Staatsangehörige anwendbar, da die Verurteilung durch ein sowjetisches Gericht außerhalb der UdSSR aufgrund einer Anklage erging (Art. 2, 3. Abs. des Gesetzes). Der Rehabilitierungsbescheid wurde von der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation - Hauptmilitärstaatsanwaltschaft - ausgestellt. Die Organe der Staatsanwaltschaft sind zuständig für Rehabilitierungen bei sowjetischen Strafurteilen (Art. 8 des Gesetzes). Die Echtheit der Bescheinigung - die im übrigen von keinem Beteiligten in Zweifel gezogen wird - wird dadurch bestätigt, daß diese auf diplomatischem Wege an den Empfänger in Deutschland gelangt ist.
Somit ist die durch sowjetisches Strafurteil erfolgte Enteignung des Vaters des Beigeladenen durch die russische Rehabilitierungsentscheidung im Sinne des § 1 Abs. 7 VermG aufgehoben worden. Dies hat zur Folge, daß sich die Rückgabe des Vermögenswerts nach den Bestimmungen des Vermögensgesetzes richtet (vgl. Urteil vom 25. Februar 1999 - BVerwG 7 C 9.98 - a.a.O.). Der ansonsten für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher Grundlage bestehende Restitutionsausschluß des § 1 Abs. 8 Buchst. a 1. Halbsatz VermG steht dem nicht entgegen (§ 1 Abs. 8 Buchst. a 2. Halbsatz VermG).
b) Nach den Bestimmungen des Vermögensgesetzes ist die Rückübertragung des Grundstücks nur möglich, wenn sie nicht gemäß den §§ 4 oder 5 VermG ausgeschlossen ist. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts könnte im vorliegenden Fall die Rückübertragung wegen redlichen Erwerbs (§ 4 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 VermG) ausgeschlossen sein. Auch die Zuteilung von Bodenreformeigentum ist ein Erwerb im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG (aa). Bei der Prüfung der Frage, ob der Erwerb in redlicher Weise geschehen ist, ist auch bei Bodenreformeigentum auf die Zuteilung an den Erblasser und nicht etwa auf den späteren Erwerb durch Erben abzustellen (bb). Ob der Vater des Klägers bei der Zuteilung des Bodenreformeigentums im Jahre 1948 redlich war, bedarf weiterer Aufklärung (cc).
aa) Die Zuteilung von Bodenreformland aus dem Bodenfonds ist ein Eigentumserwerb im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG. Erwerb im Sinne dieser Bestimmung ist nicht nur der Erwerb durch zweiseitiges Rechtsgeschäft. Dies folgt schon daraus, daß die in § 4 Abs. 2 VermG ausdrücklich genannten dinglichen Nutzungsrechte nicht durch Rechtsgeschäft erworben, sondern durch staatlichen Hoheitsakt verliehen wurden (§§ 287 und 291 ZGB). Wie die Verleihung eines dinglichen Nutzungsrechts bedurfte die Zuteilung von Bodenreformland der Mitwirkung des Erwerbers, hinsichtlich derer die Redlichkeit geprüft werden kann.
Die Einbeziehung des hoheitlichen Erwerbs in den Restitutionsschutz des § 4 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 VermG ist auch nach dessen Sinn und Zweck geboten. Die Vorschrift dient dem Zweck, einen sozial verträglichen Ausgleich zwischen dem Interesse der Berechtigten an der Rückgabe ihrer in der DDR rechtsstaatswidrig entzogenen Vermögenswerte und dem Interesse von Bürgern der DDR herzustellen, die daran in der Zwischenzeit Eigentum oder dingliche Nutzungsrechte erworben hatten. Das Vermögensgesetz löst diesen Konflikt zugunsten des Erwerbers, sofern sein Erwerb redlich erfolgt ist. Er darf den Vermögenswert behalten, während der frühere Rechtsinhaber und seine Rechtsnachfolger auf eine Entschädigung verwiesen werden (§ 4 Abs. 2 Satz 1, § 9 VermG - vgl. Urteil vom 19. Januar 1995 - BVerwG 7 C 42.93 - BVerwGE 97, 286 <292 f.> = Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 12, S. 21 <26 f.>). Der Vorrang des redlichen Erwerbs wird durch Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes gerechtfertigt. Bürger der DDR, die aufgrund der seinerzeit bestehenden Rechtslage ordnungsgemäß Vermögenswerte erworben haben und dabei vom Fortbestehen der Staats-, Rechts- und Gesellschaftsordnung der DDR ausgehen konnten und mußten, sollen in ihrem berechtigten Vertrauen auf den Bestand des Erwerbs nicht dadurch nachträglich enttäuscht werden, daß sich in einer damals nicht vorhersehbaren Weise die politischen und rechtlichen Verhältnisse grundlegend geändert haben (vgl. Urteil vom 12. November 1993 - BVerwG 7 C 7.93 - BVerwGE 94, 279 <285> = Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 4 S. 5 <11>). Dabei ist es ohne Bedeutung, ob dieser Erwerb durch Rechtsgeschäft oder durch Hoheitsakt erfolgte.
bb) Für die Beantwortung der Frage, ob ein Erwerb redlich war, ist grundsätzlich auf den gegenwärtigen Rechtsinhaber abzustellen (vgl. u.a. Beschluß vom 23. Juni 1995 - BVerwG 7 PKH 2.94 (7 C 13.94) - Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 20 S. 47 <48 f.>). Etwas anderes gilt aber beim Erwerb durch Erbfolge; denn der Erbe tritt im Wege der Universalsukzession in die Rechtsstellung des Erblassers ein. In diesem Fall ist entscheidend, ob der Erblasser den Vermögenswert redlich erworben hat (vgl. Urteil vom 27. Oktober 1995 - BVerwG 7 C 56.94 - Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 24 S. 56 <60>). War ein Erblasser Bodenreformeigentümer, gilt nichts anderes. Dabei kann es dahinstehen, ob Bodenreformeigentum vererblich war (so BGHZ 140, 223) oder ob es nach den hier maßgeblichen Besitzwechselverordnungen vom 7. August 1975 (GBl DDR I S. 629) und vom 7. Januar 1988 (GBl DDR I S. 25) nicht unmittelbar vererbt wurde, sondern der Erbe erst durch einen konstitutiven staatlichen Übertragungsakt Eigentümer wurde (so BVerfG, VIZ 1996, 81 und BVerwG, Urteil vom 29. August 1996 - BVerwG 7 C 43.95 - Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 23 S. 30 <32>). Denn jedenfalls hat der Gesetzgeber nunmehr bei der gesetzlichen Zuordnung des Bodenreformeigentums durch Art. 233 § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EGBGB an das Erbrecht angeknüpft. Diese gesetzgeberische Entscheidung rechtfertigt es, bei der Prüfung des redlichen Erwerbs von Bodenreformeigentum in gleicher Weise auf den Erwerb durch den Erblasser abzustellen wie bei Erwerb von unbeschränktem Eigentum.
cc) Ob der Vater des Klägers bei Zuteilung des Bodenreformgrundstücks im Jahre 1948 redlich war, bedarf weiterer Aufklärung. Der Beigeladene hatte bereits im Verwaltungsverfahren angeboten, weitere Einzelheiten, aus denen sich die Unredlichkeit des Rechtsvorgängers des Klägers bei Zuteilung des Bodenreformlandes ergeben soll, nachzutragen und durch Zeugen sowie eidesstattliche Versicherungen zu belegen (vgl. Schreiben vom 10. November 1995 an das Vermögensamt). Aufgrund ihrer materiellrechtlichen Auffassung sind der Beklagte und das Verwaltungsgericht dem nicht weiter nachgegangen. Da aber die Frage, ob der Vater des Klägers bei Zuteilung des Bodenreformlandes redlich war, entscheidungserheblich ist, muß der Sachverhalt weiter aufgeklärt werden (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dazu ist der Beigeladene vom Tatsachengericht zunächst aufzufordern, seinen Sachvortrag näher zu substantiieren. Deswegen ist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
Beschluß
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 500 000 DM festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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