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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 23.02.2005
Aktenzeichen: BVerwG 8 C 17.03
Rechtsgebiete: VermG
Vorschriften:
VermG § 7 a Abs. 2 | |
VermG § 18 |
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
BVerwG 8 C 17.03
Verkündet am 23. Februar 2005
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23. Februar 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Postier und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser
für Recht erkannt:
Tenor:
Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 18. März 2003 und der Nr. 5 des Teilbescheides des Regierungspräsidiums Halle vom 26. Juni 2002 wird die Beklagte verpflichtet, der Beigeladenen die Hinterlegung eines Ablösebetrages in Höhe des umzurechnenden Nennbetrages der nach diesem Bescheid für die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte vor dem Jahr 1933 bestellten Grundpfandrechte aufzugeben.
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt von den Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen 6/20.
Die Beklagte und die Beigeladene tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu je 7/20 und ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten zu 14/20.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Verpflichtung der Beklagten, zu Lasten der Beigeladenen Ablösebeträge für untergegangene dingliche Rechte festzusetzen.
Die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte, deren Rechtsnachfolge die Klägerin insoweit geltend macht, vergab in den zwanziger und dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts Darlehen zur Schaffung von Wohnraum, zu deren Sicherung sie sich jeweils an den Baugrundstücken Hypotheken bestellen ließ. Eigentümer bzw. Erbbauberechtigte der Grundstücke waren verschiedene Wohnungsbaugesellschaften, deren Anteile von Gewerkschaften gehalten wurden. Im Rahmen der nationalsozialistischen Maßnahmen gegen die Gewerkschaften gingen die Wohnungsbaugesellschaften zunächst im Jahr 1933 in die Verwaltung der Deutschen Arbeitsfront (DAF) über und wurden später vollständig von der DAF übernommen. Das Eigentum an den Grundstücken bzw. die Erbbaurechte wurden nachfolgend auf die Gemeinnützige Aktiengesellschaft für Angestellten-Heimstätten (GAGFAH) übertragen. Zwischen 1951 und 1982 wurden die Grundstücke unter Löschung der dinglichen Belastungen in Volkseigentum überführt. Im Einzelnen geht es in diesem Verfahren um folgende untergegangene Belastungen:
1. Grundbuch von Cracau, Bl. 786
Recht Nr. 1: 597 000 GM zuzüglich Zinsen für die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte (RfA), eingetragen am 11.06.1930
Recht Nr. 2: 232 000 GM zuzüglich Zinsen für RfA, eingetragen am 11.06.1930
2. Grundbuch von Cracau, Bl. 788
Recht Nr. 1: 598 000 GM zuzüglich Zinsen für die RfA, eingetragen am 11.06.1930
Recht Nr. 2: 111 000 GM zuzüglich Zinsen für die RfA, eingetragen am 11.06.1930
Recht Nr. 3: 122 000 GM zuzüglich Zinsen für die RfA, eingetragen am 08.07.1930
3. Grundbuch von Cracau, Bl. 785
Recht Nr. 1: 614 000 GM zuzüglich Zinsen für die RfA, eingetragen am 11.06.1930
Recht Nr. 2: 240 000 GM zuzüglich Zinsen für die RfA, eingetragen am 11.06.1930
4. Erbbaugrundbuch von Cracau, Bl. 959
Recht Nr. 1: 137 000 GM zuzüglich Zinsen für die RfA, eingetragen am 14.06.1934
5. Erbbaugrundbuch von Cracau, Bl. 958
Recht Nr. 1: 51 000 GM zuzüglich Zinsen für die RfA, eingetragen am 14.06.1934
6. Grundbuch von Cracau, Bl. 790
Recht Nr. 1: 284 000 GM nebst Zinsen für die RfA, eingetragen am 11.06.1930
Recht Nr. 2: 111 000 GM nebst Zinsen für die RfA, eingetragen am 11.06.1930
7. Erbbaugrundbuch von Sudenburg, Bl. 2001
Recht Nr. 3: 28 000 GM (vormals: 56 000 GM, davon 1938 ein Teilbetrag von 28 000 GM gelöscht) nebst Zinsen für die RfA, eingetragen am 22.03.1934
8. Grundbuch von den Städtischen Feldmarken, Bl. 3670
Recht Nr. 1: 134 000 GM nebst Zinsen für die RfA, eingetragen am 11.12.1930
Recht Nr. 2: 48 000 GM nebst Zinsen für die RfA, eingetragen am 11.12.1930
9. Erbbaugrundbuch von Cracau, Bl. 1320
Recht Nr. 1: 72 000 GM nebst Zinsen für die RfA, eingetragen am 12.02.1938
10. Grundbuch von den Städtischen Feldmarken, Bl. 3621
Recht Nr. 1: 280 000 GM nebst Zinsen für die RfA, eingetragen am 29.04.1929
Recht Nr. 2: 140 000 GM nebst Zinsen für die RfA, eingetragen am 29.04.1929
11. Grundbuch von Lemsdorf, Bl. 700
Recht Nr. 1: 1 061 400 RM nebst Zinsen für die RfA, eingetragen am 24.11.1938
Recht Nr. 2: 506 000 RM nebst Zinsen für die RfA, eingetragen am 24.11.1938
Mit Ausnahme der Grundpfandrechte in den Grundbüchern von Cracau, Bl. 958, 959 und Bl. 1320 waren die Grundpfandrechte in den Jahren 1946 bis 1948 auf die Sozialversicherungsanstalt für die Provinz Sachsen oder auf die Sozialversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt umgeschrieben worden.
Im Dezember 1990 meldete der Deutsche Gewerkschaftsbund Ansprüche auf die Rückübertragung des Vermögens verschiedener Vorgängerorganisationen an, die nach mehreren Abtretungen auf die Beigeladene übergegangen sind. Die Beigeladene traf mit der Verfügungsberechtigten am 19. März 1998 eine gütliche Einigung im Sinne des § 31 Abs. 5 VermG, die die Übertragung des Eigentums an den streitbefangenen Grundstücken auf die Beigeladene vorsah. Mit bestandskräftigem Bescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 23. September 1998 wurden die gütliche Einigung festgestellt und die Grundstücke übertragen. Gleichzeitig legte der Bescheid fest, dass die Beigeladene einen überschlägig berechneten Ablösebetrag in Höhe von 6 750 000 DM beim Amtsgericht Halle zu hinterlegen habe.
Mit dem angefochtenen Teilbescheid vom 26. Juni 2002 stellte das Regierungspräsidium Halle - Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen - in Nr. 5 des Tenors fest, dass die Beigeladene keinen Ablösebetrag zu hinterlegen habe. Gleichzeitig wurde in Nr. 4 des Bescheidstenors die Verpflichtung der Beigeladenen zur Zurückzahlung von 149 789,10 € an den Entschädigungsfonds für die aus Anlass des Vermögensverlustes tatsächlich zugeflossene Gegenleistung festgesetzt. Zur Begründung hieß es, mit der Übernahme des Vermögens durch die DAF seien die dinglichen Belastungen nicht untergegangen. Die Gewerkschaften als wirtschaftliche Eigentümer seien jedoch mit dem Verlust ihrer Gesellschaftsanteile zugleich von dinglich gesicherten Verbindlichkeiten befreit worden. Parallel zur Durchgriffsrestitution nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG bestehe deshalb eine Durchgriffshaftung der Gewerkschaften. Für die Grundpfandrechte, die vor der Schädigung der gewerkschaftlichen Unternehmen eingetragen worden seien, sei deshalb gemäß § 7 a Abs. 2 VermG als Vorteilsausgleich eine Gegenleistung an den Entschädigungsfonds zu zahlen. Bei den übrigen dinglichen Rechten finde § 18 VermG Anwendung, wobei die Ablösebeträge gemäß § 18 Abs. 2 VermG pauschal zu reduzieren seien. Das führe zu einem rechnerischen Ablösebetrag von Null.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin vorgetragen, der Anwendungsbereich des § 18 Abs. 2 Satz 6 VermG sei nicht eröffnet. Zwar seien die Belastungen zeitlich nach der Schädigung der Gewerkschaften eingetragen worden. Ihnen komme jedoch kein diskriminierender oder sonst benachteiligender Charakter zu, den die Anwendung des Satzes 6 aber voraussetze. Die eingegangenen Darlehensverpflichtungen hätten den ansonsten vereinbarten vergleichbaren Darlehensgeschäften der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte entsprochen. Die Anwendung des § 7 a Abs. 2 VermG auf die vor der Schädigung bestellten Hypotheken sei nicht sachgerecht, zumindest soweit die Leistung dem Bund zugute kommen solle. Für die am 8. Mai 1945 noch nicht getilgten Forderungen aus den Darlehensverträgen hätten weder die Grundstückseigentümergesellschaft noch die DAF, das Reich oder der Bund Leistungen erbracht. Vielmehr seien die Ansprüche der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte insofern offen geblieben, so dass allein mit der Festsetzung von Leistungen zu ihren Gunsten ein sachgerechter Ausgleich geschaffen werden könne.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Tenorpunktes 5 ihres Bescheides vom 26. Juni 2002 einen Ablösebetrag gemäß § 18 Abs. 1 und 3 VermG hinsichtlich der Rückübertragung in diesem Bescheid genannten Grundstücke für die Klägerin festzusetzen, hilfsweise unter teilweiser Aufhebung des Tenorpunktes 4 die Beigeladene zu verpflichten, an die Klägerin eine aus Anlass des Vermögensverlustes tatsächlich zugeflossene Gegenleistung in Höhe von 1 273 026,22 € zu zahlen.
Die Beklagte hat unter Hinweis auf die Gründe des angefochtenen Bescheides beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene hat ebenfalls beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie zweifelt die Rechtsnachfolge der Klägerin nach der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte an. Zudem müsse davon ausgegangen werden, dass die obligatorischen Forderungen vor 1990 untergegangen seien. Die Klägerin könne für die enteigneten dinglichen Rechte auch deshalb keinerlei Ansprüche mehr geltend machen, weil sie im Jahr 1959 mit den Zedenten der Beigeladenen vor der Wiedergutmachungskammer beim Landgericht Berlin einen Vergleich geschlossen habe, der auch die hier streitgegenständlichen Grundpfandrechte einbezogen habe. Im Übrigen sei §18 Abs. 2 Satz 6 VermG anwendbar.
Mit Urteil vom 18. März 2003 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass für die nach dem schädigenden Ereignis eingetragenen Grundpfandrechte § 18 VermG gelte. Die Nennbeträge seien jedoch den Abschlägen nach § 18 Abs. 2 VermG zu unterwerfen, so dass im Ergebnis kein Ablösebetrag festzusetzen sei. Die Grundpfandrechte hätten nicht der Sicherung einer Verpflichtung des Berechtigten gedient. Deshalb komme es auf den diskriminierenden Charakter der Verpflichtung nicht mehr an. Hinsichtlich der zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses bereits eingetragenen Grundpfandrechte scheide hingegen die Anwendung des § 18 VermG aus, weil es an einem Zusammenhang zwischen der schädigenden Maßnahme und dem Untergang der dinglichen Belastungen fehle. Denn nach der Schädigung der Anteile der Gewerkschaften an den Wohnungsbauunternehmen hätten die Forderungen fortbestanden. Es komme deshalb nur eine entsprechende Anwendung von § 7 a Abs. 2 VermG in Betracht. Mit dem Verlust der Anteile im Frühjahr 1933 seien die gewerkschaftlichen Unternehmen auch von den auf den Grundstücken lastenden Verbindlichkeiten befreit worden. Für diese habe nunmehr die DAF wirtschaftlich einstehen müssen, während in rechtlicher Hinsicht allein die Wohnungsbaugesellschaften Eigentümer der Grundstücke geblieben seien.
Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 18. März 2003 die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Tenorpunktes 5 des Bescheides des Regierungspräsidiums Halle vom 26. Juni 2002 einen Ablösebetrag gem. § 18 Abs. 1 und 3 VermG i.H.v. 1 273 026,22 € hinsichtlich der Rückübertragung in diesem Bescheid genannter Grundstücke für die Klägerin festzusetzen,
hilfsweise unter teilweiser Aufhebung des Tenorpunktes 4 die Beigeladene zu verpflichten, an die Klägerin eine aus Anlass des Vermögensverlustes tatsächlich zugeflossene Gegenleistung i.H.v. 1 273 026,22 € zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Die Beigeladene beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie tritt den Rechtsausführungen der Klägerin entgegen.
II.
Die zulässige Revision ist teilweise begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht mit der Annahme, auf die zu Gunsten der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte vor 1933 bestellten Grundpfandrechte sei § 18 VermG nicht anwendbar. Das Urteil des Verwaltungsgerichts und die Nr. 5 des Tenors des angefochtenen Bescheides sind daher insoweit abzuändern und die Beklagte ist zu verpflichten, der Beigeladenen die Hinterlegung eines Ablösebetrages in Höhe des umzurechnenden Nennbetrages der für die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte vor dem Jahr 1933 bestellten Grundpfandrechte aufzugeben.
1. Zu Recht differenziert das Verwaltungsgericht danach, ob die Grundpfandrechte, für die die Klägerin Ablösebeträge begehrt, vor der für Mai 1933 festgestellten Schädigung der gewerkschaftlichen Anteilsinhaber der Wohnungsbauunternehmen zu Gunsten der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte bestellt wurden oder erst nach dem Zeitpunkt der Schädigung. Nicht gefolgt werden kann dem Verwaltungsgericht aber darin, dass es für die Anwendung des § 18 VermG fordert, die mit den Grundpfandrechten belasteten Grundstücke müssten mit der Schädigung in Volkseigentum übergegangen sein. Dabei stützt es sich zwar auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 6. April 1995 - BVerwG 7 C 5.94 - BVerwGE 98, 137 = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 42 S. 101). Diese ist hier aber nicht anwendbar.
Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 VermG hat der Berechtigte bei der Rückübertragung von Eigentumsrechten an Grundstücken, die nicht nach § 6 VermG erfolgt, für die bei der Überführung des Grundstücks in Volkseigentum untergegangenen dinglichen Rechte einen in dem Bescheid über die Rückübertragung festzusetzenden Ablösebetrag zu hinterlegen. Hätte diese Vorschrift zur Voraussetzung, dass die Grundpfandrechte mit der wiedergutzumachenden Schädigung untergegangen sind, würde das Ablösesystem des § 18 VermG Schädigungen nach § 1 Abs. 6 VermG nicht erfassen. Denn in diesen Fällen ist eine Übernahme des betroffenen Vermögensgegenstandes in Volkseigentum regelmäßig erst im Rahmen einer Zweitschädigung nachgefolgt. Da der Wortlaut des § 18 Abs. 2 Satz 6 VermG aber regelt, dass die Sätze 1 bis 5 des Absatzes 2 u.a. auch für Grundpfandrechte gelten, die erst nach Eintritt des Eigentumsverlustes bestellt wurden, kann sich hierfür nur ein Anwendungsbereich ergeben, wenn die Übernahme des betroffenen Vermögensgegenstandes in Volkseigentum und der damit verbundene Untergang des Grundpfandrechts im Rahmen einer Zweitschädigung geschah, die der Erstschädigung nach § 1 Abs. 6 VermG nachfolgte. Soweit in dem Urteil vom 6. April 1995 eine andere Auffassung vertreten wurde, hat das Bundesverwaltungsgericht daran nicht mehr festgehalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juli 2003 - BVerwG 7 C 60.02 - BVerwGE 118, 328 <333> = Buchholz 428 § 18 VermG Nr. 17 S. 27 <31>).
Auf Schädigungsmaßnahmen nach § 1 Abs. 6 VermG ist das Vermögensgesetz nur entsprechend anwendbar mit der Folge, dass jede Norm dieses Gesetzes daraufhin überprüft werden muss, ob sie der Situation eines NS-Geschädigten gerecht wird. Der Regelung des § 18 Abs. 1 VermG liegt der Gedanke des Vorteilsausgleichs zugrunde. Der Berechtigte soll durch die Restitution nicht besser gestellt werden, als er ohne die Übernahme des Grundstücks in Volkseigentum stünde (vgl. BTDrucks 12/2480, S. 50; stRspr; vgl. z.B. Urteile vom 6. April 1995 - BVerwG 7 C 5.94 - a.a.O. S. 145 bzw. S. 109 f., vom 5. April 2001 - BVerwG 7 C 22.00 - Buchholz 428 § 7 a VermG Nr. 3 und vom 24. Juli 2003 - BVerwG 7 C 60.02 - a.a.O. S. 332 bzw. S. 30). Die Situation bei der Rückübertragung von Grundstücken auf NS-Geschädigte ist insofern eine besondere, als der auszugleichende Vorteil der Lastenfreiheit bei ihnen nicht die unmittelbare Kehrseite ihrer eigenen Schädigung sein kann, sondern notwendigerweise mit einem späteren, den Rechtsnachfolger treffenden Eigentumsverlust und daher häufig mit einer Zweitschädigung einhergeht. Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden hat, rechtfertigt dies es jedoch nicht, NS-Geschädigte generell von dem Ablösesystem auszunehmen; denn maßgeblich dafür ist nicht, ob der wiedergutzumachende Eigentumszugriff als solcher - durch einen Untergang der dinglichen Rechte - zu einer Verbesserung des entzogenen Gegenstandes geführt hat; entscheidend ist allein, dass der Gegenstand nicht mehr in dem - schlechteren - Zustand zurückgegeben werden kann, in dem er sich vor der Überführung in Volkseigentum befand. Der restitutionsrechtliche Vorrang der Erstschädigung vor der Zweitschädigung (§ 3 Abs. 2 VermG) führt somit zwangsläufig dazu, dass dem Erstgeschädigten auch die Verbesserungen des Restitutionsgegenstandes zugute kommen, die mit einer zweiten oder weiteren Schädigung verbunden sind. Dem muss - soll der Vorteilsausgleich in diesen Fällen nicht leer laufen - notwendigerweise dadurch Rechnung getragen werden, dass auch dann die vom Wortlaut her ohne weiteres anwendbare Vorschrift des § 18 Abs. 1 VermG greift (Urteil vom 24. Juli 2003 - BVerwG 7 C 60.02 - a.a.O.).
Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene entsprechende Anwendung des § 7 a Abs. 2 VermG ist demgegenüber schon nach dem Wortlaut der Vorschrift verfehlt; denn dieser regelt ausschließlich die Herausgabe von Geldbeträgen. Die tatsächlich von der Beigeladenen erlangte Befreiung von den Hypotheken und der durch sie gesicherten Forderungen kann aber zumindest solange nicht als Geldbetrag in diesem Sinne angesehen werden, wie die Forderungen nicht erfüllt worden sind. Hätte eine Zweitschädigung nicht stattgefunden, wäre das immer noch belastete Grundstück zurückübertragen worden.
§ 7 a Abs. 2 VermG beschränkt sich darauf, die synallagmatische Rückabwicklung von Leistung und Gegenleistung im Falle der Restitution sicherzustellen. Demgegenüber regelt § 18 VermG den Sonderfall, dass dingliche Belastungen des zu restituierenden Grundstücks infolge der Überführung in Volkseigentum entfallen sind. Eine Kollision des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift mit dem des § 7 a Abs. 2 VermG, der zur teleologischen Reduktion der einen oder anderen Norm führen müsste, ist nicht erkennbar; vielmehr sind beide Vorschriften zwanglos nebeneinander anwendbar. Solange und soweit die zurückzugebende Hypothek noch existiert, fällt sie mit dem belasteten Grundstück an den Berechtigten zurück. Soweit sie bei der Überführung des Grundstücks in Volkseigentum gelöscht worden ist, greift die Sonderregelung des § 18 VermG ein mit dem Zwang zur Zahlung eines Ablösebetrages zu Gunsten des Pfandrechtsgläubigers (vgl. Urteil vom 24. Juli 2003 - BVerwG 7 C 60.02 - a.a.O. S. 334 bzw. S. 31 f.).
Dass § 18 VermG auch dann eingreift, wenn keine unmittelbare Grundstücksrestitution vorliegt, sondern dem geschädigten ehemaligen Gesellschafter eines Unternehmens, dem das Grundstück gehörte, gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG Bruchteilseigentum an den Grundstücken der ehemaligen Gesellschaft eingeräumt wird, hat der Senat bereits entschieden (Urteil vom 24. September 2003 - BVerwG 8 C 8.03 - Buchholz 428 § 18 VermG Nr. 18). Auch insoweit muss der dem § 18 VermG zugrunde liegende Grundsatz gelten, dass der Geschädigte nicht mehr zurückerhält, als ihm entzogen wurde. So wie § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG den "Durchgriff" eines geschädigten Gesellschafters auf einzelne Gegenstände des Gesellschaftsvermögens zulässt, so ist es geboten, spiegelbildlich auch eine anteilige "Durchgriffshaftung" des Gesellschafters anzuordnen. Der Vorteil, den die Beigeladene als Rechtsnachfolgerin auszugleichen hat, besteht hier darin, dass ihr zur Erfüllung von Restitutionsansprüchen nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG - zu einem wesentlichen Teil aufgrund einer Einigung im Sinne des § 31 Abs. 5 VermG - die entsprechenden Grundstücke ohne die Belastung mit den genannten Grundpfandrechten zurückübertragen worden sind.
Die Klägerin kann sich auf die Rechtsverletzung berufen, weil sie hinsichtlich der streitgegenständlichen Grundpfandrechte Rechtsnachfolgerin der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte ist. Gemäß § 18 b Abs. 2 Satz 2 VermG gilt der zum Zeitpunkt der Überführung des Grundstücks in Volkseigentum im Grundbuch eingetragene Gläubiger oder dessen Rechtsnachfolger als Begünstigter des hinterlegten Ablösebetrages, solange nicht vernünftige Zweifel an dessen Berechtigung bestehen. Bei Überführung der haftenden Grundstücke in Volkseigentum war hier bei allen vor 1933 bestellten Grundpfandrechten entweder die Sozialversicherungsanstalt für die Provinz Sachsen oder die Sozialversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt als Hypothekengläubigerin eingetragen. Rechtsnachfolgerin im Vermögen der zentral gelenkten einheitlichen Sozialversicherung und der Sozialversicherung der DDR ist, wie der Senat bereits entschieden hat, die Klägerin als zuständiger bundesdeutscher Träger der Sozialversicherung geworden. Zu dem Vermögen gehörten auch die bereits durch das Vermögensgesetz der DDR (GBl DDR I, S. 1627, 1899), das am 29. September 1990 in Kraft getreten ist, begründeten Restitutionsansprüche. Die Ausführungen des Senats zur Rechtsnachfolge für Entschädigungsansprüche für nicht abgelöste frühere dingliche Rechte nach dem Entschädigungsgesetz (vgl. Urteil vom 29. Oktober 2003 - BVerwG 8 C 26.02 - BVerwGE 119, 158 <160> = Buchholz 428.41 § 1 EntschG Nr. 2 S. 9 <11>) gelten auch für den hier vorliegenden Fall des Anspruchs auf Festsetzung von Ablösebeträgen bei Grundstücksrückübertragungen.
Nicht gehört werden kann die Beklagte mit dem Einwand, die Anwendung des § 18 VermG müsse daran scheitern, dass die dinglichen Rechte der Klägerin besatzungshoheitlich enteignet worden und damit nicht restituierbar seien. Anderenfalls würde sie im Falle einer Festsetzung von Ablösebeträgen davon profitieren, dass die Rechtsvorgänger der Beigeladenen einer Schädigung nach § 1 Abs. 6 VermG unterlegen hätten. Unabhängig davon, dass schon die besatzungshoheitliche Enteignung nicht vom Verwaltungsgericht festgestellt worden ist, verkennt diese Argumentation, dass der Regelung des § 18 Abs. 1 VermG der Gedanke des Vorteilsausgleichs zugrunde liegt und es nur auf diesen ankommt. Der Berechtigte soll durch die Restitution nicht besser gestellt werden, als er ohne die Übernahme des Grundstücks in Volkseigentum stünde (stRspr, vgl. Urteil vom 24. Juli 2003 - BVerwG 7 C 60.02 - a.a.O. S. 332 bzw. S. 30). Entscheidend ist damit allein, dass die Beigeladene durch die Restitution von Grundstücken ohne die entsprechenden Belastungen einen Vorteil erlangt hat.
Entgegen dem Vortrag der Beigeladenen steht der Geltendmachung von Ablösebeträgen auch nicht der Vergleich vor der Wiedergutmachungskammer aus dem Jahr 1959 entgegen, weil durch diesen nur gegenseitige Ansprüche aus einem Aktienkauf im Jahr 1935 geregelt werden sollten. Die hier streitgegenständlichen Grundpfandrechte sind davon nicht betroffen.
Die vor 1933 bestellten Grundpfandrechte unterliegen keinem pauschalierten Abschlag nach § 18 Abs. 2 VermG. In Betracht kommt insoweit nur die entsprechende Anwendung der Sätze 1 bis 5 gemäß § 18 Abs. 2 Satz 6 VermG. Dessen Normbereich ist aber nicht eröffnet, weil die Grundpfandrechte zwar vor dem 8. Mai 1945, aber nicht auf staatliche Veranlassung bestellt wurden.
Eine analoge Anwendung des § 18 Abs. 2 VermG, weil auch den streitgegenständlichen dinglichen Rechten Baukredite zugrunde gelegen haben, die ohne Eintritt der Zweitschädigung weiter getilgt worden und heute erloschen wären, kommt nicht in Betracht. Sinn der Regelung des § 18 Abs. 2 VermG ist es nicht, generell Baukredite nur mit Abschlägen zu berücksichtigen. Die Regelung bezweckt vielmehr, ohne Willen des Berechtigten bestellte und ihm damit aufgedrängte Baukredite nur insoweit zu berücksichtigen, als ihnen - pauschaliert - heute noch ein Wert gegenübersteht. Dementsprechend stellt § 18 Abs. 2 Satz 6 VermG auch nicht auf Baukredite, sondern allgemein auf aufgedrängte Kredite ab.
Die Beklagte ist deshalb verpflichtet, der Beigeladenen für die vor 1933 bestellten Grundpfandrechte gemäß § 18 Abs. 3 VermG die Hinterlegung eines Ablösebetrages aufzugeben. Die Berechnung der Höhe des Betrages obliegt gemäß § 113 Abs. 2 Satz 2 VwGO der Beklagten. Sie hat gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 VermG von den Nennbeträgen der früheren Rechte auszugehen, diese gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 der Hypothekenablöseverordnung in Deutsche Mark und diesen Betrag in Euro umzurechnen.
2. Soweit das Verwaltungsgericht für die Grundpfandrechte, die nach dem schädigenden Ereignis im Mai 1933 für die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte eingetragen worden waren, § 18 VermG angewandt hat, gemäß § 18 Abs. 2 VermG aber zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Ablösebeträge aufgrund der pauschalierten Abschläge auf Null festzusetzen sind, ist das Urteil nicht zu beanstanden. Gemäß § 18 Abs. 2 Satz 6 VermG gelten die Sätze 1 bis 5 u.a. für sonstige Grundpfandrechte entsprechend, die, wie hier, nach Eintritt des Eigentumsverlustes bestellt wurden. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn das Grundpfandrecht der Sicherung einer Verpflichtung des Berechtigten diente. Diese Ausnahme kann hier schon deshalb nicht vorliegen, weil die Rechtsvorgänger der Beigeladenen als Berechtigte durch die Schädigung ihre Anteile an den Wohnungsbaugesellschaften verloren und dadurch keine Möglichkeit mehr hatten, zur Sicherung gegen sie bestehender Forderungen Grundpfandrechte an den Grundstücken der Wohnbaugesellschaften zu bestellen. Auf die Ausführungen der Revision dazu, dass die Verpflichtungen keinen diskriminierenden oder sonst benachteiligenden Charakter gehabt hätten, kommt es deshalb nicht an (vgl. bereits Urteil vom 24. September 2003 - BVerwG 8 C 8.03 - Buchholz 428 § 18 VermG Nr. 18).
3. Insoweit bleibt auch der Hilfsantrag der Klägerin erfolglos. Sie begehrt mit diesem auf § 7 a Abs. 2 VermG gestützten Antrag, dass die Beigeladene eine Gegenleistung in Höhe der umgerechneten bisher nicht getilgten Grundpfandrechte an sie erbringt. Es bestehen schon Zweifel hinsichtlich der Zulässigkeit dieses Hilfsantrages, da die Klägerin die Nr. 4 des Teilbescheides vom 26. Juni 2002 nicht rechtzeitig angefochten hat. Jedenfalls kann er dem Begehren nicht zum Erfolg verhelfen, weil, wie oben bereits festgestellt, § 7 a Abs. 2 VermG hier keine Anwendung findet. Für die nach der Schädigung bestellten Grundpfandrechte hat auch die Klägerin keine Gegenleistung behauptet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1, § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 500 000 € festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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