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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 07.03.2007
Aktenzeichen: BVerwG 8 C 26.05
Rechtsgebiete: VermG, GG
Vorschriften:
VermG § 3 Abs. 1 Satz 4 | |
VermG § 3 Abs. 1 Satz 11 | |
GG Art. 3 Abs. 1 | |
GG Art. 14 Abs. 1 |
2. Ein Unternehmen im Sinne des Vermögensgesetzes liegt vor, wenn es als funktional zusammenhängende Sachgesamtheit ein Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit aufweist.
3. Der Ausschluss der Restitution nach § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
BVerwG 8 C 26.05
Verkündet am 7. März 2007
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 7. März 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Postier und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revisionen der ehemaligen Beigeladenen M. W., B. G. und H. W. G. werden verworfen.
Die Revisionen der Beklagten und des Beigeladenen H. M. G. werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Beklagte die Hälfte, der Beigeladene H. M. G. und Rechtsanwalt J. R. je ein Viertel. Die Beigeladenen zu 2 bis 19 tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten um die Auskehr des Erlöses aus der Veräußerung des anmeldebelasteten Grundstücks Gemarkung St.-S., Flur 6, Flurstück 243. Das Flurstück ist heute im Grundbuch von St., Bl. 486 verzeichnet und hat eine Größe von 528 m².
Ursprünglich gehörten dieses und die umliegenden Grundstücke zum Waldbesitz des Gutes St. Zu Parzellierungszwecken wurde eine insgesamt etwa 28 ha große Fläche ("Waldsiedlung St.") abgeteilt, die in einen südlichen und einen nördlichen Teil zerfiel. Den südlichen, mehr als 12 ha großen Teil erwarb die Firma G. OHG durch Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 19. Dezember 1931. Die Firma hatte ihren Sitz in Berlin-Wedding; Gegenstand des Unternehmens war die Fabrikation und der Vertrieb von Möbeln.
Inhaber waren die Brüder S. und L. G., die Juden waren. Sie beabsichtigten Anfang 1938, mit ihren Familien aus Deutschland auszuwandern und zu diesem Zweck einen Teil ihres Vermögens zu Geld zu machen. Hierzu schlossen sie unter dem 11. April 1938 mit dem Inhaber der Firma F. W., Möbelfabrik und -handlung, W. W., einen notariellen Vertrag, mit dem sie die gesamten, der Möbelfabrikation dienenden Maschinen, Einrichtungsgegenstände, Inventarien, den Fuhrpark und sonstige Anlagewerte zu einem Kaufpreis vom 60 000 RM an den Erwerber veräußerten.
Am 9. November 1938 wurden die Gebrüder G. verhaftet und in das Konzentrationslager Sachsenhausen verbracht. Dort wurde L. G. am 14. November 1938 gezwungen, eine vorbereitete Generalvollmacht für W. W. zu unterschreiben, durch die er jenem die unwiderrufliche Verfügungsmacht über sein gesamtes Vermögen übertrug. Am Tage danach wurde L. G. aus dem Konzentrationslager mit der Auflage entlassen, umgehend Deutschland zu verlassen. Am 16. November 1938 erteilte er die Vollmacht und emigrierte danach mit seiner Familie in die USA. Er verstarb am 3. November 1966 und wurde von seiner Ehefrau C. G. allein beerbt. Frau G. verstarb am 13. September 1984 und wurde von ihrem Sohn H. M. G., dem Beigeladenen zu 1, allein beerbt.
S. G. wurde Mitte Dezember 1938 ebenfalls mit der Auflage aus dem Konzentrationslager entlassen, Deutschland unverzüglich zu verlassen. Aufgrund seiner angeschlagenen Gesundheit konnte er jedoch erst im Frühjahr 1939 nach Schweden ausreisen, wo er am 17. Juli 1939 an den Folgen der erlittenen Misshandlungen verstarb. Beerbt wurde er zu je einem Viertel von seiner Ehefrau E. G. und den Kindern H. G., B. G. und M. W., die ursprünglich auch beigeladen waren.
Ab Anfang 1940 übernahm Regierungsrat a.D. Dr. P. St. mit notarieller Generalvollmacht die weitere Abwicklung der Fa. Gebrüder G. OHG. Er führte eine außerordentliche Gesellschafterversammlung durch, auf der mit Gesellschafterbeschluss vom 14. Oktober 1940 die Auflösung der OHG beschlossen wurde.
Mit notariellem Vertrag vom 16. April 1943 veräußerte Dr. St. das streitbefangene Grundstück an M. H., die am 5. September 1944 als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen wurde. M. H. verstarb am 2. April 1969 und wurde von ihren Kindern, dem Kläger und dem inzwischen verstorbenen H. H., je zur Hälfte beerbt.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 9. Oktober 1990 meldeten die ursprünglich Beigeladenen vermögensrechtliche Ansprüche beim Ausgleichsamt Berlin u.a. für: "Grundbesitz Gemarkung St.-Gut, OHG Gebrüder G." an. Mit Schreiben vom 17. Januar 1992 bzw. 1. September 1993 informierte das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen bzw. das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen des Landes Berlin das Amt für offene Vermögensfragen Oranienburg über die Anmeldung.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 10. Juni 1992 veräußerten der Kläger und sein Bruder das streitbefangene Grundstück zu einem Kaufpreis von 212 000 DM an die Eheleute M. und M. F. Der Landkreis Oberhavel erteilte mit Bescheid vom 16. Oktober 1992 die Grundstücksverkehrsgenehmigung. Die Erwerber wurden im Grundbuch als neue Eigentümer eingetragen. Daraufhin haben die ursprünglich Beigeladenen ihren vermögensrechtlichen Antrag auf die Erlösauskehr umgestellt.
Mit dem 31. Teilbescheid vom 16. Januar 1996 hat das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen festgestellt, dass die Erben der Gebrüder G. Berechtigte hinsichtlich des streitbefangenen Grundstückes sind (Nr. 1 des Tenors). Weiterhin hat es den ursprünglich Beigeladenen einen Erlösauskehranspruch gegen den Kläger und seinen Bruder zuerkannt (Nr. 2 des Tenors) und festgestellt, dass dem Kläger und seinem Bruder ein Erstattungsanspruch gegen diese Beigeladenen wegen des gezahlten Kaufpreises in Höhe von 95 DM zusteht (Nr. 3 des Tenors). Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, dass die Gebrüder G. einer schädigenden Maßnahme im Sinne von § 1 Abs. 6 VermG ausgesetzt gewesen seien, da das Grundstück in Anwendung der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz dem Deutschen Reich verfallen und somit den Firmeninhabern vom Ausland her eine Verfügung über ihr Vermögen rechtlich nicht mehr möglich gewesen sei. Der erzielte Erlös sei herauszugeben, da eine wirksame Anmeldung des Vermögenswertes vorliege und sich der Rückübertragungsanspruch wegen der zwischenzeitlich erfolgten wirksamen Verfügung über den Vermögensgegenstand an dem erzielten Kaufpreis fortsetze.
Gegen die Erlösauskehrverpflichtung hat der Kläger Widerspruch erhoben und zur Begründung geltend gemacht, dass die Eintragung seiner Mutter in das Grundbuch rechtmäßig gewesen sei. Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen Brandenburg wies den Widerspruch mit Bescheid vom 3. August 2000 zurück. Das schädigende Ereignis sei in der abgepressten Generalvollmacht über das gesamte Vermögen der OHG und dem anschließenden Zwang zur Emigration beider Gesellschafter zu sehen und stelle sich damit als Vermögensverlust "auf andere Weise" im Sinne von § 1 Abs. 6 VermG dar; jedenfalls liege eine Schädigung spätestens mit Inkrafttreten der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz und dem damit einhergehenden Vermögensverfall zu Gunsten des Deutschen Reiches vor. Der Ausschlussgrund von § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG stehe der Rückübertragung nicht entgegen, da der Zweck des Unternehmens im Stadium der Liquidation nicht mit dem Zweck des Unternehmens vor der Schädigung vergleichbar sei.
Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger im Wesentlichen geltend gemacht, dass seine Mutter einen ortsüblichen Kaufpreis bezahlt habe und der Vertrag nicht unter das Vermögensgesetz falle. Er hat sinngemäß beantragt, den angefochtenen Teilbescheid hinsichtlich der Nr. 2 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und sich zur Begründung im Wesentlichen auf die angefochtenen Bescheide berufen.
Für die ursprünglich Beigeladenen ist ebenfalls Klageabweisung beantragt und vorgetragen worden, dass die Ausschlussregelung von § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG nicht einschlägig sei, da der Hauptzweck des Unternehmens in der Möbelfabrikation gelegen habe.
Das Verwaltungsgericht hat nach Verzicht der Beteiligten auf mündliche Verhandlung mit Urteil vom 22. August 2005 den 31. Teilbescheid des Landesrates des Landkreises Oberhavel vom 16. Januar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2000 hinsichtlich der Nr. 2 und 3 aufgehoben.
Nach seiner Begründung steht den ursprünglich Beigeladenen der Erlös aus der Veräußerung nicht zu, weil ein Restitutionsanspruch nicht gegeben sei. Zwar sei die Beteiligung der Gebrüder G. an dem Unternehmen Gegenstand einer schädigenden Maßnahme gewesen. Die verfolgungsbedingte Schädigung sei aber erst mit dem Inkrafttreten der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 und der damit verbundenen Enteignung der sich im Ausland aufhaltenden jüdischen Anteilseigner bzw. deren Erben vollendet worden. Dieser Anspruch sei jedoch gemäß § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG ausgeschlossen. Bei dem streitbefangenen Grundstück habe es sich um einen Vermögenswert gehandelt, der für den Wohnungsbau bestimmt gewesen sei, und der überwiegende Unternehmenszweck der Gebrüder G. OHG sei vor und nach der Schädigung der Gleiche gewesen. Vor Inkrafttreten der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz habe die Gesellschaft nach der Veräußerung der Möbelfabrik und -handlung im Jahr 1938 nur noch das Parzellierungsgeschäft betrieben.
Die vom Verwaltungsgericht wegen der Auslegung von § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG zugelassene Revision hat die Beklagte eingelegt. Für die ursprünglich Beigeladenen ist ebenfalls Revision eingelegt worden.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 22. August 2005 die Klage zurückzuweisen.
Der Beigeladene zu 1 beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 22. August 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen und
die Hinzuziehung der Bevollmächtigten der Beteiligten auch im Widerspruchsverfahren für notwendig zu erklären.
II
Die Revisionen, die für die ursprünglich beigeladenen M. W., B. G. und H. W. G. eingelegt worden sind, sind unzulässig. Da diese Personen im Zeitpunkt der Beiladung verstorben waren, sind sie nicht fähig gewesen, am Verfahren beteiligt zu sein (§ 61 Nr. 1 VwGO).
Die Revisionen der Beklagten und des Beigeladenen zu 1 sind unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben; denn den beigeladenen Erben steht kein Anspruch auf Auskehr des Erlöses aus der Veräußerung des streitbefangenen Grundstücks zu.
Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend erkannt, dass die Erben nach L. und S. G. zwar Berechtigte im Sinne von § 2 Abs. 1 VermG sind (1.), dass aber der Anspruch auf Einräumung von Eigentum an dem Grundstück, an dessen Stelle der Anspruch auf Erlösauskehr treten soll, nicht gegeben ist, weil die Mutter des Klägers das Grundstück zu Siedlungszwecken erworben hatte. Eine Restitution scheidet deshalb nach § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG aus (2.). Die Vorschrift ist verfassungsgemäß (3.).
1. Voraussetzung des von den Beigeladenen geltend gemachten Erlösauskehranspruchs ist ein nach § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG durch die Erlösauskehr ersetzter Anspruch auf Restitution nach § 3 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 2 VermG. Dessen Voraussetzungen liegen vor, weil die unmittelbare Beteiligung der Brüder L. und S. G. an der Gebrüder G. OHG Gegenstand einer Schädigung nach § 1 Abs. 6 VermG war.
Die Voraussetzungen einer sog. Trümmerrestitution nach § 3 Abs. 1 Satz 10 VermG sind hingegen nicht gegeben. Die abweichende Auffassung des Verwaltungsgerichts geht zwar von der richtigen Ansicht aus, dass die OHG neben einem Möbelgeschäft ein selbständiges Unternehmen betrieben hatte, dessen Gegenstand das Parzellierungsgeschäft gewesen war. Aber seine weiter gehende Annahme trifft nicht zu, dass das vor der Stilllegung dieses Unternehmens "weggeschwommene" Grundstück ohne Weiterveräußerung nach § 6 Abs. 6a Satz 1 VermG hätte restituiert werden können, weil dieses Unternehmen heute nicht mehr aufzunehmen sei. Für eine solche Restitution fehlt es an der Voraussetzung, dass dem Unternehmensträger das Unternehmen abhanden gekommen war. Vorliegend richtete sich die Schädigung aus Gründen der Rasse nicht gegen das Parzellierungsgeschäft der OHG, sondern gegen die Beteiligung an ihr.
Die Beteiligung von L. und S. G. an der Gebrüder G. OHG unterlag einer verfolgungsbedingten Schädigung im Sinne von § 1 Abs. 6 VermG. Durch die abgenötigte Generalvollmacht für W. W. und die erzwungene Ausreise aus Deutschland, verbunden mit der Ausbürgerung im November 1938, verloren sie ihre Beteiligung "auf andere Weise". Dafür war es nicht erforderlich, dass sie rechtlich ihre Stellung als Gesellschafter verloren hatten. Es reicht aus, dass ihnen faktisch die Gesellschafterstellung geraubt wurde, indem sie keine Möglichkeit mehr hatten, über die Gesellschaft zu bestimmen oder über sie zu verfügen. Eine Personengesellschaft wie die OHG wird geprägt durch den persönlichen unternehmerischen Einsatz des Gesellschafters. Dieser war beiden Brüdern mit ihrer erzwungenen Ausreise genommen worden. Zwar wurde der Bevollmächtigte W. W. durch Dr. St. ersetzt; dieser konnte aber die OHG nur noch auflösen und ihre Abwicklung betreiben. Das wäre nicht erforderlich gewesen, wenn L. und S. G. Deutschland nicht hätten verlassen müssen.
Der Ansicht des Verwaltungsgerichts kann nicht gefolgt werden, dass die Gebrüder G. aus ihrer Stellung als Komplementäre erst durch den Erlass der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 (RGBl I 722) verdrängt worden seien. Für die Annahme eines Vermögensverlustes wird im Recht der Wiedergutmachung nicht auf das förmliche Erlöschen der Gesellschafterstellung im Rechtssinne abgehoben. Der volle Rechtsentzug ist auch sonst nicht ausschlaggebend (vgl. Urteil vom 12. Dezember 2001 - BVerwG 8 C 23.01 - Buchholz 428 § 1 Abs. 1 VermG Nr. 15). Eine formal-juristische Sicht auf die den Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zugefügten Vermögensschäden würde den historischen Gegebenheiten nicht gerecht, denen Juden und andere dem System Missliebige in menschenverachtender Weise vielfältig ausgesetzt waren. Eine faktische Betrachtungsweise hingegen lässt eine Annäherung an die damals jenseits des Rechtlichen herrschende Wirklichkeit zu.
2. Da die Schädigung der Beteiligung von L. und S. G. an der Gebrüder G. OHG erfolgte, bevor das streitgegenständliche Grundstück durch Verkauf an die Mutter des Klägers "weggeschwommen" war, haben die Beigeladenen als Rechtsnachfolger von L. und S. G. gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 2 VermG einen Anspruch auf Einräumung von einhundert Prozent Bruchteilseigentum an dem Grundstück. Dieser Anspruch ist jedoch nach § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG ausgeschlossen. Denn danach sind die Sätze 4 bis 10 dieses Absatzes nicht anzuwenden, wenn für den Wohnungsbau bestimmte Vermögenswerte entsprechend dem überwiegenden Unternehmenszweck eines Entwicklungs-, Siedlungs- oder Wohnungsbauunternehmens, wie er vor der Schädigung bestanden hat, bis zum 8. Mai 1945 an natürliche Personen veräußert worden waren, es sei denn, die Veräußerung war nicht zu einem für das Unternehmen üblichen Preis erfolgt.
Die Voraussetzungen für den Restitutionsausschluss liegen vor. Das Grundstück wurde vor dem 8. Mai 1945 und zu einem üblichen Preis veräußert, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Das Grundstück war für den Wohnungsbau bestimmt. Das Parzellierungsgeschäft hatte auch schon vor der Schädigung dem überwiegenden Unternehmenszweck eines Entwicklungs-, Siedlungs- oder Wohnungsbauunternehmens entsprochen.
Das Parzellierungsgeschäft war von Anbeginn eine eigenständige Unternehmung der Gebrüder G. OHG gewesen. Der Unternehmensbegriff des Vermögensgesetzes wird in Annäherung an das Verständnis im Handelsrecht verstanden als die organisatorische Einheit von einem gemeinsamen wirtschaftlichen Zweck dienenden Sachen und Rechten sowie sonstigen wirtschaftlichen Werten, wie unternehmerischen Erfahrungen, Geschäftsbeziehungen und Kundenstamm. Für die Zugehörigkeit eines Vermögenswertes zum Unternehmen ist seine betriebliche Zweckbestimmung maßgeblich (vgl. Urteile vom 20. November 1997 - BVerwG 7 C 40.96 - Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 35; vom 24. Januar 2001 - BVerwG 8 C 12.00 - Buchholz 428 § 1 Abs. 1 VermG Nr. 13; vom 28. März 2001 - BVerwG 8 C 6.00 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 42). Ein Unternehmensträger kann dabei mehrere Unternehmen im Sinne des Vermögensgesetzes haben, die Gegenstand verschiedener Restitutionsansprüche sein können.
Die Firma Gebrüder G. OHG hatte vor der Schädigung zwei Unternehmen betrieben. Zum einen das, dessen Gegenstand die Herstellung und den Vertrieb von Möbeln betraf, und zum anderen jenes, bei dem es um die Parzellierung des im Jahre 1931 großflächig erworbenen Geländes in St. mit nachfolgendem Verkauf der Einzelparzellen zum Wohnungsbau ging. Dieses Unternehmen war als eine funktional zusammenhängende Sachgesamtheit gegenüber dem anderen selbständig, weil es an einem unmittelbaren gemeinsamen wirtschaftlichen Zweck fehlte und das eine mit dem anderen in keinem unmittelbaren funktionalen Zusammenhang stand. Zwar ergibt sich aus den vorliegenden Unterlagen nicht, ob beide Unternehmen getrennt bilanziert wurden. Die Bilanzierung stellt aber nur ein Indiz für die Unternehmenszugehörigkeit dar (Beschluss vom 8. Oktober 2002 - BVerwG 8 B 114.02 - juris). Beide Unternehmensformen traten am Markt jeweils eigenständig auf.
Welchem der drei in § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG genannten Geschäftstätigkeiten (Entwicklungs-, Siedlungs- oder Wohnungsbauunternehmen) der vorliegende Betrieb der Parzellierungsunternehmung entspricht, kann dahinstehen. Eine trennscharfe Unterscheidung gibt es nicht. Der Rechtsordnung kann nicht entnommen werden, dass sie zur Erläuterung weiterführende Legaldefinitionen vorhält. Dem Gesetzgeber ging es mit der Aufzählung unterschiedlich benannter Unternehmen ersichtlich darum, Betriebsformen zu erfassen, deren Gemeinsamkeit darin besteht, dass zu ihrem Vermögensbestand Grundstücke gehörten, die nicht Teil des Sachanlagevermögens, sondern Umlaufvermögen waren, weil sie zur Veräußerung (für Wohnbauzwecke) bestimmt waren. Folglich fällt etwa Grundvermögen, das dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen bestimmt war, im Einzelfall dazu aber nicht mehr benötigt und deshalb parzelliert und anschließend verkauft wurde, nicht unter § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG.
Die Veräußerung des Baugrundstücks an die Rechtsvorgängerin des Klägers entsprach auch "dem überwiegenden Unternehmenszweck eines Entwicklungs-, Siedlungs- oder Wohnungsbauunternehmens, wie er vor der Schädigung bestanden hat". Der Zweck, Sielungsfläche zu erwerben und zu parzellieren, um sie an Bauwillige zu veräußern, war nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts der (alleinige oder jedenfalls) überwiegende Zweck des (Parzellierungs-)Unternehmens. Abzustellen ist auf das einzelne Unternehmen in dem Unternehmensverband. Das Erfordernis des überwiegenden Unternehmenszwecks bezieht sich entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht darauf, ob in dem Unternehmensverband eines Trägers (G. OHG) mit mehreren Unternehmen, wie es hier der Fall war, das Parzellierungsgeschäft überwog. Gegen ein solches Verständnis spricht bereits der Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG, der auf das einzelne Unternehmen, nämlich den überwiegenden (Unternehmens-)Zweck eines Entwicklungs-, Siedlungs- oder Wohnungsbauunternehmens abstellt. Anderenfalls wäre die Anwendung des Ausschlussgrundes von den Zufälligkeiten der Unternehmenskonstellationen abhängig.
3. § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG ist verfassungsgemäß. Der Beigeladene zu 1 rügt insoweit einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil es den damit bezweckten Gutglaubensschutz der Grundstückserwerber im alliierten Rückerstattungsrecht nicht gegeben habe. Darin liege eine sachlich nicht gerechtfertige Ungleichbehandlung.
Der Regelungszweck der Vorschrift ist nicht auf den Schutz des guten Glaubens des Erwerbers gerichtet. Bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen wird der Erwerber zwar vor einer Rückübertragung des Eigentums an seinem Grundstück bewahrt, aber der eigentliche Sinn der Vorschrift kann nicht darin liegen, sonst hätte der Kreis der Erwerbsgeschäfte umfangreicher ausfallen müssen. Insofern hält der Senat an seiner Auffassung in dem Urteil vom 24. Februar 1999 - BVerwG 8 C 15.98 - (BVerwGE 108, 301, 315 = Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 1) nicht mehr fest, dass Sinn und Zweck der Vorschrift der Gutglaubensschutz sei.
Der Bedeutungsgehalt der Vorschrift besteht darin, dass mit ihr eine Systemgerechtigkeit hergestellt werden soll. Der tragende Gesichtspunkt bei der Schaffung der Regelungen im Vermögensgesetz über die Wiedergutmachung von Schäden, die den in der Zeit von 1933 bis 1945 Verfolgten zugefügt wurden, ist der, die Verfolgten und ihre Rechtsnachfolger so zu stellen, wie das bei Anwendung des alliierten Rückerstattungsrechts der Fall gewesen wäre (vgl. BTDrucks 13/7275 S. 46). Vor diesem Hintergrund ist § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG eine Vorschrift, die ihr Vorbild im alliierten Rückerstattungsrecht hat und denkbare Ungleichbehandlungen damit rechtfertigt. Das alliierte Rückerstattungsrecht kannte zwar bei der Entziehung von Unternehmen die Möglichkeit zum Einsammeln "weggeschwommener" Grundstücke (vgl. von Godin, Rückerstattungsgesetze, 2. Aufl. 1950, Art. 27 USREG Anm. 4; Kubuschok/ Weißstein, Rückerstattungsrecht der Britischen und Amerikanischen Zone, 1950, Art. 25 BrREG Rn. 17). Bei der Schädigung von Beteiligungen hingegen ließ die Rechtsprechung grundsätzlich kein Durchgriffsrecht auf Vermögenswerte des Unternehmens zu. Nur sofern sich nach der Schädigung der Beteiligung die Rechts- oder Kapitalstruktur des Unternehmens geändert hatte oder das Betriebsvermögen auf andere Unternehmen übertragen worden war, gab es die Möglichkeit, den Berechtigten durch Einräumung von Anteilen an dem neuen oder veränderten Unternehmen wirtschaftlich seinen ursprünglichen Rechten wieder anzunähern (vgl. Urteil vom 26. Juni 1997 - BVerwG 7 C 53.96 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 18; Rothberg, Die Rückerstattung entzogener Vermögensgegenstände nach der Verordnung Nr. 120 der Französischen Militärregierung vom 10. November 1947, 1949, S. 44 ff.). Die Rückerstattungsgerichte verneinten aber einen Anspruch auf Wiedergutmachung, wenn das zurückbegehrte Grundstück als Bauplatz aus einem größeren Anwesen erworben wurde, welches von den Verkäufern für Bauvorhaben parzelliert und als Baugrundstück durch Zeitungsinserate zum Verkauf angeboten worden war, weil es sich dabei um Rechtsgeschäfte handelte, die mit ihren wesentlichen Bestimmungen auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus stattgefunden hätten (vgl. CORA, Entscheidung vom 31. März 1954 - Fall Nr. 750, Entscheidung Nr. 402 - RzW 1954, 195; ORG Nürnberg, Entscheidung vom 19. Januar 1956 - ORG/III/491 - RzW 1956, 196; Schwarz, Rückerstattung nach den Gesetzen der Alliierten Mächte, Band 1, 1974, S. 164). Mit § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass die Einräumung von Bruchteilseigentum gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG nicht über die Möglichkeiten des Rückerstattungsrechts hinausgehen soll. Es geht um Rechtsgeschäfte, die er als übliche Verkehrsgeschäfte eingeordnet hat und die als solche nicht zu einer Vertiefung begangenen Unrechts geführt hatten. Die dabei von ihm vorgenommene Beschränkung auf einen bestimmten Handel mit Grundstücken ist aus Gründen der Wiedergutmachung gerechtfertigt.
Sonstige verfassungsrechtliche Bedenken hat der Beigeladene zu 1 nicht aufgezeigt. Sie drängen sich auch nicht auf. Eigentumsrechtliche Positionen, die durch Art. 14 GG geschützt sind, werden von § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG nicht erfasst, weil vor Einführung dieser Norm durch das Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz vom 17. Juli 1997 (BGBl I S. 1823) vermögensrechtliche Ansprüche von Anteilsgeschädigten im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 2 VermG nicht bestanden haben. Die typischen vermögensrechtlichen Schädigungen jüdischer NS-Verfolgter - die Entziehung der Unternehmensbeteiligung - waren bis dahin nämlich nicht geregelt. Aus Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte der Neuregelung ist zu schließen, dass erst die Einfügung des zweiten Halbsatzes in § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG durch das Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz die Einräumung von (anteiligem) Bruchteilseigentum an sämtlichen Vermögensgegenständen ermöglichen soll, die zum Zeitpunkt der verfolgungsbedingten Anteilsschädigung zu dem Unternehmen gehörten oder von ihm später angeschafft wurden (vgl. Urteil vom 28. August 1997 - BVerwG 7 C 36.96 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 19). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts war die Einräumung vermögensrechtlicher Ansprüche nicht wegen Art. 14 Abs. 1 GG geboten. Das Vermögensrecht hat seine Wurzeln vielmehr im Rechts- und Sozialstaatsprinzip, weshalb die gesetzlich verbürgten Ansprüche grundrechtlichen Schutz erst ab ihrer einfachgesetzlichen Begründung genießen (BVerfG, Urteil vom 23. April 1991 - 1 BvR 1170, 1174, 1175/90 - BVerfGE 84, 90 <126>); Beschluss vom 8. Oktober 1996 - 1 BvR 875/92 - BVerfGE 95, 48 <58>). Novellierungen des Vermögensgesetzes entfalten deshalb mit Blick auf Art. 14 GG Bedeutung, wenn sie dem Berechtigten einmal einfach-gesetzlich begründete Ansprüche wieder entziehen. Das ist vorliegend gerade nicht der Fall. § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG ist als Inhalts- und Schrankenbestimmung verhältnismäßig. Gerade im Hinblick auf den unklaren Wortlaut der Vorschrift in seiner ursprünglichen Fassung, der nachgebessert wurde, genießt des Vertrauen der Erwerber am Bestand ihres Eigentums gegenüber dem Wiedergutmachungsinteresse des Geschädigten Vorrang.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, Abs. 3 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO. Rechtsanwalt R. waren Kosten anteilig aufzuerlegen, weil er Kosten dadurch verursacht hat, dass er als vollmachtloser Vertreter Rechtsmittel eingelegt hat für Beigeladene, die verstorben waren. Vollmachtlose Vertreter haften in entsprechender Anwendung von § 173 VwGO, § 89 Abs. 1 Satz 3 ZPO i.V.m. § 179 BGB für die Kosten.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 54 196,94 € festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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