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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 28.04.1999
Aktenzeichen: BVerwG 8 C 3.98
Rechtsgebiete: VermG


Vorschriften:

VermG § 1 Abs. 1 Buchst. b
VermG § 1 Abs. 3
Leitsätze:

1. Die durch den Beschluß des Präsidiums des Ministerrats der DDR vom 28. Juli 1977 angeordnete Senkung der höchstzulässigen Bodenpreise für Bauland in Berlin, Leipzig und Erfurt auf 100 M/qm stellt keine diskriminierende Entschädigungsregelung im Sinne von § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG dar.

2. In der Nichtbeteiligung des damals in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Eigentümers am Enteignungsverfahren nach dem Baulandgesetz der DDR liegt in der Regel keine unlautere Machenschaft im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG (wie BVerwGE 104, 186).

Urteil des 8. Senats vom 28. April 1999 - BVerwG 8 C 3.98 -

I. VG Berlin vom 21.11.1997 - Az.: VG 31 A 316.94 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 8 C 3.98 VG 31 A 316.94

Verkündet am 28. April 1999

Grosser Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. April 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf, Sailer, Krauß und Postier

für Recht erkannt:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. November 1997 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Feststellung, daß er Berechtigter im Sinne des Vermögensgesetzes hinsichtlich des in Berlin-Mitte belegenen Grundstücks Friedrichstraße 72 ist und Ausschlußgründe nach §§ 4 und 5 VermG nicht vorliegen.

Das 429 qm große Grundstück war ursprünglich mit einem Büro- und Ladengebäude bebaut, das ausweislich eines Bescheides über Gebäudeschäden des Bezirksamts Mitte von Groß-Berlin (14. März 1949) zu ca. 60 % zerstört war und damit als Trümmergrundstück galt. Der seinerzeitige Eigentümer C. St. hatte bereits zu diesem Zeitpunkt seinen Wohn- und Geschäftssitz in Hamburg. Der Einheitswert des Grundstücks betrug zum 1. Januar 1935 431 000 RM. Am 13. April 1965 wurde im Grundbuch eingetragen, daß das Grundstück "in Schutz und vorläufiger Verwaltung des VEB Kommunale Wohnungsverwaltung Berlin-Mitte" stehe.

C. St. starb am 11. Oktober 1982. Der Kläger ist sein Erbe.

Die Baudirektion "Hauptstadt Berlin" des Ministeriums für Bauwesen beantragte beim Rat des Stadtbezirks Berlin-Mitte die Inanspruchnahme des unbebauten und ungenutzten Grundstücks mit Wirkung vom 23. Oktober 1986 zur Sicherung "planmäßiger Baumaßnahmen im Investitionskomplex Friedrichstraße/ Süd Wohn- und Gesellschaftsbau - ". Ausweislich eines vom Magistrat von Berlin, Abteilung Finanzen, im Mai 1985 erstellten Bogens "Angaben zum nachstehend genannten Grundstück zur Klärung vermögensrechtlicher Fragen" bestanden zum 30. März 1985 keine Steuerrückstände. Mit Formularschreiben vom 23. Oktober 1986 an die Baudirektion "Hauptstadt Berlin" stimmte der Magistrat dem Entzug des Eigentumsrechts an dem Grundstück zu. Zum vorgedruckten Text dieses Schreibens gehört die Angabe, daß wegen der staatlichen Verwaltung Kaufverhandlungen und der Abschluß eines Kaufvertrages nicht in Frage kämen.

Mit Beschluß vom 6. November 1986 entzog der Rat des Stadtbezirks Berlin-Mitte das Eigentumsrecht mit Wirkung vom 1. Dezember 1986. Die Enteignung erfolgte zur Durchführung der planmäßigen Baumaßnahme "Investitionskomplex Berlin Friedrichstraße - Wohnungsneubau" auf der Grundlage des Baulandgesetzes. Der Beschluß trägt den Vermerk, daß die Rechtskraft am 6. November 1986 eingetreten sei. Rechtsträger des Grundstücks wurde die antragstellende Baudirektion.

Zur Durchführung des Entschädigungsverfahrens hatte der Magistrat von Berlin unter dem 27. November 1986 bei dem Bereich Steuern der Abteilung Finanzen sowie bei der Sparkasse der Stadt Berlin und dem VEB Kommunale Wohnungsverwaltung um Auskunft über rückständige Grundsteuern und andere Abgaben und Gebühren, die gegen die Entschädigung bestehen, gebeten. Die Sparkasse der Stadt Berlin teilte mit, daß Grundstücksbelastungen nicht bestünden. Der Bereich Grundsteuer beim Magistrat gab unter dem 11. Februar 1987 an, daß Grundsteuern in Höhe von 24 454,60 M und die Vermögenssteuer für 1953 in Höhe von 3 928 M offen seien. Die Abrechnung des VEB Kommunale Wohnungsverwaltung wies zum 1. Dezember 1986 einen Verwalterfehlbetrag in Höhe von 5 115,25 M aus.

Mit Feststellungsbescheid vom 26. Juni 1987 stellte der Magistrat von Berlin als Entschädigung für das entzogene Grundstücke einen Betrag von 42 900 M fest. Grundlage dieser Festsetzung war eine Mitteilung des Magistrats, in der dieser Betrag, der einem Quadratmeterpreis von 100 M entspricht, ohne nähere Erläuterung oder Berechnung als Zeitwert des Grundstücks angegeben ist. Unter dem 30. Oktober 1987 erteilte der Magistrat dem Amt für den Rechtschutz des Vermögens der DDR eine "Abrechnung über staatlich verwaltete Entschädigungsansprüche ...". Danach sind von dem Entschädigungsgrundbetrag Steuern und der Verwalterfehlbetrag abgezogen worden. Als endgültiger Entschädigungsanspruch ergab sich ein Betrag von 9 712,07 M, der am 30. Oktober 1987 auf ein Konto bei der Staatsbank der DDR überwiesen wurde.

Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts wurden auf dem Grundstück mit Fundament- und Kellerarbeiten für ein neu zu errichtendes Gebäude begonnen, ohne daß der Bau vor dem Beitritt der DDR fertiggestellt worden war. 1991 wurde das Grundstück nach Durchführung eines Investitionsvorrangverfahrens zur Neugestaltung des Quartiers 206 veräußert und zwischenzeitlich überbaut.

Mit Schreiben vom 28. Februar 1990 meldete der Kläger vermögensrechtliche Ansprüche hinsichtlich des Grundstücks an, die das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen Mitte/ Prenzlauer Berg mit Bescheid vom 10. September 1993 ablehnte. Auch der Widerpruch blieb erfolglos.

Daraufhin hat der Kläger am 25. August 1994 Klage erhoben, der der Beklagte entgegengetreten ist und die das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 21. November 1997 nach Durchführung einer Beweisaufnahme abgewiesen hat. Die Begründung ist im wesentlichen darauf gestützt, daß das Verpflichtungsbegehren des Klägers dehalb keinen Erfolg habe, weil er nicht Berechtigter gemäß § 2 Abs. 1 VermG sei. Das streitbefangene Grundstück sei nicht Gegenstand einer schädigenden Maßnahme im Sinne von § 1 VermG gewesen. Für die Enteignung habe es keine geringere Entschädigung gegeben, als sie DDR-Bürgern zustand. Die in diesem Zusammenhang bedeutsame, durch den Beschluß des Präsidiums des Ministerrats der DDR vom 28. Juli 1977 angeordnete Senkung des Bodenpreises auf einen höchstzulässigen Betrag von 100 M/qm sei nicht erkennbar auf eine Diskriminierung von Westeigentümern angelegt gewesen. Sie habe sowohl die Grundstücke von Eigentümern aus dem "kapitalistischen Ausland" als auch solche von Eigentümern aus der DDR erfaßt. Entgegen der Ansicht des Klägers sei maßgeblich auf diesen Beschluß abzustellen, der das Ergebnis eines Willensbildungsprozesses unter Würdigung der politischen Implikationen gewesen sei. Auf die ihn begleitenden Beschlüsse des Politbüros bzw. des Ministerrats und die Äußerung anderer Stellen komme es nicht an, da sie keine in dem Beschluß selbst nicht enthaltene Diskriminierung begründen könnten.

Die im Einzelfall mögliche Festsetzung des Bodenpreises auf einen Betrag bis zur Höhe des zuvor geltenden Preises stelle sich als eine echte Ausnahmeregelung dar, eine regelmäßige Besserstellung betroffener Osteigentümer habe es nicht gegeben. Ebensowenig verschleiere der Beschluß eine intendierte Schlechterstellung von Westeigentümern. Der Beschluß sei als "Geheime Verschlußsache" ergangen und hätte sich daher nicht zurückzuhalten brauchen.

Auch die teilweise Verrechnung des ermittelten Entschädigungsbetrages mit vorderhand unbegründeten Steuerforderungen führe nicht zu einer Restitution. Dadurch sei der Zugriff auf das Grundeigentum nicht erleichtert worden. Schließlich liege auch keine unlautere Machenschaft darin, daß der Kläger am Enteignungsverfahren nicht beteiligt worden sei.

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen und formellen Rechts und vertieft sein Vorbringen aus dem Verfahren erster Instanz im wesentlichen wie folgt:

Der Tatbestand von § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG sei erfüllt, weil die Absenkung der Bodenpreise auf 100 M/qm entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts eine generelle Diskriminierung der Eigentümer aus kapitalistischen Staaten und West-Berlin bezweckt habe. Das Verwaltungsgericht lasse den Umstand unberücksichtigt, daß die Bodenpreissenkung durch einen geheimen Beschluß des Ministerrats und entgegen gesetzlicher Preisbestimmungen erfolgt sei. Bereits im Beschluß des Politbüros vom 10. Oktober 1972 komme die generell diskriminierende Zielsetzung zum Ausdruck, das Vermögen von Westeigentümern nach Möglichkeit entschädigungslos zu enteignen und hierzu systematisch eine Überschuldung des betreffenden Vermögenswertes herbeizuführen. Der Politbürobeschluß vom 11. Juli 1978 stelle klar, daß die Bodenpreissenkung erfolgt sei "mit dem Ziel, eine weitere Überschuldung ausländischer Grundstücke zu erreichen". Vor diesem Hintergrund habe das Verwaltungsgericht nicht allein auf den Beschluß des Ministerrats vom 28. Juli 1977 als Ergebnis des Willensbildungsprozesses der DDR-Führung abstellen dürfen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei eine Enteignung rückgängig zu machen, wenn aufgrund eines nicht veröffentlichten Beschlusses des Politbüros des ZK der SED, der vom Präsidium des Ministerrats inhaltsgleich übernommen worden sei, eine von den gesetzlichen Bestimmungen abweichende Regelung vorliege. Die vom veröffentlichten Recht abweichende Praxis bilde keinen Bestandteil der gelebten Rechtswirklichkeit der DDR, sondern stelle ein als unlautere Machenschaft zu bewertendes Einzelfallunrecht dar. Die 100-M-Preisregelung habe nahezu ausschließlich Grundstücke im Eigentum von Staatsbürgern des kapitalistischen Auslandes getroffen. Dieser Umstand sei nicht nur vor Inkrafttreten des Ministerratsbeschlusses bekannt gewesen, sondern die Regelung sei bereits so konzipiert worden, daß sie im wesentlichen Westeigentümer getroffen habe. In den wenigen Fällen, in denen tatsächlich DDR-Bürger Eigentümer von Grundstücken gewesen seien, habe die Anwendung der Härtefallklausel Nachteile nicht entstehen lassen.

Diskriminierend wirke auch, daß die ermittelte Entschädigung durch Verrechnung mit einem Verwalterfehlbetrag, Grundsteuern und Vermögenssteuern vermindert worden sei. Forderungen dieser Art hätten nicht bestanden, sondern nur dazu gedient, den Zugriff auf das Eigentum zu erleichtern.

Seine Nichtbeteiligung am Enteignungsverfahren rechtfertige ebenfalls eine Restitution. Die vom Verwaltungsgericht herangezogene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht zur Unbeachtlichkeit von Verfahrensmängeln greife hier nicht, weil sie zu Enteignungen nach dem Aufbaugesetz ergangen sei.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht rüge er die unzureichende Aufklärung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht. Der Frage, ob und inwieweit die Härtefallregelung für DDR-Bürger angewandt worden sei, hätte näher nachgegangen werden müssen. Weitere Zeugen hätten vernommen und zusätzliche Akten beigezogen werden müssen. Die zu Grundstücken in Berlin-Mitte herangezogenen Vergleichsfälle seien fehlerhaft gewürdigt worden.

Der Beklagte hingegen verteidigt das angefochtene Urteil, er meint, ein Schädigungstatbestand im Sinne von § 1 VermG sei nicht erfüllt.

Auch die Beigeladene sieht Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und legt dar, daß es einer weiteren Sachaufklärung nicht bedurft habe. So sei bereits aufgrund der Bekundungen der Zeugen sowie der herangezogenen Magistratsakten zu verschiedenen anderen Grundstücken deutlich geworden, daß es sich bei der Härtefallklausel tatsächlich um eine Ausnahmebestimmung gehandelt habe.

Der Oberbundesanwalt tritt der Revision ebenfalls entgegen und führt im einzelnen aus, daß die erstinstanzliche Entscheidung der Rechtslage entspricht.

II.

Die Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil verletzt kein Bundesrecht. Der Kläger ist nicht Berechtigter im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG und hat deshalb keinen Anspruch auf den Gegenwert des streitbefangenen Grundstücks.

Berechtigt ist u.a. eine natürliche Person, deren Vermögenswert von einer Maßnahme gemäß § 1 VermG betroffen ist. Zu solchen Maßnahmen gehören nach § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG Enteignungen gegen geringere Entschädigung, als sie Bürgern der früheren DDR zustanden (A), und nach § 1 Abs. 3 VermG Enteignungen aufgrund unlauterer Machenschaften (B). Das Verwaltungsgericht hat zu Recht aus keinem der beiden Schädigungstatbestände den Klageanspruch abgeleitet.

A. § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG

Die Revision sieht eine geringere Entschädigung, als sie den Bürgern der früheren DDR zustand, sowohl darin, daß aufgrund des Beschlusses des Präsidiums des Ministerrats vom 28. Juli 1977 eine Bodenpreissenkung auf höchstens 100 M/qm bestand (1), als auch dadurch gegeben, daß die festgestellte Entschädigung mit Steuerschulden und Verwalterbeträgen verrechnet wurde (2). Beide Tatsachen erfüllen indes nicht die Merkmale von § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG.

Zur Auslegung des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift ist von dem restitutionsrechtlichen Grundsatz der Konnexität auszugehen: Entsprechend dem Zweck der Wiedergutmachung in Natur muß eine Gleichartigkeit von Schädigungsgegenstand und Restitutionsgegenstand bestehen (Urteil vom 6. April 1995 BVerwG 7 C 11.94 - BVerwGE 98, 154 <159 f.> = Buchholz 111 Art. 22 EV Nr. 10 S. 26 <30 f.>). Wird vor diesem Hintergrund die diskriminierende Schädigung in der Höhe der Entschädigung gesehen, ohne daß der Entschädigungsanspruch, sondern das Grundstück Gegenstand der Restitution sein soll, an dem das Eigentumsrecht entzogen worden ist, so muß die vorgesehene (geringere) Entschädigung schon im Enteignungszeitpunkt auf den Eigentumsentzug unmittelbar durchgeschlagen haben. Oder - anders ausgedrückt - die (geringere) Entschädigung als Folge der Enteignung muß zugleich das Ergebnis einer Maßnahme sein, die ihrerseits - zumindest auch - Ursache für diese Enteignung war. Erst ein solcher instrumenteller Zusammenhang mit dem Zugriff auf das Grundeigentum schafft die gesetzessystematische Verknüpfung zwischen reduzierter Entschädigung und dem Restitutionsgegenstand (vgl. Urteile vom 5. März 1998 BVerwG 7 C 8.97 - VIZ 1998, 373 und vom 24. März 1994 BVerwG 7 C 11.93 - BVerwGE 95, 289 = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 20 S. 18 <19f.>). Die diskriminierende Entschädigungsbestimmung oder eine entsprechende Entschädigungspraxis muß den Zugriff auf das Eigentum erleichtert oder ermöglicht haben. Blieb hingegen der eigentliche Zugriff auf das Eigentum von der nachfolgenden Entschädigung unbeeinflußt, kann eine isoliert in der Höhe des Entschädigungsbetrages gesehene Diskriminierung nur eine Schädigung bewirken, die sich im Sinne von § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG auf die Entschädigungsforderung bezieht, die einem Bürger der DDR bei gleicher Enteignung zugestanden hätte.

§ 1 Abs. 1 Buchst. b VermG geht folglich von zwei Voraussetzungen aus, die kumulativ erfüllt sein müssen: Zunächst muß eine generelle Regelung oder eine Praxis vorhanden gewesen seien, die für Eigentümer mit Wohnsitz außerhalb der DDR eine ungünstigere Entschädigungsregelung vorgesehen hatte (a); sodann muß zwischen dieser und dem Eigentumszugriff ein unmittelbarer Zusammenhang bestanden haben (b).

1.a) Der umstrittene, die Bodenpreissenkung betreffende Beschluß des Präsidiums des Ministerrats vom 28. Juli 1977 erfüllt bereits die erste Voraussetzung nicht. Er enthält insofern keine Diskriminierung gebietsfremder Eigentümer. Die Preisbestimmung galt auch für Bürger der DDR und anderer Staaten mit Wohnsitz in der DDR.

Bereits der Wortlaut des Beschlusses geht von der Gleichbehandlung gebietsfremder Eigentümer und DDR-Bürger bei der Berechnung der Entschädigung nach dem Bodenpreis aus. Die weiteren Verlautbarungen des Ministerrats stimmen darin überein. Sie rechtfertigen die Preissenkung zunächst damit, daß die Preise für Grund und Boden den gesellschaftlichen und ökonomischen Verhältnissen anzupassen seien, weil sie nur in einer für Eigentümer und Gesellschaft vertretbaren Höhe Anerkennung fänden (vgl. die als Anlage zum Beschluß beigefügte "Information" S. 9 f.). Es gelte, "letzte noch vorhandene Rudimente kapitalistischer Bodenspekulation" zu beseitigen (Bericht zum Durchführungsbeschluß des Präsidiums des Ministerrats vom 29. Juli 1978, Anlage 1 S. 25).

Die Verlautbarungen bezeugen sodann, daß auch für DDR-Bürger grundsätzlich keine Profit- und Spekulationsgelegenheit mehr bestehen sollte. Solche Möglichkeiten hätten sich aus der Lage in den Zentren von Berlin, Leipzig und Erfurt dadurch ergeben, daß abweichend von den üblichen Baulandpreisen, die in der DDR unter 100 M/qm lagen, in diesen Zentren Preise bis zu 720 M zu erzielen gewesen seien. Darum solle die Anpassung, wie es hieß, "generell, d.h. auch für DDR-Eigentümer" gelten, weil es sich bei diesem Eigentum "nicht um persönliches Eigentum zur Befriedigung von Wohn- und Erholungsbedürfnis des Bürgers und seiner Familie" handele "und der Erwerb dieser Grundstücke nicht aus Arbeitseinkommen finanziert" worden "und auf die Erzielung von Profit gerichtet" gewesen sei ("Information" a.a.O. S. 7). Lediglich in Einzelfällen sollten durch Beschluß der örtlichen Räte Ausnahmen zugelassen werden können, sofern soziale Härten für Eigentümer auftraten, die nicht nur Bürger der DDR, sondern auch anderer - nicht nur befreundeter - Staaten mit Wohnsitz in der DDR waren.

Daraus ergibt sich zusammenfassend, daß es sich bei der Herabsetzung des Bodenpreises um keine speziell ausländerdiskriminierende, sondern um eine allgemeine system- und ideologiebedingte Maßnahme gehandelt hat.

Beizupflichten ist auch der Wertung des Verwaltungsgerichts, daß trotz des Wortlauts und der dazu erfolgten Information durch den Ministerrat eine Diskriminierungsabsicht nicht etwa verborgen werden sollte. In dem ohnehin nicht veröffentlichten, sondern geheimen Beschluß bedurfte es keiner Verschleierung einer etwaigen Diskriminierungsabsicht, wie sich dies aus den übrigen Teilen des Preisbeschlusses ergibt, in denen die gewollte Ungleichbehandlung von Ost- und Westeigentümern hinsichtlich der bei Mietwohngrundstücken anzuwendenden Berechnungsmethode offen ausgesprochen wurde.

Gegen die Bewertung als diskriminierungsfrei spricht nicht, daß die angeordnete Bodenpreissenkung eingebettet gewesen ist in vor- und nachbereitete, ebenfalls geheime Beschlüsse des Politbüros des ZK der SED und des Präsidiums des Ministerrats über die Behandlung des in der DDR befindlichen Grundbesitzes von Berechtigten aus "kapitalistischen Staaten und Westberlin". Diese die Entschädigung von Miet- und Gewerbegrundstücken von Westeigentümern betreffenden Bestimmungen gehören zu den von § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG erfaßten gruppendiskriminierenden Entschädigungsregelungen (Urteil vom 24. März 1994 - BVerwG 7 C 11.93 -, a.a.O.). Das wirkt sich aber nicht dahin aus, daß auch die Bodenpreisanordnung inkriminiert ist. Dagegen spricht zunächst, daß sie eine eigenständige Regelung beinhaltet hatte, die nicht geheim geblieben war, weil sie für Berlin im September 1977 durch einen gleichlautenden Beschluß des Magistrats veröffentlicht wurde. Sie hat auch nicht in Abhängigkeit zu den anderen getroffenen Maßnahmen des Ministerrats gestanden, sondern ist in ihrer Tragweite - wie vom Verwaltungsgericht umfassend dargelegt - einer differenzierten Betrachtung zugänglich. Schließlich kommt der eingangs benannte Gesichtspunkt zum Tragen, daß der Schädigungstatbestand von § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG in Fällen, in denen der betroffene Vermögenswert nicht die vorenthaltene Entschädigungssumme, sondern als deren Gegenstand das Grundstück ist, eine enge Anwendung solcher Entschädigungsvorschriften verlangt, die eine Rückübertragung ergeben sollen. Für Schlußfolgerungen aus einer Globalbetrachtung ist danach kein Raum.

b) Die Tendenz der Preisregelung zielte im übrigen nur auf den Entschädigungsbetrag, nicht auf den enteigneten Vermögenswert ab. Weder dem Preisbeschluß (28. Juli 1977) noch dem nachfolgenden Durchführungsbeschluß (20. Juli 1978) des Ministerrats läßt sich entnehmen, daß für dieses die Preise bestimmende Organ vorrangiger Zweck der Bodenpreissenkung die planmäßige Überschuldung zur nachfolgenden Überführung in Volkseigentum gewesen ist. Eine Verschuldung trat vielmehr bei Mietwohnhäusern vor allem im Zusammenhang mit Instandhaltungs-, Rekonstruktions- und Modernisierungsmaßnahmen ein. Um in jenen Fällen eine schrittweise Verschuldung - und zwar allein der ausländischen Mietgrundstücke - zu beschleunigen, erfolgten mit dem fraglichen Beschluß des Präsidiums des Ministerrats vom 28. Juli 1977 gleichzeitig Maßnahmen zur Herabsetzung der Enteignungsentschädigung (Berechnung des Verkehrswerts allein nach dem Ertragswert, Einsatz speziell ausgesuchter "zuverlässiger" Gutachter), die im deutlichen Unterschied zu der hier fraglichen Bodenpreissenkung vorrangig dazu dienten, den Zugriff auf das davon betroffene Eigentum zu erleichtern. Die im Streitfalle auf das Baulandgesetz der DDR gestützte Enteignung des unbebauten und ungenutzten Grundstücks blieb hingegen von der preisrechtlichen Anordnung des Ministerrats unbeeinflußt.

c) Das Verwaltungsgericht hat ferner in revisionsrechtlich nicht zu beanstandener Weise festgestellt, daß in der praktischen Anwendung des Preisbeschlusses nicht zugunsten von DDR-Bürgern stets von der Härtefallklausel Gebrauch gemacht worden war. Die Rügen von Verfahrensmängeln greifen nicht durch. Sie bedürfen, um von tragender Bedeutung zu sein, einer nachvollziehbaren Erläuterung, was die anwaltlich vertretene Partei daran gehindert hat, Anstöße zu ihres Erachtens gebotener Aufklärung etwa in Form von Anträgen nach § 86 Abs. 2 VwGO zu geben, oder weswegen sich dem Verwaltungsgericht von Amts wegen eine weitere Aufklärung aufdrängen mußte. Der Kläger hat jedoch vor dem Verwaltungsgericht in Ansehung des Ergebnisses der umfangreichen Beweisaufnahme (Zeugenvernehmung, Beiziehung von Akten) keine weiteren Beweisanträge gestellt, sondern in der Sitzung vom 21. November 1997 durch seinen Prozeßbevollmächtigten erklären lassen, "nichts weiter vortragen zu wollen".

Dem Verwaltungsgericht hat sich auch von Amts wegen eine zusätzliche Beweisaufnahme nicht aufdrängen müssen. Der einzige den Zeugen P. und T. in Erinnerung gebliebene Fall, daß in Berlin von der Härtefallklausel Gebrauch gemacht worden war, betraf die Französische Kirche zu Berlin. Doch aus dieser Billigkeitsentscheidung konnten nach dem einschlägigen Bescheid des Magistrats von Berlin (4. Juni 1984) "keine Ansprüche auf andere, ähnlich gelagerte Grundstücke abgeleitet werden". Weitere Fällen hätten, wie der Zeuge T. bekundet hat, ihm zur Kenntnis gelangen müssen, insbesondere hätte er von einer ständigen Praxis zugunsten von DDR-Bürgern wissen müssen, weil ihm kraft seines Amtes die Anwendung der Härtefallregelung und die Festsetzung eines Preises von 100 M für einen DDR-Bürger im Berliner Bereich oblegen hatte. Von weiteren Ermittlungen konnte das Verwaltungsgericht auch deshalb absehen, weil nach den übereinstimmenden Aussagen der Zeugen P. und T. eine generelle Anweisung zur Durchführung der Bodenpreissenkung und zur Anwendung der Härtefallklausel gefehlt hatte. Seine Schlußfolgerung, daß jede Anwendung dieser Ausnahme eine Einzelfallentscheidung darstellte, aus der auf eine allgemeine Diskriminierungspraxis nicht geschlossen werden kann, ist danach tragfähig.

Soweit die Revision die Würdigung herangezogener Vergleichsfälle durch das Verwaltungsgericht bemängelt, kommt es darauf entscheidend nicht an. Selbst wenn bei dem einen oder anderen Sachverhalt besondere Gründe für die Festlegung des Bodenpreises auf 100 M bestanden haben sollten, würde daraus noch nicht das folgen, was im Sinne des Klägers zu beweisen wäre: daß nämlich in Wahrheit für DDR-Bürger regelmäßig oder gar ausschließlich die Härtefallklausel mit höheren Bodenpreisen angewandt wurde.

2. Unter Berücksichtigung des eingangs umschriebenen Anwendungsbereichs von § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG ist revisionsgerichtlich auch nichts dagegen zu erinnern, daß das Verwaltungsgericht in der Verrechnung des Entschädigungsbetrages mit Steuern und Verwalterbeträgen keinen das Grundstück betreffenden Schädigungstatbestand gesehen hat. Der vorausgegangene eigentliche Eigentumszugriff ist von dieser Verfahrensweise nicht bestimmt worden, hatte doch im Vorfeld der Überführung in Volkseigentum der Magistrat von Berlin noch bestätigt, daß für das Grundstück keine Steuerrückstände bestünden. Die in Kenntnis dieser Auskunft (gleichwohl) erfolgte Enteignung macht deutlich, daß zwischen der Verrechnung und dem Eigentumszugriff ein unmittelbarer Zusammenhang nicht bestanden hat.

Für die Entscheidungsfindung kommt es nicht auf die vom Verwaltungsgericht zusätzlich herangezogene formelle Betrachtungsweise an, wonach staatliche Vorgaben zur Verrechnung vermeintlicher Forderungen mit dem Entschädigungsgrundbetrag keine "Entschädigungsregeln" im eigentlichen Sinne seien. Auch die vom Kläger einredeweise geltend gemachte Zielsetzung der DDR-Führung - "alle Möglichkeiten auszuschöpfen (Steuern, Gebühren usw.), um die Höhe der zu registrierenden Werte weitgehend zu reduzieren" (Beschluß des Politbüros des ZK der SED vom 10. Oktober 1972, Anlage zum Protokoll S. 4) - kann vermögensrechtlich nicht darüber hinweghelfen, daß Enteignungen (etwa nach dem Baulandgesetz) nicht schon deshalb vom Tatbestand des § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG erfaßt werden, weil planmäßig eine geringere als nach den einschlägigen Vorschriften der DDR zu erwartende Entschädigungssumme festgesetzt wurde. Die Wiedergutmachung des Teilungsunrechts bezweckt, solche Vermögensverluste rückgängig zu machen, die Bürger deswegen hinnehmen mußten, weil sie entweder nicht in der DDR wohnten oder weil sie die DDR verlassen hatten (vgl. Neuhaus in Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, Loseblatt Stand: April 1998 § 1 VermG Rn. 37 m.w.N.). Im vorliegenden Fall hätte die Inanspruchnahme des Grundstücks nach dem Baulandgesetz einen DDR-Bürger in gleicher Weise getroffen.

B. § 1 Abs. 3 VermG

Der neben § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG mögliche Schädigungstatbestand von § 1 Abs. 3 VermG liegt ebenfalls nicht vor. Mit dem Verwaltungsgericht ist der Senat der Ansicht, daß die Enteignung weder zu dem angegebenen Zweck der Rechtsgrundlage im Baulandgesetz der DDR entbehrt noch wegen der Nichtbeteiligung des Klägers am Verfahren auf unlauterer Machenschaft beruht hat. Es kann - was insbesondere die Nichtbeteiligung von Westeigentümern anbelangt - in der Tat offenbleiben, ob der Ansicht des Bundesgerichtsshofs (Urteil vom 17. März 1995 - V ZR 100/93 - BGHZ 129, 112 ff.) zu folgen ist, der aus diesem Umstand Zweifel an der Wirksamkeit solcher Enteignungen zieht. Das Vermögensgesetz kennt keine andere Entscheidungsform als die der Rückübertragung, auch keine Nichtigkeitsfeststellung (Beschluß vom 19. Dezember 1994 - BVerwG 7 B 201.94 - Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 2 S. 1). Eventuell aufgetretene Rechtsanwendungsfehler bei der Durchführung des Verfahrens sind nach dem maßgeblichen Rechtsverständnis der DDR zu beurteilen und ergeben hier keinen derart groben und offenkundigen Verstoß gegen die Enteignungsgrundsätze des Baulandgesetzes, daß von einer willkürlichen Maßnahme im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG gesprochen werden könnte (vgl. Art. 237 § 1 Abs. 1 EGBGB). Was die Revision hiergegen einwendet, legt nicht den Schluß nahe, die unterbliebende Bekanntgabe des Enteignungsbeschlusses an den damals in Hamburg lebenden Kläger habe den Enteignungserfolg gezielt zu dessen Lasten beeinflussen sollen (vgl. Urteil vom 20. März 1997 - BVerwG 7 C 23.96 - BVerwGE 104, 186 <191> = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 108 S. 324 <326>).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.

Beschluß:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 1 Million DM festgesetzt (§ 13 Abs. 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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