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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 22.04.2009
Aktenzeichen: BVerwG 8 C 5.08
Rechtsgebiete: VermG
Vorschriften:
VermG § 1 Abs. 6 | |
VermG § 3 Abs. 1 |
Das Vermögensrecht kennt keinen Entschädigungsanspruch für einen ausgeschlossenen Anspruch auf Bruchteilsrestitution nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG an dem Grund- und Betriebsvermögen einer im Beitrittsgebiet gelegenen Zweigniederlassung. Das Grund- und Betriebsvermögen einer Zweigstelle kann als Sachgesamtheit nicht Gegenstand eines Anspruchs auf Einräumung von Bruchteilseigentum sein.
In der Verwaltungsstreitsache
...
hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung
vom 25. März 2009
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf,
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg und Dr. Hauser und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Guttenberger
am 22. April 2009
für Recht erkannt:
Tenor:
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 5. Juni 2007 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 und der außergerichtlichen Kosten im Revisionsverfahren der Beigeladenen zu 1. Im Übrigen trägt die Beigeladene zu 1 ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Gründe:
I
Die Klägerin macht Entschädigungsansprüche wegen der Entziehung von Aktien der Firma O & K AG (im Folgenden AG) geltend und begehrt die Einräumung von Bruchteilseigentum an einem 10 680 m² großen, in Leipzig-Wahren gelegenen Grundstück (P...straße ... - Grundbuch von Wahren, Blatt ..., Flur ..., Flurstücke ... und ...). Das Grundstück gehörte zum Betriebsvermögen der AG, die Lokomotiven, Bahnanlagen und Baumaschinen herstellte. Der Sitz der AG war am Tempelhofer Ufer in (West-)Berlin. Die AG verfügte über mehrere Betriebsstätten und Zweigniederlassungen im In- und Ausland. Am 4. April 1898 ließ die AG den Betrieb in Leipzig als Zweigniederlassung "der in Berlin unter der gleichen Firma bestehenden Hauptniederlassung" im Handelsregister des Amtsgerichts Leipzig eintragen.
Vorstandsvorsitzender der AG war ab 1926 Alfred O, der Sohn des in diesem Jahr verstorbenen Mitbegründers Benno O, der 1876 mit Arthur Koppel ein Handelsunternehmen für leichtes Feldbahnmaterial gegründet hatte, die Vorläuferfirma für die spätere AG. Benno O und die übrigen Familienmitglieder waren Juden. Anfang 1933 hielt die Familie O Stammaktien der AG im Nennwert von mindestens 4 671 600 RM und Vorzugsaktien im Nennwert von 480 000 RM.
Im April 1933 bat der Vorstandsvorsitzende A. O das Vorstandsmitglied W., einen Juden, zurückzutreten, um Staatsaufträge nicht zu gefährden. Die Dresdner Bank entsandte den späteren Direktor dieser Bank Erich N., einen 1931 in die NSDAP eingetretenen "Fliegerkameraden" Hermann Görings, in den Aufsichtsrat der AG. N. unternahm es nach den Ausführungen von Ziegler (in: Henke <Hrsg.>, Die Dresdner Bank im Dritten Reich, Band 1, 2006, S. 85 ff. und 129), mittels der ihm übertragenen Aufsichtsratsmandate die "Ausschaltung der Nichtarier" in der AG zu besorgen. Im Sommer 1933 wurde zwischen der AG, der Familie O, der deutschen Treuhandgesellschaft, der Dresdner Bank und der Commerz- und Privatbank AG unter der Mitwirkung des Reichswirtschaftsministeriums ein "Gleichschaltungsabkommen" geschlossen, wonach N. oder ein anderer vom Reichswirtschaftsministerium zu benennender Stimmführer in der Aktionärsversammlung das Stimmrecht für das Stamm- und Vorzugsaktienpaket wahrnehmen sollte.
Am 3. August 1933 beschloss die Generalversammlung der Aktionäre eine Kapitalherabsetzung von 32 Mio. RM auf 17,48 Mio. RM. Infolgedessen reduzierte sich der Nennwert des Stammaktienpakets der Familie O auf ca. 2 335 000 RM. Der Nennwert der Vorzugsaktien in Höhe von 480 000 RM blieb unangetastet. Der Gesamtwert der vom Stimmführer repräsentierten Aktien belief sich demzufolge auf 2 815 800 RM. Das sind 16,11% des herabgesetzten Grundkapitals.
Entweder Ende September 1935 (nach Angaben der Klägerin) oder im Oktober 1935 (nach Aktenlage) schied Alfred O aus dem Vorstand der AG aus und emigrierte nach Südafrika.
Ausweislich des Tatbestandes des verwaltungsgerichtlichen Urteils mussten die Erben des 1926 verstorbenen Benno Os das "jüdische Aktienkapital" im Gesamtnennwert von 16,11% des Stammkapitals während der NS-Zeit "sukzessive" verfolgungsbedingt veräußern.
Nachdem im Februar 1940 die AG ihr Grundkapital erhöht hatte und nunmehr neu firmierte unter "Maschinenbau und Bahnbedarf AG" mit dem Zusatz "vormals O & K" und dieser Zusatz im November 1941 gestrichen wurde, übernahm die Hoesch AG zur Jahreswende 1941/42 einen Großteil der Aktien der Gesellschaft.
1947 veräußerte die weiterhin in (West-)Berlin ansässige AG die Aktiva und Passiva der Leipziger Zweigniederlassung einschließlich des streitbefangenen Grundstücks an den Leipziger Kaufmann Sch. 1948 wurde er als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Er betrieb in Leipzig ein Reparaturwerk für Lokomotiven und Baumaschinen und verließ 1955 die DDR ohne Beachtung der polizeilichen Meldevorschriften. Zum Treuhänder seines Betriebsvermögens wurden verschiedene VEB-Betriebe bestellt, zuletzt der VEB Lokomotivbau "Karl Marx" Babelsberg, der seit dem 1. Januar 1962 auch Rechtsträger des inzwischen geteilten und in Volkseigentum überführten Betriebsgrundstücks wurde. Die Firma Sch. wurde Anfang 1962 im Handelsregister gelöscht. Kurz danach folgte auch die Umschreibung der Grundstücke im Grundbuch. 1984 wurde das Reichsbahnausbesserungswerk Ernst Thälmann in Halle zum Rechtsträger bestellt, das die Grundstücke bis spätestens 1991 zur Durchführung von Reparaturen benutzte. Seit dem 7. Oktober 1993 ist die Beigeladene zu 1 als Eigentümerin nach Art. 26 EV im Grundbuch eingetragen.
Im August 1990 meldete Frau M. Sch. als Alleinerbin des genannten Kaufmanns vermögensrechtliche Ansprüche hinsichtlich des streitbefangenen Grundstücks an. Ihre Alleinerbin trat im Juli 1994 die vermögensrechtlichen Ansprüche bezüglich des Betriebsgrundstücks an die Beigeladene zu 2 ab und veräußerte dieser das Grundstück mit allen Bestandteilen und Zubehör.
Die Klägerin machte mit Schreiben vom 22. Dezember 1992 - sogenannte Anmeldung 3 - vermögensrechtliche Ansprüche geltend und erläuterte den Vermögenswert näher mit Schreiben vom 15. Januar 1995 als das Grund- und Betriebsvermögen der Firma O & K, Niederlassung Leipzig, in der P...straße 31 in Leipzig.
Ein Restitutionsantrag der inzwischen als O&K O & K AG firmierenden, weiter in Westdeutschland tätigen Gesellschaft wegen der ehemaligen Betriebsstätte in Leipzig wurde mit Bescheid vom 3. Juni 1994 bestandskräftig abgelehnt.
Den Antrag der Klägerin lehnte das Sächsische Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen (im Folgenden LaRoV) mit Bescheid vom 30. Oktober 2000 ab, da keine Entschädigungsansprüche bestehen würden. Auch der Antrag der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2 auf Unternehmensrestitution wurde zurückgewiesen. Ihr stehe allerdings ein Entschädigungsanspruch zu, auf den der Wert des an die Beigeladene zu 2 zurückzuübertragenden streitbefangenen Grundstücks anzurechnen sei.
Zur Begründung des Ablehnungsbescheides ist im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe das erforderliche Quorum nicht erreicht und eine Unternehmensschädigung nicht nachweisen können. In der Übertragung des Aktionärsstimmrechts liege keine Anteilsschädigung, da sie die Anteilsinhaberschaft nicht berührt habe. Im Übrigen indiziere eine Gleichschaltungsmaßnahme aus politischen Gründen noch keine rassische Verfolgung. Wegen der fortbestehenden Unklarheit über die Aktienmehrheit und deren Verlust sei auch keine "Arisierung" des gesamten Unternehmens festzustellen. Zwar hätten jüdische Aktionäre in der NS-Zeit ihre Unternehmensbeteiligungen vermutlich durch Zwangsmaßnahmen verloren. Eine Maßnahme an dem U nternehmen als solchem sei jedoch nicht nachzuweisen. Wegen der entschädigungslosen Enteignung des Kaufmanns Sch. stehe dessen Rechtsnachfolgerin ein Entschädigungsanspruch zu. Darauf sei der Wert des früheren Betriebsgrundstückes anzurechnen, das wegen wirksamer Abtretung des Restitutionsanspruchs an die Beigeladene zu 2 zurückübertragen werde.
Mit ihrer vor dem Verwaltungsgericht erhobenen Klage hat die Klägerin im Wesentlichen geltend gemacht, ihr stehe sowohl ein Anspruch auf Bruchteilsrestitution an dem streitbefangenen Grundstück als auch ein Anspruch auf anteilige Entschädigung nach dem NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz für das Grund- und Betriebsvermögen der selbstständigen Niederlassung Leipzig zu. Aus den vorliegenden Unterlagen ergäbe sich eine "jüdische" Aktienbeteiligung, insbesondere der Familie O, von mindestens 16,11% des Aktienkapitals der AG, sowie eine verfolgungsbedingte Veräußerung dieser Anteile. Das getroffene Gleichschaltungsabkommen betreffe auch die Aktienanteile der jüdischen Familie und habe deren Einfluss zurückdrängen sollen. Im September 1935 hätten noch weitere Anteile im Nennwert von 3 bis 4 Mio. RM im Eigentum der Familie O gestanden, die sich nur zögerlich von ihren Aktienpaketen getrennt habe. Das recht bedeutende restliche Aktienpaket habe im Zusammenhang mit der Auswanderung Alfred Os nach Südafrika zum Verkauf gestanden.
Der Funktionsvorgänger der jetzigen Beklagten, die seit dem 1. Januar 2004 für die Entscheidung über vermögensrechtliche Ansprüche wegen Schädigung nach § 1 Abs. 6 VermG zuständig ist, ist dem Vorbringen der Klägerin entgegengetreten. Die Klägerin habe Ansprüche nach den jüdischen Aktionären schon nicht wirksam angemeldet, weil sie die betreffenden Personen nicht rechtzeitig innerhalb der gesetzlichen Frist benannt und die Beteiligungshöhe nicht angegeben habe. Auch sei fraglich, ob die Globalanmeldung den Anforderungen an die Individualisierung genüge. Allenfalls könne von einer Anteilsschädigung im Nennwert von 600 000 RM gesprochen werden.
Der Beigeladene zu 1 hat die Nichterfüllung des Quorums gerügt und vorgetragen, das Vermögen der AG und des Unternehmens des Kaufmanns Sch. seien besatzungsrechtlich enteignet worden. Seinerzeit habe auf dem streitbefangenen Grundstück schon keine Betriebsstätte der AG mehr existiert.
Die Beigeladene zu 2 hat die vermögensrechtliche Anmeldung der Klägerin ebenfalls als nicht hinreichend individualisiert angesehen, da sie weder personell noch gegenständlich eindeutig bestimmt sei. Auch eine Schädigung der jüdischen Aktionäre in Höhe von 16,11% sei nicht nachgewiesen. Zudem sei das Grundstück nicht besatzungshoheitlich enteignet worden. Eine Anteilsschädigung lasse sich weder mit der Grundstücksveräußerung im Jahre 1947 noch mit einer späteren Schädigung des Klägers begründen.
Mit Urteil vom 5. Juni 2007 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Sächsischen LaRoV vom 30. Oktober 2000 verpflichtet, der Klägerin Bruchteilseigentum in Höhe von 16,11% an dem streitbefangenen Grundstück einzuräumen und festzustellen, dass der Klägerin wegen des Verlustes der früheren Beteiligung an der AG dem Grunde nach ein Anspruch in Höhe von 16,11% nach Maßgabe des NS-Verfolgtenentschädigungsgesetzes für das Grund- und Betriebsvermögen der selbstständigen Niederlassung Leipzig der AG zustehe, auf den der Wert der genannten Bruchteilseigentumseinräumung anzurechnen sei. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe ihren Anspruch fristgemäß angemeldet. Die Bruchteilsrestitution könne beansprucht werden, da die Familie O bzw. die Erben nach Benno O die während der NS-Zeit gehaltenen Aktienanteile in Höhe von mindestens 16,11% des Gesamtkapitals der AG während der NS-Herrschaft hätten verfolgungsbedingt sukzessive veräußern müssen. Dafür spreche insbesondere die getroffene Treuhandabrede und das geschlossene Gleichschaltungsabkommen sowie die zeitgeschichtlichen Umstände. Wegen der Anteilsschädigung stehe der Klägerin darüber hinaus auch der genannte anteilige Entschädigungsanspruch zu.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts. § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG und § 2 VermG seien fehlerhaft angewandt worden, da Anteile in Höhe von weniger als 20% des Kapitals eines geschädigten Unternehmens keine Beteiligung im vermögensrechtlichen Sinne darstellen würden. Sie könnten nur gemäß § 2 Satz 8 NS-VEntschG i.V.m. § 16 Abs. 1 und 3 Satz 1 BRÜG als Wertpapiere entschädigt werden. Zur Begründung bezieht sich die Beklagte insoweit auf ihr Vorbringen im Verfahren BVerwG 8 C 4.08.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 5. Juni 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das ergangene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladenen zu 1 und zu 2 treten den Ausführungen der Revisionsführerin bei und stellen jeweils den Antrag,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 5. Juni 2007 aufzuheben, soweit es die Beklagte verpflichtet, der Klägerin Bruchteilseigentum in Höhe von 16,11% an dem Grundstück P...straße 31 in Leipzig-Wahren einzuräumen (1.1 des Urteilstenors), und insoweit die Klage abzuweisen.
Der Klägerin ist ein Schriftsatznachlass zur Frage eingeräumt worden, ob die in Leipzig bestehende Zweigniederlassung der in Berlin ansässigen Hauptniederlassung der Firma O & K AG einen eigenständigen restituierbaren Vermögenswert darstellen kann.
II
Die Revision ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht in mehrfacher Hinsicht und beruht darauf.
1. Soweit das Verwaltungsgericht die Verpflichtung der Beklagten ausspricht, der Klägerin Bruchteilseigentum in Höhe von 16,11% am streitbefangenen Grundstück einzuräumen, verkennt es die gesetzlichen Voraussetzungen einer rechtzeitigen Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche und verstößt damit gegen §§ 30, 30a Abs. 1 Satz 1 VermG. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hat die Klägerin vermögensrechtliche Ansprüche im Hinblick auf das frühere Betriebsgrundstück der AG in Leipzig mit der Globalanmeldung - Anmeldung 3 - vom 22. Dezember 1992 nicht rechtzeitig angemeldet.
Obschon diese Frage im bisherigen Verfahren problematisiert war, ist das Verwaltungsgericht auf diese Normen nicht näher eingegangen und hat sich mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Anforderungen an die Individualisierbarkeit bei Globalanmeldungen (zuletzt präzisiert mit Urteil vom 28. November 2007 - BVerwG 8 C 12.06 - Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 41) nicht befasst. Nach dieser Rechtsprechung müssen bezogen auf die Anmeldung 3 die in deren Anlage genannten Unterlagen zu dem Vermögenswert hinführen, also zielführend sein. Das bedeutet, dass aus den Bezeichnungen der in Bezug genommenen bestimmten Akten hervorgehen muss, um welchen Vermögensgegenstand es sich handelt. Es muss sich zudem ein Anstoß oder Hinweis ergeben, dass der Inhalt der betreffenden Akten eine Entziehung oder ein Zwangsverkauf jüdischen Vermögens zum Gegenstand hat (vgl. schon Urteil vom 24. November 2004 - BVerwG 8 C 15.03 - BVerwGE 122, 219 <226>). Es genügt damit nicht die bloße Möglichkeit, dass sich aus diesen Akten irgendwie das Eigentum eines Juden ergibt. Einen einfachen Abgleich der Unterlagen, aus denen sich Hinweise auf die Eigentumsverhältnisse ergeben, mit jüdischen Adressbüchern hat der Senat nur mit dem Ziel zugelassen, festzustellen, ob der Eigentümer Jude war. Die Bezeichnung der Akten und die hierzu in der Anlage zur Anmeldung wiedergegebene Erläuterung muss demnach einerseits einen Hinweis darauf geben, dass Gegenstand der Akten ein Entziehungs- oder Schädigungstatbestand hinsichtlich eines Grundstücks eines jüdischen Eigentümers ist und andererseits, dass der angemeldete Vermögenswert in dem örtlichen Zuständigkeitsbereich des jeweiligen Landesamts zur Regelung offener Vermögensfragen belegen sein kann (Urteil vom 28. November 2007 a.a.O.).
Der letztgenannte Gesichtspunkt kann im vorliegenden Fall vernachlässigt werden. Denn es fehlt vorliegend bereits daran, dass sich aus der Bezeichnung der angeführten Akten irgendein Anstoß oder Hinweis ergibt. Eine Fallakte, die einen Entschädigungstatbestand zum Gegenstand hat, liegt nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat nicht nur das Erfordernis einer Darlegung jüdischen Eigentums verkannt, sondern auch die Anforderungen an die Bezeichnung der in Bezug genommenen Akten und die Erläuterung hierzu sowie die Anforderungen an den Akteninhalt selbst völlig außer Acht gelassen.
Die Anmeldung der Klägerin, die Teil der Globalanmeldung 3 ist, lautet auszugsweise: Die JCC ist Rechtsnachfolger gemäß § 2 Abs. 1 VermG für jüdisches Vermögen und beantragt die Rückgabe und hilfsweise die Entschädigung der Vermögenswerte "Maschinenbau und Bahnbedarf AG, vormals Ohrenstein & Koppel AG, Berlin ...". Dieser Hinweis genügt nicht den Anforderungen an eine ausreichende Individualisierung des Antrags, wenn es um ein in Leipzig belegenes Betriebsvermögen geht. Der über den Restitutionsantrag entscheidende Sachbearbeiter, auf den der Senat in der genannten Entscheidung aus verwaltungspraktikablen Gründen abgestellt hat, konnte mit der Formulierung der Globalanmeldung 3 nicht erkennen, dass sich aus den Akten der vorliegende Vermögenswert in Leipzig, der Zweigbetrieb der AG, ergeben sollte. Es fehlt mithin an der notwendigen Anstoßfunktion und an dem "Hinführen" zu dem bestimmten Vermögenswert.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch vermögensrechtliche Ansprüche nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG der Anmeldefrist nach § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG unterliegen. Zwar hat der Gesetzgeber Ansprüche wegen der Entziehung einer Beteiligung nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG erst 1997 geregelt (vgl. Urteil vom 21. Juni 2007 - BVerwG 8 C 9.06 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 67 Rn. 28). Zur Wahrung der Anmeldefrist mussten aber - bereits damals bestehende - vermögensrechtliche Ansprüche wegen der Entziehung einer Anteilsbeteiligung angemeldet sein.
Das angegriffene Urteil verletzt mithin bezüglich der Zuerkennung eines Anspruchs auf Bruchteilsrestitution Bundesrecht und beruht auch auf dieser Rechtsverletzung. Mangels einer fristgerechten Anmeldung des zu restituierenden Bruchteilseigentums war die Klage abzuweisen.
2. Soweit das Verwaltungsgericht der Klägerin einen Anspruch auf Feststellung anteiliger Entschädigungsberechtigung in Höhe von 16,11% zuerkannt hat, beruht das Urteil ebenfalls auf Bundesrechtsverstößen.
Zwar liegt insoweit eine wirksame Anmeldung gemäß § 1 Abs. 1a NS-VEntschG vor. Denn es ist eine nachträgliche zulässige Individualisierung des Vermögenswerts und damit des Anspruchs auf die Entschädigungsleistung eingetreten. Gemäß § 1 Abs. 1a NS-VEntschG steht der Anspruch nach § 1 Abs. 1 Satz 1 NS-VEntschG u.a. der Klägerin auch dann zu, wenn sie innerhalb der Anmeldefrist nach § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG eine nur allgemein umschriebene Anmeldung einreicht und zu dieser Anmeldung unter Beschränkung auf Entschädigung innerhalb einer Frist von 12 Monaten ab dem 8. September 2005 einen bestimmten Vermögenswert benennt. Die Klägerin hat nachträglich eine zulässige Individualisierung des Vermögenswerts und damit des Anspruchs auf die Entschädigungsleistung vorgenommen. Sie hatte bereits im Verwaltungsverfahren auf die Entziehung "jüdischer Anteile" an der AG hingewiesen, auch wenn dies im Zusammenhang mit der Erfüllung des Quorums gemäß § 6 Abs. 1a Satz 2 VermG bezüglich der Unternehmensrestitution geschah. Jedenfalls hat die Klägerin mit der Klageschrift vom 1. Dezember 2000 eine Entschädigung wegen der Entziehung der Aktienanteile verlangt. Sie hat damit unabhängig von der geltend gemachten Bruchteilsrestitution auch eine Anteilsschädigung selbstständig fristgerecht geltend gemacht.
Das Verwaltungsgericht hat allerdings § 1 Abs. 6 VermG insoweit fehlerhaft angewandt, als es eine unzutreffende Abgrenzung des räumlichen Geltungsbereichs dieser Norm vorgenommen hat. § 1 Abs. 6 VermG soll die Wiedergutmachungslücken schließen, die auf dem Gebiet der ehemaligen DDR entstanden sind, weil dort keine Wiedergutmachung des NS-Unrechts durchgeführt wurde. Es ist mithin regelmäßig vorausgesetzt, dass der zu restituierende Vermögenswert im Beitrittsgebiet belegen ist. Das Verwaltungsgericht übersieht dies und lässt verfehlterweise auch für die Anteilsentziehung ausreichen, dass eine Zweigstelle im Beitrittsgebiet belegen ist, obschon eine im späteren Westteil von Berlin unter der gleichen Firma bestehende Hauptniederlassung besteht. Das Verwaltungsgericht verkennt damit, dass für die Schädigung von Beteiligungen der Sitz des Unternehmensträgers - also der Hauptniederlassung - maßgebend ist, also bei der Entziehung von Aktien der Sitz des Emittenten.
Im Einzelnen hat der Senat in seinem Urteil vom 19. Februar 2009 - BVerwG 8 C 4.08 - Rn. 19 f. (zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen) ausgeführt:
§ 1 Abs. 6 Satz 1 VermG begründet Rückübertragungsansprüche für Bürger und Vereinigungen, denen durch NS-Verfolgungsmaßnahmen auf dem Gebiet der späteren DDR und des sowjetischen Sektors von Berlin Vermögen entzogen wurde (Urteil vom 27. Mai 1997 - BVerwG 7 C 67.96 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 112 S. 338). § 1 Abs. 6 Satz 1 VermG erstreckt sich damit nur auf solche NS-Verfolgungsmaßnahmen, die eine Gebietsbezogenheit zum Beitrittsgebiet aufweisen. Das entspricht dem Zweck des Vermögensgesetzes. Er besteht in der Wiedergutmachung von Unrechtsmaßnahmen des NS-Staates in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945, zu der sich der Gesetzgeber der Bundesrepublik Deutschland mit Blick auf den Rechts- und Sozialstaatsgedanken des Grundgesetzes verpflichtet hat. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass es in der sowjetischen Besatzungszone ebenso wie später in der DDR und im sowjetischen Sektor Berlins bis zum Erlass des Vermögensgesetzes keine Wiedergutmachungsgesetzgebung gegeben hat, die den in den westlichen Besatzungszonen und -sektoren Berlins und später in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Wiedergutmachungsgesetzen gleichwertig gewesen wäre (Beschluss vom 23. August 2000 - BVerwG 8 B 60.00 - Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 6 S. 22 f. m.w.N.).
Eine Vermögensentziehung im Beitrittsgebiet setzt damit voraus, dass der geschädigte Vermögenswert dort belegen war. Das ist im Fall der Schädigung von Aktien jedenfalls dann der Fall, wenn die Aktien - auch bei einer Anteilsquote von weniger als 20 v.H. - als Beteiligung an einem Unternehmen angesehen werden und das Unternehmen seinen Sitz im Beitrittsgebiet hatte.
Der Sitz der Hauptniederlassung der O & K AG war aber nach dem feststehenden Sachverhalt während der gesamten Zeit der NS-Herrschaft Berlin (das Tempelhofer Ufer im späteren (West-)Berlin - vgl. die Schrift von C B, O & K, 125 Jahre Baumaschinen, Lokomotiven, Traktoren 2002).
Es gibt für den vorliegenden Fall auch keinerlei Anhaltspunkte, dass ausnahmsweise nicht auf den Sitz der Hauptniederlassung der AG abzustellen ist, sondern auf den Aufbewahrungsort der Aktien. Es sind keinerlei Gesichtspunkte ersichtlich und auch nicht von den Beteiligten angesprochen worden, dass es sich im vorliegenden Fall um etwaige Inhaberaktien handelt, die im Beitrittsgebiet entzogen wurden und auch nach der Entziehung nicht in den Bereich der Westzonen und damit der Gerichtsbarkeit der westlichen Rückerstattungsgerichte gelangt sein konnten.
Es liegt auch ein weiterer Bundesrechtsverstoß seitens des Verwaltungsgerichts vor, in dem es einen Feststellungsanspruch anteiliger Entschädigungsberechtigung der Klägerin zuerkannt hat und dabei den Gegenstand und den Umfang der zugebilligten Entschädigung in fehlerhafter Weise konkretisiert hat. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 und § 2 NS-VEntschG kann eine Entschädigung nur bezüglich der nach § 1 Abs. 6 VermG entzogenen Vermögenswerte gewährt werden, sofern - wie oben dargelegt - überhaupt der räumliche Geltungsbereich des § 1 Abs. 6 VermG eröffnet ist, mithin nur für die Entziehung der Aktienbeteiligung der Familie O an der genannten AG. Der Wert des Grund- und Betriebsvermögens ausschließlich der Zweigniederlassung in Leipzig kann nicht als Bemessungsgrundlage für die Höhe der Entschädigung herangezogen werden. Das wäre nur denkbar, wenn die Zweigniederlassung als selbstständiges jüdisches Unternehmen gemäß § 1 Abs. 6 VermG geschädigt worden wäre. Nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und damit für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die zudem nicht aktenwidrig sind, ist aber während der NS-Zeit nur die Beteiligung am Unternehmensträger mit dem Sitz in (West-)Berlin verfolgungsbedingt entzogen worden.
Soweit die Klägerin sich in der mündlichen Verhandlung aber auch in dem ihr nachgelassenen Schriftsatz vom 6. April 2009 auf den Standpunkt stellt, ein Entschädigungsanspruch komme auch für einen ausgeschlossenen Anspruch auf Bruchteilsrestitution gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG an dem Grund- und Betriebsvermögen der Zweigniederlassung in Leipzig in Betracht, so entspricht dies nicht der Rechtslage.
§ 3 Abs. 1 Satz 4 VermG begründet bereits nach seinem Wortlaut nur einen Anspruch auf Einräumung von Bruchteilsrestitution an Vermögensgegenständen "im Wege der Einzelrestitution". Das Vermögensgesetz unterscheidet zwischen dem Anspruch auf Rückgabe eines Unternehmens, also einer Rechts- und Sachgesamtheit (vgl. Urteil vom 20. September 2001 - BVerwG 7 C 25.00 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 46 S. 46), und der Rückgabe einzelner Vermögensgegenstände (vgl. z.B. die Gegenüberstellung in § 3 Abs. 1 Satz 3 VermG). Mit dem Anspruch auf Entschädigung in Höhe der entzogenen Beteiligung für das Grund- und Betriebsvermögen der Zweigniederlassung Leipzig macht die Klägerin keine Einzelrestitution, sondern der Sache nach ein vermeintliches Recht geltend, das der Unternehmensrestitution zuzurechnen ist. Dies belegt § 6 Abs. 5b VermG. Danach steht Gesellschaften eines Berechtigten oder ihren Rechtsnachfolgern ein Anspruch auf Rückgabe entzogener Anteile zu. Die Klägerin verlangt letztlich eine Entschädigung für eine ausgeschlossene Rückgabe der entzogenen Anteile, die sie - mit Blick wohl auf den räumlichen Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes - auf das Grund- und Betriebsvermögen der früheren Zweigniederlassung Leipzig als Bemessungsgrundlage beschränkt.
In der Rechtsprechung ist stets betont worden, dass nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG die Einräumung von (anteiligem) Bruchteilseigentum (nur) "an einzelnen Vermögensgegenständen" verlangt werden kann (z.B. Urteil vom 28. August 1997 - BVerwG 7 C 36.96 - VIZ 1998, 83). Die Literatur sieht eine Bestätigung für diese Auslegung im Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG, der nicht den Begriff "Vermögenswert" des § 2 Abs. 2 VermG übernehme, sondern enger von "Vermögensgegenständen" spreche. Dieser Begriff entspreche der Wortwahl in § 6 Abs. 6a Satz 1 VermG, der damit - wie jetzt auch § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG - lediglich Sachen im Sinne von § 90 BGB, also nur körperliche Gegenstände erfasse (Wasmuth, in: RVI, § 3 VermG Rn. 175; ebenso Redeker/Hirtschulz/Tank, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, § 3 Rn. 115). Allerdings wird diese Terminologie vom Gesetzgeber nicht ganz durchgehalten (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 8 und 10 VermG).
Das Grund- und Betriebsvermögen einer Zweigstelle kann als Sachgesamtheit nicht Gegenstand eines Anspruchs auf Einräumung von Bruchteilseigentum sein. Es ist nicht eigentumsfähig und damit nicht bruchteilseigentumsfähig. Eigentum kann nur an einzelnen Sachen, nicht aber an Sachgesamtheiten wie dem Grund- und Betriebsvermögen begründet werden (z.B. Baur/Stürner, Sachenrecht, 17. Aufl. (1999), § 24 Rn. 4).
Soweit die Klägerin zur Bestätigung ihrer Auffassung auf § 3 Abs. 1 Satz 8 VermG verweist, verfängt dieses Argument nicht. Mit dieser Regelung habe der Gesetzgeber - so die Klägerin - vorausgesetzt, dass "Bruchteilsansprüche" auch bezüglich einer Rechts- und Sachgesamtheit bestehen könnten, weil er damit eine Regelung für die Fälle geschaffen habe, in denen sich die Ansprüche nach Satz 4 auf Vermögenswerte richten, die zu einem eigenständigen Unternehmen zusammengefasst sind. Dem ist entgegenzuhalten, dass § 3 Abs. 1 Satz 8 VermG unter den genannten Voraussetzungen lediglich eine Abwendungsbefugnis des Verfügungsberechtigten und nicht einen Bruchteilseigentumsanspruch auf eine Rechts- und Sachgesamtheit begründet. Zudem setzt § 3 Abs. 1 Satz 8 VermG gerade voraus, dass der Bruchteilseigentumsanspruch auf (einzelne) Vermögensgegenstände gerichtet ist, wobei die Vorschrift allerdings von Vermögenswerten spricht. Denn Voraussetzung der Abwendungsbefugnis ist, dass die Vermögensgegenstände, auf die sich der Anspruch aus § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG beschränkt, zu einem Unternehmen zusammengefasst sind oder werden können. Der Gesetzgeber bleibt damit auch im Satz 8 in seinem Regelungsmodell, dass Bruchteilsansprüche nur einzelne Sachen zum Gegenstand haben können, gibt aber dem Verfügungsberechtigten eine Abwendungsbefugnis, wenn diese Gegenstände zu einem Unternehmen zusammengefasst sind (oder werden können) und aus Gründen des Erhalts des Unternehmens nicht aus dem Unternehmen herausgelöst werden sollen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Beschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 85 000 EUR festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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