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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 28.04.1999
Aktenzeichen: BVerwG 8 C 7.98
Rechtsgebiete: BauGB
Vorschriften:
BauGB § 154 Abs. 1 Satz 2 |
Der in § 154 Abs. 1 Satz 2 BauGB geregelte Ausschluß von der Beitragspflicht für Grundstücke im förmlich festgesetzten Sanierungsgebiet bei der Herstellung, Erweiterung oder Verbesserung von im Sanierungsgebiet gelegenen Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Abs. 2 BauGB ist nicht davon abhängig, daß die Erschließungsmaßnahmen für die Ziele und Zwecke der Sanierung erforderlich waren.
Urteil des 8. Senats vom 28. April 1999 - BVerwG 8 C 7.98 -
I. VG Düsseldorf vom 18.09.1995 - Az.: VG 12 K 7168/92 - II. OVG Münster vom 09.04.1998 - Az.: OVG 15 A 7071/95 -
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
BVerwG 8 C 7.98 OVG 15 A 7071/95
Verkündet am 28. April 1999
Grosser Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. April 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf, Sailer, Golze und Postier
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. April 1998 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Vorausleistungsbescheids auf künftige Straßenausbaubeiträge für eine Erschließungsanlage, die ebenso wie das seinerzeit im Eigentum der Klägerin stehende Anliegergrundstück im förmlich festgesetzten Sanierungsgebiet liegt.
Die Klägerin war im Jahre 1992 Eigentümerin des Grundstücks Gemarkung D., Flur 62, Flurstück 6 (Venloer Straße 10 und 10 a) in V.. Das Grundstück grenzt im Süden an die Venloer Straße, im Osten an den Westwall. Am 25. September 1980 wurde im Amtsblatt des Kreises V. die Sanierungssatzung für das Sanierungsgebiet "Gasstraße-Wasserstraße" in V.-D. veröffentlicht, die am folgenden Tag in Kraft trat. Nach der Umschreibung des betroffenen Gebiets und der Aufzählung der Flurstücke lagen sowohl das klägerische Grundstück als auch der Westwall mit dem Teil, an den das klägerische Grundstück grenzt, im Sanierungsgebiet.
Am 31. Mai 1990 beschloß der Bau- und Planungsausschuß des Rates der Stadt V. im Rahmen des II. Programms zur Wohnumfeldverbesserung in der Altstadt D., u.a. den Westwall auszubauen. Fahrbahn, Oberflächenentwässerung und Beleuchtung wurden neu hergestellt. Das Land förderte den Ausbau als Stadterneuerungsmaßnahme. Die Ausbauarbeiten wurden am 28. Juli 1992 abgenommen.
Mit Bescheid vom 25. Mai 1992 zog die beklagte Bürgermeisterin die Klägerin zu einer Vorausleistung auf den künftigen Straßenbaubeitrag in Höhe von 20 683,79 DM heran.
Nach erfolglosem Vorverfahren hat die Klägerin gegen den Vorausleistungsbescheid Anfechtungsklage erhoben und zur Begründung vorgetragen, die Erhebung von Beiträgen sei nach § 154 Abs. 1 Satz 2 BauGB ausgeschlossen, da ihr Grundstück und der Abschnitt des Westwalls, durch den ihr Grundstück erschlossen werde, innerhalb eines förmlich festgesetzten Sanierungsgebiets liege. Über die eindeutig erfüllten Voraussetzungen dieser Vorschrift hinaus müsse ein besonderer Zusammenhang zwischen der Erschließungsmaßnahme und der Sanierung nicht gegeben sein. Etwas anderes lasse sich insbesondere aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht herleiten, da diese sich allein auf Grundstücke außerhalb des Sanierungsgebiets beziehe.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Während des Berufungsverfahrens ist der Sohn der Klägerin Eigentümer des Grundstücks geworden. Diesen zog die Beklagte durch Beitragsbescheid vom 15. November 1996 zu einem endgültigen Straßenbaubeitrag in Höhe von 22 222,08 DM heran und forderte ihn zugleich auf, den noch nicht durch die Vorauszahlung erbrachten Restbetrag von 1 538,29 DM zu zahlen. Wegen dieses Bescheids ist ein Verfahren beim Verwaltungsgericht anhängig.
Im vorliegenden Verfahren hat das Oberverwaltungsgericht mit Beschluß vom 9. April 1998 den angefochtenen Vorausleistungsbescheid aufgehoben und zur Begründung ausgeführt:
Die Klage sei zulässig und begründet. Der Vorausleistungsbescheid sei nicht durch den Erlaß des endgültigen Beitragsbescheids unwirksam geworden, vielmehr habe er schon deshalb weiter Wirkung gegenüber der Klägerin, weil nur er die Grundlage dafür sei, daß die Beklagte den von der Klägerin gezahlten Betrag mit Tilgungswirkung für die endgültige Beitragsforderung behalten dürfe. Die Klage sei auch begründet, weil die Voraussetzungen für die Erhebung einer Vorausleistung nach § 8 Abs. 8 KAG NW nicht vorlägen. Aus der Regelung des § 154 Abs. 1 Satz 2 BauGB folge, daß für den Ausbau des Westwalls hinsichtlich des klägerischen Grundstücks keine Beitragsschuld habe entstehen können. Die Voraussetzungen der genannten Vorschrift lägen vor, weil ausweislich der Sanierungssatzung sowohl das klägerische Grundstück als auch der Westwall, soweit das klägerische Grundstück an ihn grenze, im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet "Gasstraße-Wasserstraße" lägen. Unerheblich sei, daß der Westwall nur etwa zur Hälfte im Sanierungsgebiet liege und der darüber hinausreichende Teil ebenfalls Gegenstand der Ausbaumaßnahme gewesen sei. Die Regelung des § 130 Abs. 2 BauGB, wonach Abschnitte von Erschließungsanlagen nach den Grenzen u.a. von Sanierungsgebieten gebildet werden dürften, zeige, daß die Anwendbarkeit des § 154 Abs. 1 Satz 2 BauGB nicht davon abhängen solle, ob die Erschließungsanlage vollständig im Sanierungsgebiet liege.
Die Anwendbarkeit des § 154 Abs. 1 Satz 2 BauGB könne entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch nicht deshalb verneint werden, weil die abgerechnete Ausbaumaßnahme mangels Sanierungsbedingtheit keine Ordnungsmaßnahme sei. Der Ausgangspunkt des Verwaltungsgerichts, Beitragsfreiheit sei nur dann gegeben, wenn die Ausbaumaßnahme nach den Zielen und Zwecken der Sanierung erforderlich gewesen sei, treffe zwar zu, jedoch sei die hier in Rede stehende Ausbaumaßnahme entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts erforderlich in diesem Sinne. Der Begriff der Erforderlichkeit verlange keineswegs Unabdingbarkeit der Maßnahme. Vielmehr sei lediglich ein Bezug zwischen der Sanierung einerseits und dem Ausbau der Straße andererseits in dem Sinne nötig, daß nach den Zielen und Zwecken der Sanierung sachlich einleuchtende Gründe für den Ausbau sprächen. Ein solcher Bezug liege zwischen einem Ausbau von Erschließungsstraßen und einer Sanierung begriffsnotwendig vor. Werde in einem Sanierungsgebiet eine Erschließungsstraße (erneut) hergestellt oder verbessert, so geschehe dies mit dem Erfolg, daß die Erschließungssituation der im Sanierungsgebiet liegenden Grundstücke verbessert werde. Die Erschließungsmaßnahme gehöre daher immer zugleich auch zu den Zielen und Zwecken einer Sanierung.
Das Ergebnis, daß eine Beitragserhebung gegenüber Eigentümern von im Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücken bei jedem Ausbau einer Erschließungsstraße ausgeschlossen sei, stehe auch nicht im Konflikt mit dem von § 154 Abs. 1 Satz 2 BauGB verfolgten Ziel der Vermeidung einer Doppelbelastung. Da die Ausbaumaßnahme immer Ordnungsmaßnahme im Sinne des § 147 Abs. 1 Nr. 4 BauGB sei, müsse die dadurch bewirkte Erhöhung des Bodenwerts bei der Berechnung des Endwerts berücksichtigt werden, wobei das Grundstück gemäß § 5 Abs. 3 der Wertermittlungsverordnung werterhöhend als beitragsfrei zu behandeln sei. Der Ausbau schlage sich somit im Ausgleichsbetrag nieder.
Mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung von Bundesrecht, nämlich des § 146 Abs. 1 und des § 154 Abs. 1 Satz 2 BauGB.
Die Beklagte beantragt,
den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. April 1998 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 18. September 1995 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Beschluß.
Der Oberbundesanwalt beteiligt sich an dem Verfahren und vertritt die Ansicht, dem Beschluß des Berufungsgerichts könne im Ergebnis gefolgt werden.
II.
Die zulässige Revision ist unbegründet. Der angefochtene Beschluß des Oberverwaltungsgerichts verstößt nicht gegen Bundesrecht.
1. Bundesrechtlich ist es nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht die Anfechtungsklage der Klägerin trotz des zwischenzeitlich ergangenen endgültigen Beitragsbescheids weiterhin für zulässig gehalten hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Verhältnis zwischen Änderungsbescheiden und ursprünglichen Bescheiden entfällt das Rechtsschutzinteresse für die Aufhebung eines ursprünglichen Bescheids nur dann, wenn der Änderungsbescheid den angefochtenen Verwaltungsakt zurücknimmt, widerruft oder in allen seinen Regelungsteilen ersetzt, so daß der angefochtene Verwaltungsakt keine Rechtswirkung mehr zeitigt. Die Beurteilung des Rechtsschutzbedürfnisses für die weiterhin begehrte Aufhebung des geänderten Bescheids richtet sich also maßgeblich danach, welchen Regelungsinhalt der angefochtene und der ihn ändernde Bescheid jeweils haben (vgl. Urteil vom 16. Mai 1991 - BVerwG 3 C 34.89 - Buchholz 427.3 § 290 LAG Nr. 15 S. 1 <2>). Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise für das Verhältnis eines angefochtenen vorläufigen Gebührenbescheids bzw. eines Vorausleistungsbescheids zu einem endgültigen Heranziehungsbescheid (vgl. Beschluß vom 19. Dezember 1997 - BVerwG 8 B 244.97 - Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 251 S. 43 <44>). Es ist demnach eine Frage des jeweiligen Fachrechts, ob ein endgültiger Gebührenbescheid den vorangegangenen Vorausleistungsbescheid in jeder Hinsicht gegenstandslos macht. Im vorliegenden Fall richtet sich die Frage nach dem irrevisiblen Kommunalabgabenrecht des Landes Nordrhein-Westfalen. Insoweit hat das Berufungsgericht ausgeführt, der angefochtene Vorausleistungsbescheid habe schon deshalb weiter Wirkungen gegenüber der Klägerin, weil nur er die Grundlage dafür sei, daß die Beklagten den von der Klägerin gezahlten Betrag behalten dürfe. Auf der Grundlage dieser für das Revisionsgericht verbindlichen Auslegung des Landesrechts ist die Annahme des Berufungsgerichts, die Anfechtungsklage der Klägerin sei (weiterhin) zulässig, bundesrechtlich nicht zu beanstanden.
2. Mit Bundesrecht ebenfalls vereinbar ist die Annahme des Berufungsgerichts, wegen der Vorschrift des § 154 Abs. 1 Satz 2 BauGB habe eine endgültige Beitragspflicht der Klägerin für den Ausbau der Erschließunganlage "Westwall" nicht entstehen können, so daß auch die Voraussetzungen für die Erhebung einer Vorausleistung nicht vorliegen konnten.
a) Nach § 154 Abs. 1 Satz 2 BauGB sind Vorschriften über die Erhebung von Beiträgen für die Herstellung, Erweiterung oder Verbesserung von Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Abs. 2 BauGB im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet auf Grundstücke im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet nicht anzuwenden. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor. Bei der Straße "Westwall" handelt es sich um eine öffentliche zum Anbau bestimmte Straße und damit um eine Erschließungsanlage im Sinne des § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB. Diese Anlage ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts (erneut) hergestellt und möglicherweise auch verbessert worden. Schließlich liegt sie mit dem Teil, an den das klägerische Grundstück angrenzt, ebenso wie das klägerische Grundstück selbst nach den für das Revisionsgericht verbindlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zum Inhalt der Sanierungssatzung innerhalb des förmlich festgelegten Sanierungsgebiets. Damit liegen alle Voraussetzungen für den in § 154 Abs. 1 Satz 2 BauGB vorgesehenen Ausschluß von der Beitragspflicht vor.
b) Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen und des Oberbundesanwalts stellt die Vorschrift - worauf die Klägerin zu Recht hinweist - weitergehende Voraussetzungen nicht auf. Insbesondere kommt es für den Ausschluß der Beitragspflicht für im förmlich festgesetzten Sanierungsgebiet gelegene Grundstücke nicht darauf an, ob die Ausbaumaßnahme im Einzelfall nach den Zielen und Zwecken der Sanierung erforderlich war und deshalb eine Ordnungsmaßnahme im Sinne des § 147 Satz 1 Nr. 4 BauGB darstellt. Vielmehr wird dies vom Gesetzgeber für innerhalb des Sanierungsgebiets gelegene Erschließungsanlagen im Verhältnis zu ebenfalls im Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücken generell unterstellt.
aa) Allerdings trifft es zu, daß Zweck der gesetzlichen Regelung, die der früheren Vorschrift des § 6 Abs. 7 StBauFG weitgehend entspricht und an deren Stelle getreten ist, darin besteht, eine mögliche Doppelbelastung der Grundstückseigentümer mit Erschließungs- bzw. Ausbaubeiträgen einerseits und Ausgleichsbeträgen nach § 154 Abs. 1 Satz 1 BauGB andererseits zu vermeiden (vgl. Urteil vom 21. Oktober 1983 - BVerwG 8 C 40.83 - BVerwGE 68, 130 <134> = Buchholz 406.15 § 6 StBauFG Nr. 1 S. 1 <4 f.> unter Hinweis auf BTDrucks VI/510 S. 30 zu § 6). Daraus hat das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O. S. 133 ff. bzw. S. 4 f.) abgeleitet, daß der (gegenüber der Regelung des § 154 Abs. 1 Satz 2 BauGB weitergehende) Wortlaut des § 6 Abs. 7 StBauFG einengend dahin auszulegen war, daß die Beitragsfreiheit nur für innerhalb des Sanierungsgebiets gelegene Grundstücke galt. Denn eine Doppelbelastung, die die Besserstellung der Anlieger von Erschließungsanlagen im Sanierungsgebiet gegenüber allen sonstigen Beitragspflichtigen im Gemeindegebiet rechtfertigt (vgl. dazu Urteil vom 21. Oktober 1983 - BVerwG 8 C 40.83 - a.a.O.), kommt für die Eigentümer der außerhalb des Sanierungsgebiets gelegenen Anliegergrundstücke von vornherein nicht in Betracht, weil diese nicht zu Ausgleichsbeträgen nach § 41 Abs. 4 StBauFG (jetzt: § 154 Abs. 1 Satz 1 BauGB) herangezogen werden können. Dem hat der Gesetzgeber bei der Fassung des § 154 Abs. 1 Satz 2 BauGB nunmehr Rechnung getragen (vgl. BTDrucks 10/4630 S. 125 zu § 150 Abs. 4 des Regierungsentwurfs). Hinsichtlich der innerhalb des Sanierungsgebiets gelegenen Grundstücke ist der Gesetzgeber aber offensichtlich davon ausgegangen, daß zumindest regelmäßig eine solche Doppelbelastung zu erwarten ist. Andernfalls hätte es nahegelegen, in die Vorschrift einen Verweis auf die Voraussetzungen des § 146 Abs. 1 BauGB aufzunehmen. Statt dessen zeigt die Einfügung des Beitragsausschlusses in den § 154 BauGB, der den Ausgleichsbetrag des Eigentümers regelt (vgl. BTDrucks 10/6166 S. 59), daß der Gesetzgeber angenommen hat, der für den Eigentümer mit der Herstellung, Erweiterung oder Verbesserung von Erschließungsanlagen im Sanierungsgebiet verbundene Vorteil schlage sich regelmäßig im Bodenwert nieder und führe deswegen zu einer Erhöhung des Ausgleichsbetrags.
bb) Die gesetzliche Regelung verstößt mit diesem Inhalt auch nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG. Mit dem Berufungsgericht ist davon auszugehen, daß es sich bei der Herstellung und/oder Verbesserung von Anbaustraßen gemäß § 147 Satz 1 Nr. 4 BauGB um Ordnungsmaßnahmen handelt, die im Sinne des § 146 Abs. 1 BauGB für die Ziele und Zwecke der Sanierung erforderlich sind. Nach dem erschließungsbeitragsrechtlichen Erforderlichkeitsbegriff, der dem sanierungsrechtlichen Begriff entspricht (vgl. Urteil vom 21. Oktober 1983 - BVerwG 8 C 40.83 - a.a.O. S. 135 bzw. S. 5), ist die Erforderlichkeit der Erschließungsanlage im Sinne des § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB immer dann gegeben, wenn die Entscheidung der Gemeinde auf sachlich vertretbaren Gründen beruht (vgl. Urteil vom 14. Dezember 1979 - BVerwG 4 C 28.76 - BVerwGE 59, 249 <253> = Buchholz 406.11 § 129 BBauG Nr. 14 S. 2 <4 f.> und Beschluß vom 1. September 1997 - BVerwG 8 B 144.97 - Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50 S. 7 <9>; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 5. Aufl. 1999, § 15 Rn. 8). In diesem Sinne sind die Herstellung und Änderung von Erschließungsanlagen, die zu den typischen sanierungsrechtlichen Ordnungsmaßnahmen gehören (§ 147 Satz 1 Nr. 4 BauGB), zumindest regelmäßig erforderlich für die Ziele und Zwecke der Sanierung, die ihrerseits der Behebung städtebaulicher Mißstände dient (§ 136 Abs. 2 Satz 1 BauGB); zumal nach § 136 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b BauGB bei der Beurteilung, ob derartige Mißstände vorliegen, u.a. die vorhandene Erschließung zu berücksichtigen ist. Dies alles durfte dem Gesetzgeber auch im Hinblick auf die Beitragsgerechtigkeit und damit auf Art. 3 GG Veranlassung geben, auf eine differenziertere Regelung in § 154 Abs. 1 Satz 2 BauGB zu verzichten. Aus den selben Gründen sah sich das Berufungsgericht dazu veranlaßt, trotz der zunächst vorgenommenen einschränkenden Auslegung des § 154 Abs. 1 Satz 2 BauGB letztlich doch anzunehmen, daß der straßenbaubeitragsrechtliche Ausbau einer Erschließungsanlage innerhalb eines förmlich festgelegten Sanierungsgebiets für die innerhalb des Sanierungsgebiets gelegenen Grundstücke i m m e r nach den Zielen und Zwecken der Sanierung erforderlich und daher beitragsfrei ist. Das spricht dann aber dafür, von vornherein keine über den Wortlaut der Vorschrift hinausgehenden Voraussetzungen aufzustellen.
cc) Etwas anderes läßt sich - worauf die Klägerin ebenfalls zu Recht hinweist - entgegen der Ansicht der Vorinstanzen auch nicht aus dem Urteil vom 21. Oktober 1983 - BVerwG 8 C 40.83 - (BVerwGE 68, 130 = Buchholz 406.15 § 6 StBauFG Nr. 1) herleiten. In dieser Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht - wie oben dargelegt - zunächst ausgeführt, daß der Ausschluß der Beitragspflicht, wie er ursprünglich in § 6 Abs. 7 StBauFG geregelt war, nur für Grundstücke innerhalb des Sanierungsgebiets galt. Darüber hinaus hat es sich im Hinblick auf die Begründung des damaligen Berufungsurteils zu der Frage geäußert, ob für die von der gesetzlichen Regelung des § 6 Abs. 7 StBauFG nicht erfaßten Grundstücke außerhalb des Sanierungsgebiets im Hinblick auf das "geschlossene" Finanzierungssystem des Städtebauförderungsgesetzes überhaupt noch ein durch Beiträge zu deckender Aufwand verbleiben könne. Nur unter diesem Blickwinkel hat es sodann Ausführungen zu der Frage gemacht, ob und in welchem Umfang Erschließungsmaßnahmen als Ordnungsmaßnahmen anzusehen sind (a.a.O. S. 135 f. bzw. S. 5 f.). Soweit danach bestimmte Erschließungsmaßnahmen nicht sanierungsbedingt sind und deswegen ein beitragsfähiger Aufwand verbleibt, kann dieser - wie das Bundesverwaltungsgericht weiter ausgeführt hat (a.a.O. S. 137 - insoweit nicht abgedruckt in Buchholz) - nach Maßgabe der beitragsrechtlichen Vorschriften "allein auf die Grundstücke außerhalb des Sanierungsgebiets" umgelegt werden. Von einer Aufspaltung in sanierungsbedingte und nicht sanierungsbedingte Kosten hinsichtlich der innerhalb des Sanierungsgebiets gelegenen Grundstücke ist in der Entscheidung keine Rede. In diesem Sinne ist das genannte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts auch überwiegend in der Literatur verstanden worden (vgl. Driehaus, a.a.O. § 3 Rn. 17; ders., Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Erschließungs- und Ausbaubeitragsrecht, 9. Aufl. 1999, Rn. 119; Kleiber in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Bd. III § 154 Rn. 20; wohl auch Löhr in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 6. Aufl. 1998, § 127 Rn. 9; unklar Köhler in Schrödter, BauGB, 6. Aufl. 1998, § 154 Rn. 13 ff. und Lange-Neuhausen, StBauFG, Stand April 1986, § 6 Rn. 24 b f.). Offenbar gilt dies auch für den Gesetzgeber, weil es sonst nahegelegen hätte, bei der unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Urteil erfolgten Formulierung des § 154 Abs. 1 Satz 2 BauGB (vgl. BTDrucks 10/4630 a.a.O.) auch insoweit eine Klarstellung vorzunehmen.
dd) Der Einwand der Revision gegen dieses Ergebnis, der Gemeinde verblieben so Kosten der Ausbaumaßnahme, die durch Ausgleichsbeträge nicht gedeckt seien, geht schon im Ansatz fehl. Der gesetzliche Ausschluß der Beitragspflicht ist nämlich unabhängig von der Höhe der konkreten Ausbaukosten (vgl. Köhler, a.a.O. Rn. 11; Stich in Berliner Kommentar zum BauGB, 2. Aufl. 1995, § 154 Rn. 6; Kleiber in Bielenberg/Koopmann/Krautzberger, Städtebauförderungsrecht, Stand April 1998, Bd. I Teil C § 154 Rn. 36), zumal es bei der Festsetzung der Ausgleichsbeträge nicht um konkrete Kosten, sondern um die Wertsteigerung durch die Sanierung geht (§ 154 Abs. 1 Satz 1 BauGB; vgl. auch Stich, a.a.O. § 154 Rn. 1; Lange-Neuhausen, a.a.O. Rn. 24; Neuhausen in Brügelmann, BauGB, Stand September 1998, § 156 Rn. 10).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Beschluß
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 20 683,79 DM festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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