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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 24.01.2001
Aktenzeichen: BVerwG 8 C 8.00
Rechtsgebiete: VwVfG, VOB


Vorschriften:

VwVfG § 48 Abs. 4 Satz 1
VwVfG § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2
Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB)
Leitsätze:

Wird eine mit einem begünstigenden Verwaltungsakt verbundene Auflage nicht erfüllt, beginnt die Frist für dessen Widerruf erst zu laufen, wenn die Behörde den Auflagenverstoß erkannt hat und ihr die weiteren für die Widerrufsentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind.

Dient eine Anhörung des Betroffenen der Ermittlung weiterer entscheidungserheblicher Tatsachen, beginnt die Frist erst danach zu laufen.

Maßgebend ist die Kenntnis des für die Entscheidung über die Rücknahme oder den Widerruf zuständigen Amtswalters. Die Kenntnis eines einzelne Fachfragen begutachtenden Mitarbeiters derselben oder einer anderen Behörde genügt nicht.

Die Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) ist keine revisible Rechtsnorm.

Urteil des 8. Senats vom 24. Januar 2001 - BVerwG 8 C 8.00 -

I. VGH München vom 18.11.1999 - Az.: VGH 4 B 98.3534 - II. VG München vom 15.10.1998 - Az.: VG M 10 K 97.4199 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 8 C 8.00 VGH 4 B 98.3534

Verkündet am 24. Januar 2001

Grosser Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf, Krauß, Golze und Neumann

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. November 1999 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe:

I.

Die Regierung von Oberbayern bewilligte der klagenden Gemeinde in den Jahren 1984 bis 1991 für die Erweiterung einer Volksschule Zuwendungen in Höhe von insgesamt 976 000 DM, von denen 960 000 DM ausbezahlt wurden. Die Bewilligungsbescheide erlegten der Klägerin auf, die Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) zu beachten. Nach Abschluss der Baumaßnahmen legte die Klägerin der Bezirksregierung 1991 einen Verwendungsnachweis vor. Mit der Prüfung der Frage, ob die Bestimmungen der VOB beachtet wurden, beauftragte die Bezirksregierung das Landbauamt T. Letzteres erstellte im Februar 1994 einen Prüfbericht, in dem ausgeführt wird, die Bauleistungen seien "VOB-gerecht" vergeben worden. Mit Bescheid vom Juni 1994 stellte daraufhin die Regierung von Oberbayern fest, dass nach verwaltungsmäßiger Prüfung des Verwendungsnachweises eine Gesamtzuwendung von 976 000 DM ermittelt worden sei. Das Prüfungsrecht des Bayerischen Obersten Rechnungshofs bleibe unberührt. Im August 1995 teilte das zuständige Staatliche Rechnungsprüfungsamt, dem die Bezirksregierung den Zuwendungsakt im Juni 1994 zur Rechnungsprüfung übermittelt hatte, dieser mit, dass ein Zuschuss des Landkreises als neues Deckungsmittel hinzugetreten sei, und bat um förderungsrechtliche Würdigung des Umstandes, dass der Auftrag für die Heizungsinstallation VOB-widrig nicht an den günstigsten, sondern an den zweitgünstigsten Bieter - eine ortsansässige Firma - vergeben worden sei. Daraufhin bat die Bezirksregierung die Klägerin um Stellungnahme hierzu. Die Stellungnahme der Klägerin ging bei der Regierung am 25. März 1996 ein. Mit Bescheid vom 19. Juli 1996 stellte die Regierung von Oberbayern fest, dass aufgrund des Hinzutretens neuer Deckungsmittel die Bewilligungsbescheide wegen Eintritts einer auflösenden Bedingung insoweit unwirksam geworden seien, als eine Zuwendung von mehr als 880 000 DM bewilligt worden sei. Wegen eines Verstoßes gegen die VOB widerrief sie gleichzeitig die Bewilligungsbescheide insoweit, als sie nach Eintritt der auflösenden Bedingung noch eine höhere Zuwendung als 849 000 DM gewähren. Da bereits ein Zuwendungsbetrag von 960 000 DM ausbezahlt worden war, ergab sich eine Überzahlung in Höhe von 111 000 DM, die in dem Bescheid zurückgefordert wurde.

Die nach erfolglosem Vorverfahren gegen diesen Bescheid erhobene Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 15. Oktober 1998 insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, die Klägerin habe gegen Bestimmungen der VOB und damit gegen eine mit dem Bewilligungsbescheid verbundene Auflage verstoßen. Sie habe den Zuschlag für die Heizungsanlage nicht auf das billigste Angebot erteilt, das auch das annehmbarste gewesen sei. Deshalb habe die Regierung die Bewilligung nach pflichtgemäßem Ermessen anteilig widerrufen dürfen. Dies sei rechtzeitig geschehen. Die Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG habe erst im August 1995 zu laufen begonnen, als das Rechnungsprüfungsamt auf die Rechtswidrigkeit der Vergabe hingewiesen habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung gegen dieses Urteil insoweit zugelassen, als die Klage gegen den Widerruf des Bewilligungsbescheids wegen eines förderschädlichen VOB-Verstoßes abgewiesen worden war. In diesem Umfang hat er mit Urteil vom 18. November 1999 das verwaltungsgerichtliche Urteil abgeändert und den Bescheid vom 19. Juli 1996 sowie den Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 1997 aufgehoben. Zur Begründung hat er insbesondere ausgeführt: Es könne offen bleiben, ob die Klägerin mit der Wahl des zweitgünstigsten Bieters gegen die VOB verstoßen habe, nach der der Zuschlag auf das annehmbarste Angebot zu erteilen sei (§ 25 Nr. 2 Abs. 2 VOB/A), und ob dieser Verstoß so schwer wiege, dass im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung das öffentliche Interesse an einer Rückforderung als überwiegend anzusehen sei. Jedenfalls sei der angefochtene Bescheid nicht innerhalb der Jahresfrist des Art. 49 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG erlassen worden. Die Jahresfrist habe hier spätestens im Juni 1994 zu laufen begonnen. Zu diesem Zeitpunkt habe die Regierung - als für den Widerruf zuständige Behörde - Kenntnis von sämtlichen die VOB-Gemäßheit der Vergabe betreffenden Tatsachen gehabt. Die Regierung habe den alle erforderlichen Angaben enthaltenden Verwendungsnachweis der Klägerin nicht selbst umfassend geprüft, sondern sich hierzu des Landbauamts bedient. Dieses habe den geprüften Verwendungsnachweis der Regierung mit der Feststellung vorgelegt: "Die Vergaben erfolgten VOB-gerecht". Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das Landbauamt diese Feststellung in Unkenntnis der insoweit einschlägigen Unterlagen getroffen haben könnte. Die Feststellung des Landbauamts sei also in Kenntnis der Tatsache ergangen, dass die Klägerin die Heizungsinstallation an den zweitbilligsten Bieter vergeben hatte. Die Regierung habe sich die Feststellung des Landbauamts zu Eigen gemacht. Dies bestätige auch die Aussage ihres damaligen Sachbearbeiters, wonach man sich in solchen Fällen auf die Prüfung des Landbauamts verlassen habe. Betraue die Bewilligungsbehörde wie hier eine nachgeordnete Behörde mit der Prüfung des Verwendungsnachweises, habe sie spätestens zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung, sich das Prüfungsergebnis zu Eigen zu machen, Kenntnis von den der nachgeordneten Behörde bekannt gewordenen Tatsachen und von der daraus zu ziehenden Folgerung des Auflagenverstoßes erlangt. Die nachgeordnete Behörde sei hier nicht anders als der zur Prüfung der den Widerruf des Verwaltungsakts rechtfertigenden Tatsachen berufene Amtswalter tätig geworden, auf dessen Kenntnisnahme nach der Rechtsprechung abzustellen sei. Die Auftragsvergabe an den zweitbilligsten Bieter sei nach Prüfung des Verwendungsnachweises vom Landbauamt noch als VOB-gerechte Vergabe gewertet worden. Die Beurteilung dieses Umstands durch das Rechnungsprüfungsamt als VOB-Verstoß stelle lediglich eine andere rechtliche Würdigung des gleichen Sachverhalts dar, der sich die Regierung nunmehr angeschlossen habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Beklagten, der die Verletzung materiellen Rechts rügt und beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. November 1999 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 15. Oktober 1998 zurückzuweisen.

Die Klägerin tritt der Revision entgegen und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Der Beigeladene hat sich nicht geäußert. Der Oberbundesanwalt beteiligt sich am Verfahren.

II.

Die Revision ist begründet. Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von Vorschriften des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmen (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs wurden die unanfechtbaren Bewilligungsbescheide innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Behörde von den Tatsachen, welche den Widerruf der Verwaltungsakte rechtfertigen, widerrufen (Art. 49 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG bzw. § 49 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG - im Folgenden nur nach dem Bundesgesetz zitiert -). Da die im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen für eine abschließende Sachentscheidung nicht ausreichen, ist der Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt kann nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt, in dem die Behörde Kenntnis von Tatsachen erhalten hat, welche dessen Rücknahme rechtfertigen, zurückgenommen werden (§ 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG). Die Frist beginnt erst zu laufen, wenn die Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erkannt hat und ihr die weiteren für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind (stRspr, vgl. Beschluss vom 19. Dezember 1984 - BVerwG Gr.Sen. 1 und 2.84 - BVerwGE 70, 356). Erkennt eine Behörde nachträglich, dass sie den beim Erlass eines begünstigenden Verwaltungsakts vollständig bekannten Sachverhalt unzureichend berücksichtigt oder unrichtig gewürdigt und deswegen rechtswidrig entschieden hat, beginnt die Jahresfrist nicht etwa bereits mit dem Erlass des Verwaltungsakts sondern frühestens mit dem Zeitpunkt, in dem die Behörde die Rechtswidrigkeit ihrer Entscheidung erkannt hat. Nach § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG muss die Behörde nämlich Kenntnis von Tatsachen erhalten, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts rechtfertigen. Zur Rechtfertigung der Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts gehört aber - neben weiteren Voraussetzungen - die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, der zurückgenommen werden soll (vgl. Beschluss vom 19. Dezember 1984 - BVerwG Gr.Sen. 1 und 2.84 - a.a.O. <S. 356 bis 358>).

Für diese Auslegung sprechen auch Sinn und Zweck des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG. Die Vorschrift unterwirft die zuständige Behörde einer Jahresfrist, weil der Behörde die Notwendigkeit einer Entscheidung über die Rücknahme bewusst und diese Entscheidung infolge vollständiger Kenntnis des hierfür erheblichen Sachverhalts auch möglich geworden ist. Die Jahresfrist dient der im Interesse der Rechtssicherheit nötigen Klarstellung, ob ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zurückgenommen wird oder ob und von welchem Zeitpunkt an der jeweilige Einzelfall durch Nichtrücknahme des Verwaltungsakts endgültig abgeschlossen ist (vgl. Beschluss vom 19. Dezember 1984 - BVerwG Gr.Sen. 1 und 2.84 - a.a.O. <359 f.>).

Schließlich wird diese Auslegung durch die Gesetzesmaterialien bestätigt (vgl. Beschluss vom 19. Dezember 1984 - BVerwG Gr.Sen. 1 und 2.84 - a.a.O. <361 f.>).

Zu den weiteren für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen gehören insbesondere die für die Ermessensbetätigung wesentlichen Umstände (vgl. Beschluss vom 5. Mai 1988 - BVerwG 7 B 8.88 - Buchholz 421.11 § 4 GFaG S. 1 <5 f.>). Diente eine Anhörung (§ 28 Abs. 1 VwVfG) des Betroffenen der Ermittlung weiterer entscheidungserheblicher Tatsachen, beginnt die Jahresfrist erst danach zu laufen (vgl. Beschluss vom 19. Dezember 1984 - BVerwG Gr.Sen. 1 und 2.84 - a.a.O. <364> und Beschluss vom 7. November 2000 - BVerwG 8 B 137.00 - zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen).

Wird ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt widerrufen, weil mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht erfüllt hat (§ 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG), gilt die Fristbestimmung des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG entsprechend (§ 49 Abs. 2 Satz 2 VwVfG). Dies bedeutet, die Jahresfrist beginnt nicht bereits dann, wenn die zuständige Behörde einen ihr vollständig bekannten Sachverhalt, aus dem sich ein Auflagenverstoß ergibt, unzureichend berücksichtigt oder unrichtig gewürdigt hat und deswegen den Auflagenverstoß nicht erkannt hat. Vielmehr beginnt die Frist erst, wenn die Behörde den Auflagenverstoß erkannt hat und ihr die weiteren für die Widerrufsentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind.

Die Jahresfrist wird in Lauf gesetzt, wenn die Behörde positive Kenntnis von den Tatsachen, welche die Rücknahme oder den Widerruf des Verwaltungsakts rechtfertigen, erhalten hat. Die Auffassung, zur Auslösung der Jahresfrist genüge, dass die die Rücknahme bzw. den Widerruf des Verwaltungsakts rechtfertigenden Tatsachen aktenkundig - d.h. aus den Akten ersichtlich - seien, wird dem Charakter der Frist nicht gerecht, die der Behörde zur sachgerechten Entscheidung über die Rücknahme eingeräumt ist und deshalb nicht in Lauf gesetzt wird, bevor sich die Behörde der Notwendigkeit bewusst geworden ist, über die Rücknahme oder den Widerruf entscheiden zu müssen. Die Jahresfrist beginnt erst zu laufen, wenn diese Tatsachen vollständig, uneingeschränkt und zweifelsfrei ermittelt sind (vgl. Beschluss vom 19. Dezember 1984 - BVerwG Gr.Sen. 1 und 2.84 - a.a.O. <364 f.>). Eine schuldhafte Unkenntnis der Behörde genügt nicht.

Zu Unrecht beruft sich der Verwaltungsgerichtshof auf das Urteil vom 22. Oktober 1987 (- BVerwG 3 C 27.86 - Buchholz 451.511 § 6 MOG Nr. 2 S. 1). Auch in dieser Entscheidung geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die Jahresfrist frühestens zu laufen beginnt, wenn der Behörde ein Auflagenverstoß bekannt ist und sie erkannt hat, dass der Widerruf grundsätzlich gerechtfertigt ist. Als für den Fristbeginn unschädlich ist in dieser Entscheidung lediglich ein Rechtsirrtum bei Anwendung der Widerrufsvorschrift - in dem entschiedenen Fall hinsichtlich des Umfangs der Widerrufsmöglichkeit - angesehen worden.

Die Behörde erhält die Kenntnis, wenn der nach der innerbehördlichen Geschäftsverteilung zur Rücknahme oder zum Widerruf des Verwaltungsakts berufene Amtswalter oder ein sonst innerbehördlich zur rechtlichen Prüfung des Verwaltungsakts berufener Amtswalter positive Kenntnis erlangt hat (vgl. Beschluss 19. Dezember 1984 - BVerwG Gr.Sen. 1 und 2.84 - a.a.O. <364>). Ein einzelne Fachfragen begutachtender Mitarbeiter einer Behörde ist kein zur rechtlichen Prüfung berufener Amtswalter. Ebenso wenig stehen Mitarbeiter einer nachgeordneten Behörde, welche die für den Widerruf zuständige Behörde mit der Prüfung einzelner Fachfragen beauftragt hat, einem innerbehördlich zur rechtlichen Überprüfung berufenem Amtswalter gleich. Würde die Jahresfrist dadurch verkürzt oder beseitigt, dass der zuständigen Behörde die Kenntnisse anderer Behörden zugerechnet werden, würde das mit § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG verfolgte Ziel, der zuständigen Behörde eine hinreichend lange Zeit für eine Prüfung und Entscheidung zu gewähren, verfehlt (vgl. Urteil vom 20. Dezember 1999 - BVerwG 7 C 42.98 - BVerwGE 110, 226 <234>).

Davon ausgehend gilt hier Folgendes: Die Jahresfrist begann erst zu laufen, als der zuständige Amtswalter der Regierung von Oberbayern den Auflagenverstoß positiv erkannt hatte und ihm die weiteren für den Widerruf erheblichen Tatsachen vollständig positiv bekannt waren. Auf die Kenntnis des Landbauamts bzw. der Mitarbeiter des Landbauamts, die die Vergabeunterlagen der Klägerin geprüft hatten, kommt es nicht an. Im Übrigen hatte das Landbauamt keine positive Kenntnis von einem Verstoß gegen Bestimmungen der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) und damit von einem Verstoß gegen eine Auflage. Vielmehr hatte das Landbauamt festgestellt, die Bauleistungen seien "VOB-gemäß" vergeben worden. Der zuständige Amtswalter der Bezirksregierung erhielt erst durch das Schreiben des Rechnungsprüfungsamts im August 1995 Kenntnis von dem Auflagenverstoß. Die Jahresfrist des § 49 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG war schon deshalb bei Erlass des angefochtenen Bescheids im Juli 1996 nicht abgelaufen. Außerdem war die Anhörung (§ 28 Abs. 1 VwVfG) der Klägerin zur Ermittlung zumindest der für die Ermessensbetätigung wesentlichen Umstände und damit zur Ermittlung weiterer entscheidungserheblicher Tatsachen erforderlich. Die Frist begann daher erst am 25. März 1996 mit dem Eingang der von der Bezirksregierung bei der Klägerin angeforderten Stellungnahme zu dem Bericht des Rechnungsprüfungsamts.

Die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs ermöglichen dem Senat keine abschließende Beurteilung, ob der angefochtene Widerrufsbescheid rechtmäßig ist. Das Berufungsurteil lässt ausdrücklich offen, ob die Klägerin gegen eine Bestimmung der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) und damit gegen eine in den Bewilligungsbescheiden enthaltene Auflage verstoßen hat. Das Bundesverwaltungsgericht ist nicht berufen, diese Frage selbst zu prüfen. Denn die VOB ist keine revisible Rechtsnorm, sondern allenfalls eine Verwaltungsvorschrift (vgl. Beschlüsse vom 23. November 1998 - BVerwG 8 B 173.98 - Buchholz 401.84 Nr. 91 und vom 25. April 2000 - BVerwG 11 B 4.00 - zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen). Ob gegen diese verstoßen wurde, ist eine Tatsachenfrage. Deshalb ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 31 000 DM festgesetzt.



Ende der Entscheidung

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