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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 21.06.2007
Aktenzeichen: BVerwG 8 C 9.06
Rechtsgebiete: VermG, GG


Vorschriften:

VermG § 3 Abs. 1 Satz 4
VermG § 3 Abs. 1 Satz 11
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 14 Abs. 1
Der Ausschluss der Restitution nach § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG (im Anschluss an das Urteil vom 7. März 2007 - BVerwG 8 C 26.05 -).
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 8 C 9.06

Verkündet am 21. Juni 2007

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Postier, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Guttenberger

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 18. August 2005 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten um die Rückübertragung des 1934 von den Rechtsvorgängerinnen der Beigeladenen im Rahmen eines Parzellierungsvorhabens erworbenen Grundstücks Flur 8, Flurstück 83 der Gemarkung K.

Das Grundstück war ursprünglich Teil einer zusammenhängenden Fläche von ca. 100 ha, die die Gemeinnützige Siedlungsgesellschaft mbH K. (Siedlungsgesellschaft) im Mai 1927 zum Zwecke der Parzellierung und des Verkaufs von Grundstücken an Siedler erwarb. Die Anteile an der Siedlungsgesellschaft hielt teils direkt, teils indirekt der jüdische Unternehmer Adolf S. zu 79,4 %.

Ab 1930 veräußerte die Siedlungsgesellschaft unmittelbar an die Siedler die Grundstücke. Die Bebauung mit Einfamilien- und Reihenhäusern übernahm die allgemeine Häuserbauaktiengesellschaft - AHAG - von 1872, die zum S. Konzern gehörte und dort als Dachgesellschaft fungierte.

Ende März 1933 überfielen SA-Leute Adolf S. in seinem Wohnhaus in B. und schossen auf ihn. Er verließ daraufhin am 9. April 1933 das Deutsche Reich in Richtung Schweiz. Zuvor hatte er noch am 31. März 1933 den seit 1920 im Konzern tätigen Architekten Karl H. mit notarieller Urkunde zu seinem Generalbevollmächtigten bestellt. In einer Gesellschafterversammlung vom 10. April 1933 wurden die Geschäftsführer der Siedlungsgesellschaft Hans W. und Erich R. von ihrer Funktion entbunden. Als neue Geschäftsführer wurden Rudolf J. und Karl H. eingesetzt. Mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 11. Juli 1933 wurden Robert T. und Walter S. als Geschäftsführer der Siedlungsgesellschaft bestellt. Kurze Zeit später war Walter S. - NSDAP und SS-Mitglied - alleiniger Geschäftsführer. Die Siedlungsgesellschaft setzt - nach mehreren Umfirmierungen - ihre Geschäftstätigkeit bis heute, jetzt unter der Firma I. West GmbH, fort.

Das streitgegenständliche Grundstück war Bestandteil einer im Oktober 1933 parzellierten Teilfläche von 26 ha. Es wurde mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 26. April 1934 von der Siedlungsgesellschaft an Wally H. und deren Mutter, Clara K., verkauft. Der Kaufpreis betrug 6,40 RM je Quadratmeter einschließlich der Erschließungskosten. Die Auflassung erfolgte am 15. Mai 1935, die Umschreibung im Grundbuch am 11. November 1935.

Mit sog. Globalanmeldung (ANM-3) vom 22. Dezember 1992 meldete die Conference on Jewish Material Claims against Germany, Inc. (JCC) vermögensrechtliche Ansprüche an und präzisierte diese Anträge mit Schreiben vom 4. Mai 1995 auf das in K. gelegene Betriebsvermögen der Siedlungsgesellschaft. Mit notariell beurkundeter Erklärung vom 20. August 1997 trat sie ihre Ansprüche an den Kläger ab.

Mit Bescheid vom 12. März 1999, ergänzt durch Schreiben vom 12. Oktober 2000, 5. April und 7. Juni 2001 lehnte das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen für das Land Brandenburg die Restitution von insgesamt 1 388 Grundstücken, zu denen auch das streitgegenständliche gehörte, ab. Zur Begründung hieß es im Wesentlichen, die Einräumung von Bruchteilseigentum an den Grundstücken nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG komme nicht in Betracht, weil der Ausschlussgrund des § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG eingreife. Die betroffenen Grundstücke seien als Umlaufvermögen zum Verkehrswert veräußert worden.

Gegen den Bescheid hat der Kläger am 8. April 1999 Klage erhoben. Ein Anspruch auf Restitution ergebe sich aus § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG. Dem Erfolg der Klage stehe § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG nicht entgegen. Als verfassungswidrige Vorschrift könne sie nicht Grundlage einer Klageabweisung sein.

Der Kläger hat vor dem Verwaltungsgericht beantragt, die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Landesamts zur Regelung offener Vermögensfragen Brandenburg vom 12. März 1999 zu verpflichten, ihm Bruchteilseigentum in Höhe von 794/1 000 an dem Grundstück Gemarkung K. Flur 8, Flurstück 83 einzuräumen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Anspruch auf Einräumung von Bruchteilseigentum sei gemäß § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG ausgeschlossen. Die Vorschrift übernehme die Praxis und Rechtsprechung zum alliierten Rückerstattungsrecht. Sie sei verfassungsgemäß. Eine Ungleichbehandlung gegenüber Nicht-Siedlungsunternehmen sei gerechtfertigt, weil es auch ohne die Verfolgung und den Entzug zu einer Veräußerung der parzellierten Grundstücke gekommen wäre.

Mit Urteil vom 18. August 2005 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG lägen zwar vor, der Anspruch sei jedoch wegen § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG ausgeschlossen. Es könne von einer fristgerechten Anmeldung des Anspruchs ausgegangen werden. Die JCC gelte auch gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG als Rechtsnachfolgerin der geschädigten Siedlungsgesellschaft. Die Aktivlegitimation des Klägers ergebe sich aus der Abtretungserklärung der JCC vom 20. August 1997. Die Siedlungsgesellschaft habe entsprechend ihrem Unternehmenszweck, der sich mit der Schädigung nicht verändert habe, das Grundstück vor dem 8. Mai 1945 an die Rechtsvorgängerinnen der Beigeladenen als natürliche Personen veräußert. Die Veräußerung sei zu einem für das Unternehmen üblichen Preis erfolgt. Auch die sonstigen Vertragsbedingungen hätten dem üblichen, von der Siedlungsgesellschaft verwendeten Formularvertrag entsprochen. Die Ausschlussvorschrift sei verfassungsgemäß. Mit der Schaffung des Durchgriffsanspruchs in § 3 Abs. 1 Satz 4 ff. VermG sei der Gesetzgeber ersichtlich über das verfassungsrechtlich gebotene und vom alliierten Rückerstattungsrecht vorgegebene Maß der Wiedergutmachung hinausgegangen. Das Wiedergutmachungsrecht stehe unter dem Vorbehalt des Ausgleichs widerstreitender Interessen, insbesondere auch der Interessen der betroffenen Verfügungsberechtigten. Eine Differenzierung, wie sie der Gesetzgeber hinsichtlich der Veräußerer vorgenommen habe, verstoße erst dann gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn die Sachwidrigkeit auf willkürlichen Erwägungen beruhe. Hiervon könne nicht ausgegangen werden.

Der Kläger hat die vom Senat zugelassene Revision eingelegt. Er macht geltend, § 3 Abs.1 Satz 11 VermG verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 18. August 2005 insgesamt und den Bescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen Brandenburg vom 12. März 1999 insoweit aufzuheben, wie er der Einräumung des Bruchteilseigentums entgegensteht, und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Bruchteilseigentum in Höhe von 794/1000 an dem Grundstück Gemarkung K., Flur 8, Flurstück 83 einzuräumen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

II

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen; denn dem Kläger steht kein Anspruch auf Einräumung von Bruchteilseigentum in Höhe von 794/1000 an dem streitbefangenen Grundstück zu.

Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend erkannt, dass der Kläger zwar Berechtigter i.S.v. § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 VermG ist (1.), dass aber der Anspruch auf Einräumung von Bruchteilseigentum an dem Grundstück nicht gegeben ist, weil die Rechtsvorgängerinnen der Beigeladenen das Grundstück zu Siedlungszwecken erworben hatten. Eine Restitution scheidet deshalb nach § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG aus (2.). Die Vorschrift ist verfassungsgemäß (3.).

1. Die Voraussetzungen des vom Kläger geltend gemachten Restitutionsanspruchs gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG liegen vor, weil die unmittelbare und mittelbare Beteiligung von Adolf S. an der Siedlungsgesellschaft Gegenstand einer Schädigung nach § 1 Abs. 6 VermG war.

§ 3 Abs. 1 Satz 4 VermG räumt bei Unternehmensschädigungen nach § 1 Abs. 6 VermG einen Anspruch auf ergänzende Einzelrestitution ein. Ist - wie hier - eine unmittelbare und mittelbare Beteiligung an einem Unternehmen Gegenstand der Schädigung, besteht ein solcher Anspruch nur hinsichtlich der Vermögenswerte, die nach der Entziehung der Beteiligung aus dem Vermögen des Unternehmens ausgeschieden sind. So liegt der Fall hier. Die Beteiligung von Adolf S. unterlag einer verfolgungsbedingten Schädigung i.S.v. § 1 Abs. 6 VermG. Das Verwaltungsgericht hat als Zeitpunkt der faktischen Entziehung der Beteiligung des Adolf S. an der Siedlungsgesellschaft den 21. April 1933 festgestellt. Dies stimmt mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Fällen einer faktischen Entziehung von Rechten überein. Durch die erzwungene Ausreise und die Einsetzung von Robert T. und des Hauptsturmführers der SS und NSDAP-Mitglied Walter S. als Vorstände des S. Konzern hat Adolf S. seine Beteiligung "auf andere Weise" verloren. Adolf S. war bereits zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeit genommen worden, als Unternehmer auf die Geschicke der Gesellschaft Einfluss zu nehmen. Er wurde faktisch seiner Gesellschafterstellung beraubt, weil seine Einwirkungs- und Verfügungsmöglichkeiten so sehr beschnitten waren, dass dies in der Sache einer "kalten Enteignung" in tatsächlicher Hinsicht gleichkam (Urteil vom 12. Dezember 2001 - BVerwG 8 C 23.01 - Buchholz 428 § 1 Abs. 1 VermG Nr. 15; Beschluss vom 17. Januar 1997 - BVerwG 7 B 298.96 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 100).

Für die Annahme eines Vermögensverlustes wird auch im Recht der Wiedergutmachung nicht auf das förmliche Erlöschen der Gesellschafterstellung im Rechtssinne abgehoben. Der volle Rechtsentzug ist auch sonst nicht ausschlaggebend (Urteil vom 12. Dezember 2001 - BVerwG 8 C 23.01 - a.a.O.). Eine formal-juristische Sicht auf die den Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zugefügten Vermögensschäden würde den historischen Gegebenheiten nicht gerecht, denen Juden und andere dem System missliebige Menschen vielfältig ausgesetzt waren. Eine faktische Betrachtungsweise hingegen lässt eine Annäherung an die damals jenseits des Rechtlichen herrschende Wirklichkeit zu.

2. Da die Schädigung der Beteiligung von Adolf S. an der Siedlungsgesellschaft erfolgte, bevor das streitgegenständliche Grundstück durch Verkauf an die Rechtsvorgängerinnen der Beigeladenen "weggeschwommen" war, hat der Kläger als Rechtsnachfolger von Adolf S. gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 2 VermG einen Anspruch auf Einräumung von Bruchteilseigentum an dem Grundstück. Dieser Anspruch ist jedoch nach § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG ausgeschlossen. Denn danach sind die Sätze 4 bis 10 dieses Absatzes nicht anzuwenden, wenn für den Wohnungsbau bestimmte Vermögenswerte entsprechend dem überwiegenden Unternehmenszweck eines Entwicklungs-, Siedlungs- oder Wohnungsbauunternehmens, wie er vor der Schädigung bestanden hat, bis zum 8. Mai 1945 an natürliche Personen veräußert wurden, es sei denn, die Veräußerung war nicht zu einem für das Unternehmen üblichen Preis erfolgt.

Nach der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zum Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz (BTDrucks 13/7275 S. 46) ergibt sich die Regelung des Satzes 11 aus einer auf dem alliierten Rückerstattungsrecht basierenden einschränkenden Auslegung. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Berechtigten i.S.d. § 1 Abs. 6 VermG durch die Eingliederung ihrer Ansprüche in das Vermögensgesetz weder schlechter noch besser gestellt werden als bei der Anwendung der alliierten Rückerstattungsgesetze. Durch Satz 11 werden Fälle erfasst, in denen das Unternehmen nach der Schädigung seinem schon vor der Schädigung entsprechenden überwiegenden Unternehmenszweck folgend Vermögensgegenstände an natürliche Personen zu einem üblichen Preis veräußert hat.

Die Voraussetzungen für den Restitutionsausschluss liegen vor. Das Grundstück wurde vor dem 8. Mai 1945 zu einem üblichen Preis veräußert, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Das Grundstück war für den Wohnungsbau bestimmt. Das Parzellierungsgeschäft hatte auch schon vor der Schädigung dem überwiegenden Unternehmenszweck eines Entwicklungs-, Siedlungs- oder Wohnungsbauunternehmens entsprochen. Der Zweck, Siedlungsfläche zu erwerben und zu parzellieren, um sie an Bauwillige zu veräußern, war nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts der alleinige Zweck des Unternehmens.

Welchem der drei in § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG genannten Geschäftstätigkeiten (Entwicklungs-, Siedlungs- oder Wohnungsbauunternehmen) der vorliegende Betrieb als Parzellierungsunternehmen entspricht, kann dahinstehen. Eine trennscharfe Unterscheidung gibt es nicht. Der Rechtsordnung kann nicht entnommen werden, dass sie zur Erläuterung weiterführende Legaldefinitionen vorhält. Dem Gesetzgeber ging es mit der Aufzählung unterschiedlich benannter Unternehmen ersichtlich darum, Betriebsformen zu erfassen, deren Gemeinsamkeit darin besteht, dass zu ihrem Vermögensbestand Grundstücke gehörten, die nicht Teil des Sachanlagevermögens, sondern Umlaufvermögen waren, weil sie zur Veräußerung (für Wohnbauzwecke) bestimmt waren. Folglich fällt etwa Grundvermögen, dass dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen bestimmt war, im Einzelfall dazu aber nicht mehr benötigt und deshalb parzelliert und anschließend verkauft wurde, nicht unter § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG (Urteil vom 7. März 2007 - BVerwG 8 C 26.05 - juris).

Die Veräußerung des Baugrundstücks an die Rechtsvorgängerinnen der Beigeladenen entsprach "dem überwiegenden Unternehmenszweck eines Entwicklungs-, Siedlungs- oder Wohnungsbauunternehmens, wie er vor der Schädigung bestanden hat".

3. § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG ist verfassungsgemäß.

a) Der Kläger rügt einen Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG, weil § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG in eine vom Vermögensgesetz geschützte Eigentumsposition eingreife und eine entschädigungslose Enteignung bewirke.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 7. März 2007 - BVerwG 8 C 26.05 - bereits ausgeführt, dass eigentumsrechtliche Positionen, die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt sind, von § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG nicht erfasst werden, weil vor Einführung dieser Norm durch das Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz vom 17. Juli 1997 (BGBl I S. 1823) vermögensrechtliche Ansprüche von Anteilsgeschädigten i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 2 VermG nicht bestanden haben. Die typischen vermögensrechtlichen Schädigungen jüdischer NS-Verfolgter - die Entziehung der Unternehmensbeteiligung - waren bis dahin nämlich nicht geregelt. Aus Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte der Neuregelung ist zu schließen, dass erst die Einfügung des Halbs. 2 in § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG durch das Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz die Einräumung von (anteiligem) Bruchteilseigentum an sämtlichen Vermögensgegenständen ermöglichen sollte, die zum Zeitpunkt der verfolgungsbedingten Anteilsschädigung zu dem Unternehmen gehörten oder von ihm später angeschafft wurden (Urteil vom 28. August 1997 - BVerwG 7 C 36.96 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 19).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts war die Einräumung vermögensrechtlicher Ansprüche nicht wegen Art. 14 Abs. 1 GG geboten. Das Vermögensrecht hat seine Wurzeln vielmehr im Rechts- und Sozialstaatsprinzip, weshalb die gesetzlich verbürgten Ansprüche grundrechtlichen Schutz erst ab ihrer einfach gesetzlichen Begründung genießen (BVerfG, Urteil vom 23. April 1991 - 1 BvR 1170, 1174, 1175/90 - BVerfGE 84, 90 <126>; Beschluss vom 8. Oktober 1996 - 1 BvR 875/92 - BVerfGE 95, 48 <58>). Novellierungen des Vermögensgesetzes entfalten deshalb mit Blick auf Art. 14 GG Bedeutung, wenn sie dem Berechtigen einmal einfach-gesetzlich begründete Ansprüche wieder entziehen. Das ist vorliegend nicht der Fall.

Auch wenn § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG für den Fall der Schädigung (nur) der Unternehmensbeteiligung in der bis zum Inkrafttreten des Wohnraummodernisierungssicherungsgesetzes geltenden Fassung einen Anspruch auf ergänzende Singularrestitution eingeräumt hätte (vgl. hierzu Urteil vom 26. Juni 1997 - BVerwG 7 C 53.96 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 18 S. 17 f. unter Hinweis bereits auf die Neufassung und auf die Bezeichnung als gesetzliche Klarstellung in der Begründung des Rechtsausschusses, BTDrucks 13/7275, S. 44), wäre § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG gleichfalls mit Art. 14 GG vereinbar. Entgegen der Auffassung des Klägers würde es sich nicht um eine Enteignung, sondern um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG handeln. Denn mit der Begrenzung der Eigentumsposition des Alteigentümers, soweit es die ergänzende Singularrestitution betrifft, wird der Ausgleich privater Interessen, nämlich derjenigen des Alteigentümers oder seiner Rechtsnachfolger und des verfügungsberechtigten Erwerbers des Grundstücks, bezweckt (zur Abgrenzung von einer Enteignung vgl. z.B. BVerfGE 104, 1 <10>). Die Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG ist als Inhalts- und Schrankenbestimmung verhältnismäßig. Sie ist zur Erreichung des vom Gesetzgeber verfolgten Zwecks geeignet sowie erforderlich und bringt die Interessen der Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis (zu den Anforderungen an eine Inhalts- und Schrankenbestimmung vgl. z.B. BVerfGE 101, 239 <259>). Zweck der Sätze 4 ff. des § 3 Abs. 1 VermG ist es, dass die Berechtigten im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG durch die Eingliederung ihrer Ansprüche in das Vermögensgesetz nicht schlechter, aber - dem dient der Satz 11 - auch nicht besser als bei der Anwendung der alliierten Rückerstattungsrechte gestellt werden sollen (BTDrucks 13/7275, S. 46). Dadurch, dass der Gesetzgeber von der ergänzenden Singularrestitution die Fälle ausnimmt, in denen das Unternehmen nach der Schädigung seinem schon zuvor bestehendem überwiegenden Unternehmenszweck entsprechend Vermögensgegenstände an natürliche Personen zu einem üblichen Preis veräußert hat, bewirkt er, wenn auch auf einem anderen Weg, ein vergleichbares Ergebnis wie die alliierten Rückerstattungsgesetze. Nach den Rückerstattungsgesetzen war ein Anspruch auf Restitution veräußerter Grundstücke zu verneinen, wenn für die Veräußerung der Grundstücke, die zum Umlaufvermögen eines Unternehmens gehörten, eine angemessene Gegenleistung erzielt wurde, weil dann der Verkauf mit gleichem Inhalt auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus zustande gekommen wäre (z.B. Art. 3 Abs. 2 und 3 der Anordnung BK/O (49) 180 der Alliierten Kommandantur Berlin - REAO - vom 26. Juli 1949, VOBl. für Groß-Berlin I S. 221; vgl. CoRA vom 31. März 1954, RzW 1954, 195; Schwarz, Rückerstattung nach den Gesetzen der Alliierten Mächte, 1974, S. 164 Anm. 7 a.E.; auch ORG Nürnberg vom 19. Januar 1956, RzW 1956, 196). Eine für den Alteigentümer mildere Regelung kam nicht in Betracht, weil nach den Rückerstattungsgesetzen wegen des Fehlens des Schädigungstatbestandes eine Restitution bezogen auf das konkrete Grundstück gänzlich ausschied und deshalb bei einer milderen Regelung die vom Gesetzgeber angestrebte Parallelität zum Rückerstattungsrecht entfallen würde.

Die Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG ist für den Alteigentümer und dessen Rechtsnachfolger auch zumutbar. Für den Hauptanwendungsfall des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG, nämlich die Einräumung von Bruchteilseigentum an Grundstücken, hat das Gesetz dem Interesse der Erwerber von solchen Grundstücken den Vorrang eingeräumt, die entsprechend dem überwiegenden Zweck des Unternehmens, wie er auch vor der Schädigung bestanden hat, von vornherein zur Veräußerung bestimmt waren, also zum Umlaufvermögen des Unternehmens gehörten. Dieser Vorrang ist daran geknüpft, dass die Veräußerung zu einem für das Unternehmen üblichen Preis erfolgte. In diesem Fall fehlt es regelmäßig an einer Vertiefung des mit der Entziehung der Beteiligung einhergehenden Unrechts. Denn der Abfluss des Unternehmensvermögens wird - entsprechend dem bereits vor der Schädigung bestehenden Zweck des Umlaufvermögens - durch die Gegenleistung kompensiert.

Dieses Ergebnis entspricht noch aus einem weiteren Grund den Rückerstattungsgesetzen. Im Fall einer Entziehung nur der Beteiligungsrechte war ein Durchgriff auf Vermögenswerte des Unternehmens regelmäßig nicht zulässig. Eine Ausnahme kam nur in Betracht, wenn sich nach dem Entzug der Anteile die Rechts- oder Kapitalstruktur des Unternehmens geändert hatte oder das Betriebsvermögen ganz oder teilweise auf ein anderes Unternehmen übertragen worden war (vgl. z.B. Art. 19 REAO). Unter diesen Voraussetzungen war den Wiedergutmachungskammern eine weitgehende gesetzliche Ermächtigung zu schöpferischer Rechtsgestaltung eingeräumt. Ziel der Regelung war es, den früheren Gesellschaftern neben den aus ihren Beteiligungen fließenden Rechten ihre "wirtschaftliche" Eigentümerstellung möglichst in ursprünglichem Umfang zurückzugeben (Urteil vom 26. Juni 1997 a.a.O. S. 17). Die Veräußerung der zum Umlaufvermögen gehörenden Grundstücke hat aber das Unternehmen durch die erhaltene Kompensation in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und auch in dem Bestand an Betriebsvermögen (vgl. Art. 19 REAO) unberührt gelassen. Die Rückerstattungsgesetze hätten deshalb nur zur Wiedereinräumung der entzogenen Anteile, nicht aber zur Rückübertragung der entsprechenden Grundstücke geführt.

b) § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Dem Gesetzgeber kommt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf dem Gebiet der Wiedergutmachung auch im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG ein besonders weites Beurteilungsermessen zu. Dementsprechend hat er bei diesem Regelungsgegenstand wie allgemein bei der Bewältigung der Folgen des Krieges und des Zusammenbruchs des nationalsozialistischen Regimes den Gleichheitssatz nur in seiner Bedeutung als Willkürverbot zu beachten. Verboten ist dem Gesetzgeber danach die willkürlich ungleiche Behandlung von Sachverhalten, die in wesentlichen Punkten gleich sind. Welche Sachverhaltselemente so wichtig sind, dass ihre Verschiedenheit eine Ungleichbehandlung rechtfertigt, unterliegt regelmäßig seiner Entscheidung. Der Spielraum des Gesetzgebers endet erst dort, wo die ungleiche Behandlung nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo mit anderen Worten ein sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt (BVerfGE 102, 254 <299> m.w.N. aus der Rechtsprechung).

Die von dem Kläger angeführten Fälle führen nach diesem Maßstab nicht zu einer mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbaren Ungleichbehandlung. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass die genannten Unternehmen nur gelegentlich und aus besonderem Anlass Grundstücke veräußerten. Hierzu gehört das von dem Kläger angeführte Beispiel einer Brauerei, das ein bisher für Brauereipferde genutztes Weidegelände parzellierte und die Parzellen an Bauwillige veräußerte, oder das Beispiel einer Bank, die eine ihr zur Sicherheit für ein Darlehen übereignete Fläche aufteilte und veräußerte, nachdem die Rückzahlung des Darlehens ausgeblieben war. Diese Fälle werden nicht von der Ausschlussregelung des § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG erfasst, es sei denn, die Flächen wären so umfangreich gewesen, dass von einem weiteren, selbständigen Unternehmenszweck ausgegangen werden könnte (vgl. Urteil vom 7. März 2007 - BVerwG 8 C 26.05 - a.a.O.).

§ 3 Abs. 1 Satz 11 VermG beschränkt demgegenüber den Ausschluss der ergänzenden Singularrestitution auf den Handel mit Grundstücken, die zum Umlaufvermögen eines Unternehmens gehörten und damit nach der betrieblichen Zweckbestimmung von vornherein zum Verkauf vorgesehen waren. Weitere Voraussetzung ist, dass die Veräußerung durch ein Unternehmen erfolgte, zu dessen typischem - überwiegendem - Zweck auch bereits vor der Schädigung der Verkauf von Grundstücken gehörte. Die sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung hat der Gesetzgeber damit in der auch bereits vor der Schädigung vorhandenen Üblichkeit derartiger Verkehrsgeschäfte für das Unternehmen gesehen. Es handelte sich damit um eine Geschäftstätigkeit, die auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus fortgesetzt worden wäre und die, wenn die Veräußerung zu einem üblichen Preis als Kompensation erfolgte, als solche nicht zu einer Vertiefung des durch den Entzug der Unternehmensbeteiligung begangenen Unrechts führte. § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG knüpft damit an Regelungen der alliierten Rückerstattungsgesetze an, die wie z.B. Art. 3 Abs. 2 und 3 REAO für die Widerlegung der Verfolgungsvermutung regeln, unter welchen Voraussetzungen davon ausgegangen werden kann, dass ein Rechtsgeschäft auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus zustande gekommen wäre (vgl. auch Art. 19 USREG, der für bewegliche Sachen die Rückerstattung ausschloss, wenn diese "im Wege des ordnungsgemäßen üblichen Geschäftsverkehrs aus einem einschlägigen Unternehmen erworben" worden waren).

Soweit der Kläger auf eine vermeintliche Ungleichbehandlung im Verhältnis zu privaten Parzellierern hinweist, kann dies nicht überzeugen. Für Private, die nicht gewerblich tätig sind, scheidet eine Anwendung des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG und damit auch des Satzes 11 aus; die Restitution bestimmt sich nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VermG. Wenn sie als Gewerbetreibende den Unternehmensbegriff erfüllen, kann § 3 Abs. 1 Satz 4 und damit auch Satz 11 VermG zur Anwendung kommen.

c) Auch der Einwand des Klägers, dass § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG den berechtigten Interessen der heutigen Nutzer diene und insoweit einer teleologischen Reduktion bedürfe, geht fehl. Er beruft sich darauf, es sei ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Vorschrift, dass der Grundstückseigentümer bis zum Beitritt der DDR das Eigenheim selbst genutzt habe oder zumindest die Nutzungsbefugnisse habe ausüben können. Diese Voraussetzung sei für die Beigeladene nicht gegeben, da diese seit dem Erbfall im Jahr 1973 bis zur Wiedervereinigung zu keiner Zeit den Besitz an dem Grundstück gehabt habe. Einer solchen einschränkenden Auslegung steht entgegen, dass der Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG hierfür keinen Raum bietet. Die Vorschrift stellt vielmehr, wie auch das Abstellen auf den üblichen Preis zeigt, allein auf den Veräußerungsvorgang ab. Davon abgesehen bieten auch die Gesetzesmaterialien (vgl. BTDrucks 13/7275, S. 46) keine Anhaltspunkte für einen solchen eingeschränkten Regelungszweck.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 51 129,19 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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