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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 23.10.2002
Aktenzeichen: BVerwG 9 A 22.01
Rechtsgebiete: Bundesschienenwegeausbaugesetz, AEG, VwVfG, BImSchG, 16. BImSchV


Vorschriften:

Bundesschienenwegeausbaugesetz, Anlage
AEG § 18 Abs. 1
AEG § 20 Abs. 7
VwVfG § 74 Abs. 3
BImSchG § 41
BImSchG § 42
BImSchG § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
16. BImSchV § 1 Abs. 2
16. BImSchV § 2 Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 9 A 22.01

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23. Oktober 2002 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hien und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost, Vallendar, Prof. Dr. Rubel und Dr. Eichberger

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für die Zeit bis zur Abtrennung des Verfahrens BVerwG 9 A 12.02 zu 2/21, für die Zeit danach ganz.

Gründe:

I.

1. Die Klägerin wendet sich gegen einen Planfeststellungsbeschluss der Beklagten für den Wiederaufbau und die Elektrifizierung eines im Land Berlin zwischen dem Haltepunkt Lichterfelde Ost und der Landesgrenze gelegenen Abschnitts der von Berlin in Richtung Halle (Saale) führenden, in Berlin als "Anhalter Bahn" bezeichneten Eisenbahnstrecke. Sie ist Eigentümerin und Bewohnerin eines Grundstücks in Berlin-Lichterfelde, das von ihr 1964 erworben und bis 1967 aufgrund einer Baugenehmigung mit einem zweigeschossigen, zu Wohnzwecken und als Ingenieurbüro genutzten Gebäude bebaut wurde. Das Grundstück liegt in einem allgemeinen Wohngebiet. Es grenzt im Osten an die F.Straße, auf deren gegenüberliegender Seite sich das für das Vorhaben genutzte Bahngelände anschließt.

Die dortige zweigleisige Anhalter Bahn wurde 1841 zunächst als Verbindung von Berlin nach Dessau und Köthen in Betrieb genommen und 1859 bis Halle und Leipzig verlängert. 1943 wurde die Strecke in der Weise viergleisig ausgebaut, dass die beiden Fernbahngleise verlegt und die elektrisch betriebene S-Bahn westlich davon zweigleisig bis Lichterfelde Süd verlängert wurde. In Lichterfelde Süd schloss sich hieran eine separate, ebenfalls zweigleisige, aber mit Dampf betriebene Vorortbahn nach Ludwigsfelde an.

Nach der Teilung Deutschlands wurde der Güter- und Personenfernverkehr auf den Berliner Außenring verlagert, so dass seit 1952 kein Fernbahnverkehr mehr auf dem in Rede stehenden Streckenabschnitt stattfand. Die Gleise der Anhalter Bahn wurden überwiegend abgebaut. Dagegen wurde die Vorortbahn von Lichterfelde Süd nach Ludwigsfelde 1951 bis Teltow eingleisig elektrifiziert. Erst die Schließung der Grenze 1961 unterbrach diese Verbindung, so dass die S-Bahn wieder in Lichterfelde Süd endete. Mit der Übernahme der S-Bahn-Betriebsführung im Westteil Berlins durch die Berliner Verkehrsbetriebe wurde 1984 der S-Bahn-Betrieb zwischen Priesterweg und Lichterfelde Süd eingestellt und erst 1995 wieder aufgenommen.

Im Dezember 1997 beantragte die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen beim Eisenbahn-Bundesamt die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens für das Vorhaben, die beiden Gleise der Anhalter Bahn zwischen dem Haltepunkt Lichterfelde Ost und der Landesgrenze mit teilweise nach Osten verschobener Trasse und teilweise veränderter Gradiente für den Schienenpersonenfern- und Regionalverkehr mit einer Entwurfsgeschwindigkeit von 160 km/h wieder aufzubauen und zu elektrifizieren. Im gesamten Abschnitt ist vorgesehen, als aktive Schallschutzmaßnahme das Gleispflegeverfahren "Besonders überwachtes Gleis" für Fern- und S-Bahn anzuwenden.

Ohne Berücksichtigung dieser Schallschutzmaßnahme wurden am Gebäude der Klägerin, das vom nächst gelegenen S-Bahn-Gleis 19 m und von den geplanten Fernbahngleisen ca. 36,5 m entfernt liegt, für das von der Beigeladenen prognostizierte Betriebsprogramm im Jahr 2010 auf der Grundlage der früheren Bestandsgleise einerseits und auf der Grundlage der geplanten Gleise andererseits folgende Beurteilungspegel für die ungünstigste, der Bahnstrecke zugewandte Gebäudeseite ermittelt:

 Erdgeschoss:Bestand tags 66,7/nachts 61,9 dB(A)
 Planung tags 65,6/nachts 61,0 dB(A)
1. OG:Bestand tags 67,7/nachts 62,9 dB(A)
 Planung tags 66,7/nachts 62,0 dB(A)

Eine mit den Planunterlagen vorgelegte erschütterungstechnische Untersuchung kam ferner zu dem Ergebnis, dass bei Zugrundelegung der bestehenden Übertragungsfunktionen zwischen Bahnkörper und Gebäude in der Bestandssituation einerseits und in der Planungssituation andererseits auf der Grundlage desselben Betriebsprogramms jeweils folgende Erschütterungseinwirkungen zu vergleichen seien:

 Erdgeschoss:Bestand KBFmaxtags 0,159/nachts 0,159
  KBFTrtags 0,039/nachts 0,015
 Planung KBFmaxtags 0,134/nachts 0,134
  KBFtrtags 0,031/nachts 0,012
1. OG:Bestand KBFmaxtags 0,404/nachts 0,404
  KBFTrtags 0,093/nachts 0,035
 Planung KBFmax tags 0,342/nachts 0,342
  KBFTrtags 0,080/nachts 0,030

Nach Durchführung des Anhörungsverfahrens, in dem die Klägerin Einwendungen erhob, stellte das Eisenbahn-Bundesamt durch Beschluss vom 31. Mai 2001 den Plan für das Vorhaben fest.

Dabei erteilte es in der Nebenbestimmung Teil A 4.5 der Vorhabenträgerin die Auflage, bei der Anwendung des Verfahrens "Besonders überwachtes Gleis" gemäß Verfügung des Eisenbahn-Bundesamtes vom 16. März 1998 erstmalig sechs Monate nach Inbetriebnahme der Strecke und danach folgend jeweils in einem Abstand von sechs Monaten Schallmessungen mit dem Schallmesswagen durchzuführen, um den Nachweis zu erbringen, dass der in Anspruch genommene Pegelabschlag von 3 dB(A) im Mittel eingehalten werde. Die Vorhabenträgerin habe zu gewährleisten, dass der Emissionspegel unter Berücksichtigung der jeweiligen Fahrbahnart dauerhaft um 3 dB(A) unterschritten werde. Bei festgestellten Mängeln müsse sie das Gleis überarbeiten. Sofern sie trotz entsprechender Überarbeitung die genannte Unterschreitung nicht gewährleisten könne, sei ein ergänzendes Verfahren für ggf. festzusetzende ergänzende Lärmvorsorgemaßnahmen zu beantragen.

In der Nebenbestimmung Teil A 4.9 wurde der Vorhabenträgerin u.a. aufgegeben zu gewährleisten, dass durch das Bauvorhaben während der Baudurchführung und bei dem späteren Eisenbahnbetrieb keine solchen Auswirkungen durch Erschütterungen auf die vorhandene Bebauung ausgelöst würden, die die Anhaltswerte der DIN 4150 Teil 3 Ausgabe 1999 (Erschütterungen im Bauwesen, Einwirkungen auf bauliche Anlagen) überschritten. Außerdem wurde ihr aufgegeben, die von ihr aufgestellte Prognose der Erschütterungsimmissionen in der Nachbarschaft sechs Monate nach Inbetriebnahme der Anlagen messtechnisch zu überprüfen und die Ergebnisse dem Eisenbahn-Bundesamt mitzuteilen. Sollte sich dabei ergeben, dass unzumutbare Erhöhungen der Erschütterungsimmissionen in der Nachbarschaft einträten, habe die Vorhabenträgerin unverzüglich Maßnahmen zum Schutz der Nachbarschaft zu planen. Die Entscheidung über diese Maßnahmen werde gemäß § 74 Abs. 3 VwVfG vorbehalten.

Zu den Einwendungen der Klägerin wurde im Planfeststellungsbeschluss im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Für die Klägerin bestehe kein Anspruch auf Schallschutz, weil im Bereich ihres Wohngebäudes keine wesentliche Änderung im Sinne der Verkehrslärmschutzverordnung gegeben sei. Die Forderung, die geplanten Baumaßnahmen als Neubau von Betriebsanlagen der Eisenbahn zu betrachten, werde zurückgewiesen. Aufgrund der Planunterlagen und der Sachverhaltsermittlungen im Anhörungsverfahren sei die Planfeststellungsbehörde zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich bei der Anhalter Bahn im vorliegenden Abschnitt um eine rechtlich vorhandene, in ihrem Bestand geschützte Bahnanlage handele. Darauf, ob die Strecke betrieben worden und betriebsbereit gewesen sei, komme es nicht an. Eine Entwidmung des Streckenabschnitts sei auszuschließen. Auch für eine zwischenzeitliche Funktionslosigkeit der Strecke lägen keine Anhaltspunkte vor. Es reiche dafür nicht aus, wenn die tatsächlichen Verhältnisse nicht mehr mit den planungsrechtlich zulässigen übereinstimmten. Da die Gleisanlagen ganz überwiegend auf dem Bahngelände wieder hergestellt würden, sei auch ihre Trassierung kein Grund dafür, von einem Neubau auszugehen.

Allerdings ergebe sich aus den Berechnungen für das Wohngebäude der Klägerin, dass der aus der Sicht des Gesundheits- und Eigentumsschutzes kritische Wert von 60 dB(A) nachts überschritten werde. Dieser Wert werde jedoch mit der Maßnahme "Besonders überwachtes Gleis" eingehalten, so dass kein weitergehender Anspruch auf Schallschutz aus Gründen des Gesundheits- und Eigentumsschutzes bestehe.

Dass Züge des Güterverkehrs im Betriebsprogramm nicht mehr berücksichtigt seien, beruhe darauf, dass Güterverkehr im nördlich an die Anhalter Bahn anschließenden Nord-Süd-Tunnel konzeptionell ausgeschlossen werde und sich südlich dieses Tunnels keine Ortsgüteranlagen befänden. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass im Prognosezeitraum Zugangsanlagen für den Güterverkehr in diesem Bereich geschaffen würden. Eine dauerhafte Fahrverbindung von der Anhalter Bahn zum Berliner Innenring existiere ebenfalls nicht und sei auch nicht geplant.

Eine Untersuchung der kombinatorischen Wirkungen von Lärm- und Erschütterungsimmissionen werde von den gesetzlichen Bestimmungen nicht verlangt, so dass die schalltechnische Untersuchung auch insoweit nicht zu beanstanden sei.

Eine Reduzierung der Streckengeschwindigkeit aus Gründen des Nachbarschutzes wäre nicht sachgerecht, da dies die Funktion des Schienenweges beeinträchtigen würde und Auswirkungen auf die Konkurrenzsituation zu anderen Verkehrsmitteln hätte.

Die erschütterungstechnische Untersuchung sei nachvollziehbar und nicht zu beanstanden. Aus ihr ergäben sich keine unzumutbaren Erschütterungseinwirkungen in der Nachbarschaft, so dass Ansprüche auf Erschütterungsschutzmaßnahmen nicht beständen. Gemäß dieser Untersuchung stehe auch fest, dass Schäden an Gebäuden durch den Eisenbahnbetrieb ausgeschlossen werden könnten. Möglichen Unsicherheiten in der Erschütterungsprognose habe die Planfeststellungsbehörde durch die Nebenbestimmung Teil A 4.9 Rechnung getragen.

Der Planfeststellungsbeschluss wurde öffentlich bekannt gemacht; eine Ausfertigung des Beschlusses und des festgestellten Plans wurde im Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf von Berlin in der Zeit vom 2. bis 16. Juli 2001 zur Einsicht ausgelegt.

2. Gegen den Planfeststellungsbeschluss hat die Klägerin am 13. August 2001 die vorliegende Klage erhoben und diese am 24. September 2001 im Wesentlichen wie folgt begründet:

Tatsächlich beziehe sich der Plan auf den Neubau eines Schienenweges. Jedenfalls dann, wenn die Altstrecke in der Vergangenheit aufgegeben und zurückgebaut worden sei, sei unter dem "Bau" eines Schienenweges im Sinne von § 1 Abs. 1 der 16. BImSchV und § 41 BImSchG auch der Wiederaufbau und die Elektrifizierung einer Bahnstrecke zu verstehen.

Die gegenwärtige Planung weiche weitergehend von dem früheren Bauzustand ab, als dies der Planfeststellungsbeschluss unterstelle. Zudem sei der Ausbau von 1943 im Wesentlichen durch nationalsozialistische Kriegsziele bedingt gewesen, mit deren Erledigung auch der Zweck der damaligen Ausbaumaßnahmen entfallen sei, so dass an ihn nicht mehr angeknüpft werden dürfe. All dies werde sich aus den Akten der Deutschen Reichsbahn zur Anhalter Bahn ergeben, deren Beiziehung beantragt werde.

Im Bereich der Grenzanlagen der Deutschen Demokratischen Republik habe ein Rechtsträgerwechsel von der Deutschen Reichsbahn auf die Sicherheitsorgane der Deutschen Demokratischen Republik stattgefunden. Das werde sich aus den Akten dieser Sicherheitsorgane zu den Grenzanlagen im Bereich der Anhalter Bahn ergeben, deren Beiziehung ebenfalls beantragt werde.

Außerdem habe die zuständige Bahnverwaltung den Schienenweg preisgegeben, so dass von einem Fortbestand eisenbahnrechtlicher Widmung nicht mehr auszugehen gewesen sei. Dies werde sich aus den Bauakten der Stadt Berlin sowie des Bezirks Steglitz-Zehlendorf zur Anhalter Bahn und zum Anhalter Bahnhof einschließlich der Akten der ehemaligen Besatzungsmacht dazu ergeben; auch die Beiziehung dieser Akten werde beantragt.

Hinsichtlich der zu erwartenden Schallbelastung der Klägerin wäre es richtig gewesen, gemäß Kapitel 4 der Richtlinie Schall 03 mit den Zugzahlen zu rechnen, die der Vollauslastung der Strecke entsprächen. Dies ergebe sich aus der Anlage 2 der 16. BImSchV, wonach die in jener Richtlinie genannten Besonderheiten zu beachten seien. Zumindest sei von der vorausschätzbaren Durchschnittsbelastung des Verkehrsweges auszugehen. Eine im Einzelnen nachvollziehbare Prognose sei aber weder dem Erläuterungsbericht noch der schalltechnischen Untersuchung zu entnehmen.

Nach einer neueren Studie über Fluglärmwirkungen seien aus Sicht der Lärmmedizin Gesundheitsbeeinträchtigungen bereits bei Lärmbelastungen (außen) von 60 dB(A) tags und 50 dB(A) nachts nicht mehr auszuschließen. Bei Lärmbelastungen (außen) oberhalb von 65 dB(A) tags und 55 dB(A) nachts seien Gesundheitsbeeinträchtigungen in Form von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu erwarten. Diese Immissionsschwellen dürften nicht nur für den Fluglärm, sondern auch für andere Lärmquellen gelten, insbesondere bei Dauerbelastungen mit unterschiedlichen Lärmpausen. Denn jedenfalls oberhalb des Bereichs bloßer Belästigungen seien sozialpsychologische Akzeptanzphänomene nicht mehr wirksam, da hohe Lärmbelastungen unmittelbar auf den Organismus wirkten. Physiologisch seien die Schalldrücke mithin ohne Schienenbonus zu beurteilen, so dass die dem Planfestellungsbeschluss zugrunde gelegten Beurteilungspegel noch um 5 dB(A) erhöht werden müssten. Dies werde sich bei einer Vernehmung von Sachverständigen bestätigen. Eine bestandsgeschützte Vorbelastung wirke nicht schutzmindernd, wenn sie die Schwelle der Grundrechtsverletzung übersteige. Die von der Klägerin zu erwartenden Lärmbelastungen würden die bisher zulässige Nutzung ihres Grundstücks aufheben und hätten deshalb enteignende Wirkung.

Weiter werde beanstandet, dass eine summierte Betrachtung unterblieben sei, obwohl diese jedenfalls dann abwägungserheblich wäre, wenn die Vorbelastung mit anderen Verkehrswegen insgesamt zu einer Lärmbelastung führe, die Gesundheitsgefahren und Beschränkungen der zulässigen Nutzung von Wohngrundstücken nicht mehr ausschließe. Auch die Kombinationswirkung von Bahnlärm und Erschütterungen sei nicht im Einzelnen untersucht und bewertet worden.

Die dauerhafte Verbesserung der Schallimmissionen um 3 dB(A) durch die besondere Gleispflege gegenüber einem normal gepflegten Gleis scheine nicht gewährleistet zu sein, wie der Vorbehalt in der Nebenbestimmung Teil A 4.5 zeige. Als weitere Möglichkeit einer solchen Lärmvermeidung an der Emissionsquelle komme eine Reduktion der Zuggeschwindigkeit von 160 km/h auf 120 km/h in Betracht.

Dass die Klägerin keine Entschädigung für die Lärmbeeinträchtigung schutzbedürftiger Außenwohnbereiche erhalte, verkürze ihre Rechtsposition aus den §§ 1004, 906 BGB.

Der in der Nebenbestimmung Teil A 4.9 enthaltene Entscheidungsvorbehalt zur Bewältigung des Erschütterungsproblems werde beanstandet, da zu erwartende Erschütterungen durch geeignete Baumaßnahmen hätten verringert oder vermieden werden können. Dies sei bautechnisch nach Inbetriebnahme des Schienenweges kaum noch nachzuholen. Die der erschütterungstechnischen Untersuchung zugrunde liegenden Verkehrsannahmen seien hinsichtlich der Bestandsfiktion zu hoch, hinsichtlich des prognostizierten Verkehrs zu niedrig angesetzt.

Schließlich ergebe sich entgegen der Annahme der Beklagten die Planrechtfertigung nicht aus dem Bedarfsplan zum Bundesverkehrswegeplan vom 15. Juli 1992.

Mit einem am 7. Oktober 2002 eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin weiter Folgendes vorgetragen:

Dass es sich um den Neubau eines Schienenweges handele, ergebe sich auch daraus, dass das im zentralen Bereich von Berlin verfolgte "Pilzkonzept" erhebliche Auswirkungen auf den in Rede stehenden Planfeststellungsabschnitt habe. Teile der Bahntrasse seien zudem faktisch "als Park benutzt" worden. Teile der Fernbahngleise seien durch S-Bahn und Entwässerungsanlagen überbaut oder in ihrer weiteren Nutzung beeinträchtigt worden. Die auf dem Damm südlich des Bahnhofs Lichterfelde Süd als Bestand der Fernbahn seit 1943 berücksichtigten beiden Gleise seien entweder nur von Vorortzügen oder nur provisorisch von Fernbahnzügen genutzt worden. Sie seien damit nicht Bestandteil der Anhalter Bahn geworden. Gegen eine fortdauernde Widmung spreche auch, dass eine Teilfläche der früheren Bahntrasse an die Erben eines früheren Eigentümers zurückübertragen worden sei, dem sie 1943 verfolgungsbedingt für den kriegsbedingten Ausbau der Bahn entzogen worden sei. Dies berechtige zu der Vermutung, dass eine Widmung i.S. des § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG nicht vorgelegen habe.

Die im Hause der Klägerin zu erwartenden Lärmpegel schlössen Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht aus. Zu gesunden Wohnverhältnissen gehöre es nämlich auch, bei offenen Fenstern zu schlafen. Die Schalldifferenz außen/innen bei gekippten bzw. leicht geöffneten Fenstern betrage etwa 10 dB(A). Da die Schlafzimmer im Haus der Klägerin zur Bahnseite hin lägen und nicht verlegt werden könnten, seien damit dort Dauerschallpegel am Ohr des Schläfers von über 35 dB(A) zu erwarten. Außerdem bestreite die Klägerin, dass bei den Lärmberechnungen der so genannte Brückenzuschlag berücksichtigt worden sei.

Die Annahme der Beklagten, schon auf der Bestandsstrecke sei eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h möglich gewesen, sei unrichtig. Ohne die erst jetzt vorgesehenen Überhöhungen sei dies nicht möglich gewesen. Denn es sei völlig unwahrscheinlich, dass die Radien früher bei der begrenzten Breite der Trasse wesentlich größer gewesen seien als jetzt in der Planung. Auch die frühere Signaltechnik habe die Geschwindigkeit von 160 km/h und die geplante Zugfolge nicht zugelassen. Erst jetzt würden durch die geplante Signal- und Sicherungstechnik, die Elektrifizierung, den erforderlichen tragfähigen Unterbau sowie den Einbau von Betonschwellen und stärkeren Schienen die Voraussetzungen für diese Geschwindigkeit geschaffen.

Bei der schalltechnischen Untersuchung seien die Immissions-orte abweichend von der Richtlinie Schall 03 offensichtlich nicht 0,2 m über der Oberkante der Fenster des betrachteten Geschosses bestimmt worden. Außerdem seien viele Berechnungsgrundlagen nicht offen gelegt worden und fehlerträchtig. Die sich daraus ergebenden Unsicherheiten müssten nicht ohne Aufklärung hingenommen werden.

Die erschütterungstechnische Untersuchung habe ergeben, dass die Anforderungen der DIN 4150 Teil 2 im Schlafzimmer der Klägerin im 1. Obergeschoss nicht erfüllt würden. Erschütterungsmessungen auf Grund neuer Verkehrsdaten seien nicht erfolgt. Da Güterverkehr auf der Strecke künftig nicht ausgeschlossen werden könne, hätte er bei der Erschütterungsprognose berücksichtigt werden müssen.

Die Klägerin beantragt,

den Planfeststellungsbeschluss der Beklagten vom 31. Mai 2001 aufzuheben,

hilfsweise,

1. die Beklagte zu verpflichten, Mängel des Planfeststellungsbeschlusses unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts durch Planergänzung oder ein ergänzendes Verfahren zu beheben, indem der Klägerin Schallschutz gewährt wird, durch den gewährleistet wird, dass Immissionsgrenzwerte von 59 dB(A) tags und 49 dB(A) nachts nicht überschritten werden,

2. die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin wegen der Erschütterungen eine angemessene Entschädigung in Geld zu gewähren.

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen und verteidigen den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss.

II.

1. Der auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses gerichtete Hauptantrag ist zulässig, jedoch unbegründet. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss leidet an keinem Rechtsfehler, der die Klägerin in ihren Rechten verletzt und die - vollständige oder teilweise - Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder zumindest die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit rechtfertigt.

Die Klägerin beanstandet zunächst, dass die Planrechtfertigung zu Unrecht aus dem Bundesverkehrswegeplan hergeleitet worden sei. Diese Rüge ist unbegründet. Abgesehen davon, dass mit ihr die Planrechtfertigung noch nicht schlüssig in Frage gestellt wäre, ergibt sich aus der Anlage zum Gesetz über den Ausbau der Schienenwege des Bundes (Bundesschienenwegeausbaugesetz) vom 15. November 1993 (BGBl I S. 1874), dass das Vorhaben zu dem dort in Ziffer 1 Buchst. b Nr. 28 als vordringlicher Bedarf ausgewiesenen Knoten Berlin gehört. Denn es dient der Verknüpfung der in Ziffer 1 Buchst. b Nr. 7 derselben Anlage ebenfalls als vordringlicher Bedarf ausgewiesenen Ausbaustrecke Berlin - Halle/Leipzig mit den zahlreichen anderen in Berlin beginnenden bzw. endenden Schienenwegen. Vor diesem Hintergrund ist es unschädlich, dass der hier in Streit stehende Abschnitt der Anhalter Bahn in der Anlage nicht eigens genannt ist, denn der in der Anlage enthaltene Bedarfsplan ist als globales und grobmaschiges Konzept nicht detailgenau und lässt - entsprechend dieser Unbestimmtheit - für die Ausgestaltung im Einzelnen dem nachfolgenden Planfeststellungsverfahren noch weite planerische Spielräume für diese Verknüpfung (vgl. BVerwGE 100, 370 <385> zum Bedarfsplan nach dem Fernstraßenausbaugesetz).

Im Vordergrund der Begründung des Hauptantrags steht die Befürchtung der Klägerin, dass die zu erwartenden Lärmbelastungen die bisher zulässige Nutzung ihres Grundstücks zu Wohnzwecken aufheben werden und deshalb enteignend wirkten, weil bereits ab Beurteilungspegeln von 60 dB(A) tags und 50 dB(A) nachts Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht mehr auszuschließen und jedenfalls oberhalb von 65 dB(A) tags und 55 dB(A) nachts (ohne Berücksichtigung eines Schienenbonus) zu erwarten seien. Sie beanstandet weiter, dass eine summierte Betrachtung unterblieben sei, obwohl diese jedenfalls dann abwägungserheblich wäre, wenn die Vorbelastung mit anderen Verkehrswegen insgesamt zu einer Lärmbelastung führe, die Gesundheitsgefahren und Beschränkungen der zulässigen Wohnnutzung ihres Grundstücks nicht mehr ausschließe. Trotz der hohen Lärmbelastung bereits allein durch die Eisenbahnstrecke habe die Beklagte eine Prüfung von Summenpegeln nicht vorgenommen. Darüber hinaus habe sie die Kombinationswirkung von Bahnlärm und Erschütterungen, die die Lästigkeit des Bahnlärms verstärkten, nicht im Einzelnen untersucht und bewertet.

Mit all diesen Beanstandungen rügt die Klägerin Mängel bei der durch § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG gebotenen Abwägung. Ein solcher Mangel kann jedoch nur dann zur Aufhebung oder Teilaufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder auch zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit führen, wenn er gemäß § 20 Abs. 7 Satz 1 AEG erheblich - also offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen - ist und nicht durch eine Planergänzung behoben werden kann (vgl. BVerwGE 100, 370 <372 f.>; 104, 123 <129>; 106, 241 <245>; stRspr). Daran fehlt es hier.

Die Klägerin beanstandet des Weiteren die Entscheidung der Beklagten, keinen aktiven Erschütterungsschutz für ihr Grundstück anzuordnen, sondern die Bewältigung des Problems möglicher unzumutbarer Erhöhungen der Erschütterungsimmissionen einer späteren Entscheidung vorzubehalten. Sie hält diesen Vorbehalt für unzulässig, weil zu erwartende Erschütterungen durch geeignete Baumaßnahmen verringert oder vermieden werden könnten und dies bautechnisch nach Inbetriebnahme des Schienenweges kaum noch nachzuholen sei. Auch diese Rüge ist unbegründet.

Allerdings läge die Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses hinsichtlich der Bewältigung des Lärmproblems auf der Hand, wenn es sich bei dem Vorhaben entgegen der Auffassung der Beklagten um den Neubau oder die wesentliche Änderung einer Bahnanlage handelte. Denn dann wären die Grenzwerte des § 2 Abs. 1 Nr. 2 der 16. BImSchV im Wohngebiet der Klägerin von vornherein einzuhalten. So verhält es sich jedoch nicht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verliert eine Betriebsanlage der Eisenbahn ihre planungsrechtliche Zweckbestimmung nur durch einen eindeutigen Hoheitsakt, der für jedermann klare Verhältnisse darüber schafft, ob und welche Flächen künftig wieder für andere Nutzungen offen stehen (BVerwGE 81, 111 <118>; 99, 166 <168 f.>; 102, 269 <272>; 107, 350 <353>). Möglich ist allerdings auch, dass die bestehende Fachplanung einer Fläche als Bahnanlage infolge der tatsächlichen Entwicklung funktionslos und damit rechtlich obsolet wird (BVerwGE 81, 111 <118>; 99, 166 <168 f.>; 107, 350 <353>).

Hiervon ausgehend lässt sich feststellen, dass der seit 1841 bestehende Schienenweg, an dessen Widmung als eine zweigleisige Eisenbahnstrecke nach über 100-jährigem Betrieb keine ernsthaften Zweifel möglich sind, im hier in Rede stehenden Abschnitt rechtlich fortbestanden hat. Schlüssige Anhaltspunkte für eine Entwidmung oder Funktionslosigkeit im vorbezeichneten Sinne hat die Klägerin nicht dargetan; solche Anhaltspunkte sind auch nicht ersichtlich. Dass der Erwerb fremder Grundstücke für einen Ausbau im Jahre 1943 nachträglich als rechtswidrig erkannt und in rechtmäßiger Form nachgeholt wurde, führt nicht zur Nichtigkeit einer 1943 vorgenommenen Erstreckung der Widmung auf diese Grundstücke. Auch eine Funktionslosigkeit könnte nur angenommen werden, wenn die Verhältnisse wegen der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht hätten, der die Verwirklichung des zweigleisigen Fernbahnbetriebs auf der Trasse für unabsehbare Zeit ausschloss (vgl. BVerwGE 99, 166 <170>; 107, 350 <354>; 111, 108 <113>). Dass ein früheren Ausbaumaßnahmen zugrunde liegender politischer Zweck später weggefallen ist, lässt keinen Schluss auf eine vollständige oder teilweise Funktionslosigkeit des so geschaffenen Ausbauzustands zu. Auch die Einstellung des Fernbahnbetriebs infolge der deutschen Teilung und der daraufhin vorgenommene teilweise Abbau der Fernbahngleise sowie die Benutzung von Teilen der Bahntrasse als "Park" rechtfertigen nicht die Annahme, die Wiederaufnahme der ursprünglichen Nutzung sei durch die vorgegebene tatsächliche Situation ausgeschlossen und daher planungsrechtlich nicht mehr gedeckt. Dasselbe gilt für die von der Klägerin behauptete Verlegung von S-Bahn-Gleisen oder Entwässerungsanlagen der Bahn auf oder neben den alten Ferngleislagen. Denn auch dies schloss einen Wiederaufbau der Fernbahngleise im Bereich der alten Trasse, wenn auch unter Verschiebung der Gleise, nicht aus. Bei diesem Sach- und Streitstand war das Gericht nicht dazu verpflichtet, weitere Akten beizuziehen, um darin nach Anhaltspunkten für eine rechtliche oder faktische Entwidmung zu forschen.

Entsprechendes gilt für die nicht im Einzelnen belegte Behauptung der Klägerin, das Vorhaben weiche weitergehend von dem früheren Bauzustand ab, als dies der Planfeststellungsbeschluss unterstelle. Dass der südlich des S-Bahnhofs Lichterfelde Süd als Bestand der Anhalter Bahn bis 1945 dargestellte Bahndamm mit zwei Gleisen belegt war, auf denen auch Fernbahnzüge verkehren konnten, wird von der Klägerin nicht bestritten und ergibt sich zudem aus den im Anhörungsverfahren vorgelegten Luftbildern.

Eine wesentliche Änderung des Schienenwegs im Sinne des § 1 Abs. 2 der 16. BImSchV liegt hier schon deshalb nicht vor, weil jedenfalls die in dieser Vorschrift hierfür vorausgesetzten Lärmerhöhungen durch den Ausbau nicht herbeigeführt werden (s.u. 2.).

Die übrigen auf die Lärmbelastungen bezogenen Beanstandungen der Klägerin können ihrem Hauptantrag ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen, weil nicht ersichtlich ist, dass ein insoweit der Entscheidung der Beklagten anhaftender Mangel sich nicht durch schlichte Planergänzung um Schutz- oder Ausgleichsauflagen zugunsten der Klägerin beheben ließe. Das gilt auch, soweit die Klägerin die Gewährleistung der dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Verbesserung der Schallimmissionen um 3 dB(A) durch die besondere Gleispflege in Zweifel zieht und die Entschädigung für die Lärmbeeinträchtigung schutzbedürftiger Außenwohnbereiche für zu niedrig hält.

Gegenüber der Annahme der Beklagten, im Hause der Klägerin ergebe sich durch das Vorhaben keine Erhöhung, sondern eine Verminderung der Erschütterungsimmissionen, behauptet die Klägerin, die Fiktion des Bestandes sei zu hoch, die Prognose zu niedrig angesetzt. Soweit dem die Auffassung zugrunde liegt, es sei schon aus Rechtsgründen mit der Vollauslastung der Strecke zu rechnen, trifft dies nicht zu. Vielmehr hat es der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung gebilligt, dass der Immissionsprognose ein realistisches Betriebsprogramm zugrunde gelegt wird, das den Anforderungen an eine fachplanerische Prognoseentscheidung genügt. Der Senat sieht keine greifbaren Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der in der erschütterungstechnischen Untersuchung enthaltenen Bestandsannahmen und Prognosen des Eisenbahnbetriebs; solche sind auch dem Vorbringen der Klägerin nicht zu entnehmen. Dies gilt insbesondere für ihren allgemeinen Hinweis auf das im zentralen Bereich von Berlin verfolgte "Pilzkonzept" und für die Annahme der Beklagten, dass im zukünftigen Ausbauzustand kein Güterverkehr vorgesehen sei. Der Hinweis auf frühere diesbezügliche Wünsche eines Frachtunternehmens reicht nicht aus, diese Annahme schlüssig in Frage zu stellen.

Auch im Übrigen lagen die Voraussetzungen des § 74 Abs. 3 VwVfG für den in der Nebenbestimmung Teil A 4.9 des Planfeststellungsbeschlusses enthaltenen Entscheidungsvorbehalt hinsichtlich etwaiger Erschütterungsschutzmaßnahmen vor. Eine abschließende Entscheidung hierüber war nicht möglich, weil auf dem in Rede stehenden Streckenabschnitt seit 1952 kein Fernbahnverkehr mehr stattfand und die Schwingungs-Übertragungsverhältnisse vom Gleiskörper zum Gebäude der Klägerin erst nach Ausführung der Baumaßnahmen zuverlässig beurteilt werden können. Hiernach könnte die Klägerin den Entscheidungsvorbehalt nur dann mit Erfolg beanstanden, wenn er ihr gegenüber gleichwohl an einem gemäß § 20 Abs. 7 Satz 1 AEG erheblichen - also offensichtlichen und das Abwägungsergebnis beeinflussenden - Abwägungsmangel litt (vgl. dazu BVerwGE 104, 123 <138>). Dies ist nicht der Fall. In Bezug auf die Belange der Klägerin konnte die Planfeststellungsbehörde ohne einen solchen Abwägungsmangel ausschließen, dass eine Lösung des offen gehaltenen Problems durch die bereits getroffenen Festlegungen in Frage gestellt wird oder dass die mit dem Vorbehalt unberücksichtigt gebliebenen Belange ein solches Gewicht haben, dass die Planungsentscheidung nachträglich als unabgewogen erscheinen kann.

Da die Fernbahngleise im Bereich des Grundstücks der Klägerin gegenüber der als planungsrechtliche Vorbelastung zu berücksichtigenden Gleislage von 1945 um 7 bis 9 m nach Osten, also vom Grundstück der Klägerin weg verlegt werden sollen und ihre Gradiente um ca. 10 cm erhöht werden soll, ist eine Steigerung der Erschütterungsimmissionen im Hause der Klägerin durch das Änderungsvorhaben bei identischem Betriebsprogramm nicht zu erwarten. Allerdings ist bei Erschütterungsimmissionen ebenso wie bei Schallimmissionen davon auszugehen, dass die Berücksichtigung der bisherigen planungsrechtlichen Situation als schutzmindernde Vorbelastung dort ihre Grenze findet, wo über die tatsächliche Vorbelastung hinausgehende Einwirkungen zu erwarten sind, die Eigentums- oder Gesundheitsbeeinträchtigungen darstellen können und dies substantiiert geltend gemacht wird oder sich der Planfeststellungsbehörde angesichts der konkreten Situation aufdrängen muss (vgl. BVerwGE 111, 108 <116 f.>). Beides ist hier nicht der Fall.

Zwar ergibt sich aus der von der Vorhabenträgerin vorgelegten erschütterungstechnischen Untersuchung, dass im Schlafzimmer des ersten Obergeschosses des Hauses der Klägerin der für Wohngebiete geltende Anhaltswert Ar = 0,07 tags mit KBFTr = 0,08 geringfügig überschritten wird und dass die maximale bewertete Schwingstärke der 18 nachts verkehrenden Personenzüge jedenfalls bei 16 dieser Züge - die Werte für die beiden nachts zu erwartenden ICE sind nicht bekannt, dürften jedoch niedriger liegen - zwischen KBFmax = 0,242 und KBFmax = 0,288 und damit ebenfalls geringfügig über dem für Wohngebiete nachts geltenden oberen Anhaltswert AO = 0,2 liegt. Jedoch bleibt die maximale bewertete Schwingstärke damit auch nachts noch unterhalb der für Gewerbegebiete geltenden Schwelle gut spürbarer Erschütterungswahrnehmung (KB = 0,4), während die Beurteilungs-Schwingstärke nachts mit KBFTr = 0,03 sogar deutlich unterhalb des zum Vergleich damit heranzuziehenden Anhaltswerts Ar = 0,05 liegt. Unter diesen Umständen spricht nichts für die konkrete Möglichkeit einer der Klägerin günstigeren Entscheidung, wenn die Beklagte statt des von der Klägerin beanstandeten Entscheidungsvorbehalts sogleich abschließend über den Erschütterungsschutz befunden hätte.

2. Auch die Hilfsanträge der Klägerin sind unbegründet.

a) Mit dem Hilfsantrag zu 1 begehrt die Klägerin in erster Linie Schallschutz nach Maßgabe der §§ 41, 42, 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 der 16. BImSchV. Die Annahme der Beklagten, einem solchen Anspruch der Klägerin stehe der Umstand entgegen, dass im Bereich ihres Wohngebäudes keine wesentliche Änderung im Sinne des § 1 Abs. 2 der 16. BImSchV vorliege, weil hier keine Erhöhung der Beurteilungspegel zu erwarten sei, wird durch das Vorbringen der Klägerin nicht erschüttert.

Schlüssige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der in der schalltechnischen Untersuchung enthaltenen Bestandsannahmen und Prognosen des Eisenbahnbetriebs sind diesem Vorbringen ebenso wenig zu entnehmen, wie bei der erschütterungstechnischen Untersuchung. Die Äußerung von Fragen, Zweifeln oder Vermutungen reicht hierfür nicht aus. Soweit die Klägerin vorträgt, bei der Berechnung der Beurteilungspegel sei der Immissionsort bei Gebäuden "offensichtlich" nicht 0,2 m über den Fensteroberkanten des betrachteten Geschosses angenommen worden (vgl. Korrektursummand Ds- der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV), ergibt sich das Gegenteil aus Seite 17 der zu den Planfeststellungsunterlagen gehörenden schalltechnischen Untersuchung. Aus Seite 18 der schalltechnischen Untersuchung ergibt sich auch, dass bei der Ermittlung der Planungswerte der Brückenzuschlag für die Fußgängerunterführung Müllerstraße angewandt wurde. Das einfache Bestreiten dieses Sachverhalts durch die Klägerin ist unbeachtlich. Ihr Vortrag, die der schalltechnischen Untersuchung zugrunde gelegte maximale Geschwindigkeit von 160 km/h sei mit dem früheren Bauzustand nicht erreichbar gewesen, weil "völlig unwahrscheinlich" sei, dass die Radien früher bei der begrenzten Breite der Trasse "wesentlich größer" gewesen seien als bei der jetzigen Planung, ist gemessen an den zu den Planfeststellungsunterlagen gehörenden Bestandsplänen und den dazu im Erläuterungsbericht Teil II (Seite 14 f.) enthaltenen Ausführungen ebenfalls nicht hinreichend substantiiert. Auch die vorgesehene Sanierung und teilweise Neuerrichtung des Unterbaus, der Einbau von Betonschwellen und stärkeren Schienen, die Anpassung der Signal- und Sicherungsanlagen an den heutigen Stand der Technik und die Elektrifizierung der Strecke tragen nicht den von der Klägerin gezogenen Schluss, dass die Geschwindigkeit von 160 km/h auf der Bestandsstrecke dann, wenn diese ohne die deutsche Teilung ordnungsgemäß instandgehalten worden wäre, entgegen der Annahme der Beklagten nicht hätte erreicht werden können.

Scheiden Ansprüche der Klägerin auf Schallschutz nach der Verkehrslärmschutzverordnung hiernach aus, so umfasst ihr Hilfsantrag zu 1 auch das Begehren, zumindest den - weniger weitreichenden - Schallschutz zu erhalten, der im Einzelfall zum Schutz des Eigentums und der Gesundheit geboten erscheint. Soweit diese Schutzgüter von dem Vorhaben möglicherweise berührt sind, waren sie als Belange der Klägerin in die gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG vorzunehmende Abwägung einzustellen und ihrer Bedeutung und objektiven Gewichtigkeit entsprechend zu behandeln (vgl. BVerwGE 110, 81 <86 ff.>). Auch ein diesbezüglicher Abwägungsmangel wäre jedoch gemäß § 20 Abs. 7 Satz 1 AEG nur dann erheblich, wenn er offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen ist. Diese Voraussetzung liegt bei keinem der von der Klägerin insoweit gerügten Mängel vor.

Neue, den jetzigen Kenntnisstand gesichert wiedergebende Forschungsergebnisse zur Gesundheitsgefährdung durch Schienenverkehrslärm, deren Nichtberücksichtigung bei der Abwägung ein offensichtlicher Mangel wäre, sind weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Hinweis der Klägerin darauf, dass - wie gerichtsbekannt - der Schienenbonus umstritten ist, reicht hierfür ebenso wenig aus wie die Wiedergabe einzelner Äußerungen in der juristischen Fachliteratur oder die Bezugnahme auf eine neuere Studie zu den Stresswirkungen des Fluglärms.

Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand der Klägerin, zu gesunden Wohnverhältnissen gehöre es, bei offenen Fenstern zu schlafen, so dass der aus der Sicht des Gesundheits- und Eigentumsschutzes kritische Wert von 60 dB(A) nachts um 10 dB(A) herabgesetzt werden müsse. Eine allgemeingültige Aussage dieser Art ist nicht gerechtfertigt. Während es manche Menschen bevorzugen, die Fenster in ihren Schlafräumen nachts geschlossen zu halten, haben andere das gegenteilige Bedürfnis. Ob es der Klägerin im Hinblick auf die gesundheitliche Bedeutung des Raumklimas nicht zugemutet werden kann, bei geschlossenen Fenstern zu schlafen, hängt deshalb von den Umständen des Einzelfalles ab. Da die Klägerin mit ihren Einwendungen im Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht hat, sie sei auf nächtliche Belüftung ihres Schlafraums durch ein gekipptes oder leicht geöffnetes Fenster angewiesen, kann insoweit von einem offensichtlichen Abwägungsmangel keine Rede sein.

Die Annahme der Beklagten, die grundrechtliche Erheblichkeitsschwelle von 60 dB(A) nachts werde mit der geplanten Maßnahme "Besonders überwachtes Gleis" eingehalten, wird durch die Zweifel der Klägerin an der dauerhaften Gewährleistung einer mit dieser Maßnahme erreichbaren Pegelverbesserung um 3 dB(A) nicht durchgreifend erschüttert. Der erkennende Senat hat auf der Grundlage einer Beweisaufnahme in seinem Urteil vom 15. März 2000 - BVerwG 11 A 42.97 - (BVerwGE 110, 370 <373 ff.>), anerkannt, dass das Verfahren "Besonders überwachtes Gleis" eine dauerhafte Lärmminderung um zumindest 2 dB(A) erzielt, die zusätzlich zu den Korrekturwerten DFb der Tabelle C der Anlage 2 der 16. BImSchV zu berücksichtigen ist. Am Gebäude der Klägerin, bei dem ohne Schallschutzmaßnahmen die Schwelle von 60 dB(A) nachts überschritten würde, wird diese Schwelle durch das der Beigeladenen auferlegte Gleispflegeverfahren auch dann eingehalten, wenn man dieses Verfahren nur mit 2 dB(A) Lärmminderung berücksichtigt. Gründe dafür, dies abweichend von dem genannten Urteil des Senats für unberechtigt zu halten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Auf die Frage, ob der Beigeladenen stattdessen auch eine andere, gleich wirksame Lärmvermeidungsmaßnahme hätte aufgegeben werden können, kommt es hiernach im vorliegenden Rechtsstreit ebenso wenig an wie auf die nicht streitgegenständliche Frage einer Entschädigung der Klägerin für die Lärmbeeinträchtigung etwaiger schutzbedürftiger Außenwohnbereiche.

b) Mit dem Hilfsantrag zu 2 begehrt die Klägerin eine Planergänzung um Festsetzung einer Geldentschädigung wegen der von ihr zu erwartenden Erschütterungen. Ein Anspruch auf eine solche Planergänzung steht ihr jedoch schon deshalb nicht zu, weil die Beklagte - wie dargelegt - die Bewältigung des Problems möglicher unzumutbarer Erhöhungen der Erschütterungsimmissionen rechtsfehlerfrei einer späteren Entscheidung vorbehalten hat.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für die Zeit bis zur Abtrennung des Verfahrens BVerwG 9 A 12.02 auf 214 742,59 € (entspricht 420 000 DM), für die Zeit danach auf 20 451,68 € (entspricht 40 000 DM) festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 1, § 73 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. Nr. II 1.2.1, 1.2.2, 33.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Ende der Entscheidung

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