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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 01.11.2006
Aktenzeichen: BVerwG 9 B 25.05
Rechtsgebiete: VwVfG, SeeSchStrO


Vorschriften:

VwVfG § 35
VwVfG § 37 Abs. 3
SeeSchStrO § 2 Abs. 1 Nr. 1
SeeSchStrO § 5
SeeSchStrO § 38
SeeSchStrO § 60 Abs. 1
SeeSchStrO Anlage I Abschnitt I B. 11
SeeSchStrO Anlage I Abschnitt I B. 13
Sichtzeichen, die der Begrenzung des Fahrwassers einer Seeschifffahrtsstraße dienen, sind Verwaltungsakte in der Form der Allgemeinverfügung.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 9 B 25.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 1. November 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte und Domgörgen

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 6. September 2005 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 80 000 € festgesetzt.

Gründe:

Die auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde ist unbegründet.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur, wenn für die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Daran fehlt es hier.

1. Die Beklagte hält zunächst die folgende Frage für klärungsbedürftig:

"Stellen Fahrwassertonnen, die Sichtzeichen nach der Seeschifffahrtsstraßen-Ordnung sind, wie im Straßenverkehr Allgemeinverfügungen und damit Verwaltungsakte dar und gilt dies ebenso für die Bekanntmachung von Fahrwassertonnenverlegungen in den Bekanntmachungen für Seefahrer?"

a) Soweit sich die Frage in ihrem ersten Teil auf die Rechtsnatur von Fahrwassertonnen richtet, ist sie nicht klärungsbedürftig, weil sie sich auf Grundlage der gesetzlichen Definitionen des Verwaltungsakts und der Allgemeinverfügung (§ 35 VwVfG) sowie der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Rechtsnatur von Verkehrszeichen beantworten lässt, ohne dass es hierzu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte. Die zur Begrenzung des Fahrwassers verlegten Tonnen sind hiernach vom Oberverwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht als Verwaltungsakte behandelt worden.

Das Bundesverwaltungsgericht qualifiziert amtliche Verkehrszeichen, die Ge- oder Verbote treffen oder sonst eine konkrete örtliche Verkehrssituation dauerhaft regeln, als Verwaltungsakte in der Form von Allgemeinverfügungen (vgl. Urteile vom 13. Dezember 1979 - BVerwG 7 C 46.78 - BVerwGE 59, 221 <224 ff.>, vom 27. Januar 1993 - BVerwG 11 C 35.92 - BVerwGE 92, 32 <34> und vom 11. Dezember 1996 - BVerwG 11 C 15.95 - BVerwGE 102, 316 <318>). Diese Rechtsprechung ist nicht auf die Besonderheiten des Straßenverkehrs zugeschnitten und trifft deshalb für Schifffahrtszeichen (§ 5 der Seeschifffahrtsstraßen-Ordnung - SeeSchStrO -) mit entsprechendem Aussagegehalt in gleicher Weise zu (in diesem Sinne auch Friesecke, Bundeswasserstraßengesetz, Kommentar, 5. Aufl. 2004, § 34 Rn. 3; Petersen, Deutsches Küstenrecht, 1989, R. 407). Zu derartigen Schifffahrtszeichen gehören auch Tonnen, die der Fahrwasserbegrenzung dienen. Dass es sich bei den Fahrwassertonnen um Zeichen handelt, die in Anlage I der Seeschifffahrtsstraßen-Ordnung nicht den Ge- und Verbotszeichen, sondern den Warn- und Hinweiszeichen zugeordnet werden (vgl. Abschnitt I B. 11 und 13), rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn die Aufgabe der Tonnen erschöpft sich nicht in ihrer Warn- und Hinweisfunktion. Vielmehr verlautbaren sie darüber hinaus eine verbindliche Rechtsfolgenanordnung und stellen mithin eine Regelung im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG dar.

Ihr Regelungsgehalt kann freilich nicht darin gesehen werden, dass sie - wie die Vorinstanz meint - das gesetzliche Fischfangverbot aus § 38 SeeSchStrO konkretisierten. Das Fischfangverbot wird nach der in dieser Vorschrift getroffenen Regelung hinsichtlich seines räumlichen Geltungsbereichs durch Bekanntmachungen nach § 60 Abs. 1 SeeSchStrO konkretisiert. Die einschlägige Bekanntmachung der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord vom 28. September 1998 verwendet unter Nr. 22.2.1 zwar den näherer Festlegung bedürftigen Begriff des Fahrwassers (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SeeSchStrO), um den Verbotsbereich abzustecken. Diese Bezugnahme stellt aber lediglich eine tatbestandliche Anknüpfung an das Fahrwasser in seiner jeweiligen Ausdehnung dar, ohne dass der Fahrwasserbegrenzung hierdurch die Funktion zugewiesen würde, das Fischereiverbot zu regeln.

Der Regelungscharakter der Tonnen ergibt sich indessen schon daraus, dass sie das Fahrwasser festlegen und damit den Rechtsstatus eines Teils der Seeschifffahrtsstraße bestimmen. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SeeSchStrO definiert das Fahrwasser vorrangig nicht mittels materieller Kriterien, sondern bestimmt, Fahrwasser im Sinne der Verordnung seien die Teile der Wasserflächen, die durch die Sichtzeichen B 11 und B 13 in Gestalt u.a. von Tonnen begrenzt oder gekennzeichnet werden. Den Tonnen wird somit konstitutive Wirkung beigemessen; sie dienen dazu, Lage und Ausdehnung des Fahrwassers mit Außenwirkung gegenüber den Benutzern der Seeschifffahrtsstraße verbindlich festzulegen. Diese Festlegung hat rechtliche Bedeutung in vielfacher Hinsicht. Neben dem Fischereiverbot knüpfen zahlreiche Regeln des Schiffsverkehrs an sie an (vgl. §§ 21 bis 26, 31 f. SeeSchStrO). Das belegt deutlich den Charakter der Tonnen als Zustandsregelungen, die im Sinne der 2. Alternative des § 35 Satz 2 VwVfG rechtserhebliche Eigenschaften des abgegrenzten Teils der Seeschifffahrtsstraße begründen.

b) Dem zweiten Teil der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage kommt gleichfalls keine grundsätzliche Bedeutung zu. Zwar mag er über den konkreten Fall hinausweisen, indem er auf eine ständige Übung des Wasser- und Schifffahrtsamtes Hamburg abhebt, die Verlegung von Fahrwassertonnen in den "Bekanntmachungen für Seefahrer" dieses Amtes publik zu machen. Auch insoweit gilt aber, dass sich die Fragestellung anhand der gesetzlichen Regelung des Verwaltungsakts ohne weiteres beantworten lässt. Die Bekanntmachung stellt hiernach keinen selbständig neben die Tonnenverlegung tretenden Verwaltungsakt dar, sondern beinhaltet lediglich einen Hinweis auf die mit der Tonnenverlegung als solcher vorgenommene Regelung. Dafür sprechen sowohl Form als auch Inhalt der Bekanntmachung. Diese enthält keine Unterschrift oder Namenswiedergabe des verantwortlichen Amtsträgers, wie sie § 37 Abs. 3 VwVfG für schriftliche Verwaltungsakte vorschreibt. Eine Rechtsbehelfsbelehrung (§ 58 VwGO) als Indiz für die Verwaltungsaktsqualität fehlt ebenfalls. Ihrem Wortlaut nach beschränkt sich die Bekanntmachung darauf, die bereits erfolgte Verlegung der Tonnen unter Angabe ihrer Position mitzuteilen; ein Erklärungswille, der sich auf eine mit der Bekanntmachung selbst bezweckte verbindliche Regelung richtete, kommt in ihr hingegen nicht ansatzweise zum Ausdruck. Schon aus diesen Gründen lassen sich Verlautbarungen dieser Art nicht als Verwaltungsakte qualifizieren. Es kommt hinzu, dass die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 SeeSchStrO getroffene Regelung über die Festlegung des Fahrwassers keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme bietet, neben die in den Tonnen verkörperte Regelung solle ein weiterer Regelungsakt treten, der gleichfalls das Fahrwasser festlege.

Ginge man von zwei Regelungen aus, wäre deren Verhältnis im Übrigen völlig unklar. Käme es zu Abweichungen zwischen ihnen, die schon wegen der wechselnden Strömungs- und Dünungsverhältnisse nicht ausbleiben können, so entstände für Schiffsführer und andere Betroffene Rechtsunsicherheit darüber, welche Regelung maßgeblich wäre. Dass die Fahrwassertonnen unter extremen Witterungsbedingungen abgetrieben werden und dadurch - bei offenkundig gravierenden Abweichungen vom zugewiesenen Standort - womöglich ihre Wirksamkeit einbüßen können, rechtfertigt angesichts der vorstehend aufgezeigten, einer Doppelregelung zwingend entgegenstehenden Gesichtspunkte keine andere Beurteilung. Derartigen Ausnahmesituationen muss gegebenenfalls durch eine Neuanbringung abgedrifteter Tonnen Rechnung getragen werden.

Ergibt sich die fehlende Verwaltungsaktsqualität der in Rede stehenden Bekanntmachung mithin ohne weiteres aus dem Gesetz, so vermag die abweichende Beurteilung durch das Berufungsgericht die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen. Eine fehlerhafte Rechtsanwendung als solche ist nicht geeignet, für die Frage, auf die sie sich bezieht, den Bedarf für eine revisionsgerichtliche Klärung zu schaffen. Die vom Berufungsgericht bestätigte Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung hinsichtlich der Verlegung der Fahrwassertonnen bleibt von der Qualifikation der Bekanntmachung als Hinweis ohne Verwaltungsaktsqualität unberührt.

2. Die Beschwerde bezeichnet außerdem die folgende Frage als grundsätzlich bedeutsam:

"Hat der Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahr 1999 den Ausschluss der Einwendungen der Kläger gegen die Verlegung der Fahrwassertonnen zur Folge?"

Diese Frage bezieht sich, wie schon ihr Wortlaut zum Ausdruck bringt, auf den Regelungsgehalt eines konkreten Planfeststellungsbeschlusses. Sie entzieht sich deshalb einer generellen Klärung in einem Revisionsverfahren. Nur ergänzend merkt der Senat an, dass die vom Oberverwaltungsgericht schlüssig begründete Auffassung, die Neupositionierung der Fahrwassertonnen sei nicht Bestandteil des planfestgestellten Vorhabens der Elbvertiefung, auch von der Beschwerde geteilt wird. Ausgehend davon ist es folgerichtig, die Ausschlusswirkung des bestandskräftig gewordenen Planfeststellungsbeschlusses nicht auf die mit den Tonnen als Folgemaßnahme getroffene Regelung über die Fahrwasserbegrenzung zu erstrecken.

3. Ebenfalls auf den Einzelfall zugeschnitten ist die folgende von der Beschwerde gestellte Frage:

"Haben die Vereinbarungen zwischen den Elbfischern und der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung bzw. der Wirtschaftsbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg den Ausschluss der Einwendungen der Kläger gegen die Verlegung der Fahrwassertonnen zur Folge?"

Auch diese Frage lässt sich nur in Würdigung der konkreten Vertragsgestaltung beantworten und ist mithin einer generellen Klärung unzugänglich.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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