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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 21.09.2001
Aktenzeichen: BVerwG 9 B 51.01
Rechtsgebiete: GG, GebG NRW, AGT zur AVwGebO NRW Tarifstelle


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GebG NRW § 3
AGT zur AVwGebO NRW Tarifstelle 2.5.3.1
Der Gleichheitssatz und das Äquivalenzprinzip verbieten es nicht, für die nachträgliche Genehmigung eines "Schwarzbaus" eine dreifach höhere Gebühr zu erheben, als sie bei einer vorherigen Baugenehmigung angefallen wäre.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 9 B 51.01

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 21. September 2001 durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hien und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Vallendar und Prof. Dr. Rubel

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 19. April 2001 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 466 DM festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Der Rechtssache kommt die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam,

"ob der Gebührentatbestand Nr. 2.5.3.1 des Allgemeinen Gebührentarifs zur Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung in der Fassung der 15. Änderungsverordnung vom 30.05.1995 gegen Art. 3 GG und das aus Art. 20 Abs. 3 GG resultierende Äquivalenzprinzip verstößt."

Mit dieser Fragestellung wendet sich die Beschwerde dagegen, dass die Vorinstanz die dreifache Gebühr für zunächst ohne erforderliche Baugenehmigung ausgeführte, nachträglich jedoch genehmigte bauliche Anlagen nach der genannten Tarifstelle als mit höherrangigem Recht vereinbar ansieht.

Damit ist eine klärungsbedürftige Rechtsfrage des Bundesrechts jedoch nicht aufgeworfen worden. Wie der Beklagte in seiner Beschwerdeerwiderung unter Hinweis auf die Rechtsprechung (BVerwG, Beschluss vom 23. März 1992 - BVerwG 5 B 174.91 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 306; Beschluss vom 10. April 2000 - BVerwG 11 B 61.99 - juris) zutreffend ausgeführt hat, vermag die Rüge, Landesrecht sei unter Verstoß gegen Verfassungsrecht des Bundes angewandt worden, für sich genommen noch nicht eine klärungsbedürftige Frage des Bundesrechts aufzuzeigen. In einem derartigen Fall muss vielmehr zusätzlich dargelegt werden, dass die Auslegung der einschlägigen Grundsätze des Bundes(verfassungs)rechts durch die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht oder nicht hinreichend ausdifferenziert und entwickelt ist, um einen Maßstab für das Landesrecht abzugeben. Entsprechende Darlegungen sind der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.

Es genügt insbesondere nicht, wenn die Beschwerde die vom Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 6. Februar 1979 - 2 BvL 5/76 - (BVerfGE 50, 217 <226 f.>) aufgezeigten Grenzen einer Gebührenregelung anführt und geltend macht, die in Rede stehende Tarifstelle sei damit nicht vereinbar, weil sie die im Regelfall für Baugenehmigungen geltende Gebühr bei der Genehmigung von "Schwarzbauten" willkürlich verdreifache. Die Vorinstanz hat im Anschluss an ihre bisherige Rechtsprechung (vgl. OVG NW, Beschluss vom 19. Dezember 1997 - 9 A 292/97 - KStZ 1998, 217 f.) ausführlich dargestellt, welche Unterschiede die vorherige und die nachträgliche Erteilung einer Baugenehmigung kennzeichnen. Soweit die Beschwerde diese Unterschiede teilweise - nämlich hinsichtlich des bei der Genehmigung von "Schwarzbauten" in der Regel deutlich erhöhten Verwaltungsaufwands (UA S. 10) - unter Hinweis auf die in erster Instanz eingeholten Stellungnahmen verschiedener Bauaufsichtsbehörden in Zweifel zieht, muss sie sich entgegenhalten lassen, dass insoweit von der Vorinstanz Tatsachenfeststellungen getroffen worden sind, die für das Revisionsgericht - mangels einer durchgreifenden Verfahrensrüge - bindend sind (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO). Im Übrigen sind die von der Vorinstanz angeführten Unterschiede ohne Weiteres geeignet, den erhöhten Gebührensatz unter dem Gesichtspunkt sowohl der Gleichbehandlung als auch der Verhältnismäßigkeit zu rechtfertigen.

Aus dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergibt sich das Äquivalenzprinzip, das besagt, dass die Gebühr nicht in einem groben Missverhältnis zu der vom Träger öffentlicher Verwaltung erbrachten Leistung stehen darf (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2000 - BVerwG 11 C 5.99 - Buchholz 451.211 GtA Nr. 2). In dieser Weise überhöht ist eine Gebührenregelung aber nicht schon dann, wenn mit einem höheren Gebührensatz eine begrenzte Verhaltenssteuerung angestrebt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2000 - BVerwG 11 C 7.00 - DVBl 2001, 488 <490>; Beschluss vom 30. Januar 1997 - BVerwG 8 NB 2.96 - BVerwGE 104, 60 <64>). Bei der streitigen Gebühr, die für die nachträgliche Genehmigung eines "Schwarzbaus" erhoben wird, liegt es auf der Hand, dass mit der Verdreifachung des Gebührensatzes nicht zuletzt auch dem rechtswidrigen Verhalten entgegengewirkt werden soll, das in der ungenehmigten Errichtung einer baulichen Anlage zu sehen ist. Die Beschwerde weist in diesem Zusammenhang ohne Erfolg darauf hin, dass § 84 Nr. 13 BauO NRW dieses Verhalten bereits mit einem Bußgeld bedroht. Es kann keine Rede davon sein, dass der Bauherr insoweit einer doppelten "Strafe" ausgesetzt ist. Die Verhängung eines Bußgelds setzt den Nachweis eines Verschuldens voraus (vgl. § 10 OWiG). Im Einzelfall kann dieser Nachweis scheitern oder das Verschulden des Bauherrn kann so geringfügig sein, dass nur eine verhältnismäßig niedrige Bußgeldfestsetzung in Betracht kommt. Ein Übermaß durch die Kumulation von Bußgeld und Verwaltungsgebühr lässt sich im Übrigen dadurch vermeiden, dass bei der Bemessung des Bußgelds die Belastung des Bauherrn, die durch die zu erwartende Baugenehmigungsgebühr eintritt, berücksichtigt wird.

Zutreffend hat die Vorinstanz in diesem Zusammenhang auch die Erschwernisse hervorgehoben, die für die Bauaufsichtsbehörde bei einer nachträglichen Genehmigungserteilung typischerweise auftreten. In diesem Fall wird nämlich die bauliche Anlage nicht etwa so genehmigt, "wie sie steht und liegt". Vielmehr muss hier mit der Prüfung, ob die Genehmigungsunterlagen ein genehmigungsfähiges Vorhaben beschreiben, zusätzlich eine Prüfung einhergehen, ob die bereits errichtete Anlage mit den eingereichten Genehmigungsunterlagen übereinstimmt. Dieses erweiterte Prüfprogramm führt dazu, dass mit der nachträglichen Genehmigungserteilung - wie die Vorinstanz festgestellt hat - in der Regel ein deutlich erhöhter Verwaltungsaufwand verbunden ist. Die nachträgliche Baugenehmigung unterscheidet sich aus diesem Grunde erheblich von der Baugenehmigung, die vor Baubeginn erteilt wird.

Von daher gehen auch die Einwände ins Leere, die die Beschwerde unter Hinweis auf den Gleichheitssatz formuliert hat. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass der Gleichheitssatz es gerade nicht gestattet, ungleiche Sachverhalte in einer Gebührenklasse gleichmachend zusammenzufassen (vgl. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 18. April 2000 - BVerwG 11 B 20.00 - Buchholz 401.8 Verwaltungsgebühren Nr. 38). Wegen der zuvor angesprochenen Unterschiede zwischen vorheriger und nachträglicher Erteilung einer Baugenehmigung erscheint es sachgerecht, wenn die Genehmigung eines "Schwarzbaus" mit einer erhöhten Gebühr belegt wird. Dabei steht dem Gebührengesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Dieser umfasst - wie gesagt - auch die Entscheidung, durch die Höhe der Gebühr einen spürbaren Anreiz zu schaffen, der Bauherren zur Beachtung der Baugenehmigungspflicht anhält und damit einer ungenehmigten Bautätigkeit entgegenwirkt. Auch eine dreifach höhere Baugenehmigungsgebühr, wie sie in Nordrhein-Westfalen anfällt, wenn ein Bauvorhaben zunächst formell illegal ausgeführt wird, ist von diesem Gestaltungsspielraum gedeckt und begegnet keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1, § 13 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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