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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 02.07.1998
Aktenzeichen: BVerwG 9 B 535.98
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO
Vorschriften:
VwGO § 57 Abs. 2 | |
VwGO § 125 Abs. 2 Satz 3 | |
VwGO § 130 a Satz 2 | |
VwGo § 138 Nr. 3 | |
ZPO § 224 Abs. 2 | |
ZPO § 225 |
Das Berufungsgericht verletzt das rechtliche Gehör eines Beteiligten, wenn es im vereinfachten Verfahren nach § 130 a VwGO entscheidet, ohne zuvor einen Antrag auf Verlängerung der Anhörungsfrist zu bescheiden.
Beschluß des 9. Senats vom 2. Juli 1998 - BVerwG 9 B 535.98 -
I. VG Düsseldorf vom 26.06.1996 - VG 18 K 10067/93.A - II. OVG Münster vom 28.01.1998 - OVG 21 A 3972/96.A -
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS
BVerwG 9 B 535.98 OVG 21 A 3972/96.A
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 2. Juli 1998 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Seebass, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Hund und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck
beschlossen:
Den Beigeladenen wird für das Beschwerdeverfahren Prozeßkostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Siepermann, Burgstraße 10, 42103 Wuppertal als Prozeßbevollmächtigter beigeordnet.
Der Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Januar 1998 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der vorbehaltenen Kostenentscheidung in der Hauptsache.
Gründe:
Die auf einen Verfahrensmangel wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) gestützte Beschwerde der Beigeladenen ist zulässig und begründet. Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung wird die Sache gemäß § 133 Abs. 6 VwGO unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Beschwerde sieht einen Verfahrensverstoß zu Recht darin, daß das Oberverwaltungsgericht im vereinfachten Berufungsverfahren nach § 130 a VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß entschieden hat, ohne über den noch innerhalb der Anhörungsfrist nach der ersten Mitteilung gemäß § 130 a Satz 2, § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO gestellten und mit einer Begründung versehenen Antrag der Beigeladenen auf Verlängerung der Frist zur Stellungnahme zu entscheiden. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, daß das Berufungsgericht, wenn es an der Durchführung des vereinfachten Verfahrens festhalten will, obwohl ein Beteiligter diesem Verfahren widerspricht und eine Verlängerung der Äußerungsfrist zur Ergänzung seines Vortrags beantragt, vorab über den Verlängerungsantrag entscheiden muß (vgl. Urteil vom 3. November 1987 - BVerwG 9 C 235.86 - Buchholz 310 § 100 VwGO Nr. 5 = BayVBl 1988, 251; Beschluß vom 9. Januar 1995 - BVerwG 1 B 231.94 - Buchholz 402.7 Nr. 5 = DÖV 1995, 692; ebenso Happ in: Eyermann, VwGO, 10. Aufl., § 130 a Rn. 9). Dies gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob erhebliche Gründe für eine Verlängerung der richterlichen Frist nach § 57 Abs. 2 VwGO, § 224 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht sind, die in der Regel zu einer Reduzierung des Ermessens führen mit der Folge, daß dem Verlängerungsgesuch zu entsprechen ist (vgl. das Urteil vom 3. November 1987 a.a.O.). Auch wenn das Gericht im Einzelfall befugt ist, den Antrag abzulehnen, weil erhebliche Gründe nicht bestehen, muß es hierüber gemäß § 225 ZPO entscheiden und dies dem Beteiligten, zu dessen Ungunsten der Beschluß nach § 130 a VwGO ergehen soll, mitteilen, um diesem eine abschließende Stellungnahme zu ermöglichen. Aus dem Schweigen des Gerichts zu einem in offener Frist gestellten Verlängerungsgesuch muß der Antragsteller nicht schließen, seiner Bitte um weiteres Zuwarten werde nicht entsprochen; er darf vielmehr darauf vertrauen, daß das Gericht ihn von einer Ablehnung unterrichten und ihm Gelegenheit geben wird, sich hierauf einzustellen (vgl. den Beschluß vom 9. Januar 1995 a.a.O.). Ob ausnahmsweise ein solcher Hinweis - etwa bei ohne jede Begründung oder wiederholt gleichförmig eingereichten Verlängerungsbegehren (vgl. den Beschluß vom 18. Juni 1996 - BVerwG 9 B 140.96 - Buchholz 310 § 130 a VwGO Nr. 16 = BayVBl 97, 253 zu nachgeschobenen Beweisanträgen) - unterbleiben kann, bedarf keiner weiteren Erörterung; Anhaltspunkte für einen derartigen Ausnahmefall liegen hier nicht vor.
Da das Berufungsgericht ohne vorherige Ablehnung des Fristverlängerungsantrags nach § 130 a VwGO entschieden hat, hat es das rechtliche Gehör der Beigeladenen verletzt; ob der angekündigte und im Beschwerdeverfahren ergänzte Vortrag dem Berufungsgericht Anlaß zu einer anderen Sachentscheidung gegeben hätte, ist nach § 138 Nr. 3 VwGO nicht zu prüfen.
Ende der Entscheidung
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