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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 26.01.1999
Aktenzeichen: BVerwG 9 B 655.98
Rechtsgebiete: GG, AuslG


Vorschriften:

GG Art. 16 a Abs. 1
AuslG § 51 Abs. 1
Leitsätze:

Eine Gebietsgewalt ist staatsähnlich, wenn sie auf einer organisierten, effektiven und stabilisierten territorialen Herrschaftsmacht beruht (stRspr).

Es ist weder erforderlich, daß sie das gesamte Staatsgebiet erfaßt, noch daß sie die einzige auf dem Staatsgebiet existierende Gebietsgewalt ist.

Beschluß des 9. Senats vom 26. Januar 1999 - BVerwG 9 B 655.98 -

I. VG Wiesbaden vom 26.06.1995 - Az.: VG II/3 E 6176/92 - II. VGH Kassel vom 28.04.1998 - Az.: VGH 13 UE 4488/96.A -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 9 B 655.98 (9 PKH 106.98) VGH 13 UE 4488/96.A

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 26. Januar 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Seebass, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eichberger

beschlossen:

Der Antrag der Beigeladenen, ihnen Prozeßkostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluß des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. April 1998 wird verworfen.

Die Beigeladenen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

Den Beigeladenen kann die beantragte Prozeßkostenhilfe nicht bewilligt werden; denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet aus den nachstehenden Gründen keine Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

Die Beschwerde ist unzulässig. Sie beruft sich zwar auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, legt diese aber nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise dar. Dazu ist erforderlich, daß eine klärungsbedürftige und im Revisionsverfahren klärungsfähige Rechtsfrage aufgezeigt wird. Eine solche ist der Beschwerde nicht zu entnehmen.

Für klärungsbedürftig hält die Beschwerde die Frage,

ob nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteile vom 4. November 1997 BVerwG 9 C 34.96 BVerwGE 105, 306 und BVerwG 9 C 11.97 InfAuslR 1998, 245) die rechtlichen Voraussetzungen für die Annahme einer rechtserheblichen "staatsähnlichen Herrschaftsorganisation" nur noch dann als erfüllt angesehen werden können, wenn eine einzige Herrschaftsorganisation unangefochten durch gegnerische Kräfte in jedem Winkel im gesamten Gebiet des Herkunftsstaates des Asylsuchenden effektiv und dauerhaft Herrschaftsgewalt ausübt oder ob nach wie vor die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Anwendung findet, derzufolge es ausreicht, wenn die entsprechenden Voraussetzungen für die Annahme einer "staatsähnlichen Herrschaftsorganisation" im jeweiligen "Kernterritorium" (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. April 1997 BVerwG 9 C 15.96 BVerwGE 104, 254 = NVwZ 1997, 1131) eines Bürgerkriegsgegners oder in den "Kernterritorien" von mehreren der beteiligten Bürgerkriegsgegner bestehen.

Die Frage könnte sich in einem Revisionsverfahren nur stellen, wenn nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zwar eine das gesamte Staatsgebiet Afghanistans erfassende staatliche oder staatsähnliche Organisation nicht vorhanden wäre, sich aber in Teilgebieten zumindest in einem Teilgebiet Organisationen etabliert hätten, die eine effektive und stabile territoriale Herrschaftsmacht in ihrem jeweiligen Teilgebiet ausübten. Das ist indessen nicht der Fall. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (BA S. 8) fehlt es in Afghanistan derzeit und auf absehbare Zeit nicht nur an "einer gesamtstaatlichen Macht mit der Fähigkeit zur prinzipiellen Ausübung einer das gesamte Staatsterritorium umfassenden Herrschaftsgewalt"; vielmehr ist das Land in "Herrschaftsbereiche miteinander verfeindeter Machthaber zerfallen, die in einem anhaltenden Bürgerkrieg ... um die Vorherrschaft im gesamten Staatsgebiet kämpfen", wobei "die Voraussetzungen für eine dauerhafte und stabilisierte Herrschaft der verschiedenen Machthaber und damit die Voraussetzungen für das Bestehen staatsähnlicher Macht in Afghanistan nicht erfüllt" sind. Daß in keinem der verschiedenen Herrschaftsbereiche "die Anforderungen für die Annahme staatsähnlicher Organisationen" erfüllt sind (BA S. 14), ist in der Berufungsentscheidung ausführlich dargelegt. Da es in allen Herrschaftsbereichen wegen des fortdauernden Bürgerkrieges jedenfalls an der erforderlichen Stabilität der Herrschaftsmacht fehlt, kommt es für die Verneinung der Staatsähnlichkeit nicht darauf an, ob regionale, nicht das gesamte Staatsgebiet erfassende Herrschaftsbereiche überhaupt das Merkmal der Staatsähnlichkeit erfüllen können.

Diese Frage ist außerdem nicht klärungsbedürftig, denn sie ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu bejahen. Mit der oben wiedergegebenen Formulierung der Frage unterstellt die Beschwerde der zitierten neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einen Inhalt, den diese nicht hat. Daß eine staatsähnliche Herrschaftsorganisation nur dann besteht, wenn sie in dem gesamten Gebiet des Herkunftsstaates effektiv und dauerhaft Herrschaftsgewalt ausübt, ergibt sich weder aus den angeführten Senatsurteilen noch aus der sonstigen Senatsrechtsprechung. Wie in dem Senatsurteil vom 15. April 1997 BVerwG 9 C 15.96 (BVerwGE 104, 254 <258 ff.>) im einzelnen dargelegt, ist eine Gebietsgewalt staatsähnlich, wenn sie ähnlich wie bei Staaten, die eine organisierte Herrschaftsmacht mit einem prinzipiellen Gewaltmonopol auf einem begrenzten Territorium über ihre Bevölkerung effektiv und dauerhaft ausüben auf einer organisierten, effektiven und stabilisierten territorialen Herrschaftsmacht beruht (ebenso schon Urteil vom 6. August 1996 BVerwG 9 C 172.95 BVerwGE 101, 328 <332>). Es ist weder erforderlich, daß sie das gesamte Staatsgebiet erfaßt, noch daß sie die einzige auf dem Staatsgebiet existierende Gebietsgewalt ist. Der Senat hat in dem Urteil vom 15. April 1997 eine politische Verfolgung mangels einer verfolgungsfähigen (staatlichen oder staatsähnlichen) Gewalt nicht deshalb verneint, weil in Somalia mehrere Herrschaftsorganisationen existierten, sondern weil keines der vorhandenen regionalen Machtgebilde die für eine staatsähnliche Herrschaftsorganisation erforderliche Effektivität und Stabilität aufwies. Nichts anderes ergibt sich aus den Afghanistan betreffenden - Urteilen vom 4. November 1997 BVerwG 9 C 34.96 BVerwGE 105, 306, vom 4. November 1997 BVerwG 9 C 11.97 InfAuslR 1998, 242 und vom 19. Mai 1998 BVerwG 9 C 5.98 AuAS 1998, 224.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.

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