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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 26.02.2004
Aktenzeichen: BVerwG 9 B 68.03
Rechtsgebiete: AbwAG 1991, WHG
Vorschriften:
AbwAG 1991 § 2 Abs. 1 | |
AbwAG 1991 § 4 Abs. 1 | |
AbwAG 1991 § 4 Abs. 4 | |
AbwAG 1991 § 9 Abs. 5 | |
AbwAG 1991 § 10 Abs. 3 | |
WHG § 7 a Abs. 1 |
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS
BVerwG 9 B 68.03
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 26. Februar 2004 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hien und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost und Prof. Dr. Rubel
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. März 2003 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 780 176,40 € festgesetzt.
Gründe:
Die auf die Revisionszulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) und des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (Verfahrensmangel) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Als grundsätzlich bedeutsam wirft die Beschwerde zunächst folgende Frage auf:
"Gilt die Regelung in § 4 Abs. 1 Satz 2 AbwAG 1991 bei der Einleitung von Mischwasser für das Mischwasser oder nur für das Schmutzwasser?"
Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Denn sie lässt sich ohne klärungsbedürftige Zweifel und mithin ohne dass es hierzu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf im Sinne des Oberverwaltungsgerichts bejahen.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AbwAG 1991 ist für die der Ermittlung der Zahl der Schadeinheiten zugrunde zu legende Schadstofffracht auf die nach dem wasserrechtlichen Bescheid "im Abwasser" einzuhaltende Konzentration abzustellen. Nach der in § 2 Abs. 1 Satz 1 AbwAG 1991 (und bereits zuvor) enthaltenen Begriffsbestimmung ist unter "Abwasser" Schmutz- und Niederschlagswasser zu verstehen. Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber mit der durch die zweite Novelle des Abwasserabgabengesetzes (vom 19. Dezember 1986, BGBl I S. 2619) eingeführten, erstmals den Begriff des "Abwassers" einbeziehenden Neuregelung des § 4 Abs. 1 Satz 2 AbwAG von dieser Begrifflichkeit abweichen wollte. Es entsprach vielmehr seiner Absicht, zur Vereinfachung des Gesetzesvollzugs, der bis dahin durch das Erfordernis der Beprobung nur des Trockenwetterabflusses gekennzeichnet war (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. August 1986 - BVerwG 4 B 81.86 - Buchholz 401.64 § 4 AbwAG Nr. 1), die Erhebungsgrundlagen für die Abwasserabgabe stärker an das Ordnungsrecht anzupassen (BTDrucks 10/5533, S. 9 <A. II 4.>). Dazu gehört, dass die Überwachungswerte - anders als die Jahresschmutzwassermenge, weswegen es zu den von der Beschwerde insoweit geltend gemachten "Friktionen" mit der Niederschlagswasserabgabe in § 7 AbwAG 1991 nicht kommen kann - sich bei Mischkalkulationen auch auf den Niederschlagsanteil beziehen. Das entspricht auch der wohl einhelligen Auffassung in der Literatur (vgl. Berendes, Das Abwasserabgabengesetz, 3. Aufl., S. 82; Köhler, Abwasserabgabengesetz, § 4 Rn. 46; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, Wasserhaushaltsgesetz und Abwasserabgabengesetz, § 4 AbwAG Rn. 13).
Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist ein Widerspruch zur Anreizwirkung der Abwasserabgabe, die auf die Durchführung von Gewässerschutzmaßnahmen gerichtet ist (vgl. etwa BTDrucks 12/4272 S. 1), nicht erkennbar: Denn die Einbeziehung des Niederschlagswassers gibt dem Einleiter Anlass sicherzustellen, dass die Überwachungswerte auch im Fall niedergehenden Regenwassers und hierdurch ausgelöster Ereignisse eingehalten werden können (vgl. auch Köhler, Abwasserabgabengesetz, § 4 Rn. 114).
Weitergehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.
Auch die weitere von der Beschwerde aufgeworfene Frage
"Wird bei der Einleitung von Mischabwasser die Zahl der Schadeinheiten nach § 4 Abs. 4 Satz 2 AbwAG 1991 auch dann erhöht, wenn die Nichteinhaltung des Überwachungswertes für das Mischabwasser auf der Niederschlagswassereinleitung beruht oder dies nicht ausgeschlossen werden kann?"
lässt sich ohne weiteres, nämlich im - bejahenden - Sinn des Oberverwaltungsgerichts beantworten.
Ist - wie dargelegt - das Niederschlagswasser bei der Prüfung, ob die Überwachungswerte eingehalten werden, einzubeziehen, so kann es für die an eine Überschreitung geknüpfte Folge des § 4 Abs. 4 Satz 2 AbwAG 1991 auf die Ursache der Überschreitung nicht ankommen. Wäre insoweit doch wieder nach schmutz- und regenwasserbedingter Überschreitungsursache zu differenzieren, würde die dargelegte, vom Gesetzgeber verfolgte Vereinfachung des Gesetzesvollzugs verfehlt. Ebenso wenig wie bei Störfällen können daraus, dass die Überschreitung unverschuldet sein mag oder erhebliche Ausmaße erlangen und deswegen zu einer starken Erhöhung der Abgabe führen kann, durchgreifende Einwände gegen die Verhältnismäßigkeit der Regelung hergeleitet werden (BVerwG, Beschluss vom 20. August 1997 - BVerwG 8 B 170.97 - BVerwGE 105, 144 <150 ff.>).
Ein Widerspruch zur pauschalierten Niederschlagswasserabgaberegelung in § 7 AbwAG 1991 besteht auch insoweit nicht. Die Vorschrift soll die spezifische Verschmutzung von Niederschlagswasser erfassen, nicht jedoch zu einer Besserstellung von Schmutzwassereinleitern im Falle der Mischkanalisation führen, die der gesetzgeberischen Intention widerspräche.
Schließlich rechtfertigt auch die dritte von der Beschwerde aufgeworfene Frage
"Ermäßigt sich der Abgabesatz nach § 9 Abs. 5 AbwAG 1991 auch dann, wenn Anforderungen der allgemeinen Verwaltungsvorschriften nach § 7 a Abs. 1 WHG in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 1986 oder der allgemein anerkannten Regeln der Technik nur für einen Teilstrom bestehen?"
die Zulassung der Revision nicht, weil auch sie sich im - verneinenden - Sinn des Oberverwaltungsgerichts beantworten lässt, ohne dass es hierzu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.
Zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht darauf abgestellt, dass dem Abwasserabgabengesetz 1991 eine Teilstrombetrachtung fremd ist. Sie ist erstmals mit dem Vierten Gesetz zur Änderung des Abwasserabgabengesetzes (vom 5. Juli 1994, BGBl I S. 1453) und mithin nach dem hier maßgeblichen Veranlagungsjahr in § 10 Abs. 3 Satz 1 AbwAG eingefügt worden. Die Änderung zielte darauf, die Voraussetzung einer gesamtstrombezogenen Schädlichkeitsverringerung von 20 Prozent, die sich im Zuge der fortschreitenden Entwicklung der Abwasserbehandlung als zunehmend problematisch erwiesen hatte, durch eine kombinierte Teil- und Gesamtstrombetrachtung zu ersetzen, um einen hinreichenden Anreiz zu gewässerschützenden Maßnahmen auszuüben und dem Aufschieben von Maßnahmen bis zum Erreichen des bisherigen Schwellenwertes von 20 Prozent im Gesamtabwasser entgegenzuwirken (BTDrucks 12/4272 S. 7 <2. a>). Die Regelung betrifft somit einen eng begrenzten Ausnahmefall und gibt - vor allem mangels entsprechender Hinweise in den Gesetzgebungsmaterialien - keinen Anlass, die ohnehin nur eingeschränkt verwirklichte Teilstrombetrachtung auf andere Regelungszusammenhänge wie § 9 Abs. 5 AbwAG zu übertragen, zumal dies dort lediglich zu einer finanziellen Entlastung des Einleiters führte, ohne dass hiermit zugleich ein gewässerschützender Effekt verbunden wäre.
Auch die geltend gemachten Verfahrensrügen greifen nicht durch. Die Beschwerde meint, das Oberverwaltungsgericht habe seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde gelegt, der in erkennbarem Widerspruch zu den Feststellungen des Sachverständigen Prof. G. stehe. Damit rügt die Beschwerde in der Sache eine fehlerhafte Beweiswürdigung durch das Oberverwaltungsgericht (vgl. § 86 Abs. 1, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und damit Mängel, die revisionsrechtlich grundsätzlich nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzurechnen sind und die Zulassung der Revision wegen Verfahrensfehler deswegen nicht begründen können (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 m.w.N.). Der hier allein in Betracht kommende Ausnahmefall "aktenwidriger" Feststellungen liegt entgegen der Ansicht der Beschwerde nicht vor. Von einer "Aktenwidrigkeit" ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur auszugehen, wenn zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt ein Widerspruch besteht, der offensichtlich ist, sodass es einer weiteren Beweiserhebung zur Klärung des richtigen Sachverhalts nicht bedarf (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 19. November 1997 - BVerwG 4 B 182.97 - Buchholz 406.11 § 153 BauGB Nr. 1). Die Beschwerde sieht einen solchen Widerspruch darin, dass das Oberverwaltungsgericht davon ausgehe, für den Parameter Quecksilber existierten weder Anforderungen aufgrund allgemeiner Verwaltungsvorschriften noch nach § 7 a Abs. 1 WHG noch unabhängig hiervon nach allgemein anerkannten Regeln der Technik, während der Sachverständige solche Anforderungen in der 22. Abwasserverwaltungsvorschrift sowie in allgemein anerkannten Regeln "für den Gesamtablauf" sehe. Diese Feststellungen des Sachverständigen stellt das Oberverwaltungsgericht jedoch nicht in Frage. Es kommt lediglich aufgrund seiner Rechtsauffassung, dass für die Frage, ob allgemein anerkannte Regeln der Technik existieren, nicht auf Teilströme, sondern auf das Mischwasser abzustellen ist, zu anderen Schlussfolgerungen als sie die Beschwerde aufgrund ihrer - wie dargelegt: unzutreffenden - Rechtsauffassung für geboten hält. Die insoweit maßgeblichen Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts, dass eine Behandlungspflicht für den Parameter Quecksilber im Mischwasser 1991 nicht bestanden hat, stimmen mit den zusammenfassenden Aussagen des Sachverständigen (S. 3 des Gutachtens) überein, sodass von einem - zumal offensichtlichen - Widerspruch keine Rede sein kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 13 Abs. 2, § 14 GKG.
Ende der Entscheidung
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