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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 19.12.2001
Aktenzeichen: BVerwG 9 B 90.01
Rechtsgebiete: GG, SGB VIII, GTK NRW
Vorschriften:
GG Art. 3 Abs. 1 | |
SGB VIII § 90 Abs. 1 Satz 2 | |
GTK NRW § 17 Abs. 2 Satz 1 |
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS
BVerwG 9 B 90.01
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 19. Dezember 2001 durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hien und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Vallendar und Prof. Dr. Rubel
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 11. September 2001 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 7 920 DM festgesetzt.
Gründe:
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.
1. Die Beschwerde wirft sinngemäß die Frage auf,
ob eine verfassungskonforme Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Kinderzahl" in § 90 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur strengen Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG in Fällen der Gruppendifferenzierung bzw. bei der Wahrnehmung von Grundrechten erfordert, dass die Zahl der Kinder als ein abschließendes Unterscheidungsmerkmal zu verstehen ist.
Diese Frage hat das Oberverwaltungsgericht unter eingehender Auseinandersetzung mit der angesprochenen Rechtsprechung (z.B. BVerfGE 88, 87, <96>; 99, 367 <388>) zutreffend dahingehend beantwortet, dass die Regelung des § 17 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über Tageseinrichtungen für Kinder (GTK) entgegen der Ansicht der Beschwerde mit § 90 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII und mit Art. 3 Abs. 1 GG in Einklang steht. Die abweichenden Überlegungen der Beschwerde, die im Wesentlichen bereits in einer Fachzeitschrift (NWVBl 1996, 466 f.) veröffentlicht sind, zeigen keinen weiteren Klärungsbedarf auf. Ergänzend zu den überzeugenden Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts ist lediglich Folgendes zu bemerken:
Die Freistellung von Elternbeiträgen für das zweite und jedes weitere Kind, die § 17 Abs. 2 Satz 1 GTK dann gewährt, wenn diese Kinder "gleichzeitig" eine Tageseinrichtung besuchen, berücksichtigt, dass eine gleichzeitige Mehrfachbelastung mit dem Elternbeitrag in vielen Fällen für die beitragspflichtigen Eltern eine soziale Härte bedeutet. Ersichtlich will der Landesgesetzgeber damit aber nur der jeweiligen aktuellen sozialen Situation der Eltern Rechnung tragen; sämtliche künftigen Entwicklungen werden dabei bewusst ausgeblendet. Die sachliche Rechtfertigung für dieses Vorgehen ist zum einen darin zu sehen, dass der Eintritt künftiger Entwicklungen letztlich immer ungewiss ist. Bei Eltern, bei denen die Geburt der Geschwisterkinder in einem größeren zeitlichen Abstand liegt, so dass die Kinder eine Tageseinrichtung nicht gleichzeitig besuchen können, mag es dem normalen Lauf der Dinge entsprechen, wenn auch die jüngeren Kinder später die frühere Tageseinrichtung ihrer älteren Geschwister besuchen. Aus den verschiedensten Gründen (z.B. Ortswechsel der Familie) braucht dieser Fall aber auch nie einzutreten. Schon deswegen, weil es sich bei der Erhebung der Elternbeiträge - wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend hervorgehoben hat (UA S. 21) - um ein Geschäft der Massenverwaltung handelt, war der Landesgesetzgeber - entgegen der Forderung der Kläger - nicht gehalten, für den zuletzt angesprochenen "Familientyp" unter dem Aspekt der anzustrebenden Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) in Form einer Stundungsregelung ebenfalls einen "Geschwisterrabatt" einzuführen. Die Verwirklichung dieser Forderung würde nämlich notwendig mit einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verbunden sein. Zum anderen kommt hinzu, dass der zeitlich versetzte Eintritt einer späteren Belastung mit dem Elternbeitrag unter sozialen Gesichtspunkten mit der gleichzeitigen Mehrfachbelastung nicht zu vergleichen ist, die beim gleichzeitigen Besuch der Tageseinrichtung durch zwei oder mehr Geschwister auf die Eltern zukommen würde, wenn es die Regelung des § 17 Abs. 2 Satz 1 GTK nicht gäbe. Die gleichzeitige Mehrfachbelastung mit dem Elternbeitrag würde zu einer - zumindest in der Regel - spürbaren Einschränkung des aktuell verfügbaren Familienbudgets führen. Die Familie würde von einer gleichzeitigen Mehrfachbelastung somit ungleich härter betroffen als von einer zeitlich versetzten, dafür aber längeren Belastung mit nur einem Elternbeitrag. Letzterer kann von den laufenden Familieneinkünften im Allgemeinen eher abgezweigt werden, ohne dass an anderer Stelle Einsparungen nötig werden. Ob sich die finanziellen Belastungen in ihrer Summe in beiden Fällen wieder annähern, ist demgegenüber von untergeordneter Bedeutung. Darauf brauchte der Landesgesetzgeber keine Rücksicht zu nehmen, wenn er durch einen Beitragserlass speziell die Härte einer gleichzeitigen Mehrfachbelastung mildern wollte.
Der Senat macht im Übrigen von § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO Gebrauch.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Der Senat rechnet die Streitigkeit dem Abgabenrecht und nicht dem Sachgebiet der Jugendhilfe zu, für welches § 188 Satz 2 VwGO Kostenfreiheit gewährt. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG, wobei der Senat in Anwendung von Nr. 2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 1996, 563 = DVBl 1996, 606 = GewArch 1996, 462) den dreifachen Jahresbetrag des Elternbeitrags als angemessen, aber auch ausreichend in Ansatz bringt.
Ende der Entscheidung
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