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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 08.09.2003
Aktenzeichen: BVerwG 9 C 1.03
Rechtsgebiete: AbwAG
Vorschriften:
AbwAG § 3 Abs. 1 | |
AbwAG § 4 Abs. 1 | |
AbwAG § 6 | |
AbwAG § 10 Abs. 3 Anlage zu § 3 |
2. Ein "zu behandelnder Abwasserstrom" im Sinne von § 10 Abs. 3 Satz 1 AbwAG setzt keine entsprechenden Regelungen in einem wasserrechtlichen Erlaubnisbescheid voraus. Ausreichend ist, dass die Behandlung des Abwasserstroms nach technischem Standard objektiv sinnvoll ist.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
BVerwG 9 C 1.03
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 8. September 2003 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hien und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost, Vallendar, Prof. Dr. Rubel und Dr. Eichberger
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:
Tenor:
Die Sprungrevision der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 23. Oktober 2002 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gründe:
I.
Die Klägerin, eine chemische Fabrik, begehrt die Verrechnung von Kosten für betriebliche Investitionen aus dem Jahr 1998 mit von ihr in den Jahren 1995 bis 1997 entrichteten Abwasserabgaben.
Mit Bescheid vom 6. März 1995 (teilweise geändert durch die Bescheide vom 17. Dezember 1998 und vom 26. August 1999) erhielt die Klägerin die wasserrechtliche Erlaubnis, Abwasser aus der Produktion ihres Werkes unter Einhaltung bestimmter Überwachungswerte für im Einzelnen aufgeführte Schadstoffparameter in den Main einzuleiten. Für den Parameter AOX (organische Halogenverbindungen als adsorbierbare organisch gebundene Halogene) enthält der Bescheid keinen Überwachungswert. Für die Veranlagungsjahre 1995 bis 1997 zog der Beklagte die Klägerin zur Zahlung von Abwasserabgaben heran, die die Klägerin in der festgesetzten Höhe von insgesamt 279 235 DM entrichtete.
Im Oktober 1998 nahm die Klägerin die neu errichtete Teilanlage "Kristallisation" (Investitionsvolumen: 20 685 087,64 DM) in Betrieb. Hierdurch wurde ein bisher verwendetes Extraktionsmittel aus dem Produktionsprozess eliminiert und die Belastung des entsprechenden Abwasserteilstroms mit dem Schadstoff AOX von bisher 19 Kilogramm/d auf weniger als 8 Gramm/d verringert. Zugleich wurde die AOX-Fracht auch im Auslauf der Abwasserreinigungsanlage des Werks von bisher 54 µg/l auf nunmehr 37 µg/l reduziert.
Den Antrag der Klägerin auf Verrechnung der aufgewendeten Investitionskosten mit der insgesamt entrichteten Abwasserabgabe der Jahre 1995 bis 1997 und auf entsprechende Gutschrift lehnte der Beklagte unter Hinweis darauf ab, dass nach § 10 Abs. 3 Satz 1 Abwasserabgabengesetz (AbwAG) Aufwendungen nur für solche Abwasserbehandlungsanlagen verrechnungsfähig seien, deren Betrieb eine Minderung der Fracht einer der bewerteten Schadstoffe und Schadstoffgruppen erwarten lasse. Der Schadstoff AOX sei jedoch - wegen Unterschreitung des Schwellenwertes von 0,1 mg/l - bislang nicht bewertet, weshalb für AOX auch keine Abwasserabgabe anfalle. Es reiche für eine Verrechnung nicht aus, dass die Schadstofffracht, die reduziert werde, abstrakt nach dem AbwAG abgaberelevant sei; die Abgabenrelevanz müsse vielmehr im konkreten Fall gegeben sein. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos.
Die hiergegen erhobene Klage der Klägerin hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 Satz 1 AbwAG seien nicht erfüllt. Die Minderung eines nur allgemein abwasserabgaberelevanten Schadstoffs nach der Anlage zu § 3 AbwAG reiche nicht aus; vielmehr müsse der geminderte Schadstoff nach der gebotenen konkreten Betrachtungsweise durch die zuständige Abwasserbehörde bewertet worden sein. Hieran fehle es im Hinblick auf den Schadstoff AOX. Diese Auffassung ergebe sich schon aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 3 Satz 1 AbwAG. Sie folge auch aus einer systematischen Betrachtung des Gesetzestextes sowie nach historischer und teleologischer Auslegung. Der Gesetzgeber knüpfe die Bewertung der Schädlichkeit des Abwassers an die in § 3 Abs. 1 Satz 1 AbwAG genannten Parameter. Als Grundlage für die Ermittlung der Schädlichkeit dienten nach § 4 Abs. 1 AbwAG in der Regel die Festlegungen des wasserrechtlichen Bescheids, der die Einleitung des Abwassers in ein Gewässer zulasse. An diesem "Bescheidprinzip" habe der Gesetzgeber bewusst festgehalten. Die gesetzlichen Ausnahmen davon, dass die Erhebung der Abwasserabgabe (nur) an die wasserrechtlichen Festlegungen anknüpfe, spielten hier keine Rolle. Dasselbe gelte für Grenzwerte, die in anderen Genehmigungen, etwa in dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid, enthalten seien.
Unabhängig davon, dass es am Tatbestandsmerkmal des "bewerteten Schadstoffs" fehle, setze § 10 Abs. 3 Satz 1 AbwAG auch an einem "zu behandelnden Abwasserstrom" an. Diese Voraussetzung erfülle die Klägerin mit ihrer Teilanlage ebenfalls nicht, denn den "zu behandelnden Abwasserstrom" legten die Auflagen und sonstigen Nebenbestimmungen des wasserrechtlichen Erlaubnisbescheids zur Einleitung von Abwässern in das Gewässer fest. In diesem Bescheid werde vorgegeben, an welcher Stelle des Abwasserstroms bestimmte abwassertechnische Reinigungsanforderungen erfüllt sein müssten. Hier lege der wasserrechtliche Erlaubnisbescheid den Abwasserstrom nach Verlassen der werkseigenen Abwasserbehandlungsanlage, nicht aber den auf die Teilanlage bezogenen Teilstrom als "zu behandelnden Abwasserstrom" fest.
Hiergegen hat die Klägerin mit Einverständnis des Beklagten die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision eingelegt und zur Begründung ausgeführt: Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts verlange der Wortlaut des § 10 Abs. 3 AbwAG keine konkrete Bewertung der Schadstoffe durch die Wasserbehörde. Vielmehr spreche die Wortlautidentität der Vorschrift mit der Anlage zu § 3 AbwAG dafür, dass mit der Formulierung "bewertete Schadstoffe und Schadstoffgruppen" lediglich die vom Gesetzgeber vorgenommene Einstufung der genannten Parameter als potenziell abgaberelevant gemeint sei. Dies zeige sich auch an § 4 Abs. 4 Satz 5 und 6 AbwAG, die nicht auf einen entsprechenden Bescheid abstellten. Das Bescheidprinzip werde hierdurch nicht infrage gestellt, denn es bleibe weiterhin für den Einleitebescheid, die Bestimmungen der Jahresschmutzwassermenge und der Gesamtschadstofffracht maßgeblich. Für Teilströme passe das Bescheidprinzip dagegen nicht, da insoweit weder eine Ermittlung von Schadeinheiten durchgeführt noch eine Abgabe gezahlt werde. Die Anforderungen an den Teilstrom ergäben sich daher aus der jeweiligen immissionsschutzrechtlichen Anlagengenehmigung, die hier einen Grenzwert von 0,1 mg/l vorsehe, der durch die Inbetriebnahme der Teilanlage auf Null reduziert worden sei. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts verlange § 10 Abs. 3 Satz 1 AbwAG gerade nicht eine Reduktion solcher Schadstoffe, für die im konkreten Fall eine Abgabe gezahlt werde. Anderenfalls hätte der Gesetzgeber eine Verrechnung nur mit dem auf den verminderten Schadstoff entfallenden Teil der Abgabe zugelassen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe die 4. Änderungsnovelle zum Abwasserabgabengesetz das Bescheidprinzip nicht unverändert gelassen: Während nach der früheren Gesetzesfassung eine Verrechnung der Aufwendungen für solche Anlagen zulässig gewesen sei, "deren Betrieb eine Minderung eines der der Ermittlung der Schadeinheiten zugrunde zu legenden Werte beim Einleiten in das Gewässer in Höhe von 20 %" herbeigeführt habe, beziehe sich das Gesetz nunmehr auf eine Frachtminderung im Teilstrom und stelle insoweit nicht mehr auf eine Ermittlung der Schadeinheiten ab. Hätte der Gesetzgeber am Bescheidprinzip insoweit festhalten wollen, so hätte er § 10 Abs. 3 Satz 1 AbwAG unter Beibehaltung der früheren Formulierung gefasst. Schließlich spreche Sinne und Zweck des § 10 Abs. 3 AbwAG dafür, einen Verrechnungs- und Rückzahlungsanspruch der Klägerin anzuerkennen. Denn die Auffassung des Verwaltungsgerichts führe dazu, dass die vom Gesetzgeber beabsichtigte Anreizwirkung für Investitionen in signifikante Teilstromverbesserungen vielfach wirkungslos bliebe. Der Gesetzgeber habe ungenutztes Verbesserungspotenzial mit der 4. Änderungsnovelle aber gerade erschließen wollen. Das Ergebnis des Verwaltungsgerichts verfehle insoweit die Lenkungsziele des Abwasserabgabengesetzes. Es führe auch zu Wertungswidersprüchen, weil Abwasseremittenten, die von vornherein den Schwellenwert überschritten, privilegiert würden. Dies verleite dazu, zunächst entsprechende Überwachungswerte im Einleitebescheid zu beantragen, um in den Genuss der Verrechnungsmöglichkeit zu kommen und die Überwachungswerte danach wieder herabzuerklären.
Die Erwägungen des Verwaltungsgerichts zum Tatbestandsmerkmal des "zu behandelnden Abwasserstroms" widersprächen der Hessischen Vollzugspraxis sowie dem Gesetzeszweck, der allein darauf abstelle, ob es nach technischem Standard objektiv sinnvoll sei, einen Abwasserstrom als solchen zu behandeln. Die vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung habe zur Folge, dass nur Minderungen an Teilströmen verrechnungsfähig wären, für die konkrete Anforderungen gestellt würden, und überlasse das Bestehen der Berechnungsmöglichkeit contra legem der Entscheidung der Wasserbehörden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 23. Oktober 2002 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 18. August 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 23. November 1999 zu verpflichten, die in den Jahren 1995, 1996 und 1997 von der Klägerin für das Werk K. gezahlte Abwasserabgabe in Höhe von 279 235 DM zurückzuzahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt das angegriffene Urteil und weist darauf hin, dass der Gesetzgeber mit der 4. Änderungsnovelle eine Ausweitung der Verrechnungsmöglichkeit nur in Bezug auf die Fälle habe vornehmen wollen, die nach dem bisherigen Recht an der 20 %-Mindestschwelle (bezogen auf den Gesamtabwasserstrom) gescheitert wären. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass er auch solche Fälle zur Verrechnung habe zulassen wollen, welche - wie hier - bereits nach bisherigem Recht deshalb von der Verrechnung ausgeschlossen gewesen seien, weil mangels Erreichens des Schwellenwerts keine Verminderung der Schadeinheiten habe eintreten können. Auch könne dem novellierten Abwasserabgabengesetz eine Lenkungswirkung in dem Sinne, dass alle für den Gewässerschutz positiven Maßnahmen grundsätzlich privilegiert werden sollten, nicht entnommen werden. Dem Gesetzgeber sei es darauf angekommen, eine möglichst rasche Verringerung der in Schadeinheiten zu berechnenden Schadstofffrachten zu erreichen.
Der Vertreter des Bundesinteresses hält die angefochtene Entscheidung jedenfalls im Ergebnis für zutreffend. Aus § 3 AbwAG i.V.m. der Anlage ergebe sich unmittelbar, dass eine Abwassereinleitung unterhalb des Schwellenwerts keine abgabenrechtlich "bewertete" Einleitung sei. Das entspreche auch der Systematik sowie Sinn und Zweck der Verrechnungsregelung: Investitionen, die sich nur auf nichtabgaberelevante Abwassereinleitungen auswirkten, könnten Abgabevergünstigungen nicht rechtfertigen, weil die Einleitung aus Sicht des Gesetzgebers unschädlich und mithin ein Anreiz zu entsprechenden Investitionen sinnlos sei.
II.
Die zulässige Sprungrevision, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (vgl. § 101 Abs. 2, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 141 Satz 1 VwGO), ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht entschieden, dass der von der Klägerin geltend gemachte Verrechnungs- und Rückzahlungsanspruch nicht besteht.
1. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 Satz 1 AbwAG für die Verrechnung der Investitionsaufwendungen der Klägerin für die Teilanlage "Kristallisation" mit den von ihr in den Jahren 1995 bis 1997 gezahlten Abwasserabgaben nicht erfüllt sind, weil deren Betrieb nicht die in der genannten Vorschrift geforderte "Minderung der Fracht einer der bewerteten Schadstoffe und Schadstoffgruppen" erwarten lässt. Ohne Erfolg wendet die Revision demgegenüber ein, für die Frage, ob ein Schadstoff oder eine Schadstoffgruppe - hier AOX - "bewertet" sei, komme es allein auf deren vom Gesetzgeber in § 3 Abs. 1 AbwAG vorgenommene Einstufung als "potenziell abgaberelevant" an, nicht hingegen darauf, dass für den Schadstoff bzw. die Schadstoffgruppen, deren Schadstofffracht reduziert werde, im konkreten Fall eine Abgabe gezahlt werde.
a) Wie sich aus § 3 Abs. 1 AbwAG i.V.m. der Anlage zu dieser Vorschrift ergibt, handelt es sich bei den vom Gesetzgeber festgelegten Schadstoffparametern nicht schon um das Ergebnis der in § 10 Abs. 3 Satz 1 AbwAG angesprochenen Bewertung, sondern vielmehr um ihren Ausgangspunkt, wobei sich die "Bewertung" auf die Schädlichkeit des Abwassers bezieht, die "unter Zugrundelegung" der vom Gesetzgeber ausgewählten Schadstoffparameter nach der Tabelle in Teil A Absatz 1 der Anlage durch Ermittlung der Schadeinheiten nach Maßgabe der §§ 4 ff. AbwAG und Berücksichtigung der Schwellenwerte vorzunehmen ist. Der Auffassung der Revision steht vor allem § 3 Abs. 1 Satz 2 AbwAG entgegen, wonach die "Bewertung der Schädlichkeit" bei Unterschreitung der in der Anlage genannten Schwellenwerte "entfällt". Diese Regelung schließt es aus, die "Bewertung" bereits in der Festlegung der Schadstoffparameter durch den Gesetzgeber zu sehen.
b) Das Verwaltungsgericht hat es deswegen zutreffend als entscheidend für die Verrechnungsmöglichkeit angesehen, ob der Abgabenpflichtige in den maßgeblichen Abgabenjahren zu einer Abwasserabgabe bezüglich des durch die Investition reduzierten Schadstoffs herangezogen worden ist. Nur diese Auslegung entspricht auch dem Lenkungsziel des Abwasserabgabengesetzes sowie Sinn und Zweck der Verrechnungsregelung. Von der Abwasserabgabe soll eine Anreizwirkung zur Durchführung von Gewässerschutzmaßnahmen ausgehen (vgl. etwa BTDrucks 12/4272 S. 1). Diese Lenkungswirkung wird durch das "Bauphasenprivileg" nach § 10 Abs. 3 Satz 1 AbwAG gestützt, indem der Investitionsaufwand für bestimmte Maßnahmen schon vor deren Wirksamkeit, nämlich bereits während der auf drei Jahre geschätzten Bauzeit, mit der in diesem Zeitraum anfallenden Abwasserabgabe verrechnet werden kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Mai 1999 - BVerwG 8 B 70.99 - Buchholz 401.64 § 10 AbwAG Nr. 4 m.w.N.). Mit dieser Regelung ist aber keine Veränderung der in den §§ 3 ff. AbwAG geregelten Maßstäbe für die Bewertung der Schädlichkeit des Abwassers verbunden. Durch die Festlegung von Schwellenwerten in der Anlage zu § 3 AbwAG hat der Gesetzgeber die Anreizwirkung der Abwasserabgabe begrenzt. Auf Maßnahmen, die lediglich die Schadstofffracht eines solchen Parameters vermeiden oder verringern, der diese Schwellenwerte ohnehin nicht überschreitet, kam es dem Gesetzgeber in diesem Zusammenhang nicht an (BTDrucks 10/5533 S. 11, 15). Dieser Parameter wirkt sich von vornherein nicht auf die Abwasserabgabe aus (§ 3 Abs. 1 Satz 2 AbwAG). Die Verminderung der entsprechenden Schadstofffracht führt dementsprechend nicht zu einer Senkung der Abgabe. Wäre für Investitionen zur Verminderung dieser Schadstofffracht die Verrechnungsmöglichkeit nach § 10 Abs. 3 Satz 1 AbwAG eröffnet, wie es die Klägerin fordert, ergäbe sich eine Anreizwirkung für Gewässerschutzmaßnahmen, für die der Gesetzgeber gerade keinen Handlungsbedarf gesehen hat und die die vom Gesetzgeber beabsichtigte Lenkungswirkung des Abwasserabgabengesetzes verfälschten. Die Verrechnungsmöglichkeit nach § 10 Abs. 3 Satz 1 AbwAG muss deswegen auf Investitionen beschränkt sein, die zumindest einen der in § 3 Abs. 1 AbwAG genannten Parameter betreffen, bei dem die in der Anlage Teil A Absatz 1 genannten Schwellenwerte überschritten sind und der deswegen in den maßgeblichen Festsetzungsbescheiden abgaberelevant gewesen und in diesem Sinn "bewertet" ist.
Das gilt auch, wenn die Investition aufgrund einer auf ein anderes Gesetz - hier das Bundes-Immissionsschutzgesetz - gestützten Verpflichtung des Abgabenschuldners getätigt wird. Zwar besteht insoweit ein "Handlungsbedarf" für die entsprechende gewässerschützende Maßnahme. Er ergibt sich aber nicht aufgrund der dem Anreizsystem des Abwasserabgabengesetzes zugrunde liegenden Wertung des Gesetzgebers. Der Verrechnungsmöglichkeit des § 10 Abs. 3 Satz 1 AbwAG kommt - wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat - nur in diesem Rahmen eine Funktion zu. Dagegen dient sie nicht dazu, Aufwendungen für weitergehende Maßnahmen zu subventionieren, zu denen der Abgabenschuldner lediglich nach anderen gesetzlichen Regelungen verpflichtet ist. Eine der Regelung des § 10 Abs. 3 AbwAG widersprechende Doppelbelastung der Klägerin mit Investitionskosten und Abwasserabgaben ist damit entgegen der Auffassung der Klägerin nicht verbunden, weil sie für den durch die Investitionsmaßnahme verminderten Schadstoff AOX gerade keine Abwasserabgabe gezahlt hat.
c) Zur Ermittlung der "konkreten Abgaberelevanz" des aufgrund einer Investition in seiner Schadstofffracht verminderten Parameters hat das Verwaltungsgericht auf den wasserrechtlichen Erlaubnisbescheid abgestellt. Das führt im vorliegenden Fall zwar zu zutreffenden Ergebnissen, da es sich um einen Fall des § 4 Abs. 1 Satz 4 AbwAG handelt, beschreibt aber die insoweit vorzunehmende rechtliche Prüfung nur unvollständig, weil die Frage, ob im Sinne von § 10 Abs. 3 Satz 1 AbwAG eine Minderung der Fracht einer der "bewerteten Schadstoffe und Schadstoffgruppen" zu erwarten ist, nicht stets und jedenfalls nicht unmittelbar aufgrund eines wasserrechtlichen Erlaubnisbescheids entschieden werden kann. Der Gesetzgeber hat zwar auch im 4. Änderungsgesetz zum Abwasserabgabengesetz ausdrücklich an der "Bescheidlösung", auf die sich das Verwaltungsgericht maßgeblich stützt, festgehalten (BTDrucks 12/4272, S. 8). Daneben sieht § 6 AbwAG jedoch für Fälle, in denen behördlich festgesetzte Überwachungswerte fehlen, auch andere Methoden zur Ermittlung der Schädlichkeit vor, die zu einer "Bewertung" im Sinne von § 10 Abs. 3 Satz 1 AbwAG führen und eine Verrechnungsmöglichkeit nach dieser Vorschrift nicht ausschließen, ohne dass insoweit eine Anknüpfung an den wasserrechtlichen Erlaubnisbescheid möglich wäre. Selbst wenn - wie hier - ein wasserrechtlicher Erlaubnisbescheid besteht, kann ihm die maßgebliche "Bewertung" noch nicht unmittelbar entnommen werden. Denn er enthält lediglich Überwachungswerte, deren Abgaberelevanz sich erst nach Durchführung des beschriebenen Bewertungsverfahrens nach § 3 ff. AbwAG erweist, zumal, wie sich aus § 4 Abs. 1 Satz 4 AbwAG ergibt, Überwachungswerte auch festgelegt werden können, ohne dass eine Überschreitung der Schwellenwerte zu erwarten ist. Richtigerweise ist deswegen zur Entscheidung der Frage, ob es sich bei einem in seiner Schadstofffracht reduzierten Parameter um einen "bewerteten Schadstoff" oder um eine "bewertete Schadstoffgruppe" im Sinne von § 10 Abs. 3 Satz 1 AbwAG handelt, stets auf die maßgeblichen Abwasserabgabenfestsetzungsbescheide abzustellen, die eine im Einzelfall verbindliche Bewertung nach den Vorschriften der §§ 3 ff. AbwAG enthalten und denen entnommen werden kann, ob für diesen Parameter abgaberelevante Schadeinheiten angefallen und hierfür Abgaben festgesetzt worden sind.
d) Der Anknüpfung an die konkrete Abgabepflicht für den reduzierten Schadstoffparameter steht nach Ansicht der Klägerin entgegen, dass das 4. Änderungsgesetz zum Abwasserabgabengesetz in § 10 Abs. 3 AbwAG die Teilstrombetrachtung eingeführt hat, auf die das sich auf den Gesamtabwasserstrom beziehende Bewertungssystem der §§ 3 ff. AbwAG nicht anwendbar sei. Das trifft jedoch nicht zu. Zwar sind weder dem wasserrechtlichen Erlaubnisbescheid noch den Abgabenfestsetzungsbescheiden Aussagen zum hier maßgeblichen Teilstrom der neuen Teilanlage zu entnehmen. Das hindert jedoch nicht die Feststellung, ob gegenüber der Klägerin für den Parameter AOX Abwasserabgaben festgesetzt wurden. Schwierigkeiten tatsächlicher Art mag mangels bescheidmäßiger Aussagen allenfalls die Beantwortung der Frage bereiten, ob eine Minderung der Schadstofffracht eines Parameters um 20 % eingetreten ist. Sie kann aber ggf. auf der Grundlage von § 6 AbwAG entschieden werden und ist im vorliegenden Fall bezeichnender Weise auch nicht streitig gewesen. Für die von der Revision vertretene Rechtsauffassung lässt sich hieraus nichts herleiten. Auch in den Gesetzesmaterialien findet sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber mit der Einführung der Teilstrombetrachtung eine Verrechnungsmöglichkeit unabhängig davon eröffnen wollte, ob der reduzierte Parameter im konkreten Fall abgaberelevant gewesen ist.
Ein entsprechender Schluss lässt sich entgegen der Ansicht der Revision auch nicht daraus ziehen, dass die Investitionsaufwendungen nach § 10 Abs. 3 Satz 1 AbwAG mit der "insgesamt" für diese Einleitung und nicht nur für den reduzierten Parameter geschuldeten Abgabe verrechnet werden. Es ist - insbesondere im Hinblick auf den insoweit bestehenden weitreichenden Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Mai 1999 - a.a.O.) - nicht erkennbar, dass die Verrechnungsmöglichkeit in der vom Senat für maßgeblich erachteten Auslegung nach § 10 Abs. 3 Satz 3 AbwAG eine bestimmte Rechtsfolge zwingend voraussetzte. Ein Widerspruch zur dargelegten Lenkungswirkung der Abwasserabgabe besteht ebenfalls nicht.
2. Das Verwaltungsgericht hat sein Urteil - selbständig tragend und somit nicht entscheidungserheblich - auch darauf gestützt, dass der aus der Teilanlage resultierende Abwasserteilstrom kein "zu behandelnder Abwasserstrom" im Sinne von § 10 Abs. 3 Satz 1 AbwAG sei, weil ein solcher nur durch einen - hier solche Regelungen nicht enthaltenden - wasserrechtlichen Erlaubnisbescheid festgelegt werden könne.
Dieser Erwägung vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Maßgeblich ist nicht, ob die Behandlung des Teilstroms rechtlich geboten, sondern vielmehr, ob sie nach technischem Standard objektiv sinnvoll ist (zutreffend Köhler, Abwasserabgabengesetz, § 10 Rn. 65). Anderenfalls wäre die Verrechnungsmöglichkeit davon abhängig, dass die Behörde den wasserrechtlichen Erlaubnisbescheid auf eine Teilstrombetrachtung umgestellt hat. Ein solches aufwendiges Verfahren würde dem Ziel des 4. Änderungsgesetzes zuwiderlaufen, die Verrechnungsmöglichkeit durch die Umstellung auf eine Teilstrombetrachtung zu erleichtern; es erscheint, wie der vorliegende Fall wiederum zeigt, auch nicht erforderlich, um die vom Gesetzgeber mit diesem Tatbestandsmerkmal angestrebte hinreichende Definition und Eingrenzung des Teilstroms zu gewährleisten (vgl. BTDrucks 12/4272, S. 7).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 142 770,59 € (entspricht 279 235 DM) festgesetzt (§ 13 Abs. 2, § 14 GKG).
Ende der Entscheidung
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