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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 19.09.2000
Aktenzeichen: BVerwG 9 C 12.00
Rechtsgebiete: GG, AsylVfG, VwVfG, AuslG


Vorschriften:

GG Art. 16 a
AsylVfG § 73
VwVfG § 48
VwVfG § 49
AuslG § 51 Abs. 1
Leitsätze:

1. Der Widerruf einer - rechtmäßigen oder rechtswidrigen - Anerkennung als politisch Verfolgter (hier nach § 51 Abs. 1 AuslG) ist nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nur zulässig, wenn sich die für die Beurteilung der Verfolgungslage maßgeblichen Verhältnisse nachträglich erheblich geändert haben. Eine Änderung der Erkenntnislage oder deren abweichende Würdigung genügt nicht.

2. § 73 Abs. 2 AsylVfG regelt die Rücknahme einer rechtswidrigen Anerkennung nach Art. 16 a GG und § 51 Abs. 1 AuslG nicht abschließend, sondern lässt Raum für eine ergänzende Anwendung des § 48 VwVfG.

Urteil des 9. Senats vom 19. September 2000 - BVerwG 9 C 12.00

I. VG Magdeburg vom 20.09.1999 - Az.: VG A 9 K 160/98 -

II. OVG Sachsen-Anhalt vom 26.01.2000 - Az.: OVG A 1 S 174/99 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 9 C 12.00 OVG A 1 S 174/99

Verkündet am 19. September 2000

Battiege Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Hund und Richter, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eichberger

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten die Hauptsache für erledigt erklärt haben. Insoweit sind das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 20. September 1999 und das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 26. Januar 2000 mit Ausnahme der jeweiligen Kostenentscheidung unwirksam.

Im Übrigen werden die Revisionen zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Beklagte und der Beteiligte je zur Hälfte.

Gründe:

I.

Der Kläger, ein aus dem Nordirak stammender irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, reiste 1997 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte Asyl. Mit Bescheid vom 12. Februar 1997 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) die Gewährung von Asyl ab, stellte aber fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Irak vorliegen. Der Kläger müsse wegen seiner Asylantragstellung in Deutschland bei einer Rückkehr in den Irak politische Verfolgung befürchten.

Im Januar 1998 teilte das Bundesministerium des Innern dem Bundesamt mit, ausweislich von Stempeleintragungen türkischer Grenzbehörden am Grenzkontrollpunkt Sirnhak an der Grenze zum Nordirak habe sich der Kläger Ende 1997 für zwei Monate im Nordirak aufgehalten. Nach vorheriger Anhörung widerrief daraufhin das Bundesamt mit Bescheid vom 11. März 1998 die Feststellung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG und stellte unter Nr. 2 des Bescheids fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Zur Begründung führte es aus, die Situation im Irak habe sich grundlegend geändert. Für Angehörige der kurdischen Volksgruppe bestehe im Nordirak keine Verfolgungsgefahr. Dies werde auch durch die vorübergehende Rückreise des Klägers in den Nordirak bestätigt.

Das Verwaltungsgericht hat den Widerrufsbescheid aufgehoben, das Berufungsgericht die Berufungen der Beklagten und des beteiligten Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten (Bundesbeauftragter) zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, der Widerruf einer Asylanerkennung setze nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG voraus, dass die eine politische Verfolgung begründenden Umstände nachträglich weggefallen seien. Eine geänderte Erkenntnislage allein rechtfertige den Widerruf hingegen nicht. Da der Kläger bereits zum Zeitpunkt der Feststellung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG im Februar 1997 im Nordirak keiner Gefahr durch den irakischen Staat ausgesetzt gewesen sei und sich diese Situation seitdem nicht wesentlich verändert habe, lägen die Voraussetzungen für einen Widerruf nicht vor. Die Möglichkeit der Aufhebung von Asylanerkennungen sei in § 73 AsylVfG abschließend geregelt, deshalb könne der angegriffene Widerrufsbescheid auch nicht auf die §§ 48, 49 VwVfG gestützt werden.

Mit der Revision machen die Beklagte und der Beteiligte geltend, § 73 Abs. 1 AsylVfG rechtfertige den Widerruf auch bei einer nachträglichen Änderung der Erkenntnislage.

Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung die Feststellung in Nr. 2 des Widerrufsbescheids, dass keine Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen, aufgehoben; darauf haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache insoweit für erledigt erklärt.

II.

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren einzustellen und sind die Entscheidungen der Vorinstanzen für unwirksam zu erklären (§ 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 und § 92 Abs. 3 VwGO in entsprechender Anwendung). Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch der Widerruf der Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Insoweit haben die Revisionen im Ergebnis keinen Erfolg.

Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Widerruf einer Asylanerkennung nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nur möglich ist, wenn durch eine nachträgliche Änderung der Verhältnisse die Anerkennungsvoraussetzungen weggefallen sind. Dies gilt auch, wenn die Asylanerkennung oder die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG von Anfang an rechtswidrig war (1). Aus revisionsgerichtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist ferner die Annahme des Berufungsgerichts, dass hier keine erhebliche Änderung der Verhältnisse stattgefunden hat. Die in diesem Zusammenhang von der Beklagten erhobene Aufklärungsrüge greift nicht durch (2). Nicht im Einklang mit Bundesrecht steht allerdings die Auffassung des Berufungsgerichts, § 73 AsylVfG verdränge vollständig die Rücknahmevorschrift des allgemeinen Verwaltungsrechts (§ 48 VwVfG). Die Aufhebung des Widerrufsbescheids erweist sich gleichwohl als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO), da er mangels der hierfür erforderlichen Ermessensausübung nicht auf § 48 VwVfG gestützt werden kann (3).

1. Nach der Vorschrift des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, auf die sich der angefochtene Widerrufsbescheid des Bundesamtes ausdrücklich stützt, sind die Asyl oder Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG zusprechenden Entscheidungen unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen, also insbesondere dann, wenn die Gefahr politischer Verfolgung im Herkunftsstaat nicht mehr besteht. Dies ist, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, nur dann der Fall, wenn sich die zum Zeitpunkt der Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse nachträglich entscheidungserheblich geändert haben (so auch das Urteil des OVG Koblenz vom 29. März 2000 - OVG 7 A 10030/00 -, das Gegenstand der Entscheidung des Senats vom heutigen Tag in der Sache BVerwG 9 C 7.00 ist; ebenso VGH Mannheim, Urteil vom 23. November 1999 - A 6 S 1974/98 - <juris>). Ändert sich hingegen im Nachhinein lediglich die Beurteilung der Verfolgungslage, so rechtfertigt dies - entgegen der Auffassung der Beklagten, die sich insoweit auf den VGH München (Urteil vom 1. Dezember 1998 - 24 B 98.31324 - EZAR 214 Nr. 9 = BayVBl 1999, 566) beruft - den Widerruf nicht, selbst wenn die andere Beurteilung auf erst nachträglich bekannt gewordenen oder neu erstellten Erkenntnismitteln beruht. Dass § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG den Widerruf nur bei einer Änderung der Sachlage, nicht aber bei der bloßen Änderung der Erkenntnislage oder deren abweichender Würdigung vorschreibt, legt schon der Wortlaut der Vorschrift nahe ("wenn die Voraussetzungen für sie <sc. die Anerkennung> nicht mehr vorliegen"). Insbesondere ergibt sich dieses Verständnis aber aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung und aus gesetzessystematischen Erwägungen.

Der Gesetzgeber hatte ausweislich des Gesetzentwurfs der Fraktionen der SPD und FDP bei Schaffung des § 16 Abs. 1 AsylVfG 1982, der insoweit im Wesentlichen gleich lautenden Vorgängervorschrift des heutigen § 73 Abs. 1 AsylVfG, vor allem den Fall als Widerrufsgrund vor Augen, dass "in dem Verfolgungsland ein Wechsel des politischen Systems eingetreten ist, so dass eine weitere Verfolgung nicht mehr zu befürchten ist" (BTDrucks 9/875, S. 18). Auch der in der Gesetzesbegründung weiter enthaltene Verweis auf Art. 1 C Nrn. 5, 6 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (BGBl 1953 II S. 560 - Genfer Flüchtlings-Konvention - GFK) bestätigt diese Zielrichtung. Denn nach den in Bezug genommenen Bestimmungen der Konvention fällt eine Person nicht mehr unter das Abkommen, wenn - neben anderen Voraussetzungen - die Umstände weggefallen sind, aufgrund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass darüber hinaus allein die Änderung der Erkenntnislage den Widerruf rechtfertigen sollte, lassen sich weder den Gesetzesmaterialien zu § 16 AsylVfG 1982 noch denen zum geltenden § 73 AsylVfG, schließlich auch nicht der Entstehungsgeschichte zur früheren Widerrufsbestimmung des § 37 AuslG 1965 (BTDrucks IV/868 und IV/3013 S. 8) entnehmen.

Auch die gesetzessystematische Betrachtung spricht für die Beschränkung der Widerrufsmöglichkeit auf die Fälle einer Änderung der Sachlage. Die allgemeine, von § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG als Spezialvorschrift verdrängte Widerrufsbestimmung in § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG erlaubt der Behörde die Aufhebung eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts unter anderem nur aufgrund "nachträglich eingetretener Tatsachen". Erhält die Behörde hingegen im Nachhinein Kenntnis von Tatsachen, welche die ursprüngliche Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts begründen, eröffnet dies nach § 48 VwVfG unter den dort genannten Voraussetzungen die Möglichkeit seiner Rücknahme. Entsprechend klar unterscheidet der Gesetzgeber beim Wiederaufgreifen unanfechtbarer Verwaltungsakte zwischen der nachträglichen Änderung der dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Sach- oder Rechtslage (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG) und dem Vorliegen neuer Beweismittel (Nr. 2). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG diese Unterscheidung aufgeben und in Abweichung von der auch in § 73 Abs. 1 und 2 AsylVfG angelegten systematischen Trennung zwischen Widerruf und Rücknahme den Widerruf auch für den Fall vorsehen wollte, dass spätere Erkenntnisse eine ursprünglich objektiv fehlerhafte Verfolgungsprognose und damit zugleich die anfängliche Rechtswidrigkeit der Anerkennung offenbaren.

Schließlich verlangt auch der Gesetzeszweck keine erweiternde Auslegung der Widerrufsregelung auf den Fall der nachträglich besseren Erkenntnis. § 73 Abs. 1 AsylVfG will die Pflicht zum Widerruf für die Fälle festschreiben, in denen sich die Sachlage - insbesondere im Verfolgerstaat - so geändert hat, dass nun keine politische Verfolgung mehr zu befürchten ist. Hat das Bundesamt diese Verfolgungsgefahr hingegen ursprünglich falsch - wenn auch möglicherweise aufgrund der seinerzeit vorliegenden Erkenntnislage nachvollziehbar - eingeschätzt, kann dem über die Rücknahmevorschriften (§ 73 Abs. 2 AsylVfG und in ergänzender Anwendung § 48 VwVfG - s. dazu unten 3.) Rechnung getragen werden.

Die Voraussetzungen für die Anerkennung liegen danach dann im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht mehr vor, wenn sich die für die Beurteilung der Verfolgungslage maßgeblichen Verhältnisse nach Ergehen des bestandskräftigen Anerkennungsbescheids erheblich geändert haben - dazu können auch Änderungen des ausländischen Rechts wie z.B. der Erlass eines Amnestiegesetzes gehören - und die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 51 Abs. 1 AuslG deswegen nunmehr ausgeschlossen ist. Ob eine solche Änderung eingetreten ist, beurteilt sich dabei nicht allein nach dem im Anerkennungsbescheid vom Bundesamt zugrunde gelegten Sachverhalt, sondern nach den damals im Verfolgerstaat tatsächlich herrschenden Verhältnissen. Auch aus dem Ablauf einer längeren Zeitspanne ohne besondere Ereignisse im Verfolgerstaat kann eine erhebliche, die Pflicht zum Widerruf begründende Veränderung der Verhältnisse folgen. Neue Einschätzungen und neue Erkenntnisse über eine objektiv unveränderte Lage hingegen sind - wie bereits ausgeführt - kein Widerrufsgrund im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Dies gilt auch für eine geänderte oder neu gebildete Rechtsprechung zur Verfolgungslage in einem Herkunftsstaat, sofern sie nicht ihrerseits auf einer erheblichen Veränderung der Verhältnisse beruht.

Es kann hier offen bleiben, ob die im Ausgangsbescheid getroffene Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, von vornherein rechtswidrig war, wovon das Berufungsgericht ausgeht. Denn § 73 Abs. 1 AsylVfG ermächtigt und verpflichtet zum Widerruf auch einer ursprünglich rechtswidrigen Anerkennung nur unter denselben Voraussetzungen wie beim Widerruf einer zu Recht erfolgten Anerkennung, d.h. bei einer nachträglichen Änderung der Verhältnisse. Zwar betrifft die Vorschrift entsprechend der allgemeinen verwaltungsrechtlichen Terminologie (vgl. §§ 48, 49 VwVfG) in erster Linie die Aufhebung rechtmäßiger Verwaltungsakte. Der Senat hat aber mehrfach entschieden, dass es für die Anwendbarkeit des § 73 Abs. 1 AsylVfG unerheblich ist, ob die Anerkennung rechtmäßig oder rechtswidrig erfolgt ist, nach dieser Bestimmung daher auch rechtswidrige Anerkennungen zu widerrufen sind (BVerwG, Beschlüsse vom 20. Juni 1996 - BVerwG 9 B 644.95 - <juris> und vom 27. Juni 1997 - BVerwG 9 B 280.97 - NVwZ-RR 1997, 741). Dies entspricht der Rechtslage im allgemeinen Verwaltungsrecht, nach der ein rechtswidriger Verwaltungsakt in entsprechender Anwendung des § 49 VwVfG widerrufen werden kann, wenn die Widerrufsvoraussetzungen vorliegen (BVerwG, Urteil vom 21. November 1986 - BVerwG 8 C 33.84 - NVwZ 1987, 498 = Buchholz 316 § 49 VwVfG Nr. 9; VGH Mannheim, Urteil vom 6. März 1991 - 5 Sa 2630/89 - NVwZ-RR 1992, 126; OVG Münster, Urteil vom 4. Februar 1992 - 5 A 1320/88 - NVwZ 1993, 76). Der dieser Auffassung zugrunde liegende Erst-recht-Schluss gilt uneingeschränkt auch für das Asylverfahrensrecht.

Der Anwendung des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auf rechtswidrige Verwaltungsakte steht auch nicht entgegen, dass die Voraussetzungen einer zu Unrecht erfolgten Asylanerkennung oder Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG im Nachhinein scheinbar nicht entfallen sein können, da sie begriffsnotwendig von Anfang an nicht vorlagen. Diese Sicht verstellt den Blick für den eigenständigen, nicht an die Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheids, sondern an die nachträgliche Veränderung der politischen Verhältnisse im Verfolgerland anknüpfenden Regelungszweck der Widerrufsbestimmung. So besteht der vermeintliche Widerspruch beispielsweise nicht, wenn bei einer allgemein vorhandenen Verfolgungsgefahr eine Anerkennung ausgesprochen wurde, obwohl einzelne Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl oder Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG nicht vorlagen, im Nachhinein die allgemeine Verfolgungsgefahr aber insgesamt entfallen ist. Wurde etwa eine Anerkennung rechtswidrig gewährt, weil eine tatsächlich vorhandene inländische Fluchtalternative nicht beachtet oder eine Gruppenverfolgung rechtlich unzutreffend angenommen wurde, lässt aber ein späterer politischer Systemwechsel die zugrunde gelegte Verfolgungsgefahr nunmehr eindeutig landesweit entfallen, so ist kein Grund erkennbar, weshalb § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auf solche Fälle nachträglicher Sachlagenänderungen nicht anzuwenden sein sollte. Insbesondere eröffnet dies die Möglichkeit eines Widerrufs bereits dann, wenn jedenfalls unzweifelhaft eine nachträgliche Änderung der Verhältnisse feststeht, ohne dass es noch der unter Umständen schwierigeren Prüfung und Entscheidung bedürfte, ob die ursprüngliche Anerkennung rechtmäßig oder rechtswidrig war (so schon Beschlüsse des Senats vom 20. Juni 1996 und 27. Juni 1997 jew. a.a.O.).

Die Beklagte vertritt demgegenüber unter Berufung auf den VGH München (Urteil vom 1. Dezember 1998 - 24 B 98.31324 - a.a.O.) die Auffassung, der Widerruf einer rechtswidrigen Anerkennung sei auch ohne nachträgliche Änderung der Verhältnisse stets zulässig, wann immer im Nachhinein - auch infolge neuer Erkenntnisse, neuer Lageeinschätzungen oder einer geänderten Rechtsprechung - festgestellt werde, dass die ursprüngliche Anerkennung jedenfalls aus jetziger Sicht rechtswidrig sei. Dieser Standpunkt, der an den Widerruf einer rechtswidrigen Anerkennung geringere oder jedenfalls andere Anforderungen stellen will als an den Widerruf einer rechtmäßigen, findet im Gesetz keine Stütze. Die Anwendung des § 73 Abs. 1 AsylVfG auf rechtswidrige Verwaltungsakte rechtfertigt nicht die Schaffung veränderter Widerrufsbedingungen (so auch die übereinstimmende Auffassung zum Widerruf rechtswidriger Verwaltungsakte nach § 49 VwVfG im allgemeinen Verwaltungsrecht: VGH Mannheim, Urteil vom 23. November 1999 - A 6 S 1974/98 - <juris>; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 49 Rn. 5; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl. 1998, § 49 Rn. 6 f.; Klappstein in: Knack, VwVfG, 6. Aufl. 1998, § 49 Rn. 2.3; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 4. Aufl. 1995, § 61 Rn. 23). Hierfür besteht auch keine sachliche Notwendigkeit. Sofern die Aufhebung der Asylanerkennung wegen ihrer Rechtswidrigkeit geboten erscheint, kann dem durch Anwendung der Rücknahmevorschriften (§ 73 Abs. 2 AsylVfG, § 48 VwVfG - s. unten 3.) Rechnung getragen werden. Deshalb ist auch die Befürchtung der Beklagten und des Beteiligten nicht begründet, bei diesem Verständnis des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG werde ein wegen fehlerhafter Gefahrenprognose rechtswidrig anerkannter Asylbewerber gegenüber dem zunächst rechtmäßig anerkannten Asylbewerber besser gestellt.

2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der angefochtene Widerrufsbescheid des Bundesamts vom 11. März 1998 nicht auf § 73 Abs. 1 AsylVfG gestützt werden kann, revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.

Die Verfahrensrüge der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Die Beklagte macht geltend, das Berufungsgericht habe seine gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verletzt, weil es dem von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag nicht nachgekommen sei; es hätte "auf Grund des Beweisantrages den Sachverhalt dahin gehend weiter aufklären müssen, ob schon zum Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheides keine Verfolgungsgefahr wegen Asylantragstellung für den Ausländer bestand". Es kann dahinstehen, ob die Verfahrensrüge in jeder Hinsicht den Darlegungsanforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO entspricht, sie ist jedenfalls nicht begründet. Auf die unter Beweis gestellte Frage kam es nach der insoweit allein maßgeblichen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht an. Danach konnte der Widerruf nur bei einer nachträglichen Änderung der Sachlage auf § 73 Abs. 1 AsylVfG gestützt werden, unabhängig davon, ob die ursprüngliche Feststellung über das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 51 Abs. 1 AuslG rechtmäßig oder rechtswidrig erfolgt war. Da das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner insoweit mit Revisionsgründen nicht angegriffenen Feststellungen zu der Erkenntnis gelangt ist, dass dem Kläger bereits bei Erlass des Ausgangsbescheids im Februar 1997 jedenfalls im Nordirak nicht die Gefahr politischer Verfolgung drohte und dass sich hieran auch in der Folgezeit nichts Entscheidendes geändert hat, war es nicht entscheidungserheblich, ob - worauf der Hilfsbeweisantrag und die Aufklärungsrüge zielen - schon im Februar 1997 für freiwillig in den Irak zurückkehrende Kurden ohnehin keine Verfolgungsgefahr wegen der Asylantragstellung im Ausland bestand. Dass sich die Verfolgungslage insoweit für die Kurden im Irak seit Februar 1997 erheblich geändert habe, war nicht Gegenstand des Beweisantrags und wurde von der Beklagten auch nicht behauptet; auch unter dem allenfalls noch denkbaren Gesichtspunkt einer Sachverhaltsänderung durch Zeitablauf musste sich dem Berufungsgericht eine weitere Aufklärung nicht aufdrängen.

Auf der Grundlage der danach mangels zulässiger und begründeter Revisionsgründe für den Senat bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ist dessen Annahme, dass die Gefährdungslage sich für den Kläger jedenfalls im Hinblick auf den Nordirak seit Februar 1997 nicht erheblich geändert hat, revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Wie sich die verschiedenen Ereignisse und Geschehensabläufe im Nordirak seit Februar 1997 - etwa die Ende 1998 durchgeführten alliierten Luftangriffe gegen Ziele im Irak, das zwischen den rivalisierenden kurdischen Parteien KDP und PUK im Herbst 1998 abgeschlossene Abkommen oder die vom UNHCR bestätigte Rückkehr einer Großzahl von Flüchtlingen in den Irak - auf die Gefährdungslage des Klägers im Vergleich zur Lage vor Erlass des Ausgangsbescheids ausgewirkt haben, zählt in erster Linie zu der dem Berufungsgericht vorbehaltenen und als solcher revisionsgerichtlich grundsätzlich nicht überprüfbaren tatrichterlichen Würdigung der Verhältnisse im Irak. Das Berufungsgericht hat hierbei den rechtlichen Maßstab für eine nachträgliche erhebliche Sachverhaltsänderung auch nicht verkannt oder falsch angewandt; insoweit erheben auch die Revisionen keine Einwände.

Revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden ist schließlich, dass das Berufungsgericht der - von ihm als wahr unterstellten - vorübergehenden Rückreise des Klägers in den Nordirak nach der Gewährung von Abschiebungsschutz keine den Widerruf nach § 73 Abs. 1 AsylVfG rechtfertigende Bedeutung beigemessen hat. Im Ausgangspunkt zu Recht zieht das Berufungsgericht die freiwillige Rückreise eines anerkannten Asylbewerbers in den Heimatstaat als möglichen Anlass für einen Widerruf in Betracht. Der - unterstellte - zweimonatige Aufenthalt des Klägers im Nordirak wäre zwar, wovon auch das Berufungsgericht ausgeht, keine Handlung, mit der er sich erneut dem Schutz des Staates unterstellt, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und die deshalb nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG unmittelbar kraft Gesetzes zum Erlöschen der erlangten Rechtsposition aus § 51 Abs. 1 AuslG führen würde. Die Rückreise ist aber ein nachträgliches Ereignis, das je nach den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls Rückschlüsse auf eine dortige Verfolgungsgefahr oder jedenfalls die Verfolgungsfurcht des Betroffenen zulassen kann. Hier ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass dem Kläger im Nordirak schon im Februar 1997 keine Gefahr politischer Verfolgung drohte. Die dieser Annahme zugrunde liegenden tatrichterlichen Feststellungen sind nicht angegriffen und im Revisionsverfahren bindend. Dann ist aber auch die weitere - nahe liegende - Folgerung des Tatsachengerichts nicht zu beanstanden, aus der Rückreise des Klägers in den Nordirak lasse sich nicht auf eine erhebliche nachträgliche Änderung der dortigen Verhältnisse schließen.

3. Nicht mit Bundesrecht vereinbar ist die Auffassung des Berufungsgerichts, der angefochtene Widerrufsbescheid könne schon deshalb nicht auf die §§ 48, 49 VwVfG gestützt werden, weil die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme einer Asylanerkennung in § 73 AsylVfG abschließend geregelt seien. Jedenfalls die Rücknahmevorschrift des § 48 VwVfG findet neben § 73 AsylVfG Anwendung.

Die Bestimmungen des allgemeinen Verwaltungsrechts über Rücknahme und Widerruf (§§ 48, 49 VwVfG) gelten neben den spezialgesetzlichen Regelungen in § 73 AsylVfG über die Aufhebung von Asylanerkennungen und Feststellungen von Abschiebungshindernissen nach § 51 Abs. 1 AuslG, soweit diese Raum dafür lassen. Ob § 73 Abs. 1, 2 AsylVfG den Widerruf und die Rücknahme von Asylanerkennungen abschließend regelt und so die §§ 48, 49 VwVfG vollständig verdrängt, hat das Bundesverwaltungsgericht bisher ausdrücklich offen gelassen (BVerwG, Beschlüsse vom 27. Juni 1997 - BVerwG 9 B 280.97 - a.a.O. und vom 21. März 1990 - BVerwG 9 B 276.89 - NVwZ 1990, 774 zur Vorgängervorschrift des § 16 AsylVfG 1982; ebenso VGH Mannheim, Urteil vom 23. November 1999 - A 6 S 1974/98 - <juris>; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 48 Rn. 14). Der Senat entscheidet diese Frage entgegen der - nicht näher begründeten - überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 29. März 2000, a.a.O.; VGH München, Urteil vom 1. Dezember 1998, a.a.O.; Marx, AsylVfG, 4. Aufl. 1999, § 73 Rn. 5; Renner, AuslR, 7. Aufl. 1999, § 73 AsylVfG Rn. 3, 21) nunmehr dahin, dass § 73 AsylVfG die Rücknahme von Anerkennungsbescheiden nicht abschließend regelt.

Nach § 73 Abs. 2 AsylVfG sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG zurückzunehmen, wenn sie aufgrund unrichtiger Angaben oder infolge Verschweigens wesentlicher Tatsachen erfolgt sind. Weder der Wortlaut noch die Entstehungsgeschichte des § 73 Abs. 2 AsylVfG oder seiner Vorgängernorm in § 16 Abs. 2 AsylVfG 1982 geben einen Anhaltspunkt dafür, dass diese Rücknahmevorschrift abschließend gemeint ist (im Ergebnis ebenso Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl. 1998, § 48 Rn. 14). Der Umstand, dass in den Gesetzesmateralien zu den §§ 72 ff. AsylVfG nicht auf die allgemeinen Bestimmungen in §§ 48, 49 VwVfG Bezug genommen wurde, lässt keinen sicheren Rückschluss auf deren ergänzende Anwendung im Asylverfahren zu, spricht jedoch entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Koblenz (Urteil vom 29. März 2000, a.a.O.) eher gegen als für den abschließenden Charakter des § 73 Abs. 2 AsylVfG. Auch aus dem systematischen Zusammenhang sowie dem Sinn und Zweck der Vorschriften über die Aufhebung und das Erlöschen einer Asylanerkennung in den §§ 72 bis 73 a AsylVfG lässt sich ein abschließender Charakter der asylrechtlichen Rücknahmevorschrift nicht herleiten. Zwar schaffen die §§ 72 bis 73 a AsylVfG ein gestuftes System von gesetzlichen Erlöschensgründen und zwingenden Aufhebungstatbeständen für asylrechtliche Anerkennungen nach Art. 16 a GG und § 51 Abs. 1 AuslG sowie für die Gewährung von ausländerrechtlichem Abschiebungsschutz durch das Bundesamt nach § 53 Abs. 1, 2, 4 oder 6 AuslG. Dieses Regelungssystem erfasst indes nur bestimmte, vom Gesetzgeber als spezialgesetzlich regelungsbedürftig angesehene Fallgruppen. § 73 Abs. 2 AsylVfG verschärft die allgemeine Regelung (§ 48 VwVfG), welche die Rücknahme in das Ermessen der Behörde stellt, zu einer Rücknahmepflicht für die Fallgruppe unrichtiger Angaben oder verschwiegener Tatsachen. Andere in § 48 VwVfG geregelte Fallgruppen - etwa die der Drohung oder Bestechung oder die der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Asylsuchenden von der Rechtswidrigkeit der Anerkennung - sind dagegen von § 73 Abs. 2 AsylVfG ebenso wenig erfasst wie die sonstigen Fälle, in denen die Anerkennung aus nicht dem Asylsuchenden zuzurechnenden Gründen - etwa wegen einer falschen Einschätzung der Gefährdungslage oder rechtsirriger Annahme der Anerkennungsvoraussetzungen seitens des Bundesamts - von Anfang an rechtswidrig ist. Das Gesetz lässt keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass und weshalb zwar eine Verschärfung der allgemeinen Rücknahmebestimmung für die Fälle des § 73 Abs. 2 AsylVfG vorgeschrieben wird, aber in allen anderen Fällen anfänglich rechtswidriger Asylanerkennungen nicht einmal eine Rücknahme nach Ermessen unter Rückgriff auf § 48 VwVfG zulässig sein sollte. Ein sachlicher Grund hierfür ergibt sich auch nicht aus dem Hinweis auf einen mit der Asylanerkennung verbundenen "Status" als politischer Flüchtling (so aber offenbar OVG Koblenz, Urteil vom 29. März 2000, a.a.O.). Die Stellung als Asylberechtigter wie auch die als politischer Flüchtling nach § 51 Abs. 1 AuslG ist nämlich - wie die Pflicht zum Widerruf nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG zeigt - nicht mit einer besonderen Bestandskraft oder einem erhöhten Vertrauensschutz ausgestattet (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 17. August 1988 - BVerwG 9 B 263.88 - Buchholz 402.25 § 16 AsylVfG Nr. 1; zu Besonderheiten bei rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidungen vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 - BVerwG 9 C 53.97 - BVerwGE 108, 30), sondern grundsätzlich stets von der Entwicklung der Verhältnisse im Verfolgerland abhängig. Die mit der Asylanerkennung verbundene Rechtsstellung kann außerdem auch im Rahmen einer Ermessensentscheidung über die Rücknahme nach § 48 VwVfG berücksichtigt werden.

Die ergänzende Anwendung des § 48 VwVfG auf von Anfang an rechtswidrige Anerkennungsbescheide führt schließlich entgegen den Bedenken des Berufungsgerichts auch nicht zur Gefahr einer Aushöhlung der Weisungsfreiheit des sog. Einzelentscheiders nach § 5 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG. Zwar kann der Leiter des Bundesamts oder ein von ihm beauftragter Bediensteter (§ 73 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG) danach trotz unveränderter Sachlage die Anerkennung gestützt auf § 48 VwVfG zurücknehmen, wenn er sie wegen einer Fehleinschätzung der Verfolgungssituation durch den Einzelentscheider für rechtswidrig hält. Darin liegt aber ebenso wenig ein Eingriff in dessen Weisungsunabhängigkeit wie im Fall der vom Asylverfahrensgesetz selbst in § 73 Abs. 2 und 4 Satz 1 AsylVfG dem Leiter des Bundesamtes oder einem von ihm beauftragten Bediensteten übertragenen Zuständigkeit für Rücknahmeentscheidungen. Zudem ist die beliebige Korrektur von Anerkennungsbescheiden durch den Leiter des Bundesamtes ohnehin ausgeschlossen, weil die Rücknahmeentscheidung ihrerseits rechtsgebunden und gerichtlicher Kontrolle unterworfen ist.

Das Berufungsgericht hat danach zu Unrecht schon wegen des vermeintlich abschließenden Charakters der Rücknahmebestimmung in § 73 Abs. 2 AsylVfG nicht in Erwägung gezogen, ob § 48 VwVfG als mögliche Rechtsgrundlage zur Aufrechterhaltung des angefochtenen Widerrufsbescheids in Betracht kommt. Das Berufungsurteil erweist sich dennoch als im Ergebnis richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO), auch wenn man mit dem Berufungsgericht die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG im Ausgangsbescheid für rechtswidrig hält. Das ist freilich nicht schon deshalb der Fall, weil die etwaige Umdeutung (§ 47 VwVfG) des Widerrufs in einen Rücknahmebescheid oder der bloße Austausch der Rechtsgrundlage mit § 48 VwVfG an einer Verfristung der Rücknahme scheitern würde. Denn die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG beginnt u.a. erst dann zu laufen, wenn die für die Rücknahme zuständige Behörde die Rechtswidrigkeit des aufzuhebenden Verwaltungsakts erkannt hat (stRspr; BVerwG, Beschluss des Großen Senats vom 19. Dezember 1984 - BVerwG Gr.Sen. 1 und 2.84 - BVerwGE 70, 356 und Urteil vom 19. Dezember 1995 - BVerwG 5 C 10.94 - BVerwGE 100, 199 <201 f.>). Dass das Bundesamt die Rechtswidrigkeit der Anerkennung bei Erlass des Widerrufsbescheids kannte, ist nicht festgestellt oder sonst ersichtlich. Es hat den Widerruf vielmehr ausdrücklich auf § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestützt und damit begründet, dass sich die Situation im Irak "grundlegend geändert" habe, ist also offenbar davon ausgegangen, dass die Feststellung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG in dem widerrufenen Bescheid ursprünglich rechtmäßig war.

Der angefochtene Widerrufsbescheid kann jedoch deshalb nicht auf § 48 VwVfG gestützt oder entsprechend umgedeutet werden, weil die Rücknahme eine behördliche Ermessensausübung voraussetzt, die vom Bundesamt in dem als gebundene Entscheidung ergangenen Widerrufsbescheid nicht vorgenommen wurde (vgl. § 47 Abs. 3 VwVfG).

Das in § 48 VwVfG eröffnete Rücknahmeermessen war im Falle des Klägers auch nicht auf Null reduziert, so dass die fehlende Ermessensentscheidung unschädlich wäre. Bereits der Vergleich mit der spezialgesetzlich angeordneten Rücknahmepflicht in § 73 Abs. 2 AsylVfG zeigt, dass der Gesetzgeber die anfängliche Rechtswidrigkeit in anderen Fällen nicht als so gewichtig ansieht, dass generell kein Rücknahmeermessen eingeräumt wird. Erkennt das Bundesamt die Rechtswidrigkeit einer Asylgewährung oder einer Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG, steht ihm vielmehr regelmäßig ein weites, auch etwaige Erwägungen zur Verfahrensökonomie einschließendes Ermessen bei der Frage zu, ob es überhaupt ein Rücknahmeverfahren einleitet. Bei der Entscheidung über die Rücknahme hat es ferner stets auch zu erwägen, ob die Asylanerkennung mit Rückwirkung oder nur mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werden soll (vgl. hierzu auch BVerwG, Beschluss vom 17. August 1988 - BVerwG 9 B 263.88 - a.a.O. zur früheren Ermessensvorschrift über den Widerruf von Asylberechtigungen in § 37 AuslG 1962). Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung bestehen danach auch im Fall des Klägers nicht.

Die Kostenentscheidung beruht, soweit sie den übereinstimmend für erledigt erklärten Teil des Verfahrens über die Feststellung zu § 53 AuslG betrifft, auf § 161 Abs. 2 VwGO, im Übrigen auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert folgt aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.

Ende der Entscheidung

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