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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 31.08.2005
Aktenzeichen: BVerwG 9 C 3.04
Rechtsgebiete: WHG, AbwAG, AbwV, LWA NRW


Vorschriften:

WHG § 7 a
WHG § 21 Abs. 1 Satz 3
AbwAG § 4 Abs. 4
AbwV § 6 Abs. 1
AbwV § 6 Abs. 2
LWA NRW § 60
LWA NRW § 61
LWA NRW § 120
1. Lesen Behördenmitarbeiter Abwasservolumenmesswerte von einer nach den Vorgaben der wasserrechtlichen Erlaubnis in einer Kläranlage vom Anlagenbetreiber installierten Messeinrichtung ab, greifen sie nicht auf Ergebnisse der Selbstüberwachung des Anlagenbetreibers zurück; vielmehr handelt es sich um Maßnahmen der staatlichen Überwachung i.S.v. § 4 Abs. 4 Satz 1 AbwAG. Gleiches gilt, wenn die Messergebnisse von einer Untersuchungsstelle ermittelt worden sind, die von der zuständigen Behörde mit Probenahmen beauftragt worden ist.

2. Weder das Abwasserabgabengesetz noch wasserrechtliche Vorschriften verlangen, dass zulässige Messtoleranzen bei der Ermittlung des Abwasservolumenstroms im Rahmen der Festsetzung der Abwasserabgabe berücksichtigt werden.

3. Die "gilt als eingehalten-Regelung" des § 6 Abs. 1 AbwV findet für Abwassermengenhöchstwerte keine unmittelbare oder analoge Anwendung. Das schließt eine entsprechende Regelung in der wasserrechtlichen Erlaubnis nicht aus.


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 9 C 3.04

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 31. August 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Vallendar, Prof. Dr. Rubel, Dr. Nolte und Domgörgen ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 27. Januar 2004 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen die vom Beklagten festgesetzte Höhe der Abwasserabgabe für das Jahr 2001.

Die Einleitung von gereinigtem Abwasser aus einer vom Kläger betriebenen Kläranlage in ein Gewässer ist nach dem wasserrechtlichen Erlaubnisbescheid auf einen Höchstwasserabfluss von 478 l/s begrenzt. Wegen des Messverfahrens verweist der Bescheid auf DIN 19559; vom eingesetzten Messsystem verlangt er, "dass die zu erwartenden Schwankungen des Abwasservolumenstroms mit einer Genauigkeit von mindestens 10 % vom jeweils gemessenen Wert (Momentanwert) umfasst werden".

Für das Veranlagungsjahr 2001 setzte der Beklagte eine Abwasserabgabe von 115 908,05 € fest. Dabei legte er eine einmalige Überschreitung der festgelegten Abwasserhöchstmenge um 0,41 % und mithin - multipliziert mit dem Faktor 0,5 - eine Erhöhung der Schadeinheiten von 0,2 % mit der Folge eines Abgabenmehrbetrages von 231,31 € zugrunde.

Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage, mit der der Kläger geltend machte, die festgestellte Überschreitung der Abwassermenge rechtfertige keine Erhöhung der Abwasserabgabe nach § 4 Abs. 4 Satz 7 AbwAG, weil sie innerhalb der im Bescheid geregelten Messtoleranz liege, hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte habe bei der Abgabenfestsetzung die Zahl der Schadeinheiten zu Recht gemäß § 4 Abs. 4 Sätze 6 und 7 AbwAG um jeweils 0,20 % erhöht und hierbei zutreffend keine Messtoleranz in Ansatz gebracht. Denn die im wasserrechtlichen Erlaubnisbescheid festgelegte Messtoleranz von 10 % stelle allein eine Genauigkeitsanforderung an das eingesetzte Messsystem dar. Sie stehe zu dem an ganz anderer Stelle in der wasserrechtlichen Erlaubnis festgelegten absoluten Höchstwasserabfluss in keiner relativierenden Beziehung. Ein etwaiges anderes Verständnis der erlassenden Behörde sei unerheblich, weil es im Bescheid jedenfalls nicht zum Ausdruck komme. Die vom Kläger vertretene Auslegung der wasserrechtlichen Erlaubnis könne im Übrigen dazu führen, dass sich die Messtoleranz von 10 % zweifach zu seinen Gunsten auswirke. Zum einen könne das eingesetzte Messgerät im Rahmen der zulässigen Messtoleranz einen gegenüber dem tatsächlichen Höchstwasserabfluss um 10 % zu niedrigen Wert anzeigen. Zum anderen wären von dem gemessenen Wert noch einmal 10 % in Abzug zu bringen. Dies führe zu einer nicht mehr zu rechtfertigenden Relativierung der Bescheidwerte. Der Gesetzgeber habe sich vielmehr dafür entschieden, dass ein im Rahmen der staatlichen Überwachung nach den rechtlichen Vorgaben zu den Analysen- und Messverfahren ermittelter Wert auch dann für die Einhaltung des jeweiligen Bescheidwertes maßgeblich sei, wenn es technisch nicht möglich sei, eine exakt wertgenaue Messung vorzunehmen. Dies entspreche der Praktikabilität und führe auch zu keiner unverhältnismäßigen Belastung des Abgabenpflichtigen, weil sich die Toleranzen nicht einseitig zu seinen Lasten auswirkten. Schließlich gelte der im Erlaubnisbescheid festgelegte absolute Höchstwasserabfluss auch nicht aufgrund einer direkten oder analogen Anwendung des § 6 Abs. 1 AbwV i.d.F. der 3. Änderungsverordnung vom 29. Mai 2000 als eingehalten. Eine direkte Anwendung der Vorschrift komme nicht in Betracht, weil nach ihrem insoweit eindeutigen Wortlaut die Abwasserverordnung nur für Überwachungswerte i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 AbwAG, nicht jedoch für die festgelegte Abwassermenge i.S.d. § 4 Abs. 4 Satz 6 AbwAG gelte. Eine analoge Anwendung sei in Ermangelung einer planwidrigen Regelungslücke ausgeschlossen. Denn für die Wasserbehörden bestehe die abwasserabgabenrechtliche Möglichkeit, in den Erlaubnisbescheid auch hinsichtlich der dort festgelegten Abwassermenge i.S.d. § 4 Abs. 4 Satz 6 AbwAG eine "gilt als eingehalten-Regelung" aufzunehmen. Mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision macht der Kläger geltend, das angefochtene Urteil verletze § 4 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Sätzen 6 und 7 AbwAG, weil keine im Rahmen der behördlichen Überwachung festgestellte Überschreitung des im Bescheid festgesetzten Abwasservolumenstroms vorliege. Das bloße Ablesen von durch den Einleiter gemessenen Werten sei keine behördliche Überwachung, sondern lediglich die behördliche Auswertung der Eigenüberwachung des Einleiters. Bundesrecht sei zudem verletzt, weil von dem abgelesenen Wert des Abwasservolumenstroms von 480 l/s die im Erlaubnisbescheid zugelassene Messtoleranz von 10 % abzuziehen sei. Die Auslegung der wasserrechtlichen Erlaubnis durch die Vorinstanz verletze allgemeine Auslegungsregeln, weil der systematische Zusammenhang der Regelungen von Höchstwasserabfluss und Fehlertoleranz nicht hinreichend berücksichtigt worden sei. Dass die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung der Erlaubnis unzutreffend sei, werde auch durch die später erfolgte Änderung der wasserrechtlichen Erlaubnis deutlich, durch die nunmehr klargestellt werde, dass Messtoleranzen bei den Höchstabwassermengen zu berücksichtigen seien. Schließlich verletze die Auslegung des Erlaubnisbescheides im angefochtenen Urteil auch Denkgesetze, denn es sei nicht möglich, den Höchstwasserabfluss absolut zu bestimmen, weil - wie von den einschlägigen DIN-Vorschriften anerkannt - unvermeidliche Messtoleranzen zu berücksichtigen seien. Insoweit habe die Festlegung der Messtoleranz im wasserrechtlichen Erlaubnisbescheid zwangsläufig Einfluss auf die Festlegung des Abwasservolumenstroms.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Köln vom 27. Januar 2004 den angefochtenen Bescheid des Beklagten vom 27. August 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2002 hinsichtlich eines Betrages von 231,31 € wegen der Überschreitung der Abwassermenge aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Zur Begründung führt er aus: Die festgestellte Überschreitung der Höchstwassermenge sei nicht das Ergebnis einer Selbstüberwachung, sondern im Wege einer DIN-konformen behördlichen Überwachung i.S.d. § 4 Abs. 4 AbwAG gewonnen worden. Zu Recht habe das Verwaltungsgericht Messtoleranzen nicht berücksichtigt. Die gegenteilige Ansicht des Klägers relativiere die Festlegungen im Bescheid und führe letztlich zu deren Unbestimmtheit. Die Auslegung des wasserrechtlichen Erlaubnisbescheides durch das Verwaltungsgericht lasse - zumal revisible - Mängel nicht erkennen.

Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren. Er verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die zulässige Revision, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (vgl. § 101 Abs. 2, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 141 Satz 1 VwGO), ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage ohne Verstoß gegen revisibles Recht abgewiesen. Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Beklagte die vom Kläger geschuldete Abwasserabgabe für das Jahr 2001 zu Recht wegen einer Überschreitung der festgelegten Abwassermenge um 231,31 € erhöht hat.

Rechtsgrundlage für die vom Kläger allein angefochtene Erhöhung der Abwasserabgabe ist § 4 Abs. 4 Sätze 6 und 7 i.V.m. Sätzen 3 und 4 AbwAG. Danach ist die Zahl der Schadeinheiten bei einmaliger Überschreitung der festgelegten Abwassermenge um die Hälfte des Vomhundertsatzes zu erhöhen, um den der gemessene Einzelwert die einzuhaltende Abwassermenge überschreitet. Diese Voraussetzungen liegen vor.

1. Zu Unrecht rügt die Revision, eine Überschreitung der festgelegten Abwassermenge sei schon deswegen nicht gegeben, weil der vom Beklagten insoweit zugrunde gelegte Wert von 480 l/s durch behördliche Auswertung der Selbstüberwachung des Einleiters gewonnen worden sei, nicht aber, wie von § 4 Abs. 4 Satz 1 AbwAG verlangt, ein Ergebnis der staatlichen Überwachung darstelle.

Zwar trifft es zu, dass die genannte Vorschrift die Berücksichtigung von Untersuchungen ausschließt, die der Einleiter im Rahmen der Selbstüberwachung von einem Institut hat durchführen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. August 1988 - BVerwG 8 C 47.86 - BVerwGE 80, 73 <80 f.>). Auch soweit das Wasserhaushaltsgesetz den Ländern im Rahmen der Gewässerüberwachung die Möglichkeit einräumt, neben der staatlichen Überwachung auch andere Überwachungsarten vorzusehen (zur Selbstüberwachung in Nordrhein-Westfalen vgl. §§ 60, 61 LWG), können sich hieraus wegen der Beschränkung auf eine "staatliche" Überwachung in § 4 Abs. 4 Satz 1 AbwAG abwasserabgabenrechtliche Folgen nicht ergeben (zutreffend Dahme in: Sieder-Zeitler-Dahme-Knopp, WHG/AbwAG, § 4 AbwAG Rn. 32; Köhler, AbwAG, § 4 Rn. 113).

Der Abwassermengenwert von 480 l/s ist jedoch nicht das Ergebnis einer Selbstüberwachung, sondern wurde im Wege der staatlichen Überwachung gewonnen. Das Erfordernis der staatlichen Überwachung ist erfüllt, wenn die Festlegung und Durchführung der Überwachungsmaßnahmen in der Hand der zuständigen Behörde liegt. Das ist hier der Fall. Wenn Behördenmitarbeiter Messwerte von der in der Kläranlage installierten Messeinrichtung ablesen, ist dies ein Anwendungsfall von § 120 Satz 1 LWG, der die staatliche Überwachung von Abwassereinleitungen regelt. Gleiches gilt für den Fall, dass die Messergebnisse von einer Untersuchungsstelle ermittelt worden sind, die von der zuständigen Behörde mit Probenahmen beauftragt worden ist (vgl. § 120 Satz 3 LWG). Dass in beiden Fällen insoweit eine vom Kläger installierte Messeinrichtung genutzt wird, die auch der gewässerrechtlichen Selbstüberwachung dient (vgl. Nr. 6.4 des wasserrechtlichen Erlaubnisbescheides), ist ohne Bedeutung, weil der Kläger nach dem Inhalt des wasserrechtlichen Bescheides zum Betreiben der Messstelle verpflichtet ist und die Behörde die in diesem Bescheid und in der in Bezug genommenen DIN 19559 näher geregelten Voraussetzungen für ihren ordnungsgemäßen Betrieb gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3 WHG überprüfen und sicherstellen kann. Die mithin vollständige Kontrolle der Behörde über die Erhebung des Abwassermengenwertes schließt die Gefahr eines Interessenkonflikts des Abgabepflichtigen aus, die der Ausschluss abgaberechtlicher Folgen der Selbstüberwachung verhindern will (vgl. Köhler, a.a.O. m.w.N.).

2. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass der gemessene Abwassermengenwert von 480 l/s die im wasserrechtlichen Bescheid festgelegte Abwassermenge von 478 l/s i.S.d. des § 4 Abs. 4 Sätze 6 und 7 AbwAG überschreitet, weil dieser Bescheid dahingehend auszulegen sei, dass die dort festgelegte Messtoleranz von 10 % nicht in Abzug zu bringen sei.

a) Entgegen der Auffassung der Revision verstößt diese Auslegung des wasserrechtlichen Bescheides nicht gegen die aus §§ 133, 157 BGB entwickelten Auslegungsregeln. Danach richtet sich die Auslegung eines Verwaltungsakts nach dem erklärten Willen der erlassenden Behörde, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 11. Januar 2000 - BVerwG 11 VR 4.99 - Buchholz 316 § 42 VwVfG Nr. 4 S. 1 f. m.w.N.). Von diesem Verständnis ist das Verwaltungsgericht ausdrücklich ausgegangen. Es kann offen bleiben, ob und in welchem Umfang der Senat als Revisionsgericht an die Feststellungen der Tatsacheninstanz zum Erklärungsinhalt des Bescheides gebunden ist (vgl. einschränkend BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 2001 - BVerwG 4 C 2.00 - Buchholz 406.27 § 31 BBergG Nr. 2 S. 11 f.). Denn der Senat teilt jedenfalls das vorinstanzliche Auslegungsergebnis.

Der wasserrechtliche Erlaubnisbescheid enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass bei der Ermittlung des Festsetzungsbetrages nach § 4 Abs. 4 AbwAG Messtoleranzen zu berücksichtigen sind. Der zulässige Abwassermengenhöchstwert ist in Nr. 4.1 des Bescheides ohne relativierende Zusätze auf 478 l/s festgesetzt worden. Die an anderer Stelle, nämlich als Nebenbestimmung 6.3.1, aufgeführte Vorgabe einer zulässigen Messtoleranz von 10 % betrifft Anforderungen an das eingesetzte Messsystem und mithin allein das im Übrigen durch die Bezugnahme auf DIN 19559 näher geregelte Messverfahren. Sie kann deswegen nicht die Annahme begründen, dem festgelegten Höchstwert sei noch ein die Messungenauigkeit berücksichtigender Zuschlag hinzuzurechnen. Ebenso wenig enthält sie die Regelung, von dem jeweils ermittelten Messwert müsse zur Berücksichtigung von Messungenauigkeiten ein entsprechender Abzug vorgenommen werden. "Ordnungsgemäß gemessene Werte" und ein "ordnungsgemäßes Messverfahren", die die Revision zu Recht als Grundlage der Abgabenfestsetzung fordert, liegen nach dem Bescheid daher bereits dann vor, wenn das eingesetzte Messsystem die zulässige Messtoleranz nicht überschreitet. Eine darüber hinausgehende Bedeutung kommt der in Nr. 6.3.1 des Bescheides enthaltenen Regelung nicht - insbesondere nicht "denkgesetzlich", wie die Revision meint - zu. Anderenfalls wäre angesichts der im Bescheid getroffenen Verfahrensregelung eine ausdrückliche Festlegung entsprechender Höchstwertzu- bzw. Messabschläge zu erwarten gewesen. Das gilt vor allem deswegen, weil sich bei einer Addition von Geräteungenauigkeit und gesondert zu berücksichtigender Messtoleranz eine erhebliche Besserstellung des Einleiters gegenüber der tatsächlichen Durchflusssituation von bis zu 20 % ergeben könnte.

Ein von dieser Auslegung des wasserrechtlichen Bescheides abweichender Wille von Kläger und zuständiger Behörde, die die Revision unter Hinweis auf die später erfolgte - nicht rückwirkende - Änderung der wasserrechtlichen Erlaubnis behauptet, wäre jedenfalls ohne Bedeutung, weil er, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, im hier maßgeblichen Bescheid keinen Niederschlag gefunden hat.

b) Auch im Licht der Gesetzeslage ergibt sich kein anderes Auslegungsergebnis.

Die Bezugnahme auf den "höchsten gemessenen Einzelwert" in § 4 Abs. 4 Satz 3 AbwAG und die "festgelegte Abwassermenge" in § 4 Abs. 4 Satz 7 AbwAG lässt die Notwendigkeit der Einbeziehung von Messtoleranzen nicht erkennen. Das steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach das Abwasserabgabengesetz mit Ausnahme der hier nicht einschlägigen Anlage B zu § 3 AbwAG keine unmittelbare Festlegung des maßgeblichen Messverfahrens enthält (BVerwG, Beschluss vom 20. August 1997 - BVerwG 8 B 170.97 - BVerwGE 105, 144 <146>). Dass das Abwasserabgabengesetz eine Berücksichtigung von Messtoleranzen fordern könnte, liegt aber auch im Hinblick auf die Zielsetzung des Gesetzgebers nicht nahe. Denn mit den Novellierungen des Abwasserabgabengesetzes, die auch zur Einführung des "Bescheidsystems" in § 4 Abs. 1 AbwAG geführt haben, hat der Gesetzgeber stets auch die Absicht verfolgt, durch Vereinfachung des Vollzugs des Abwasserabgabengesetzes den Verwaltungsaufwand zu senken (vgl. insbesondere BVerwG, Urteil vom 23. August 1996 - BVerwG 8 C 10.95 - Buchholz 401.64 § 4 AbwAG Nr. 4 S. 10 und 11; BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 2005 - BVerwG 9 B 49.04 - NVwZ-RR 2005, 351). Diesem Ziel widerspräche es, die Berechnung der Abwasserabgabe mit zusätzlichen Prüfungsschritten zu belasten, die unter Umständen mit den der Abwasserabgabebehörde zur Verfügung stehenden Unterlagen und Kenntnissen allein nicht bewältigt werden und konsequenterweise auch nicht auf den Fall der Überschreitung der Abwasserhöchstmenge beschränkt werden könnten.

Auch wasserrechtliche Vorschriften, auf die § 4 Abs. 4 Satz 1 AbwAG für die staatliche Überwachung verweist, verlangen die Berücksichtigung von Messtoleranzen nicht. Vielmehr enthält die aufgrund von § 7 a WHG erlassene Abwasserverordnung in § 6 Abs. 2 Satz 2 AbwV (i.d.F. der Fünften Verordnung zur Änderung der Abwasserverordnung vom 2. Juli 2002, BGBl I S. 2497), wonach die in den Anhängen der AbwV festgelegten Werte die Messunsicherheiten der Analyse- und Probenahmeverfahren berücksichtigen, eine entgegengesetzte Regelung. Zwar gilt sie nur für Überwachungswerte, nicht jedoch für den hier in Rede stehenden Abwassermengenhöchstwert, der nicht in den Anwendungsbereich der Abwasserverordnung fällt und für den insoweit auch kein Regelungsbedarf besteht, weil er mangels gesetzlich festgelegter Grenzwerte der Regelungs- und Ausgestaltungsbefugnis der zuständigen Behörde unterliegt. Jedoch lässt die Regelung, mit der im Hinblick auf in der Praxis aufgekommene Fragen (vgl. insoweit OVG Koblenz, Urteil vom 13. April 2000 - 12 A 12160/99 - ZfW 2002, 107) eine "Klarstellung" der Rechtslage erreicht werden sollte (BRDrucks 421/02 S. 37), die Absicht des Normgebers erkennen, die wasserrechtliche Überwachung von der Notwendigkeit der Berücksichtigung von Messtoleranzen freizuhalten. Dass für den Abwassermengenwert Abweichendes gelten soll, ist danach nicht erkennbar. Vielmehr bestätigt die inzwischen in § 5 und der zugehörigen Anlage 3 der Selbstüberwachungsverordnung kommunal (SüwV-kom) vom 25. Mai 2004 (GV.NRW S. 322), die an die Stelle der in Nr. 6.4.1 des Erlaubnisbescheides zitierten Verordnung getreten ist, getroffene Regelung, dass Messfehlern allein im Rahmen der Kalibrierung der Durchflussmessstelle entgegenzuwirken ist, und zwar sowohl bei der Erstprüfung mit Inbetriebnahme wie auch bei den jeweils innerhalb von drei Jahren fälligen Folgeprüfungen.

3. Auf dieser Grundlage ist für die Frage, ob rechtsstaatliche Beweisregeln die Berücksichtigung von Messtoleranzen verlangen, kein Raum. Die vom OVG Koblenz, Urteil vom 13. April 2000 - a.a.O; Urteil vom 17. Juni 2004 - 12 A 10506/04 - NVwZ-RR 2005, 205, angesprochene Problematik betrifft den vorliegenden Fall nicht. Der Abgabentatbestand des § 4 Abs. 4 Sätze 6 und 7 i.V.m. Sätzen 3 und 4 AbwAG ist nach dem bisher Gesagten bereits dann erfüllt, wenn eine ordnungsgemäße Messung unter Einhaltung der zulässigen Messtoleranz und der in DIN 19559 geregelten Vorgaben eine Überschreitung des festgelegten Abwassermengenhöchstwertes ergibt. Eine "Fehlertoleranz", wie sie das OVG Koblenz für die Analyseergebnisse beim Schadstoff CBS angenommen hat, liefert die Messung des Abwasservolumenstroms dennoch gerade nicht. Auf den Nachweis einer tatsächlichen Überschreitung der festgelegten Abwassermenge, für den sich die Frage, ob das Ergebnis einer mit Ungenauigkeiten behafteten Messung "auf der sicheren Seite" liegt, allein stellen kann, kommt es deswegen nicht an.

4. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die mithin gegebene einmalige Überschreitung des Abwassermengenhöchstwertes nicht unbeachtlich ist. Die "gilt als eingehalten-Regelung" des § 6 Abs. 1 AbwV findet auf Abwassermengenhöchstwerte keine Anwendung. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift kommt nicht in Betracht, weil § 4 Abs. 4 Sätze 6 und 7 AbwAG - anders als Satz 2 der Bestimmung - für eine solche normative Regelung keinen Raum lässt (BVerwG, Urteil vom 15. Januar 2002 - BVerwG 9 C 4.01 - BVerwGE 115, 339 <349>). Das schließt zwar nicht aus, dass der wasserrechtliche Bescheid selbst eine entsprechende Unbeachtlichkeitsregelung vorsieht. Denn es liegt im Ermessen der Behörde, welche zulässige Abwassermenge sie festlegt. Diese mangels gesetzlicher Grenzwerte von vornherein auf den Einzelfall abstellende Entscheidung schließt auch die Befugnis ein, bestimmte Überschreitungen zuzulassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Januar 2002 - a.a.O.). Davon hat die Behörde im hier maßgeblichen wasserrechtlichen Bescheid jedoch keinen Gebrauch gemacht.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 231,31 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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