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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 28.03.2007
Aktenzeichen: BVerwG 9 C 4.06
Rechtsgebiete: BauGB, HBO, BGB
Vorschriften:
BauGB § 131 Abs. 1 Satz 1 | |
BauGB § 133 Abs. 1 | |
HBO § 4 Abs. 1 | |
HBO § 75 | |
BGB § 741 ff. | |
BGB § 1009 Abs. 2 | |
BGB § 890 Abs. 1 |
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 9 C 4.06
Verkündet am 28. März 2007
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. März 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Vallendar, Prof. Dr. Rubel, Domgörgen und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Buchberger
für Recht erkannt:
Tenor:
Das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 1. März 2006 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Gründe:
I
Die klagenden Eheleute wenden sich gegen ihre Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag für ihr Grundstück Flur 3, Flurstück 76/27 in der Gemarkung R.
Das streitbefangene 2 421 m² große und mit einem Wohnhaus sowie Wirtschaftsgebäuden und Garagen bebaute Grundstück steht im gemeinsamen Eigentum der Kläger. Es wird durch das nördlich angrenzende, im Alleineigentum der Klägerin stehende 724 m² große Grundstück Flur 3, Flurstück 76/29 von der abzurechnenden Erschließungsstraße "Zum Teufelsberg" getrennt, die an diesem Anliegergrundstück nördlich vorbeiläuft. Die beiden Grundstücke weisen eine gemeinsame Umzäunung auf und werden einheitlich als Gartenfläche genutzt; vom Flurstück 76/27 führt ein mit Platten befestigter Fußweg über das Flurstück 76/29 zur Straße "Zum Teufelsberg". Das Flurstück 76/27 grenzt im Süden an die Erschließungsstraße "Hainweg", von der eine Zufahrt zu den Gebäuden auf dem Grundstück besteht. Der für beide Grundstücke maßgebliche Bebauungsplan setzt als Art der baulichen Nutzung Allgemeines Wohngebiet fest.
Mit Bescheid vom 17. Juli 2002 erhob die Beklagte für das streitgegenständliche Flurstück 76/27 von den Klägern einen Erschließungsbeitrag für die Teileinrichtungen Fahrbahn und Beleuchtung der Straße "Zum Teufelsberg" in Höhe von 10 466,16 €. Mit ihrem Widerspruch machten die Kläger geltend, dass ihr Flurstück als sog. Hinterliegergrundstück von der Straße "Zum Teufelsberg" nicht erschlossen werde. Außerdem habe die Beklagte das mit einem Aussiedlerhof bebaute Flurstück 101/1 und das mit ihrer Grundstückssituation vergleichbare Flurstück 76/21 zu Unrecht als nicht beitragspflichtig angesehen. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit dem angefochtenen Urteil die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt (vgl. KStZ 2006, 175): Das Grundstück der Kläger werde durch die Erschließungsstraße "Zum Teufelsberg" nicht i.S.v. § 133 Abs. 1 BauGB erschlossen. Dies setze bei einem Hinterliegergrundstück voraus, dass es die Erreichbarkeitsanforderungen erfülle, unter denen das einschlägige Bauordnungsrecht eine Bebauung gestatte. Dafür sei in der Regel erforderlich, dass eine Zuwegung über das Anliegergrundstück zur abzurechnenden Erschließungsanlage tatsächlich bestehe und diese öffentlichrechtlich gesichert sei. Dem stehe es gleich, wenn es allein in der Verfügungsmacht des Eigentümers oder der Eigentümer stehe, die Anforderungen für eine Bebaubarkeit des Hinterliegergrundstücks zu erfüllen, z.B. durch Bestellung einer Baulast gemäß §§ 4, 75 der Hessischen Bauordnung oder durch eine Vereinigung der Grundstücke. Daran fehle es jedoch im Fall der Kläger. Es reiche nicht aus, dass die Klägerin als Alleineigentümerin des Anliegergrundstücks jederzeit etwa eine Baulast für eine Zuwegung zu dem Hinterliegergrundstück schaffen könne. Grundbuchrechtlich seien beide Eheleute gemeinsam Eigentümer des Hinterliegergrundstücks, so dass für die Beurteilung der rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten bezüglich des Anliegergrundstücks auch auf beide abzustellen sei. Dem Ehemann sei es jedoch, da er eigentumsrechtlich keine Beziehung zum Anliegergrundstück habe, rechtlich nicht möglich, von sich aus die bauordnungsrechtlichen Zugangsvoraussetzungen zur Erschließungsstraße "Zum Teufelsberg" zu schaffen. Insofern könne die vorliegende Situation nicht der Fallgestaltung gleichgesetzt werden, dass das Anlieger- und Hinterliegergrundstück deckungsgleich im Eigentum derselben Person oder Personen stehen.
Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Revision vor: Der Verwaltungsgerichtshof habe zu Unrecht ein Erschlossensein des Grundstücks der Kläger verneint, weil lediglich einer der beiden Miteigentümer des Hinterliegergrundstücks die Voraussetzungen für dessen Bebaubarkeit herbeiführen könne, der andere Miteigentümer jedoch nicht. Eine solche separate Bewertung für jeden einzelnen Miteigentümer des Hinterliegergrundstücks sei nicht maßgebend, weil sie auf eine getrennte Betrachtung der Beitragspflicht nach den Personen der Miteigentümer hinauslaufe. Gegenstand der Bewertung des Erschlossenseins sei jedoch das Grundstück. Die Klägerin könne als Alleineigentümerin des Anliegergrundstücks ohne weiteres, sogar gegen den Willen des anderen Miteigentümers des Hinterliegergrundstücks, die Voraussetzungen für eine Bebaubarkeit des Hinterliegergrundstücks herbeiführen. Auch in der Fallkonstellation, dass die Miteigentümer beider Grundstücke identisch seien, sei es unerheblich, ob nur einer der Miteigentümer die Bebaubarkeitsvoraussetzungen schaffen wolle, weil es auf den Willen des Eigentümers oder der Eigentümer nicht ankomme. Der festgesetzte Erschließungsbeitrag sei auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Das Flurstück 101/1 gehöre nicht zum Kreis der erschlossenen Grundstücke, weil es im Bebauungsplan als Fläche für die Landwirtschaft ausgewiesen sei; die tatsächliche Bebauung des Grundstücks mit einem Aussiedlerhof ändere daran nichts. Die Situation des Flurstücks 76/21 sei mit der des klägerischen Grundstücks nicht vergleichbar.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 1. März 2006 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 19. Mai 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger verteidigen das Berufungsurteil und beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Der Vertreter des Bundesinteresses tritt der Rechtsauffassung der Beklagten bei.
II
Die Revision ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
1. Der Verwaltungsgerichtshof hat ein Erschlossensein des Grundstücks der Kläger i.S.v. § 133 Abs. 1 BauGB verneint und in diesem Zusammenhang entscheidungstragend angenommen, dass es hierfür im Falle einer einheitlichen Nutzung von Hinter- und Anliegergrundstück und bei einer teilweisen Eigentümeridentität nicht genüge, wenn es in der Hand des Alleineigentümers des Anliegergrundstücks liege, die bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Anforderungen für eine Erreichbarkeit des Hinterliegergrundstücks zu erfüllen, sondern dass insoweit auf die Verfügungsmacht beider Miteigentümer des Hinterliegergrundstücks abzustellen sei. Diese Erwägung hält einer revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand.
a) Gemäß § 133 Abs. 1 BauGB unterliegen der Erschließungsbeitragspflicht Grundstücke, für die - wie vorliegend - eine bauliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden dürfen. In diesem Sinne durch eine Anbaustraße erschlossen ist ein Grundstück, sobald angenommen werden darf, dass mit Blick ausschließlich auf diese Verkehrsanlage die Erreichbarkeitsanforderungen erfüllt sind, von denen das (bundesrechtliche) Bauplanungsrecht und das (landesrechtliche) Bauordnungsrecht die Bebaubarkeit des Grundstücks abhängig machen (Urteil vom 15. Januar 1988 - BVerwG 8 C 111.86 - BVerwGE 79, 1 <8> m.w.N.). Dabei ist eine etwa bereits vorhandene Erschließung des Grundstücks, auch eines Hinterliegergrundstücks, durch eine andere Straße - wie sie hier durch die Straße "Hainweg" vorliegt - hinwegzudenken (Urteil vom 26. Februar 1993 - BVerwG 8 C 35.92 - BVerwGE 92, 157 <159>). Das Erschlossensein eines Grundstücks (sowohl i.S.v. § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB als auch) i.S.v. § 133 Abs. 1 BauGB hängt zudem nicht davon ab, ob ein der Erreichbarkeit entgegenstehendes, aber ausräumbares rechtliches oder tatsächliches Hindernis, dessen Beseitigung allein in der Verfügungsmacht des jeweiligen Grundstückseigentümers steht, von diesem bereits beseitigt worden ist oder nicht (Urteil vom 29. Mai 1991 - BVerwG 8 C 67.89 - BVerwGE 88, 248 <252>). Bebaubar i.S.v. § 133 Abs. 1 BauGB ist ein durch eine Anbaustraße gemäß § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossenes Hinterliegergrundstück deshalb auch dann, wenn es in der Hand des Eigentümers liegt, mit Blick auf diese Erschließungsanlage die bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Erreichbarkeitsanforderungen zu erfüllen. Das trifft in der Regel zu, wenn das Hinter- und das Anliegergrundstück, durch das Ersteres von der Anbaustraße getrennt ist, im Eigentum derselben Person stehen (Urteil vom 26. Februar 1993 a.a.O. S. 161). Von diesen Grundsätzen geht - insoweit zutreffend - auch der Verwaltungsgerichtshof aus.
b) Nicht gefolgt werden kann dem Verwaltungsgerichtshof allerdings in seinen weiteren Erwägungen, mit denen er in der vorliegenden Fallkonstellation das Vorliegen dieser Voraussetzungen verneint hat. Das Berufungsgericht meint, die Kläger hätten es nicht jederzeit in der Hand, durch geeignete Maßnahmen selbst die Voraussetzungen für eine Bebaubarkeit des Hinterliegergrundstücks nach dem Bauordnungsrecht zu schaffen. Zwar könne die Klägerin als Alleineigentümerin des Anliegergrundstücks jederzeit etwa eine Baulast für eine Zuwegung zu dem Hinterliegergrundstück über das Anliegergrundstück begründen. Dies allein genüge jedoch nicht. Denn dem klagenden Ehemann als dem anderen Miteigentümer des Hinterliegergrundstücks sei es rechtlich nicht möglich, von sich aus die bauordnungsrechtlichen Zugangsvoraussetzungen zur Erschließungsstraße "Zum Teufelsberg" zu schaffen. Demnach soll nach Ansicht des Berufungsgerichts in der hier gegebenen Fallkonstellation ein Erschlossensein des Hinterliegergrundstücks i.S.v. § 133 Abs. 1 BauGB ausscheiden, wenn lediglich einer der beiden Miteigentümer des Hinterliegergrundstücks die Voraussetzungen für dessen Bebaubarkeit herbeiführen kann, der andere Miteigentümer jedoch nicht. Damit knüpft das Berufungsgericht nicht an die Verfügungsmacht der Miteigentümer als gemeinsam zu betrachtender Personenmehrheit an, sondern verlangt, dass jeder einzelne Miteigentümer und Gesamtschuldner der Beitragsforderung (vgl. § 134 Abs. 1 Satz 4 BauGB) unabhängig von dem oder den anderen Miteigentümer(n) in der Lage sein muss, die Hindernisse für eine Bebaubarkeit des Hinterliegergrundstücks auszuräumen. Das steht mit der Grundstücksbezogenheit des Erschließungsbegriffs in § 133 Abs. 1 BauGB nicht in Einklang. Es entspricht auch nicht einer angemessenen Würdigung der Interessenlage. Denn nach der Argumentation des Berufungsgerichts, das auf die Verfügungsmacht jedes einzelnen Miteigentümers unabhängig von dem oder den anderen Miteigentümern abstellen will, wäre im Hinblick auf § 747 Satz 2 BGB auch bei einer identischen (deckungsgleichen) Personenmehrheit von Miteigentümern des Anlieger- und Hinterliegergrundstücks ein Erschlossensein des Hinterliegergrundstücks zu verneinen, weil es auch dann nicht in der Verfügungsmacht jedes einzelnen Miteigentümers steht, die Bebaubarkeitsvoraussetzungen zu erfüllen. Die der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde liegende Erwägung, es könne nicht im Belieben des Grundstückseigentümers stehen, durch sein (ihn für die Folgezeit nicht bindendes) Verhalten zu "entscheiden", ob sein Grundstück nicht erschlossen ist und der Beitragspflicht nicht unterliegt (vgl. Urteil vom 15. Januar 1988 a.a.O. S. 7), würde danach nur in Fällen des Alleineigentums, nicht jedoch des Miteigentums an den betroffenen Grundstücken Geltung beanspruchen. Dies wäre indes mit Blick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht zu rechtfertigen. Denn in dem einen wie dem anderen Fall sollen die Gemeinden nach dem Willen des Gesetzgebers die ihnen durch die Herstellung von beitragsfähigen Erschließungsanlagen entstandenen Kosten möglichst uneingeschränkt durch Beiträge auf die Eigentümer der i.S.v. § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossenen Grundstücke umlegen können, während das, was von diesen Kosten endgültig zu ihren Lasten gehen soll, abschließend in § 128 Abs. 3 (ausgeschlossene Kosten), § 129 Abs. 1 Satz 1 (nicht erforderliche Aufwendungen) und Satz 3 (Gemeindeanteil) sowie § 135 Abs. 5 BauGB (Erlass) bestimmt ist (vgl. Urteile vom 23. Februar 1990 - BVerwG 8 C 75.88 - BVerwGE 85, 1 <4>, vom 29. Mai 1991 a.a.O. S. 252 f. und vom 26. Februar 1993 a.a.O. S. 161). Mit Blick auf diese gesetzgeberische Wertung muss unerheblich sein, ob die Miteigentümer des Hinterliegergrundstücks nur gemeinsam oder einzeln die Hindernisse der Bebaubarkeit ausräumen können oder ob - wie hier - sogar einer dieser Miteigentümer schon allein dazu in der Lage ist. Mithin ist ein gemäß § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossenes Hinterliegergrundstück auch dann erschlossen i.S.v. § 133 Abs. 1 BauGB, wenn es in der Hand (schon) nur eines von mehreren Miteigentümern des Hinterliegergrundstücks liegt, der zugleich Alleineigentümer des Anliegergrundstücks ist, die Bebaubarkeitsanforderungen zu erfüllen.
Dies steht auch mit den zivilrechtlichen Bestimmungen über das Miteigentum in Einklang. Miteigentümer bilden eine (Bruchteils-)Gemeinschaft i.S.d. §§ 741 ff. BGB. Zwar können die Teilhaber gemäß § 747 Satz 2 BGB nur gemeinschaftlich über den gemeinschaftlichen Gegenstand im Ganzen verfügen oder ihn belasten. Dies gilt aber nicht für Belastungen zugunsten des gemeinschaftlichen Gegenstandes. Ergänzend zu den §§ 741 ff. BGB bestimmt § 1009 Abs. 2 Alt. 2 BGB, dass die Belastung eines anderen Grundstücks zugunsten der jeweiligen Eigentümer des gemeinschaftlichen Grundstücks nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass das andere Grundstück (hier also das Anliegergrundstück) einem Miteigentümer des gemeinschaftlichen Grundstücks gehört. Die Vorschrift wird im Hinblick auf das Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB als eine Art Befreiungsregel oder als Unbedenklichkeitsbestimmung verstanden (vgl. Englert, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 2006, § 1009 Rn. 1 und 2). Zwar ist die vom Verwaltungsgerichtshof erörterte Bestellung einer Baulast (anders als eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit) kein von § 1009 BGB vorausgesetztes ziviles Recht, doch kann der dieser Vorschrift zu entnehmende Rechtsgedanke auch auf die Bestellung einer öffentlich-rechtlichen Baulast übertragen werden.
2. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der Senat vermag weder die Revision aus diesem Grunde zurückzuweisen noch eine gegenteilige Sachentscheidung zu treffen, weil es dafür an den erforderlichen Tatsachenfeststellungen fehlt. Dies nötigt zur Zurückverweisung der Sache an den Verwaltungsgerichtshof (§ 143 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
a) Keiner abschließenden Beurteilung zugänglich ist zunächst die Frage, ob das streitgegenständliche Grundstück der Kläger erschlossen ist i.S.v. § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB.
Fehlt es in dem vorrangig maßgeblichen Bebauungsplan an relevanten Festsetzungen, so ist ein in einem Wohngebiet gelegenes Grundstück durch eine Anbaustraße regelmäßig erschlossen, wenn sie die Möglichkeit eröffnet, mit Personen- und Versorgungsfahrzeugen an die Grenze des Grundstücks heranzufahren und es von dort aus zu betreten. Bei einem Hinterliegergrundstück ist das nur dann der Fall, wenn es tatsächlich durch eine Zufahrt über das Anliegergrundstück mit der Anbaustraße verbunden ist und diese Verbindung in rechtlich gesicherter Weise und auf Dauer genommen werden kann. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs besteht hier eine solche Zufahrt nicht. Doch kann auch in einem solchen Fall ausnahmsweise ein Erschlossensein des (Hinterlieger-)Grundstücks anzunehmen sein, wenn die Eigentümer der übrigen Grundstücke nach den bestehenden tatsächlichen Verhältnissen schutzwürdig erwarten können, dass auch ein Grundstück, dessen Erschlossensein nach der bebauungsrechtlichen Situation zu verneinen wäre, in den Kreis der erschlossenen Grundstücke einbezogen wird und sich so die Beitragslast der übrigen Grundstücke vermindert. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht zunächst für den Fall angenommen, dass ein Hinterliegergrundstück zwar durch ein selbstständig bebaubares Anliegergrundstück desselben Eigentümers von der Erschließungsanlage getrennt ist, jedoch tatsächlich durch eine Zufahrt über dieses Grundstück mit der Anlage verbunden ist (Urteile vom 1. April 1981 - BVerwG 8 C 5.81 - Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 37 S. 3 und vom 27. Mai 1981 - BVerwG 8 C 9.81 - Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 38 S. 6 f.). Später hat es ein Erschlossensein i.S.v. § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB im Fall der Eigentümeridentität auch bei einer einheitlichen Nutzung von Hinter- und Anliegergrundstück bejaht (Urteil vom 15. Januar 1988 a.a.O. S. 5 ff.).
Nach dem Vorstehenden (unter 1.) ist auch bei der hier gegebenen teilweisen Eigentümeridentiät von Anlieger- und Hinterliegergrundstück, also wenn das Anliegergrundstück im Alleineigentum nur eines der Miteigentümer des Hinterliegergrundstücks steht, ein Erschlossensein des streitbefangenen Hinterliegergrundstücks unter dem Gesichtspunkt der einheitlichen Nutzung in Betracht zu ziehen. Auch in dieser Fallkonstellation gebietet der das Erschließungsbeitragsrecht beherrschende Gedanke eines angemessenen Vorteilsausgleichs eine Berücksichtigung des Hinterliegergrundstücks, wenn dieses mit dem Anliegergrundstück einheitlich genutzt wird und sich infolge dieser einheitlichen, vom Willen der Eigentümer beider Grundstücke getragenen Nutzung der von der Anbaustraße dem Anliegergrundstück vermittelte Erschließungsvorteil auf das Hinterliegergrundstück erstreckt. Denn aus der Sicht der übrigen Beitragspflichtigen "verwischt" die einheitliche Nutzung beider Grundstücke auch in diesem Fall deren Grenze und lässt sie aus deren Sicht als ein Grundstück erscheinen (vgl. Urteil vom 15. Januar 1988 a.a.O. S. 6). Nach den im Berufungsurteil in Bezug genommenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die auf dem insoweit übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten und den von ihnen zur Gerichtsakte gereichten Fotoaufnahmen beruhen, weisen das Anlieger- und Hinterliegergrundstück eine gemeinsame Umzäunung auf und werden einheitlich als Gartenfläche genutzt, in der mittig das Wohnhaus mit den Nebengebäuden liegt; ferner führt ein mit Platten befestigter Fußweg vom Hinterlieger- über das Anliegergrundstück zu zwei an der Erschließungsstraße gelegenen Gartentoren; schließlich befindet sich dort - wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt hat - ein Garagenbauwerk. Damit liegen mehrere tatsächliche Umstände vor, die - jedenfalls in ihrer Gesamtschau - den Tatbestand der einheitlichen Nutzung begründen können (vgl. Urteil vom 30. Mai 1997 - BVerwG 8 C 27.96 - Buchholz 406.11 § 131 BauGB Nr. 105 S. 83).
Gleichwohl sieht sich der Senat ohne weitere Tatsachenfeststellungen nicht in der Lage, ein Erschlossensein des Hinterliegergrundstücks i.S.v. § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu bejahen. Denn die Kläger bestreiten dieses auch mit dem Hinweis, dass dem dauerhafte, nicht ausräumbare Hindernisse entgegenstehen, nämlich - erstens - ein zwischen der Erschließungsstraße und dem Anliegergrundstück bestehender, nach Westen auf bis zu fünf Meter ansteigender Höhenunterschied mit der Folge, dass nur eine Zufahrt zu der im östlichen Bereich des Anliegergrundstücks errichteten Garage möglich sei, und - zweitens - mehrere auf dem Hinterliegergrundstück stehende Bäume, deren Beseitigung nicht genehmigungsfähig sei. Zu beiden Einwänden fehlt es an Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichtshofs. Sollte das Hinterliegergrundstück bei der insoweit anzustellenden abstrakten Betrachtung aufgrund der von den Klägern eingewandten tatsächlichen und rechtlichen Hindernisse auf Dauer keine Aussicht haben, mit Blick auf die Anbaustraße "Zum Teufelsberg" bebaubar zu werden i.S.v. § 133 Abs. 1 BauGB, würde dies gleichzeitig bedeuten, dass es bereits aus dem Kreis der durch diese Erschließungsstraße i.S.v. § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossenen Grundstücke ausscheidet (vgl. Urteile vom 14. Februar 1986 - BVerwG 8 C 115.84 - Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 95 S. 63 ff. und vom 26. Februar 1993 a.a.O. S. 163).
b) Auch zu der Frage, ob das Grundstück der Kläger erschlossen ist i.S.v. § 133 Abs. 1 BauGB, ist dem Senat aus denselben Gründen eine abschließende Entscheidung nicht möglich.
Zu den bauordnungsrechtlichen Anforderungen an die Bebaubarkeit des Grundstücks gehört, dass gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 der Hessischen Bauordnung (HBO) vom 18. Juni 2002 (GVBl I S. 274) Gebäude nur errichtet werden dürfen, wenn gesichert ist, dass ab Beginn ihrer Nutzung das Grundstück in für die Zufahrt und den Einsatz von Feuerlösch- und Rettungsgeräten ausreichender Breite an einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche liegt oder eine befahrbare, öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt in ausreichender Breite zu einer solchen Verkehrsfläche hat. Gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 HBO kann eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zu einem das Grundstück betreffenden Tun, Dulden oder Unterlassen durch eine (gemäß Abs. 2 in bestimmter Form zu leistende) Erklärung des Eigentumsberechtigten gegenüber der Bauaufsichtsbehörde übernommen werden (sog. Baulast). Die Baulast wird unbeschadet der Rechte Dritter mit der Eintragung in das Baulastenverzeichnis wirksam und wirkt auch gegenüber Rechtsnachfolgern (§ 75 Abs. 1 Satz 2 HBO). Eine solche Baulast zulasten des in ihrem Alleineigentum stehenden Anliegergrundstücks kann die Klägerin somit allein - ohne Mitwirkung ihres Ehegatten oder eines anderen Dritten - begründen. Daneben kommt auch eine Vereinigung der beiden Grundstücke gemäß § 890 Abs. 1 BGB in Betracht (vgl. Urteil vom 26. Februar 1993 a.a.O. S. 161 f.). Ob die danach auf die eine oder andere Weise mögliche Erfüllung der bauordnungsrechtlichen Erreichbarkeitsanforderungen dem Willen des anderen Miteigentümers des Hinterliegergrundstücks entspricht, namentlich ob er zur Mitwirkung an einer Vereinigung der Grundstücke bereit wäre, ist ebenso wenig maßgeblich wie die Frage, ob diese Maßnahmen wirtschaftlich sinnvoll oder vernünftig sind. Denn das Erschließungsbeitragsrecht verlangt nicht, dass die in Betracht kommenden Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden, sondern überlässt es dem jeweiligen Grundeigentümer, nach Maßgabe seiner Interessen darüber zu befinden, ob es für ihn vorteilhafter ist, unter Inkaufnahme etwaiger Erschwernisse den bauordnungsrechtlichen Mangel zu beseitigen oder aber davon abzusehen. Doch hat diese einzig von den Interessen des Grundeigentümers bestimmte Entscheidung keinen Einfluss auf die Erfüllung des Merkmals des Erschlossenseins i.S.v. § 133 Abs. 1 BauGB (Urteil vom 26. Februar 1993 a.a.O. S. 162).
Ob der Erfüllung der bauordnungsrechtlichen Erreichbarkeitsanforderungen durch Eintragung einer Baulast oder durch Vereinigung der Grundstücke im vorliegenden Fall nicht ausräumbare tatsächliche oder rechtliche Hindernisse entgegenstehen, kann der Senat nicht abschließend beurteilen, weil es an den erforderlichen Feststellungen zu den diesbezüglichen Einwänden der Kläger fehlt (siehe oben 2. a) a.E.).
c) Der Verwaltungsgerichtshof hat sich schließlich noch nicht mit den Einwänden der Kläger gegen die Höhe des festgesetzten Erschließungsbeitrags befasst. Insoweit spricht Vieles dafür, worauf schon das Verwaltungsgericht im erstinstanzlichen Urteil hingewiesen hat (UA S. 7 f.), dass das Flurstück 101/1 in den Kreis der beitragspflichtigen Grundstücke einzubeziehen ist, weil es mit einem Wohngebäude bebaut ist und der Bebauungsplan ausdrücklich die Bebauung mit einem Aussiedlerhof zulässt.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 10 466,16 € festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
Ende der Entscheidung
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