Judicialis Rechtsprechung
Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:
Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 27.01.2004
Aktenzeichen: BVerwG 9 C 7.03
Rechtsgebiete: GG, LuftVG
Vorschriften:
GG Art. 12 Abs. 1 | |
GG Art. 14 Abs. 1 | |
LuftVG § 6 | |
LuftVG § 7 Abs. 1 | |
LuftVG § 7 Abs. 2 | |
LuftVG § 7 Abs. 3 | |
LuftVG § 7 Abs. 4 |
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS
BVerwG 9 C 7.03
Verkündet am 27. Januar 2004
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2004 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hien und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost, Prof. Dr. Rubel, Dr. Eichberger und Dr. Nolte
beschlossen:
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt.
Das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. Juni 2002 ist wirkungslos.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe:
Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 141, § 125 Abs. 1 VwGO einzustellen und zur Klarstellung auszusprechen, dass das angefochtene Urteil der Vorinstanz wirkungslos ist. Ferner ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Dabei erscheint es angemessen, die Kosten - gemäß § 162 Abs. 3 VwGO einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen - der Klägerin aufzuerlegen, weil die Revision nach dem bisherigen Sach- und Streitstand voraussichtlich keinen Erfolg gehabt hätte.
Entscheidend für den Ausgang des Revisionsverfahrens war - auch aus der Sicht der Beteiligten - die Frage, ob § 7 Abs. 1 Luftverkehrsgesetz (LuftVG) dazu ermächtigt, dem (zukünftigen) Antragsteller eines luftverkehrsrechtlichen Genehmigungsverfahrens das Betreten fremder Grundstücke zu gestatten und deren Eigentümern eine entsprechende Duldungsverpflichtung aufzuerlegen. Diese Frage hat der Verwaltungsgerichtshof zutreffend bejaht.
Zu Unrecht wendet die Revision ein, § 7 Abs. 1 LuftVG ermächtige nicht zu solchen Vorarbeiten, zu deren Durchführung das Betreten fremden Grundeigentums erforderlich sei. Hierzu bedürfe es einer speziellen gesetzlichen Duldungsverpflichtung der jeweiligen Grundeigentümer, die § 7 Abs. 1 LuftVG nicht enthalte.
Damit überdehnt die Revision die Anforderungen an eine gesetzliche Rechtsgrundlage. Gestattet eine Vorschrift ein bestimmtes belastendes Handeln einer Behörde oder einer hierzu von der Behörde ermächtigten Privatperson gegenüber einem Dritten, so bedarf es nicht zusätzlich der gesetzlichen Normierung einer entsprechenden Duldungspflicht des Dritten. Denn die gesetzliche Duldungspflicht erweist sich gleichsam als Kehrseite der Gestattung und wird von ihr notwendigerweise mit umfasst. Entscheidend ist deswegen allein, ob sich aus der Ermächtigung hinreichend deutlich die Befugnis zu belastenden Maßnahmen gerade gegenüber dem Dritten ergibt.
Entgegen der Auffassung der Revision berechtigt § 7 Abs. 1 LuftVG die Genehmigungsbehörde, einem Antragsteller die zur Vorbereitung seines luftverkehrsrechtlichen Genehmigungsantrages erforderlichen Vorarbeiten auf Grundstücken Dritter zu gestatten und die entsprechenden Eigentümer zur Duldung dieser Maßnahmen zu verpflichten.
Eine solche Auslegung des § 7 Abs. 1 LuftVG ist vom Wortlaut der Vorschrift ohne weiteres gedeckt. Welche Vorarbeiten "erforderlich" sind, bemisst sich nach den Antragserfordernissen des luftverkehrsrechtlichen Genehmigungsverfahrens gemäß der Regelung des § 6 LuftVG, die in § 7 Abs. 1 LuftVG ausdrücklich in Bezug genommen wird, nicht hingegen nach den Grundstücksgrenzen und Eigentumsverhältnissen. Hierzu hat der Verwaltungsgerichtshof zutreffend ausgeführt, dass allein schon aufgrund der Anforderungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine frühzeitige und umfassende Bestandsaufnahme der Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt durch den Antragsteller erforderlich ist, die die Einbeziehung fremder Grundstücke notwendig voraussetzt. § 7 Abs. 1 LuftVG gibt keinen Hinweis darauf, dass die Erfüllung dieser Anforderungen, ohne die der Erfolg eines luftverkehrsrechtlichen Genehmigungsantrages von vornherein in Frage gestellt wäre, von der Zustimmung einzelner Grundstückseigentümer abhängig sein soll.
Dass § 7 Abs. 1 LuftVG ein Recht zum Betreten fremder Grundstücke grundsätzlich einschließt, legt auch die Regelung des § 7 Abs. 4 Satz 1 LuftVG nahe. Der Möglichkeit, Vorarbeiten von der Auferlegung von Auflagen abhängig zu machen, bedürfte es nicht, wenn - wie die Revision meint - ein Betretensrecht ausschließlich zugunsten der Behörde und ihrer Beauftragten im Fall des § 7 Abs. 3 LuftVG bestehen würde. Denn "Auflagen" kann die Behörde nicht gegenüber sich selbst oder ihren - ohnehin weisungsgebundenen - Beauftragten, sondern ausschließlich gegenüber Außenstehenden aussprechen. Dieser Befugnis ist deswegen nur dann ein sinnvoller Anwendungsbereich eröffnet, wenn § 7 Abs. 1 LuftVG nicht auf Vorarbeiten des Antragstellers auf seinem eigenen Grundstück beschränkt ist, sondern ein Betretensrecht und insoweit eine Beeinträchtigung von Rechten Dritter einschließt, deren Abmilderung Auflagen nach § 7 Abs. 4 Satz 1 LuftVG allein dienen können. Auflagen, die allein das Tätigwerden des Antragstellers auf seinem eigenen Grundstück betreffen, werden demgegenüber mangels Konzentrationswirkung der Gestattung nach § 7 Abs. 1 LuftVG regelmäßig in die Zuständigkeit anderer Behörden fallen.
Maßgebliches Gewicht für die Auslegung des § 7 Abs. 1 LuftVG kommt dem auch vom Verwaltungsgerichtshof hervorgehobenen Gesichtspunkt zu, dass nicht nachvollziehbar wäre, wozu ein Antragsteller für Vorarbeiten einer Gestattung bedürfte, wenn sie ein Recht zum Betreten fremder Grundstücke nicht umfasste. Beschränkt auf die Befugnisse des Antragstellers, die Planunterlagen "am grünen Tisch" zu erstellen oder Erkundungen eigener Grundstücke durchzuführen, käme der Vorschrift des § 7 Abs. 1 LuftVG kein sinnvoller Regelungsgehalt zu, zumal das LuftVG - wie erwähnt - der Gestattung keine Konzentrationswirkung beimisst, die weitere (z.B. wasser- oder bergrechtliche) Genehmigungen anderer Behörden für bestimmte Vorarbeiten entbehrlich machte. Allein um dem Antragsteller für die Einholung dieser ohnehin nur in bestimmten Fällen notwendigen Genehmigungen ein luftverkehrsrechtliches Bescheidungsinteresse zu bestätigen, wäre es nicht erforderlich und mithin auch verfassungsrechtlich mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG bzw. Art. 2 Abs. 1 GG zumindest bedenklich, die Durchführung sämtlicher Vorarbeiten mit einem Genehmigungsvorbehalt zu belasten (vgl. nur BVerfGE 20, 150 <154 f.> sowie BVerfG DVBl 1999, 703 m.w.N.). Schließlich lässt sich ein sinnvoller Regelungsgehalt der von der Revision vertretenen engen Auslegung des § 7 Abs. 1 LuftVG auch nicht darin sehen, dass mit der Gestattung von Vorarbeiten eine Verfestigung der Rechtsposition des Antragstellers im luftverkehrsrechtlichen Genehmigungsverfahren - etwa im Sinne eines vorläufigen positiven Gesamturteils - verbunden wäre; ihr steht § 7 Abs. 2 Satz 2 LuftVG entgegen.
Sinn und Zweck der Regelung des § 7 Abs. 1 LuftVG gebieten demgegenüber eine weite, auch das Recht zum Betreten von Grundstücken Dritter umfassende Auslegung dieser Vorschrift. Denn es wäre nicht verständlich, wenn das LuftVG, das das Anlegen oder Erweitern von Flugplätzen letztlich auch gegen den Willen von Betroffenen ermöglichen will, die Realisierung solcher Vorhaben davon abhängig machen wollte, dass betroffene Grundstückseigentümer ihre Zustimmung zu Vorarbeiten geben, deren Durchführung für eine erfolgreiche Antragstellung unerlässlich ist. Dementsprechend sollte nach der Begründung des Regierungsentwurfs mit dieser Regelung die Möglichkeit geschaffen werden, die für das nachfolgende Verfahren notwendigen Vorarbeiten vornehmen zu können (BTDrucks 3/100, S. 13).
Die weitere Entstehungsgeschichte von § 7 LuftVG führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Zwar haben während des Gesetzgebungsverfahrens im Rechtsausschuss des Bundestages (Kurzprotokoll der 5. Sitzung vom 13. Februar 1958, S. 24 f.) geäußerte Bedenken gegenüber einem Recht privater Vorhabenträger zum Betreten fremder Grundstücke dazu geführt, die im Regierungsentwurf in Absatz 3 zunächst enthaltene Konfliktregelung im Falle einer Verweigerung des Zutritts durch die später Gesetz gewordene Regelung zu ersetzen (Kurzprotokoll der 6. Sitzung des Rechtsausschusses vom 14. Februar 1958, S. 2 f.). Bereits hierin wurde jedoch ein Kompromiss gesehen, der den geäußerten Bedenken nicht in vollem Umfang Rechnung trägt (a.a.O.). Im weiteren Gesetzgebungsverfahren ist deutlich gemacht worden, dass ein Betretensrecht Privater durch die Regelung des § 7 Abs. 3 LuftVG jedenfalls nicht ausgeschlossen werden sollte (Kurzprotokoll der 9. Sitzung des Verkehrsausschusses vom 12. März 1958, S. 8). In späteren Gesetzen des Fachplanungsrechts, die die Befugnis zu Vorarbeiten regeln, haben die erwähnten Bedenken gegenüber einem Betretensrecht privater Vorhabenträger keinen Niederschlag mehr gefunden. Bereits das kurze Zeit später verabschiedete Personenbeförderungsgesetz enthielt im damaligen § 34 wiederum diejenige Formulierung, die auch dem Regierungsentwurf des § 7 LuftVG (dort § 7 a LuftVG) zugrunde lag. Einschränkungen des Betretensrechts bzw. der entsprechenden Duldungspflicht von Grundeigentümern fehlen darüber hinaus nicht nur in solchen Gesetzen, bei denen als Vorhabenträger und mithin als Durchführende von Vorarbeiten ausschließlich Behörden in Betracht kommen (§ 16 a Bundesfernstraßengesetz, § 209 Baugesetzbuch, § 11 i.V.m. § 16 Wasserstraßengesetz), sondern auch dort, wo es sich insoweit um Private handeln kann (§ 6 Abs. 3 Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz i.d.F. vom 16. Dezember 1991; § 17 Allgemeines Eisenbahngesetz; § 32 Personenbeförderungsgesetz i.d.F. vom 1. Juli 1990). Hält der Gesetzgeber aber selbst die früher geäußerten Vorbehalte nicht mehr aufrecht, so besteht kein Grund zu einer einschränkenden Auslegung von § 7 Abs. 1 LuftVG. In die rechtswissenschaftliche Diskussion haben die seinerzeit im Gesetzgebungsverfahren geäußerten Bedenken gegenüber einem Betretensrecht privater Vorhabenträger ohnehin keinen Eingang gefunden (vgl. Hofmann/Grabherr, LuftVG, § 7 Rn. 2; Giemulla/Schmid, LuftVG, § 7 Rnrn. 9, 12 und 14; Hönig, UPR 2001, 374 <376 f.>; Deutsch, DVBl 2001, 1868 <1869>).
Dem rechtsstaatlichen Anliegen, das in der im damaligen Gesetzgebungsverfahren geäußerten Kritik an einem Betretensrecht privater Vorhabenträger zum Ausdruck kam, kann im System des § 7 LuftVG hinreichend Rechnung getragen werden. Ohnehin unterliegt es nicht der freien Entscheidung des Vorhabenträgers, auf welchem Grundstück er Vorarbeiten durchführen will; es ist vielmehr Sache der Genehmigungsbehörde, diese Grundstücke unter Beachtung der Anforderungen des § 7 Abs. 1 LuftVG in der - zeitlich nach § 7 Abs. 2 Satz 1 LuftVG begrenzten - Gestattung im Einzelnen abschließend zu benennen. Darüber hinaus hat die Genehmigungsbehörde die Gestattung erforderlichenfalls von Auflagen nach § 7 Abs. 4 Satz 1 LuftVG abhängig zu machen, so dass möglichen Konflikten, die sich bei Durchführung der Vorarbeiten im Hinblick auf die jeweiligen Nutzungen von Grundstücken ergeben können, vorausschauend begegnet werden kann. Schließlich ist hervorzuheben, dass die Genehmigungsbehörde dem Vorhabenträger keine weitergehenden Befugnisse für die Durchführung von Vorarbeiten nach § 7 Abs. 1 LuftVG einräumen kann, als sie ihr selbst im Rahmen von § 7 Abs. 3 LuftVG zustehen. Schon deswegen ist die Befürchtung der Revision, (private) Vorhabenträger könnten aufgrund der nach § 7 Abs. 1 LuftVG erteilten Gestattung zum Betreten von Wohnungen befugt sein, unbegründet. Auf dieser Grundlage erweist sich die Belastung der Grundeigentümer nach § 7 Abs. 1 LuftVG entgegen der Ansicht der Revision jedenfalls als verfassungsrechtlich unbedenkliche Inhaltsbestimmung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 1. April 1999 - BVerwG 4 VR 4.99 - juris).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1, § 14 GKG.
Ende der Entscheidung
Bestellung eines bestimmten Dokumentenformates:
Sofern Sie eine Entscheidung in einem bestimmten Format benötigen, können Sie sich auch per E-Mail an info@protecting.net unter Nennung des Gerichtes, des Aktenzeichens, des Entscheidungsdatums und Ihrer Rechnungsanschrift wenden. Wir erstellen Ihnen eine Rechnung über den Bruttobetrag von € 4,- mit ausgewiesener Mehrwertsteuer und übersenden diese zusammen mit der gewünschten Entscheidung im PDF- oder einem anderen Format an Ihre E-Mail Adresse. Die Bearbeitungsdauer beträgt während der üblichen Geschäftszeiten in der Regel nur wenige Stunden.