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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 22.07.2009
Aktenzeichen: BVerwG 9 KSt 4.08
Rechtsgebiete: VwGO, RVG
Vorschriften:
VwGO § 164 | |
RVG Anlage 1.3 |
In der Verwaltungsstreitsache
...
hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. Juli 2009
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte und Domgörgen
beschlossen:
Tenor:
Auf die Erinnerung des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 8. Oktober 2008 geändert.
Die von dem Kläger aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. März 2008 an den Beklagten zu erstattenden Kosten werden auf 2 224,59 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. August 2008 festgesetzt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens, für das Gerichtsgebühren nicht erhoben werden.
Gründe:
I
Auf Antrag des Beklagten hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die vom Kläger an den Beklagten aufgrund des im wesentlichen klagabweisenden Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. März 2008 zu erstattenden Kosten auf 2 901,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Eingang der Kostenrechnung bei Gericht am 14. August 2008 festgesetzt. Der Kläger hat dagegen mit seiner fristgerecht eingelegten Erinnerung eingewandt, die Verfahrensgebühr nach Nr. 3300 VV RVG hätte nicht mit dem zugrunde gelegten vollen Satz von 1,6 in Ansatz gebracht werden dürfen. Da die Prozessbevollmächtigten des Beklagten bereits im Planfeststellungsverfahren tätig gewesen seien, hätte vielmehr gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG die dafür angefallene Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG hälftig bis zu einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr angerechnet werden müssen. Dem ist der Beklagte entgegengetreten.
II
Die zulässige Erinnerung ist auch begründet. Der Kläger rügt zu Recht, dass bei der Kostenfestsetzung die Geschäftsgebühr für die anwaltliche Vertretung des Beklagten im Planfeststellungsverfahren nach Nr. 2300 VV RVG nicht anteilig auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3300 VV RVG angerechnet worden ist.
Zu den Verfahrenskosten, die der Kläger nach dem Kostenausspruch im Urteil des Senats vom 12. März 2008 insgesamt zu tragen hat, gehören gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO die Gebühren der Prozessbevollmächtigten des Beklagten und damit auch die Verfahrensgebühr nach Nr. 3300 VV RVG. Da der Beklagte sich bereits im Planfeststellungsverfahren durch seine späteren Prozessbevollmächtigten hat vertreten lassen und das Planfeststellungsverfahren denselben Gegenstand betraf wie das gerichtliche Klageverfahren, ist die Geschäftsgebühr nach Maßgabe der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG auf die Verfahrensgebühr anzurechnen. Dass eine solche Anrechnung nach der vorgenannten Regelung auch im Rahmen der Kostenfestsetzung gegen die unterlegene Prozesspartei vorzunehmen ist, entspricht der in der Rechtsprechung ganz überwiegend vertretenen Auffassung (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2007 - VIII ZR 86/06 - NJW 2007, 2049 und Beschluss vom 22. Januar 2008 - VIII ZB 57/07 - NJW 2008, 1323; OVG Koblenz, Beschluss vom 28. Januar 2008 - 6 E 11203/07 - [...]; OVG Lüneburg, Beschluss vom 28. März 2008 - 10 OA 143/07 - NdsRpfl 2008, 290). Soweit dieser Meinung vereinzelt entgegengehalten wird, die Anrechnungsregelung finde nur im Verhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten, nicht hingegen auch im Verhältnis zwischen dem Mandanten und dem kostenpflichtigen Prozessgegner Anwendung (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 4. April 2008 - 11 S 2474/07 - NJW 2008, 2360), kann dem nicht gefolgt werden.
Gegen eine derartige Differenzierung sprechen vor allem der Wortlaut und die Systematik des Gesetzes. Nach dem Text der Vorbemerkung ist die anteilige Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verhandlungsgebühr zwingend vorgeschrieben. Die Regelung gilt zwar in erster Linie im Verhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber. Indem § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO die gesetzlichen Gebühren für erstattungsfähig erklärt, knüpft er aber für das Kostenfestsetzungsverfahren unmittelbar an die gebührenrechtlichen Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes und damit auch an dessen Anrechnungsregelung an. Die Anknüpfung unterliegt nach dem klaren Gesetzeswortlaut keinen Einschränkungen mit der Folge, dass sowohl im Verhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten als auch im Verhältnis zwischen dem Mandanten und dem Streitgegner die Verfahrensgebühr nur in einer nach Maßgabe der Anrechnung verminderten Höhe entsteht.
Dieses Auslegungsergebnis steht in Einklang mit dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, wie er in den Gesetzesmaterialien seinen Niederschlag gefunden hat. Nach der Gesetzesbegründung zum Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (BTDrucks 15/1971 S. 209) sollte die Anrechnung zum einen dem Umstand Rechnung tragen, dass der Umfang der durch die Verfahrensgebühr abgedeckten anwaltlichen Tätigkeit im Prozess davon beeinflusst wird, ob der Rechtsanwalt durch eine vorherige Tätigkeit bereits mit der Angelegenheit befasst war; mit Rücksicht auf den erfahrungsgemäß geringeren Einarbeitungsaufwand des schon vorprozessual befassten Rechtsanwalts sollte also dessen Verfahrensgebühr bereits in ihrer Entstehung gekürzt werden. Zum anderen wurde die Anrechnung als erforderlich angesehen, um eine außergerichtliche Erledigung zu fördern, die durch ein gebührenrechtliches Interesse des Rechtsanwalts an einem gerichtlichen Verfahren erschwert werden könnte. Beiden Zielsetzungen wird die Berücksichtigung der Anrechnung im gerichtlichen Festsetzungsverfahren nach § 164 VwGO gerecht.
Der Einwand der Gegenmeinung, die Anrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren führe zu einer nicht zu rechtfertigenden Privilegierung solcher unterlegener Prozessgegner, die bereits im Verwaltungsverfahren einen Rechtsanwalt eingeschaltet haben, gegenüber solchen, die sich erst im gerichtlichen Verfahren anwaltlicher Hilfe bedient haben (vgl. VGH Mannheim a.a.O. Rn. 8 m.w.N.), vermag nicht zu überzeugen. Angesichts des in § 162 Abs. 1 und 2 VwGO zum Ausdruck gekommenen Willens, die Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltsgebühren grundsätzlich auf die im Prozess entstandenen Gebühren zu beschränken, stellt es eine sachlich begründete und daher auch vor dem Gleichheitssatz zu rechtfertigende gesetzgeberische Entscheidung dar, durch die Anrechnung die Erstattungsfähigkeit auf den Gebührensatz zu begrenzen, der auf den Aufwand des Rechtsanwalts im Prozess zugeschnitten ist. Rechtspolitisch lassen sich Sachgründe freilich auch für eine abweichende Lösung anführen. Um ihnen Geltung zu verschaffen, bedarf es aber einer Entscheidung des Gesetzgebers (vgl. hierzu den Entwurf eines § 15a RVG, BTDrucks 16/12717 S. 55, 67 f.).
Für die danach hälftig bis zu einem Gebührensatz von maximal 0,75 anzurechnende Geschäftsgebühr sieht Nr. 2300 VV RVG einen Gebührensatz von 0,5 bis 2,5 vor; ein Satz von mehr als 1,3 kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. In Anbetracht von Art und Zahl der tatsächlichen und rechtlichen Probleme, die sich im Planfeststellungsverfahren unter dem Blickwinkel des Habitat- und Artenschutzrechts stellten, ist hier von einer besonders umfangreichen und schwierigen vorprozessualen Tätigkeit und damit von einer einen Satz von 1,5 jedenfalls nicht unterschreitenden Geschäftsgebühr auszugehen. Aufgrund dessen ist diese Gebühr mit einem Satz von 0,75 auf die Verhandlungsgebühr von 1,6 anzurechnen mit der Folge, dass sich die erstattungsfähigen Kosten auf den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Betrag vermindern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei (§ 71 Abs. 1 Satz 1 GKG i.Vm. § 1 Satz 1 Nr. 2 GKG a.F., § 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG <Kostenverzeichnis>, Teil 5).
Ende der Entscheidung
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