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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 13.07.1989
Aktenzeichen: 173/88
Rechtsgebiete: EWGV, RL 77/388/EWG


Vorschriften:

EWGV Art. 177
RL 77/388/EWG Art. 13
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Artikel 13 Teil B Buchstabe b der Sechsten Richtlinie ( 77/388 ) zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ist dahin auszulegen, daß der Begriff "Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen", der eine Ausnahme von der Steuerbefreiung vorsieht, die in dieser Bestimmung für die Vermietung von Grundstücken vorgesehen ist, die Vermietung aller für das Abstellen von Fahrzeugen bestimmten Flächen einschließlich geschlossener Garagen umfasst, daß diese Vermietung jedoch dann nicht von der Steuerbefreiung ausgeschlossen werden kann, wenn sie mit der steuerfreien Vermietung von Grundstücken, die für einen anderen Gebrauch bestimmt sind, eng verbunden ist. Daher sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, diese Vermietung, soweit sie von der Befreiung ausgeschlossen ist, der Steuer zu unterwerfen.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (DRITTE KAMMER) VOM 13. JULI 1989. - SKATTEMINISTERIET GEGEN MORTEN HENRIKSEN. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: HOEJESTERET - DAENEMARK. - UMSATZSTEUER - BEFREIUNG. - RECHTSSACHE 173/88.

Entscheidungsgründe:

1 Das Höjesteret hat mit Beschluß vom 21. Juni 1988, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Juni 1988, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung von Artikel 13 Teil B Buchstabe b der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierungder Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem : einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ( 77/388; ABl. L 145, S. 1 ) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Morten Henriksen und dem Skatteministeriet ( dänisches Steuerministerium ) und gehen im wesentlichen dahin, ob die Vermietung von Garagen in einer Herrn Henriksen gehörenden Garagenanlage gemäß der vorgenannten Bestimmung der Sechsten Richtlinie 77/388 von der Mehrwertsteuer befreit ist.

3 Die fragliche Garagenanlage besteht aus zwei Gebäuden mit je 12 Garagen, die im Zusammenhang mit der Errichtung eines aus 37 Reihenhäusern bestehenden Gebäudekomplexes erstellt wurden. Ein Teil der Garagen wird an die Bewohner des Gebäudekomplexes vermietet, ein anderer Teil an Personen aus der Nachbarschaft. Alle Garagen sind geschlossene Räume, jeweils durch eine Mauer voneinander abgetrennt und mit einem Tor versehen.

4 Im Rahmen des Ausgangsverfahrens entschied das in erster Instanz mit der Sache befasste Östre Landsret, daß die Vermietung der genannten Garagen nicht der Mehrwertsteuer unterliege. Nach seiner Auffassung erstreckt sich die Ausnahme von der normalerweise für die Vermietung von Grundstücken geltenden Befreiung nicht auf Garagen der hier fraglichen Art, da diese nicht als "Abstellplätze" im Sinne der dänischen Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet angesehen werden könnten. Ausserdem gebe Artikel 13 Teil B Buchstabe b der Richtlinie 77/388 keinen Anhaltspunkt für eine gegenteilige Auslegung.

5 Um diese Ausführungen beurteilen zu können, hat das als Rechtsmittelgericht mit der Sache befasste Höjesteret das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt :

"1 ) Ist Artikel 13 Teil B Buchstabe b der Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ( Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ) dahin zu verstehen, daß sich die Steuerpflicht für die Vermietung von "Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen" auch auf die Vermietung von Garagen der in der vorliegenden Rechtssache fraglichen Art erstreckt?

2 ) Sofern die vorstehende Frage bejaht wird, wird um Entscheidung darüber gebeten, ob der genannte Artikel dahin auszulegen ist, daß die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die Vermietung von Garagen der in der vorliegenden Rechtssache fraglichen Art der Steuer zu unterwerfen."

6 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens, der fraglichen gemeinschaftsrechtlichen und nationalen Bestimmungen, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur soweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur ersten Frage

7 Unter Berücksichtigung des Akteninhalts ist die erste Frage so zu verstehen, daß mit ihr im wesentlichen geklärt werden soll, ob Artikel 13 Teil B Buchstabe b der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 ( 77/388 ) dahin auszulegen ist, daß der Begriff "Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen" auch die Vermietung von geschlossenen Garagen umfasst, die mit Grundstücken in Verbindung stehen, deren Vermietung von der Mehrwertsteuer befreit ist.

8 Artikel 13 Teil B Buchstabe b der Sechsten Richtlinie sieht folgendes vor : "Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Mißbräuchen festsetzen, von der Steuer... die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken mit Ausnahme... der Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen... Die Mitgliedstaaten können weitere Ausnahmen vom Geltungsbereich dieser Befreiung vorsehen."

9 Herr Henriksen trägt vor, die Wendung "Platz für das Abstellen von Fahrzeugen" im vorgenannten Artikel 13 Teil B Buchstabe b umfasse nur die dem kurzfristigen Abstellen von Fahrzeugen dienenden offenen Flächen. Demgegenüber ist die dänische Regierung der Ansicht, daß mit dieser Wendung, wie sie gewöhnlich verstanden werde, jeder Platz zum Unterbringen oder Abstellen von Fahrzeugen gemeint sei, ohne daß es darauf ankomme, ob er offen oder überdacht sei oder ob er in einem Gebäude liege. Die Kommission macht dagegen geltend, diese Wendung umfasse angesichts des Zusammenhangs, in dem sie stehe, auch geschlossene Garagen mit Ausnahme derjenigen, deren Vermietung ein nicht spezifizierter Teil der von der Steuer befreiten Vermietung eines Gebäudes sei.

10 Eine vergleichende Untersuchung der verschiedenen verbindlichen sprachlichen Fassungen von Artikel 13 Teil B Buchstabe b der Sechsten Richtlinie ergibt hinsichtlich der Bedeutung der Wendung "Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen" terminologische Unterschiede. Zwar legen einige dieser Fassungen die Annahme nahe, daß diese Wendung nur die nichtbebauten, zum Abstellen von Fahrzeugen bestimmten Flächen umfasst; andere sprachliche Fassungen deuten eher darauf hin, daß mit dieser Wendung auch geschlossene Garagen wie diejenigen gemeint sind, die Gegenstand des Ausgangsverfahrens sind.

11 Angesichts dieser Unterschiede lässt sich die Bedeutung des streitigen Begriffs nicht aufgrund einer ausschließlich wörtlichen Auslegung ermitteln. Um seine Bedeutung näher zu bestimmen, ist daher auf den Zusammenhang einzugehen, in dem er steht, wobei die Systematik der Sechsten Richtlinie zu berücksichtigen ist.

12 Insoweit ist zu beachten, daß der Satzteil "mit Ausnahme... der Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen" in Artikel 13 Teil B Buchstabe b der Richtlinie eine Ausnahme von der Steuerbefreiung vorsieht, die in dieser Bestimmung für die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken vorgesehen ist. Er ordnet somit die in ihm genannten Umsätze der allgemeinen Regelung der Richtlinie unter, nach der alle steuerbaren Umsätze der Steuer unterworfen sein sollen, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes vorgesehen ist. Daher kann diese Bestimmung nicht einschränkend in dem Sinne ausgelegt werden, daß nur offene Abstellflächen, nicht aber geschlossene Garagen unter ihren Geltungsbereich fallen können.

13 Diese Auslegung stimmt im übrigen mit einer Vorstellung überein, die allen Mitgliedstaaten gemeinsam ist, von denen keiner in seinen nationalen Rechtsvorschriften zur Durchführung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems die Erhebung dieser Steuer auf die für das Abstellen von Fahrzeugen bestimmten Flächen davon abhängig macht, daß diese offen sind.

14 Es ist jedoch klarzustellen, daß der Begriff der "Vermietung von Grundstücken", die nach Artikel 13 Teil B Buchstabe b von der Mehrwertsteuer befreit ist, neben den Gegenständen, die den Hauptgegenstand dieser Vermietung bilden, notwendigerweise auch deren Zubehör umfasst.

15 Daher kann die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen von diesem Befreiungstatbestand nicht ausgenommen werden, wenn sie mit der steuerfreien Vermietung von für einen anderen Gebrauch bestimmten Grundstücken, z. B. von Grundstücken für Wohnzwecke oder für gewerbliche Zwecke, eng verbunden ist, so daß beide Vermietungen einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang darstellen.

16 Das ist dann der Fall, wenn der Platz für das Abstellen von Fahrzeugen und das für einen anderen Gebrauch bestimmte Grundstück Teil ein und desselben Gebäudekomplexes sind und diese beiden Gegenstände von ein und demselben Vermieter an ein und denselben Mieter vermietet werden.

17 Auf die erste Frage ist daher zu antworten, daß Artikel 13 Teil B Buchstabe b der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1988 ( 77/388 ) dahin auszulegen ist, daß der Begriff "Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen" die Vermietung aller für das Abstellen von Fahrzeugen bestimmten Flächen einschließlich geschlossener Garagen umfasst, daß diese Vermietung jedoch dann nicht von der Steuerbefreiung für die "Vermietung von Grundstücken" ausgeschlossen werden kann, wenn sie mit der steuerfreien Vermietung von Grundstücken, die für einen anderen Gebrauch bestimmt sind, eng verbunden ist.

18 Im Rahmen der in Artikel 177 EWG-Vertrag vorgesehenen Zusammenarbeit zwischen dem nationalen Gericht und dem Gerichtshof ist es Sache des ersteren, die notwendigen tatsächlichen Feststellungen darüber zu treffen, ob die fraglichen Vermietungen diesen Kriterien genügen.

Zur zweiten Frage

19 Mit der zweiten Frage soll im wesentlichen geklärt werden, ob Artikel 13 Teil B Buchstabe b der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, daß er es den Mitgliedstaaten erlaubt, die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen von der Mehrwertsteuer zu befreien.

20 Einerseits ist festzustellen, daß zwar nach dem einleitenden Satz des Artikels 13 Teil B der Sechsten Richtlinie die Mitgliedstaaten die Bedingungen für die Befreiungen festsetzen, die deren korrekte und einfache Anwendung gewährleisten sowie Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaige Mißbräuche verhüten sollen, daß diese "Bedingungen" aber nicht die Bestimmung des Inhalts der vorgesehenen Befreiungen betreffen können.

21 Andererseits ist festzustellen, daß nach dem letzten Absatz des Artikels 13 Teil B Buchstabe b "die Mitgliedstaaten... weitere Ausnahmen vom Geltungsbereich dieser Befreiung vorsehen (( können ))". Bereits der Wortlaut dieser Bestimmung zeigt, daß es den Mitgliedstaaten zwar freisteht, durch die Einführung weiterer Ausnahmen den Geltungsbereich der fraglichen Befreiung zu beschränken, daß sie aber nicht berechtigt sind, Umsätze von der Steuerpflicht auszunehmen, die von dieser Befreiung ausgeschlossen sind.

22 Daraus folgt, daß die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die "Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen" insoweit der Mehrwertsteuer zu unterwerfen, als sie von der Befreiung nach Artikel 13 Teil B Buchstabe b der Sechsten Richtlinie, wie er in der Antwort auf die erste Frage ausgelegt worden ist, ausgeschlossen ist.

23 Auf die zweite Frage ist daher zu antworten, daß Artikel 13 Teil B Buchstabe b der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 ( 77/388 ) dahin auszulegen ist, daß die Mitgliedstaaten die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen insoweit nicht von der Mehrwertsteuer befreien dürfen, als sie von der in dieser Bestimmung vorgesehenen Befreiung ausgeschlossen ist, d. h. als sie nicht mit der steuerfreien Vermietung von für einen anderen Gebrauch bestimmten Grundstücken eng verbunden ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

24 Die Auslagen der dänischen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Dritte Kammer )

auf die ihm vom Höjesteret mit Ersuchen vom 21. Juni 1988 vorgelegten Fragen für Recht erkannt :

1)Artikel 13 Teil B Buchstabe b der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 ( 77/388 ) ist dahin auszulegen, daß der Begriff "Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen" die Vermietung aller für das Abstellen von Fahrzeugen bestimmten Flächen einschließlich geschlossener Garagen umfasst, daß diese Vermietung jedoch dann nicht von der Steuerbefreiung für die "Vermietung von Grundstücken" ausgeschlossen werden kann, wenn sie mit der steuerfreien Vermietung von Grundstücken, die für einen anderen Gebrauch bestimmt sind, eng verbunden ist.

2)Artikel 13 Teil B Buchstabe b der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 ( 77/388 ) ist dahin auszulegen, daß die Mitgliedstaaten die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen insoweit nicht von der Mehrwertsteuer befreien dürfen, als sie von der in dieser Bestimmung vorgesehenen Befreiung ausgeschlossen ist, d. h. als sie nicht mit der steuerfreien Vermietung von für einen anderen Gebrauch bestimmten Grundstücken eng verbunden ist.

Ende der Entscheidung

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