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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 02.02.1989
Aktenzeichen: 22/87
Rechtsgebiete: Richtlinie 80/987 EWG


Vorschriften:

Richtlinie 80/987 EWG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Zwar setzt die Durchführung einer Richtlinie nicht notwendigerweise den Erlaß besonderer Rechts - oder Verwaltungsvorschriften in jedem Mitgliedstaat voraus; deren Erlaß kann aber nur dann als überfluessig angesehen werden, wenn die geltenden Vorschriften des nationalen Rechts tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie gewährleisten.

2. Die Richtlinie 80/987 soll allen Arbeitnehmern ein Mindestmaß an Schutz bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers gewährleisten. Das nationale Recht eines Mitgliedstaats genügt den Anforderungen dieser Richtlinie nicht, wenn die darin vorgesehene Garantie Lücken aufweist, und zwar sowohl bezueglich der Begünstigten - dadurch daß sie nur auf bestimmte Gruppen von Unternehmen Anwendung findet, daß sie über die durch die Richtlinie ausdrücklich gestatteten Ausnahmen hinaus Gruppen von Beschäftigten, die Arbeitnehmer im Sinne des nationalen Rechts sind, ausschließt, und daß sie nicht automatisch eintritt, sondern daß ihre Gewährung von einer Vielzahl von Voraussetzungen abhängt, die von Fall zu Fall von den nationalen Behörden geprüft werden müssen - als auch bezueglich ihres Inhalts - dadurch, daß sie die automatische Gewährung der Leistungen aufgrund der gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit für den Fall, daß die einbehaltenen Beitragsanteile nicht abgeführt worden sind, nicht sicherstellt und die Pensionsansprüche aus Zusatzversorgungseinrichtungen ausserhalb der gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit nicht schützt.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 2. FEBRUAR 1989. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN ITALIENISCHE REPUBLIK. - VERTRAGSVERLETZUNG EINES MITGLIEDSTAATES - UNTERLASSENE DURCHFUEHRUNG DER RICHTLINIE 80/987 DES RATES VOM 20. OKTOBER 1980 - SCHUTZ DER ARBEITNEHMER BEI ZAHLUNGSUNFAEHIGKEIT DES ARBEITGEBERS. - RECHTSSACHE 22/87.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 28. Januar 1987 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag verstossen hat, daß sie nicht innerhalb der festgesetzten Frist alle erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um der Richtlinie 80/987 des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers ( ABl. L 283, S. 23 ) nachzukommen.

2 Die Kommission erhebt insbesondere drei Rügen, die sich auf die Nichterfuellung der Verpflichtungen aus den Artikeln 3 und 5 ( Errichtung von Garantieeinrichtungen, die geeignet sind, die Befriedigung der Ansprüche der Arbeitnehmer aus Arbeitsverträgen sicherzustellen ), aus Artikel 7 ( Garantie der den Arbeitnehmern von den gesetzlichen Systemen der sozialen Sicherheit geschuldetenen Leistungen ) und aus Artikel 8 der Richtlinie ( Garantie der Leistungen bei Alter aus betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtigungen ) beziehen.

3 Die Frist von 36 Monaten, die Artikel 11 der Richtlinie dafür vorsieht, daß die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts - und Verwaltungsvorschriften erlassen, um der Richtlinie nachzukommen, lief am 23. Oktober 1983 ab. Es ist unstreitig, daß die Italienische Republik keine Maßnahmen zur Durchführung der Richtlinie getroffen hat.

4 Die beklagte Regierung macht gleichwohl geltend, daß verschiedene Bestimmungen des geltenden italienischen Rechts so beschaffen seien, daß sie den Arbeitnehmern einen gleichwertigen, ja weitergehenden Schutz sicherten, als ihn die Richtlinie bezwecke.

5 Wegen der Vorgeschichte des Rechtsstreits, des Verfahrensablaufs und des Vorbringens der Parteien wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

6 Vorab ist darauf hinzuweisen, daß gemäß Artikel 189 EWG-Vertrag jeder der Mitgliedstaaten, an die eine Richtlinie gerichtet wird, verpflichtet ist, im Rahmen seiner nationalen Rechtsordnung alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um die volle Wirkung der Richtlinie, wie sie ihrer Zielsetzung entspricht, sicherzustellen. Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ( insbesondere dem Urteil vom 23. Mai 1985 in der Rechtssache 29/84, Kommission/Bundesrepublik Deutschland, Slg. 1985, 1661 ), daß zwar die Durchführung einer Richtlinie nicht notwendigerweise den Erlaß besonderer Rechts - oder Verwaltungsvorschriften in jedem Mitgliedstaat voraussetzt, daß deren Erlaß aber nur dann als überfluessig angesehen werden kann, wenn die geltenden Vorschriften des nationalen Rechts tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie gewährleisten.

7 Die Richtlinie 80/987, deren Nichtdurchführung der Italienischen Republik vorgeworfen wird, bezweckt die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Sie sieht hierfür insbesondere spezielle Garantien für die Befriedigung ihrer nichterfuellten Ansprüche vor.

8 Die drei Rügen der Kommission sind demgemäß nacheinander zu prüfen, um zu klären, ob die Vorschriften des italienischen Rechts, auf die sich die beklagte Regierung beruft, den Arbeitnehmern die speziellen Garantien sichern, die die Richtlinie 80/987 vorsieht.

Zur ersten Rüge : Nichtdurchführung der Artikel 3 und 5 der Richtlinie 80/987

9 Gemäß den Artikeln 3 und 5 der Richtlinie sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, Garantieeinrichtungen zu schaffen, die die Befriedigung der nichterfuellten Ansprüche der Arbeitnehmer aus Arbeitsverträgen und Arbeitsverhältnissen, die das Arbeitsentgelt für den Zeitraum betreffen, der vor einem bestimmten, nach Artikel 3 festgelegten Zeitpunkt liegt, sicherstellen.

10 Nach Auffassung der italienischen Regierung gewährleistet die verbundene Anwendung der verschiedenen italienischen Rechtsvorschriften zur Verhinderung der negativen Folgen, die sich für die Arbeitnehmer aus dem Verlust des Arbeitsplatzes ergeben könnten, einen den Artikeln 3 und 5 der Richtlinie gleichwertigen Schutz. Die italienische Regierung erwähnt insbesondere zum einen die Vorschriften über das Arbeitsentgelt, das bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt werde (" trattamento di fine rapporto "), im Gesetz Nr. 297 vom 29. Mai 1982 ( GURI Nr. 148 vom 7. 6. 1982 ), zum anderen das System der Leistungsgarantie, das durch die "Cassa integrazione guadagni - gestione straordinaria" ( Kasse für Zusatzleistungen zu den Gehältern - Sonderverwaltung ) gewährleistet werde, die durch das Gesetz Nr. 164 vom 29. Mai 1975 ( GURI Nr. 147 vom 31. 5. 1975 ) errichtet worden sei und eine alternative Garantieregelung darstelle, wie sie ausdrücklich von Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie in Verbindung mit Abschnitt II Buchstabe C Punkt 1 ihres Anhangs zugelassen werde.

11 Bezueglich des Arbeitsentgelts bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist festzustellen, daß es sich um eine Leistung handelt, deren Betrag nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses bestimmt wird und grundsätzlich ein Monatsgehalt pro Dienstjahr beträgt, und auf die alle Arbeitnehmer bei Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses gemäß Artikel 2120 des Codice civile Anspruch haben. Der in Artikel 2 des Gesetzes Nr. 297 vorgesehene Garantiefonds soll zur Sicherstellung der Leistung dieser Zuwendung an die Stelle des zahlungsunfähigen Arbeitgebers treten. Diese Garantie erstreckt sich jedoch nicht auf die Befriedigung der Ansprüche des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt, das im Laufe des Arbeitsverhältnisses wegen der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht ordnungsgemäß gezahlt wurde. Die Befriedigung dieser letzteren Ansprüche soll aber durch die Artikel 3 und 5 der Richtlinie 80/987 sichergestellt werden. Folglich sind die Bestimmungen des italienischen Rechts über die Zahlung des Arbeitsentgelts bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht geeignet, die Verpflichtungen zu erfuellen, die sich aus den erwähnten Artikeln der Richtlinie ergeben.

12 Was die Kasse für Zusatzleistungen zu den Gehältern - Sonderverwaltung - angeht, die die Befriedigung der Ansprüche der Arbeitnehmer bis zu 80 % ihres Arbeitsentgelts im Falle einer "Krise des Unternehmens" - ein Begriff, der den Fall der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers einschließt - gewährleistet, ist nicht bestritten, daß diese geeignet ist, den Erfordernissen der Richtlinie im Hinblick auf den sachlichen Geltungsbereich der Garantie zu genügen. Wie die Kommission bemerkt hat, hat diese Garantie jedoch bezueglich ihres persönlichen Geltungsbereichs Lücken im Vergleich zu dem von der Richtlinie vorgeschriebenen Geltungsbereich.

13 Erstens ist festzustellen, daß das System ausschließlich Anwendung findet auf Industrieunternehmen ( Gesetz Nr. 164 vom 29. Mai 1975 ), auf Unternehmen, die Kantinen von Industrieunternehmen betreiben, auf Handelsunternehmen mit mehr als 1 000 Beschäftigten ( Gesetz Nr. 155 vom 23. April 1981, GURI Nr. 114 vom 27. 4. 1981 ), auf Verlagsunternehmen im Bereich der Tagespresse und Presseagenturen mit nationaler Verbreitung ( Gesetz Nr. 146 vom 5. August 1981, GURI Nr. 215 vom 6. 8. 1981 ) und schließlich auf Schiffahrtsunternehmen ( Gesetz Nr. 918 vom 9. Dezember 1982 ), die jedoch vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen sind.

14 Hieraus folgt, daß die Arbeitnehmer aller Unternehmen, die nicht zu einer der genannten Gruppen gehören, im Falle der Zahlungsunfähigkeit ihrer Arbeitgeber von der Garantie durch die Kasse für Zusatzleistungen zu den Gehältern ausgeschlossen sind.

15 Zweitens ist festzustellen, daß nicht alle Personen, die bei den oben erwähnten Unternehmen beschäftigt sind, in den Genuß des Garantiesystems kommen, das die Kasse für Zusatzleistungen zu den Gehältern sicherstellt. Ausgenommen sind namentlich leitende Angestellte, Auszubildende und Heimarbeiter.

16 Die italienische Regierung macht allerdings geltend, daß diese drei Gruppen von Beschäftigten vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen sein müssten wegen der besonderen Art ihrer Arbeitsverträge und, was die leitenden Angestellten angehe, wegen des Bestehens sehr weit entwickelter Schutzsysteme, die sich aus den Tarifverträgen ergäben.

17 Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die Richtlinie gemäß dem ausdrücklichen Wortlaut von Artikel 2 Absatz 2 das einzelstaatliche Recht bezueglich der Bestimmung des Begriffs "Arbeitnehmer" unberührt lässt. Aus den Bestimmungen des Codice civile ( Artikel 2095 für die leitenden Angestellten, Artikel 2134 für die Auszubildenden und Artikel 2128 für die Heimarbeiter ) sowie aus den Spezialgesetzen und der Rechtsprechung, die die Kommission zitiert hat, ohne insoweit bei der italienischen Regierung auf Widerspruch zu stossen, ergibt sich, daß diese drei Gruppen von Beschäftigten vom italienischen Recht als Arbeitnehmer angesehen werden.

18 Weiter ist darauf hinzuweisen, daß die Möglichkeit, bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern wegen der besonderen Art ihres Arbeitsvertrags oder ihres Arbeitsverhältnisses oder wegen des Bestehens anderer Garantieformen, die ihnen einen gleichwertigen Schutz gewährleisten, vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszunehmen, wie Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie dies ausnahmsweise vorsieht, durch eben diese Bestimmung auf die Gruppen begrenzt wird, die ausdrücklich in der Liste im Anhang der Richtlinie genannt sind. Was Italien anlangt, sieht diese Liste nicht den Auschluß einer Gruppe von Arbeitnehmern aus einem der oben angeführten Gründe vor.

19 Hieraus folgt, daß sowohl leitende Angestellte als auch Auszubildende und Heimarbeiter, die Arbeitnehmer im Sinne des italienischen Rechts sind, in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen.

20 Drittens ist festzustellen, daß die Garantie, die für die Arbeitnehmer der Unternehmen besteht, die durch das System der Kasse für Zusatzleistungen zu den Gehältern erfasst werden, nicht automatisch eintritt, sondern daß ihre Gewährung von einer Vielzahl von Voraussetzungen abhängt, die von Fall zu Fall vom interministeriellen Ausschuß für Industriepolitik gewürdigt werden müssen.

21 Sowohl aus Artikel 2 des Gesetzes Nr. 675 vom 12. August 1977 ( GURI Nr. 243 vom 7. 9. 1977 ) wie aus der Entscheidung des interministeriellen Ausschusses für Industriepolitik vom 12. Juni 1984 ( GURI Nr. 18 vom 22. 1. 1985 ), auf die sich die beklagte Regierung beruft, folgt nämlich, daß das Eingreifen der Kasse für Zusatzleistungen zu den Gehältern im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens Ausnahmecharakter hat und eine Entscheidung voraussetzt, die insbesondere im Hinblick auf die soziale Bedeutung des Unternehmens für die örtliche Beschäftigungslage und die Situation im betroffenen Produktionsbereich getroffen wird.

22 Die italienische Regierung macht insoweit geltend, es ergebe sich unmittelbar aus dem Wortlaut von Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie und aus der Liste in ihrem Anhang - die, was Italien anlange, als "Arbeitnehmer mit anderen Garantieformen", die folglich vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen werden dürften, "Arbeitnehmer, die Leistungen nach den Vorschriften über die Lohngarantie bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Unternehmens erhalten", aufführe -, daß alle Gruppen von Arbeitnehmern, denen die Garantieregelung der Kasse für Zusatzleistungen zu den Gehältern zugute komme, vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen seien. Dieser Ausschluß gelte nicht nur für den individuellen Arbeitnehmer, der dieses Garantiesystem konkret in Anspruch genommen habe, sondern für die Gesamtheit der Arbeitnehmer, denen dieses System theoretisch zugute kommen könne.

23 Diese Auffassung ist zurückzuweisen. Es folgt aus der Zielsetzung der Richtlinie, die allen Arbeitnehmern ein Mindestmaß an Schutz sichern soll, wie aus dem Ausnahmecharakter der Ausschlußmöglichkeit des Artikels 1 Absatz 2, daß diese Bestimmung der extensiven Auslegung, die die beklagte Regierung vornimmt, nicht zugänglich ist. Nur die Arbeitnehmer, denen im Falle der Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeber tatsächlich das Schutzsystem der Kasse für Gehaltszusatzleistungen zugute kommt, dürfen folglich als vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen angesehen werden.

24 Daraus ergibt sich, daß die erste Rüge der Kommission durchgreift.

Zur zweiten Rüge : Nichtdurchführung von Artikel 7 der Richtlinie

25 Artikel 7 der Richtlinie lautet :

"Die Mitgliedstaaten treffen die notwendigen Maßnahmen, um sicherzustellen, daß die Nichtzahlung an ihre Versicherungsträger von Pflichtbeiträgen zu den einzelstaatlichen gesetzlichen Systemen der sozialen Sicherheit, die vom Arbeitgeber vor Eintritt seiner Zahlungsunfähigkeit geschuldet waren, keine Nachteile für die Leistungsansprüche der Arbeitnehmer gegenüber diesen Versicherungsträgern mit sich bringt, soweit die Arbeitnehmerbeitragsanteile von den gezahlten Löhnen einbehalten worden sind."

26 Die italienische Regierung hebt hervor, daß Artikel 2116 des Codice civile dem Grundsatz der "automatischen Gewährung der Leistungen" Rechnung trage, der den Arbeitnehmern den Bezug von Leistungen auch im Falle der Nichtzahlung der Beiträge durch den Arbeitgeber gewährleiste.

27 Insoweit ist festzustellen, daß, wie die Kommission zu Recht betont hat, der Grundsatz der automatischen Gewährung der Leistungen durch den erwähnten Artikel des Codice civile vorbehaltlich spezieller Gesetzesbestimmungen zur Regelung der Materie anerkannt wird. Insbesondere gilt gemäß Artikel 23 b des Gesetzes Nr. 485 vom 11. August 1972 ( GURI Nr. 223 vom 26. 8. 1972 ) "die Beitragspflicht, die den Anspruch auf Leistungen bei Alter, Invalidität oder für die Hinterbliebenen begründet,... auch dann als erfuellt, wenn die Beiträge tatsächlich nicht entrichtet worden sind, sondern im Rahmen der zehnjährigen Verjährungsfrist geschuldet bleiben ". Daraus folgt, daß die Ansprüche der Arbeitnehmer auf Leistungen bei Alter, Invalidität oder für die Hinterbliebenen im Falle der Verjährung des Anspruchs der Versicherungseinrichtung gegen den zahlungsunfähigen Arbeitgeber nicht gesichert sind.

28 Dem Vorbringen, die Arbeitnehmer könnten den Eintritt der Verjährung verhindern, indem sie mittels der Bescheinigung, die ihnen das Istituto Nazionale della Previdenza Sociale jedes Jahr schicken müsse, die tatsächliche Entrichtung der Beiträge durch ihren Arbeitgeber überprüften, kann nicht gefolgt werden. Tatsächlich macht Artikel 7 der Richtlinie die Garantie des Leistungsanspruchs des Arbeitnehmers nur von einer Voraussetzung abhängig, nämlich der Einbehaltung der Arbeitnehmerbeitragsanteile von den gezahlten Löhnen.

29 Die italienische Regierung macht noch geltend, daß es gemäß Artikel 13 des Gesetzes Nr. 1338 vom 12. August 1962 ( GURI Nr. 229 vom 11. 9. 1962 ) möglich sei, die konkreten Fälle zu bewältigen, in denen die Nichtentrichtung der geschuldeten Beiträge es notwendig mache, die Renten der Arbeitnehmer zu sichern. Gemäß dieser Bestimmung könne das Istituto nazionale della previdenza sociale in Fällen, in denen der Arbeitgeber die Beiträge nicht entrichtet habe und die Beitragsforderungen verjährt seien, auf Antrag des Arbeitgebers oder des betroffenen Arbeitnehmers eine Leibrente in Höhe der Altersrente oder des Teils der Altersrente bestellen, die der Pflichtversicherung entspreche, die dem Arbeitnehmer für die nichtentrichteten Beiträge zustuende.

30 Insoweit ist festzustellen, daß die Bestellung einer derartigen Rente kraft Gesetzes von der Zahlung von Beiträgen zur mathematischen Reserve des beim Istituto nazionale della previdenza sociale gebildeten "Fondo di adeguamento costituito" ( Sonderanpassungsfonds ) durch den Arbeitnehmer oder den Arbeitgeber abhängt. Da es sich um zahlungsunfähige Arbeitgeber handelt, wird folglich die Bestellung der Leibrente von den Einlagen des Arbeitnehmers selbst abhängen. Die gesetzliche Regelung, auf die sich die italienische Regierung beruft, gestattet es folglich nicht, die Unzulänglichkeiten des Grundsatzes der automatischen Gewährung der Leistungen im Hinblick auf die Erfordernisse des Artikels 7 der Richtlinie zu kompensieren.

31 Die italienische Regierung macht ferner geltend, Artikel 6 der Richtlinie gestatte es den Mitgliedstaaten, die Leistungsansprüche der Arbeitnehmer im Rahmen der gesetzlichen Systeme wie auch der Zusatzversorgungseinrichtungen der sozialen Sicherheit vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszunehmen.

32 Dieser Auslegung des Artikels 6, die darauf hinausliefe, den Mitgliedstaaten zu gestatten, einseitig den Umfang der sich aus der Richtlinie ergebenden Verpflichtungen zu begrenzen, kann nicht gefolgt werden. Wie sich unmittelbar aus dem Wortlaut von Artikel 6 ergibt, gestattet es diese Bestimmung den Mitgliedstaaten nur, die in den Artikeln 3 und 5 vorgesehenen Garantieeinrichtungen nicht zu verpflichten, die Kosten für die Beiträge zu übernehmen, die der zahlungsunfähige Arbeitgeber nicht entrichtet hat, indem sie ihnen die Möglichkeit gibt, ein anderes Garantiesystem für die Ansprüche der Arbeitnehmer auf Leistungen der sozialen Sicherheit zu wählen.

33 Daraus ergibt sich, daß die zweite Rüge der Kommission durchgreift.

Zur dritten Rüge : Nichtdurchführung von Artikel 8 der Richtlinie

34 In Beantwortung des Vorwurfs der Kommission, im italienischen Recht fehlten Vorschriften zur Durchführung der Verpflichtung nach Artikel 8 der Richtlinie - der die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Rechte der Arbeitnehmer auf Leistungen bei Alter und für Hinterbliebene aus betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen ausserhalb der gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit zu schützen - trägt die italienische Regierung vor, in Italien gebe es fast keine derartigen Zusatzeinrichtungen.

35 Insoweit genügt die Feststellung, daß dieser Umstand die Nichterfuellung der Verpflichtung nach Artikel 8 der Richtlinie nicht rechtfertigen kann.

36 Ausserdem beruft sich die italienische Regierung auf das Argument, das sie aus ihrer Auslegung von Artikel 6 der Richtlinie herleitet und das schon im Rahmen der Prüfung der zweiten Rüge der Kommission verworfen worden ist.

37 Hieraus folgt, daß die dritte Rüge der Kommission ebenfalls durchgreift.

38 Sonach ist festzustellen, daß die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag verstossen hat, daß sie nicht innerhalb der gesetzten Frist alle erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um den Bestimmungen der Richtlinie 80/987 des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nachzukommen.

Kostenentscheidung:

Kosten

39 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Beklagte mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden :

1)Die Italienische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag verstossen, daß sie nicht innerhalb der gesetzten Frist alle erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um den Bestimmungen der Richtlinie 80/987 des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nachzukommen.

2 ) Die Italienische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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