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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 21.06.2007
Aktenzeichen: C-163/06 P
Rechtsgebiete: Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1150/2000


Vorschriften:

Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1150/2000 Art. 11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)

21. Juni 2007

"Rechtsmittel - Nichtigkeitsklage - Unzulässigkeit - Handlung ohne verbindliche Rechtswirkungen - Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften - Vertragsverletzungsverfahren - Art. 11 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1150/2000 - Verzugszinsen - Verhandlung über eine Vereinbarung wegen einer unter Vorbehalt gestellten Zahlung - Ablehnungsschreiben"

Parteien:

In der Rechtssache C-163/06 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs, eingelegt am 23. März 2006,

Republik Finnland, vertreten durch E. Bygglin als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Rechtsmittelführerin,

andere Verfahrensbeteiligte:

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Wilms und P. Aalto als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Juhász sowie der Richter J. Malenovský und T. von Danwitz (Berichterstatter),

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,

Kanzler: R. Grass,

nach Anhörung des Generalanwalts

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

1 Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Republik Finnland, den Beschluss des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 9. Januar 2006, Finnland/Kommission (T-177/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) (im Folgenden: angefochtener Beschluss), aufzuheben, mit dem ihre Klage auf Nichtigerklärung der nach ihrer Meinung im Schreiben vom 28. Februar 2005 enthaltenen und im Schreiben vom 25. April 2005 bestätigten Entscheidung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften (Generaldirektion Haushalt) als unzulässig abgewiesen wurde. Nach Ansicht der Republik Finnland hat die Kommission in diesen Schreiben entschieden, keine Verhandlungen mit der Republik Finnland wegen einer unter Vorbehalt gestellten Zahlung rückwirkend erhobener Zölle und der bis zu deren tatsächlichen Zahlung angefallenen Verzugszinsen hieraus - die die Kommission in dem nach Art. 226 EG eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2003/2180 von der Republik Finnland verlangt - aufzunehmen.

Rechtlicher Rahmen

2 Die Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1150/2000 des Rates vom 22. Mai 2000 zur Durchführung des Beschlusses 94/728/EG, Euratom über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften (ABl. L 130, S. 1) schreibt in Art. 6 in Titel II ("Verbuchung der Eigenmittel") vor, dass bei der Haushaltsverwaltung jedes Mitgliedstaats oder bei der von jedem Mitgliedstaat bestimmten Einrichtung über die Eigenmittel Buch geführt wird. Die Bestimmung legt die Einzelheiten dieser Buchführung und der Informationen fest, die der Kommission zu übermitteln sind.

3 Art. 9 Abs. 1 in Titel III ("Bereitstellung der Eigenmittel") der Verordnung Nr. 1150/2000 bestimmt:

"Jeder Mitgliedstaat schreibt die Eigenmittel nach Maßgabe des Artikels 10 dem Konto gut, das zu diesem Zweck für die Kommission bei der Haushaltsverwaltung des Mitgliedstaats oder bei der von ihm bestimmten Einrichtung eingerichtet wurde.

Das Konto wird unentgeltlich geführt."

4 Nach Art. 11 der Verordnung hat "[b]ei verspäteter Gutschrift auf dem in Artikel 9 Absatz 1 genannten Konto ... der betreffende Mitgliedstaat Zinsen zu zahlen, deren Satz dem am Fälligkeitstag auf dem Geldmarkt des betreffenden Mitgliedstaats für kurzfristige Finanzierung geltenden Zinssatz - erhöht um 2 Prozentpunkte - entspricht. Dieser Satz erhöht sich um 0,25 Prozentpunkte für jeden Verzugsmonat. Der erhöhte Satz findet auf die gesamte Dauer des Verzugs Anwendung."

Vorgeschichte des Rechtsstreits

5 Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt wurde in den Randnrn. 1 bis 9 des angefochtenen Beschlusses folgendermaßen beschrieben:

"1 Die Kommission leitete am 17. Oktober 2003 das Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2003/2180 gegen die Republik Finnland ein und erließ eine mit Gründen versehene Stellungnahme gemäß Art. 226 EG, da sie der Meinung war, dass der Mitgliedstaat dadurch gegen seine gemeinschaftsrechtlichen Pflichten verstoßen habe, dass er es unterlassen habe, die nicht erhobenen Eigenmittel für die Einfuhr von militärischen Ausrüstungsgegenständen zwischen 1998 und 2002 zu berechnen und der Kommission zur Verfügung zu stellen, und sich geweigert habe, die entsprechenden Verzugszinsen zu zahlen.

2 Die Republik Finnland wandte sich gegen die rechtliche Würdigung der Kommission und vertrat die Auffassung, dass Art. 296 EG ihr das Recht verleihe, zur Wahrung ihrer wesentlichen Sicherheitsinteressen vertrauliche Informationen über die Einfuhr von militärischen Ausrüstungsgegenständen nicht mitzuteilen und im Übrigen von der Erhebung von Zöllen auf die fraglichen Einfuhren in dem für das Vertragsverletzungsverfahren maßgeblichen Zeitraum abzusehen.

3 Um die Kumulierung der Verzugszinsen, die unter den Voraussetzungen des Art. 11 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1150/2000 ... anfallen, zu unterbrechen, bat die Republik Finnland die Kommission am 25. Januar 2005 um Verhandlungen wegen einer unter Vorbehalt gestellten Zahlung der rückwirkend erhobenen Zölle und der bis zu deren tatsächlichen Zahlung angefallenen Verzugszinsen hieraus. Sie berief sich auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Möglichkeit einer solchen Zahlung unter Vorbehalt und äußerte den Wunsch, mit der Kommission eine Vereinbarung über die fragliche, unter Vorbehalt gestellte Zahlung zu treffen.

4 Die Kommission teilte der Republik Finnland mit Schreiben des für den Haushalt zuständigen Mitglieds der Europäischen Kommission vom 8. Februar 2005 mit, dass Finnland nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Zahlung unter Vorbehalt leisten könne, die die Rechte des Mitgliedstaats bis zur Entscheidung des Gerichtshofs wahre. Wegen der praktischen Modalitäten einer Zahlung wurden die finnischen Behörden an die Generaldirektion Haushalt der Kommission verwiesen.

5 Nach einem Telefongespräch stellte die Kommission gegenüber der Republik Finnland mit Schreiben des Generaldirektors der Generaldirektion Haushalt vom 28. Februar 2005 (erstes angefochtenes Schreiben) klar, dass sie angesichts der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten bezüglich der Eigenmittel der Gemeinschaften rechtlich nicht befugt sei, eine Vereinbarung zu treffen, wie sie von den finnischen Behörden gewünscht werde, und dass sie nicht über spezielle Bedingungen für diese oder jene Zahlung verhandeln könne, sofern es keine besonderen Berechnungsschwierigkeiten gebe, die im vorliegenden Fall aber nicht geltend gemacht worden seien.

6 Der Generaldirektor der Generaldirektion Haushalt bestätigte ... gegenüber den finnischen Behörden die Möglichkeit einer Zahlung unter Vorbehalt im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs. Er erläuterte die praktischen Modalitäten einer solchen Zahlung und die Folgen dieser Zahlung im Hinblick auf das gerichtliche Verfahren.

7 Mit Schreiben vom 18. März 2005 wies die Republik Finnland die Kommission darauf hin, dass das Vertragsverletzungsverfahren die Frage betreffe, ob Art. 296 EG einem Mitgliedstaat erlaube, vertrauliche Informationen über die Einfuhr von militärischen Ausrüstungsgegenständen nicht mitzuteilen und die Erhebung der entsprechenden Zölle auszusetzen; außerdem sei der ausdrückliche Zweck einer Zahlung unter Vorbehalt, die Kumulierung der in der Verordnung Nr. 1150/2000 vorgesehenen Verzugszinsen zu unterbrechen.

8 Die finnischen Behörden betonten darüber hinaus, ihre Zahlung unter Vorbehalt unterliege zwei Bedingungen, nämlich zum einen, dass sich die Kommission verpflichte, die Rechtssache dem Gerichtshof vorzulegen, und zum anderen, dass ihnen garantiert werde, die Zahlung abweichend vom normalen Verfahren durchführen zu können, d. h. ohne Informationen mitteilen zu müssen, die wesentliche Sicherheitsinteressen des Mitgliedstaats beeinträchtigten.

9 Mit Schreiben des Generaldirektors der Generaldirektion Haushalt vom 25. April 2005 (zweites angefochtenes Schreiben) wies die Kommission die finnischen Behörden noch einmal darauf hin, dass es ihr unmöglich sei, über die gewünschte Vereinbarung zu verhandeln, und bekräftigte im Übrigen ihr Schreiben vom 28. Februar 2005."

Klage beim Gericht und angefochtener Beschluss

6 Mit am 11. Mai 2005 eingegangener Klageschrift erhob die finnische Regierung die Klage, die zum angefochtenen Beschluss führte.

7 Die Kommission erhob eine Einrede der Unzulässigkeit und beantragte, die Klage für unzulässig zu erklären, hilfsweise, sie als unbegründet abzuweisen.

8 Die Republik Finnland beantragte, die Klage für zulässig zu erklären und die nach ihrer Meinung im Schreiben vom 28. Februar 2005 enthaltene und im Schreiben vom 25. April 2005 bestätigte (im Folgenden gemeinsam: streitige Schreiben) Entscheidung der Kommission für nichtig zu erklären, mit der die Kommission Verhandlungen mit der Republik Finnland wegen einer unter Vorbehalt gestellten Zahlung rückwirkend erhobener Zölle und der bis zu deren tatsächlichen Zahlung angefallenen Verzugszinsen hieraus - die die Kommission in dem nach Art. 226 EG eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2003/2180 von ihr verlangt -abgelehnt hatte.

9 Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Gericht die Klage gemäß Art. 114 seiner Verfahrensordnung ohne mündliche Verhandlung als unzulässig abgewiesen.

10 Das Gericht war der Auffassung, dass die im vorprozessualen Abschnitt des Vertragsverletzungsverfahrens an die Republik Finnland ergangenen streitigen Schreiben keine Entscheidung enthielten, die geeignet sei, verbindliche Rechtswirkungen zu entfalten, die die Interessen dieses Mitgliedstaats beeinträchtigen könnten.

11 In Randnr. 32 des angefochtenen Beschlusses hat es ausgeführt, dass die Ablehnung von Verhandlungen keine Entscheidung sei, die den Mitgliedstaat beschwere. Die Aufnahme von Verhandlungen wie den im vorliegenden Rechtsstreit in Rede stehenden - wenn denn die Kommission dazu befugt gewesen wäre - hätte an und für sich die rechtliche Lage der Republik Finnland nicht beeinträchtigen können, da nur der Abschluss einer Vereinbarung am Ende dieser Verhandlungen, wenn sie erfolgreich gewesen wären, unter Umständen eine solche Wirkung hätte haben können.

12 In Randnr. 33 des angefochtenen Beschlusses hat das Gericht festgestellt, dass weder die Verordnung Nr. 1150/2000 noch die Rechtsprechung des Gerichtshofs die Kommission im Bereich der Eigenmittel der Gemeinschaften dazu ermächtigen, irgendwelche Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten aufzunehmen.

13 Zu der unter Vorbehalt gestellten Zahlung hat das Gericht in Randnr. 34 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass der "Vorbehalt", unter dem die Zahlung nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs erfolgen könne, in der Bekräftigung der Meinungsverschiedenheit liege, die trotz der Zahlung zwischen dem Mitgliedstaat und der Kommission bezüglich der Begründetheit der Forderung dieses Organs herrsche.

14 In den Randnrn. 35 und 36 dieses Beschlusses hat das Gericht darauf hingewiesen, dass die Kommission eine unter Vorbehalt gestellte Zahlung der im Vertragsverletzungsverfahren streitigen Zölle durch die Republik Finnland nicht abgelehnt habe, sondern im Gegenteil die Möglichkeit erläutert habe, die sich den finnischen Behörden nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs biete, um diese Zahlung vorzunehmen. Die Kommission habe erklärt, dass die finnischen Behörden nur die nicht gezahlten Zölle zu berechnen und die entsprechenden Beträge in Höhe des Hauptbetrags der Kommission auf dem Eigenmittelkonto zur Verfügung zu stellen brauchten, wonach sie die Verzugszinsen von dem Zeitpunkt, von dem an ihr die streitigen Zölle zur Verfügung hätten gestellt werden müssen (entsprechend der Mitteilung des Mitgliedstaats), bis zu dem Tag der tatsächlichen Zahlung berechnen werde. Im Fall eines Obsiegens der Republik Finnland im beim Gerichtshof noch anhängigen Vertragsverletzungsverfahren werde die Kommission schließlich die unter Vorbehalt gezahlten Beträge zurückerstatten.

15 In den Randnrn. 37 bis 40 des angefochtenen Beschlusses hat das Gericht die zwei "Bedingungen" verworfen, die die finnische Regierung für eine Zahlung unter Vorbehalt gestellt hatte, nämlich eine Verpflichtungserklärung der Kommission, eine Vertragsverletzungsklage beim Gerichtshof zu erheben, und eine Befreiung von der Pflicht zur Mitteilung vertraulicher Informationen. Zum einen schließe nämlich der Ermessensspielraum, über den die Kommission bei der Frage der Zweckmäßigkeit der Erhebung einer solchen Klage vor dem Gerichtshof verfüge, aus, dass jeder verlangen könne, dass sie sich in einem bestimmten Sinn festlege. Zum anderen habe die Kommission in keiner Weise verlangt, dass bei der Zahlung unter Vorbehalt vertrauliche Informationen mitgeteilt würden, die wesentliche Sicherheitsinteressen des Mitgliedstaats beeinträchtigen könnten.

16 Unter diesen Umständen ist das Gericht somit zu dem Ergebnis gekommen, dass die streitigen Schreiben nicht den Charakter einer Entscheidung im Sinne von Art. 230 EG aufwiesen und aus diesem Grund nicht Gegenstand eines Antrags auf Nichtigerklärung sein könnten. Folglich sei die Nichtigkeitsklage als unzulässig abzuweisen.

Anträge der Parteien

17 Die Republik Finnland beantragt,

- den angefochtenen Beschluss aufzuheben;

- ihre nach Art. 230 EG erhobene Klage für zulässig zu erklären;

- den Rechtsstreit an das Gericht zurückzuverweisen, damit es in der Sache entscheidet und der Kommission auch die Kosten auferlegt, die der Republik Finnland im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens entstanden sind.

18 Die Kommission beantragt,

- das Rechtsmittel als unbegründet zurückzuweisen;

- der Republik Finnland die Kosten aufzuerlegen.

Zum Rechtsmittel

19 Nach Art. 119 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof jederzeit auf Bericht des Berichterstatters nach Anhörung des Generalanwalts das Rechtsmittel ganz oder teilweise durch Beschluss, der mit Gründen zu versehen ist, ohne mündliche Verhandlung zurückweisen, wenn das Rechtsmittel ganz oder teilweise offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist.

20 Zur Stützung ihres Antrags auf Aufhebung des angefochtenen Beschlusses trägt die finnische Regierung einen einzigen Rechtsmittelgrund vor, der aus vier Teilen besteht. Mit diesem Rechtsmittelgrund wird gerügt, dass das Gericht den streitigen Schreiben rechtsfehlerhaft nicht den Charakter einer Entscheidung zuerkannt habe, die mit einer Klage nach Art. 230 EG angefochten werden könne.

21 Die Kommission bemerkt, dass die streitigen Schreiben nur einfache Informationsschreiben seien, in denen sie den von ihr im vorliegenden Fall gewählten Weg erläutere. Keines dieser Schreiben beeinträchtige die Interessen der Republik Finnland oder ändere ihre rechtliche Lage im Vergleich zur Situation vor Erhalt der Schreiben. Das Gericht habe somit das Gemeinschaftsrecht richtig angewandt, und die Republik Finnland habe nicht dargetan, dass es einen Rechtsfehler begangen habe.

Zum zweiten und zum dritten Teil: Fehlerhafte Beurteilung der Befugnisse der Kommission und der Rechtswirkung der streitigen Schreiben

Argumente der finnischen Regierung

22 Die finnische Regierung wendet sich gegen die Feststellung des Gerichts in den Randnrn. 28 bis 36 des angefochtenen Beschlusses, dass die Kommission zu Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten nicht befugt sei und dass solche Verhandlungen auch nicht notwendig gewesen seien.

23 Sie ist der Ansicht, dass die Möglichkeit einer Zahlung unter Vorbehalt im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens nicht auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1150/2000 beurteilt werden könne, da die Verordnung keine Vorschriften über die Verfahren bei Zahlungen enthalte, die sich nicht auf die der Gemeinschaft zur Verfügung gestellten Eigenmittel bezögen.

24 Das Gemeinschaftsrecht habe kein System geschaffen, mit dem eine Zahlung unter Vorbehalt so durchgeführt werden könne, dass die Rechte des Mitgliedstaats gewährleistet seien. Weder gebe es einen eindeutigen Hinweis, wie ein Mitgliedstaat sicherstellen könne, dass die Kommission den Gerichtshof mit der Sache befassen werde, wenn die Gelder zuzüglich Verzugszinsen einmal gezahlt worden seien, noch sei klar, wie vorzugehen sei, wenn die Kommission darauf verzichte, eine Klage zu erheben, da das Gemeinschaftsrecht keine Garantien vorsehe, dass dem Mitgliedstaat die unter Vorbehalt gezahlten Beträge zurückerstattet würden.

25 Die finnische Regierung macht insbesondere im Rahmen des dritten Teils des Rechtsmittelgrundes geltend, dass die Feststellungen des Gerichts in den Randnrn. 35 und 36 und die Schlussfolgerung in Randnr. 42 des angefochtenen Beschlusses fehlerhaft seien, wonach die streitigen Schreiben keinerlei verbindliche Rechtswirkung hätten, da die Kommission die Zahlung unter Vorbehalt nicht abgelehnt habe.

26 Unter diesen Umständen ist die finnische Regierung der Ansicht, dass der Mitgliedstaat mit der Kommission die Modalitäten einer Zahlung unter Vorbehalt vereinbaren können müsse und dass es notwendig sei, zwecks Durchführung einer solchen Zahlung Verhandlungen über den Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung aufzunehmen. Dies ergebe sich sowohl aus dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit in Art. 10 EG als auch aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit.

Würdigung durch den Gerichtshof

27 Zunächst ist festzustellen, dass der zweite und der dritte Teil des Rechtsmittelgrundes gemeinsam zu behandeln sind. Um nachzuweisen, dass die Ablehnung von Verhandlungen über eine Zahlung unter Vorbehalt eine anfechtbare Handlung im Sinne von Art. 230 EG darstellt, wird in diesen beiden Teilen im Wesentlichen die Befugnis der Kommission zur Aufnahme solcher Verhandlungen und deren Notwendigkeit behandelt.

28 Erstens ist zu bemerken, dass die Rüge, dass die Verordnung Nr. 1150/2000 nicht einschlägig sei, ins Leere geht. Diese ist nämlich einschlägig, soweit sie das System der Eigenmittel der Gemeinschaften regelt, enthält aber keine Vorschrift über Verhandlungen, wie sie von der finnischen Regierung gefordert werden. Laut dem zweiten Satz des 20. Erwägungsgrundes der Verordnung Nr. 1150/2000 hat die Kommission "ihre Befugnisse nach Maßgabe dieser Verordnung auszuüben".

29 Das Gericht hat daher zu Recht festgestellt, dass diese Verordnung die Kommission nicht ermächtigt, irgendwelche Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten aufzunehmen.

30 Zweitens besteht nach ständiger Rechtsprechung, auf die das Gericht in Randnr. 33 des angefochtenen Beschlusses verweist, ein unlösbarer Zusammenhang zwischen der Verpflichtung zur Feststellung der Eigenmittel der Gemeinschaften, der Verpflichtung zur Gutschrift auf dem Konto der Kommission innerhalb der gesetzten Frist und schließlich der Verpflichtung zur Zahlung der Verzugszinsen (vgl. u. a. Urteil vom 15. November 2005, Kommission/Dänemark, C-392/02, Slg. 2005, I-9811, Randnr. 67). Die Unlösbarkeit dieses Zusammenhangs erlaubt der Kommission auch nicht, getrennte Verhandlungen über eines dieser Elemente aufzunehmen.

31 In die gleiche Richtung weist die Feststellung des Gerichtshofs, dass Verzugszinsen nach Art. 11 der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1552/89 des Rates vom 29. Mai 1989 zur Durchführung des Beschlusses 88/376/EWG, Euratom über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften (ABl. L 155, S. 1), eine Bestimmung, die in der Verordnung Nr. 1150/2000 übernommen wurde (vgl. Urteil vom 12. Juni 2003, Kommission/Italien, C-363/00, Slg. 2003, I-5767, Randnr. 23), unabhängig davon verlangt werden können, aus welchem Grund die Gutschrift auf dem Konto der Kommission verspätet erfolgt ist (vgl. insbesondere Urteile vom 16. Mai 1991, Kommission/Niederlande, C-96/89, Slg. 1991, I-2461, Randnr. 38, Kommission/Italien, Randnr. 44, und vom 14. April 2005, Kommission/Niederlande, C-460/01, Slg. 2005, I-2613, Randnr. 91).

32 Daher konnte die Kommission der finnischen Regierung nur mitteilen, dass sie nach den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft und der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht befugt ist, über die Bedingungen und die Modalitäten der Zahlung von Eigenmitteln zu verhandeln. Daraus folgt, dass die streitigen Schreiben als Handlungen, die nur der Information dienten und sich darauf beschränkten, die Rechtslage in Bezug auf eine Zahlung unter Vorbehalt zu erläutern, die Interessen der Republik Finnland weder beeinträchtigen noch ihre rechtliche Lage im Vergleich zu der Situation vor Erhalt der Schreiben ändern konnten.

33 Im Hinblick auf die Vertragsverletzungsklage im Anschluss an das in Randnr. 8 des vorliegenden Beschlusses erwähnte Vertragsverletzungsverfahren, in dessen Rahmen sich die Frage der Aufnahme von Verhandlungen über eine Zahlung unter Vorbehalt gestellt hat, ist klarzustellen, dass die Kommission die Rechtsvorschriften anwenden musste, die zum Zeitpunkt der Übermittlung der beiden streitigen Schreiben in Kraft waren (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 1. Juli 2004, Tsapalos und Diamantakis, C-361/02 und C-362/02, Slg. 2004, I-6405, Randnr. 19, und vom 9. März 2006, Beemsterboer Coldstore Services, C-293/04, Slg. 2006, I-2263, Randnr. 19). An dieser Feststellung kann daher auch ein Urteil des Gerichtshofs, das das Verfahren über die Vertragsverletzungsklage beendet und folglich nach der Übermittlung der beiden Schreiben ergeht, nichts ändern.

34 Die finnische Regierung macht geltend, dass die Kommission aufgrund des Prinzips der loyalen Zusammenarbeit in Verbindung mit dem der Rechtssicherheit zur Aufnahme von Verhandlungen verpflichtet gewesen sei. Daher beeinträchtige die Ablehnung solcher Verhandlungen in den streitigen Schreiben die Interessen der Republik Finnland im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 22. Juni 2000, Niederlande/Kommission, C-147/96, Slg. 2000, I-4723, Randnr. 25 und die dort zitierte Rechtsprechung, sowie vom 9. Dezember 2004, Kommission/Greencore, C-123/03 P, Slg. 2004, I-11647, Randnr. 44). Diesem Argument kann jedoch nicht gefolgt werden.

35 Nach der Rechtsprechung kann zwar die Kommission einem Mitgliedstaat nicht das Recht auf eine Zahlung unter Vorbehalt absprechen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Mai 1991, Kommission/Niederlande, Randnr. 17, und vom 12. September 2000, Kommission/Vereinigtes Königreich, C-359/97, Slg. 2000, I-6355, Randnr. 31). Die Gewährung dieses Rechts hängt aber von den Gemeinschaftsvorschriften ab, welche die Zahlung unter Vorbehalt regeln. Das Gemeinschaftsrecht verpflichtet die Kommission allerdings nicht, mit dem betroffenen Mitgliedstaat eine Vereinbarung zu schließen, mit der bereits bestehende Gemeinschaftsverpflichtungen zugunsten des Mitgliedstaats bestätigt würden. Das System der Eigenmittel steht der Möglichkeit entgegen, über die Bedingungen und Modalitäten einer Zahlung zu verhandeln. In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof insbesondere auf die Bedeutung einer schnellen und wirkungsvollen Bereitstellung der Eigenmittel der Gemeinschaft verwiesen (Urteil vom 5. Oktober 2006, Kommission/Belgien, C-378/03, Slg. 2006, I-9805, Randnr. 48 und die dort zitierte Rechtsprechung).

36 Daraus folgt, dass die Republik Finnland aus den Grundsätzen der loyalen Zusammenarbeit und der Rechtssicherheit keinen Anspruch auf Aufnahme entsprechender Verhandlungen herleiten kann.

37 Aus all diesen Erwägungen ergibt sich, dass der zweite und der dritte Teil des Rechtsmittelgrundes nicht durchgreifen und als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen sind.

Zum ersten Teil: Fehlerhafte Beurteilung der Ablehnung von Verhandlungen

Argumente der finnischen Regierung

38 Die finnische Regierung hält die Erwägung des Gerichts in Randnr. 32 des angefochtenen Beschlusses für fehlerhaft, wonach die Ablehnung der Aufnahme von Verhandlungen keine den Mitgliedstaat beschwerende Entscheidung sei und nur der Abschluss einer Vereinbarung am Ende der Verhandlungen solch eine beschwerende Handlung hätte sein können.

39 Nach Ansicht der finnischen Regierung kann nämlich keine Vereinbarung am Ende von Verhandlungen geschlossen werden, wenn diese nicht zumindest begonnen worden seien. Durch die Ablehnung von Verhandlungen habe die Kommission in Verkennung von Art. 10 EG der Republik Finnland die Möglichkeit genommen, eine Zahlung unter Vorbehalt im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs vorzunehmen (Urteile vom 16. Mai 1991, Kommission/Niederlande, Randnr. 17, und Kommission/Vereinigtes Königreich, Randnr. 31). Daher sei die Republik Finnland durch die fragliche Entscheidung beschwert.

Würdigung durch den Gerichtshof

40 Zunächst ist entsprechend dem Hinweis des Gerichts in Randnr. 30 des angefochtenen Beschlusses daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung nur Maßnahmen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die geeignet sind, die Interessen des Klägers zu beeinträchtigen, indem sie seine rechtliche Lage eindeutig verändern, Handlungen oder Entscheidungen darstellen, gegen die die Nichtigkeitsklage nach Art. 230 EG gegeben ist (vgl. Urteile Niederlande/Kommission, Randnr. 25, und Kommission/Greencore, Randnr. 44).

41 Das Gericht hat mit seiner Feststellung, dass die in den streitigen Schreiben enthaltene Ablehnung von Verhandlungen keine den Mitgliedstaat beschwerende Entscheidung darstellt, keinen Fehler begangen. Die Aufnahme von Verhandlungen ist zwar, wie die finnische Regierung vorgetragen hat, unerlässlich, um zu einer etwaigen Vereinbarung zu gelangen. Da jedoch die Aufnahme von Verhandlungen nicht garantiert, dass diese mit einem Ergebnis abgeschlossen werden, ist nur das Ergebnis selbst geeignet, die Interessen der Republik Finnland zu beeinträchtigen. Die Frage nach dem Ergebnis kann sich jedoch mangels einer Befugnis der Kommission zum Abschluss einer Vereinbarung, die zu einem solchen Ergebnis führt, oder zur Aufnahme entsprechender Verhandlungen nicht stellen.

42 Demzufolge ist festzustellen, dass der Republik Finnland auch mit dem ersten Teil des Rechtsmittelgrundes nicht der Nachweis gelungen ist, dass die beiden streitigen Schreiben Entscheidungen im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind. Daher hat dieser Teil keinen Erfolg und ist als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Zum vierten Teil: Fehlerhafte Analyse der beiden Bedingungen für eine Zahlung unter Vorbehalt

Argumente der finnischen Regierung

43 Die finnische Regierung beanstandet die vom Gericht in den Randnrn. 37 bis 41 des angefochtenen Beschlusses vorgenommene Prüfung der beiden Bedingungen, welche die Republik Finnland für eine Zahlung unter Vorbehalt gestellt hat - nämlich die Verpflichtungserklärung der Kommission, eine Vertragsverletzungsklage beim Gerichtshof zu erheben, und die Befreiung des Mitgliedstaats von der Pflicht zur Mitteilung vertraulicher Informationen, die wesentliche Sicherheitsinteressen dieses Staates beeinträchtigten - und die sich nach Ansicht des Gerichts nicht zum Abschluss einer Vereinbarung eigneten.

Würdigung durch den Gerichtshof

44 Die Feststellungen des Gerichts in den Randnrn. 39 und 40 des angefochtenen Beschlusses zeigen zu Recht, dass die finnische Regierung die fragliche Zahlung nicht davon abhängig machen kann, dass die Kommission sich verpflichtet, den Gerichtshof anzurufen, und im Fall der Zahlung nicht die nach Art. 6 der Verordnung Nr. 1150/2000 vorgesehenen Angaben verlangt.

45 Weder die etwaige Verpflichtung der Kommission, den Gerichtshof mit einer Vertragsverletzungsklage zu befassen, noch diejenige, die als vertraulich bezeichneten Angaben gemäß der Verordnung Nr. 1150/2000 nicht zu verlangen, umfasst die Verpflichtung, über eine Zahlung zu solchen Bedingungen zu verhandeln. Selbst wenn die Kommission diese Bedingungen einhalten müsste, wäre sie entsprechend der Feststellung in Randnr. 35 des vorliegenden Beschlusses nämlich nicht verpflichtet, die gewünschten Verhandlungen aufzunehmen.

46 Folglich können die streitigen Schreiben weder durch die Weigerung der Kommission, über eine Zahlung vorbehaltlich der Anrufung des Gerichtshofs zu verhandeln, noch durch ihre Weigerung, auf die in der Verordnung Nr. 1150/2000 vorgesehenen Angaben zu verzichten, die Interessen der Republik Finnland beeinträchtigen, da sie deren rechtliche Lage nicht eindeutig verändern. Die Schreiben können daher nicht als Entscheidungen betrachtet werden, gegen die eine Nichtigkeitsklage gegeben ist. Das Gericht hat daher in Randnr. 37 des angefochtenen Beschlusses zu Recht festgestellt, dass sich keine dieser "Bedingungen" zum Abschluss einer Vereinbarung eignet.

47 Daher geht der vierte Teil des Rechtsmittelgrundes ebenfalls ins Leere und ist als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

48 Aus alledem ergibt sich, dass der Rechtsmittelgrund in allen Teilen offensichtlich keinen Erfolg hat.

Kostenentscheidung:

Kosten

49 Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung, der gemäß Art. 118 der Verfahrensordnung auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Rechtsmittelführerin beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) beschlossen:

1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2. Die Republik Finnland trägt die Kosten.

Ende der Entscheidung

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