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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 08.02.2000
Aktenzeichen: C-17/98
Rechtsgebiete: Beschluß 97/803/EG, EGV


Vorschriften:

Beschluß 97/803/EG
EGV Art. 234
EGV Art. 187
EGV Art. 133 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Die Regelung in Artikel 240 Absatz 3 des Beschlusses 91/482 über die Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete (ÜLG), wonach der Rat vor Ablauf des ersten Fünfjahreszeitraums gegebenenfalls Änderungen für die Assoziierung der ÜLG an die Gemeinschaft beschließt, kann dem Rat nicht seine unmittelbar aus dem EG-Vertrag fließende Befugnis nehmen, seine Rechtsakte nach Artikel 136 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 187 EG) zu ändern, um die in Artikel 132 EG-Vertrag (jetzt Artikel 183 EG) genannten Ziele vollständig zu verwirklichen. (vgl. Randnr. 33)

2 Der Grundsatz des Vertrauensschutzes gehört zwar zu den grundlegenden Prinzipien der Gemeinschaft, jedoch können die Wirtschaftsteilnehmer kein berechtigtes Vertrauen in die Beibehaltung einer bestehenden Situation setzen, die die Gemeinschaftsorgane im Rahmen ihres Ermessens ändern können; das gilt insbesondere auf einem Gebiet wie dem der gemeinsamen Marktorganisationen, deren Zweck eine ständige Anpassung an die Veränderungen der wirtschaftlichen Lage mit sich bringt.

Dies gilt um so mehr, wenn die geltend gemachten Erwartungen der Wirtschaftsteilnehmer lediglich durch eine rechtlich unverbindliche Broschüre für die allgemeine Öffentlichkeit hervorgerufen wurden, so etwa durch eine im Oktober 1993 von der Kommission verbreitete Informationsbroschüre, in der es hieß, daß der Beschluß 91/482 über die Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete für zehn Jahre gelte. Es ist auch nicht zu beanstanden, daß die Kommission bei Erscheinen dieser Broschüre auf die zehnjährige Geltungsdauer dieses Beschlusses hinwies, ohne eigens zu erwähnen, daß der Beschluß möglicherweise später geändert werden könnte. (vgl. Randnrn. 34-35)

3 Zwar erfordert es der dynamische und allmähliche Prozeß der Assoziierung der überseeischen Länder (ÜLG) an die Gemeinschaft, daß der Rat die Ergebnisse berücksichtigt, die infolge seiner vorangegangenen Beschlüsse erzielt werden konnten. Gleichwohl muß er beim Erlaß von Maßnahmen gemäß Artikel 136 Absatz 2 EG-Vertrag (jetzt Artikel 187 EG) nicht nur den im Vierten Teil des Vertrages niedergelegten Prinzipien, sondern auch den sonstigen gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen, darunter denen der gemeinsamen Agrarpolitik, Rechnung tragen.

Die Abwägung der verschiedenen Ziele des EG-Vertrags unter gleichzeitiger allgemeiner Berücksichtigung der Ergebnisse, die infolge seiner früheren Beschlüsse erreicht wurden, kann den Rat, der insoweit entsprechend der ihm in den Artikeln 40 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 34 EG), 41 und 42 EG-Vertrag (jetzt Artikel 35 EG und 36 EG), 43 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 37 EG) und 136 EG-Vertrag übertragenen politischen Verantwortung über ein weites Ermessen verfügt, erforderlichenfalls dazu veranlassen, bestimmte den ÜLG eingeräumte Vorteile zu verringern. Dies gilt besonders dann, wenn die in Frage stehenden Vorteile in Abweichung von den Regeln für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes gewährt werden. (vgl. Randnrn. 38-39, 41)

4 Daß der durch den Beschluß 97/803 eingefügte Artikel 108b des Beschlusses 91/482 über die Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete (ÜLG) Zuckereinfuhren, die durch die Anwendung der Ursprungskumulierung AKP/ÜLG begünstigt werden, einer Kontingentierung unterwirft, steht seiner Gültigkeit gemäß den Artikeln 133 Absatz 1 und 136 Absatz 2 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 184 Absatz 1 EG und Artikel 187 EG) nicht entgegen.

Zum einen wurden nämlich die innergemeinschaftlichen Zölle im Zuckerhandel erst nach Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für dieses Erzeugnis abgeschafft, die die Einführung eines gemeinsamen Außenzolls und parallel die Festsetzung eines Mindestpreises für alle Mitgliedstaaten einschloß, um Wettbewerbsverzerrungen auszuschalten. Da es hingegen zwischen den ÜLG und der Gemeinschaft keinerlei gemeinsame Agrarpolitik gibt, können Maßnahmen zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen oder Störungen des Gemeinschaftsmarkts, darunter auch die Festlegung von Zollkontingenten, nicht schon wegen ihres Erlasses als Verstoß gegen Artikel 133 Absatz 1 EG-Vertrag angesehen werden.

Zum anderen hat der Rat gemäß Artikel 136 Absatz 2 EG-Vertrag Maßnahmen "aufgrund der erzielten Ergebnisse und der Grundsätze [des] Vertrags" zu treffen. Zu diesen Grundsätzen gehören auch die der gemeinsamen Agrarpolitik. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, daß der Rat im Rahmen der Durchführung des Artikels 136 Absatz 2 EG-Vertrag die Anforderungen der gemeinsamen Agrarpolitik berücksichtigt hat. (vgl. Randnrn. 47-50)

5 Es läuft nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zuwider, daß der durch den Beschluß 97/803 eingefügte Artikel 108b des Beschlusses 91/482 über die Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete (ÜLG) Zuckereinfuhren, die durch die Anwendung der Ursprungskumulierung AKP/ÜLG begünstigt werden, einer Kontingentierung unterwirft.

In einem Bereich wie dem der Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete, in dem die Gemeinschaftsorgane über ein weites Ermessen verfügen, kann nämlich die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme nur dann beeinträchtigt sein, wenn die Maßnahme zur Erreichung des verfolgten Zieles offensichtlich ungeeignet ist. Die Beschränkung der Kontrolle durch den Gerichtshof ist insbesondere dann geboten, wenn sich der Rat veranlaßt sieht, einen Ausgleich zwischen divergierenden Interessen herbeizuführen und so im Rahmen der in seinem Verantwortungsbereich zu treffenden politischen Entscheidungen eine Auswahl vorzunehmen. In diesem Zusammenhang ist nicht ersichtlich, daß die Festsetzung des Kontingents im genannten Artikel 108b offensichtlich über das hinausging, was für die Verwirklichung der vom Rat verfolgten Zwecke erforderlich war. (vgl. Randnrn. 53-54, 58)

6 Ein nationales Gericht darf gegenüber einem nicht der Gemeinschaft angehörenden Hoheitsträger einstweilige Maßnahmen zur Abwendung einer drohenden Verletzung des Gemeinschaftsrechts nur erlassen, wenn

- es erhebliche Zweifel an der Gültigkeit der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen hat, die der Hoheitsträger, gegenüber dem die einstweiligen Maßnahmen beantragt werden, vollzieht, und wenn es die Frage nach der Gültigkeit dieser Bestimmungen, sofern der Gerichtshof mit ihr noch nicht befaßt ist, diesem selbst vorlegt,

- wenn die Entscheidung dringlich ist und dem Antragsteller ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden droht und

- wenn das Gericht das Interesse der Gemeinschaft angemessen berücksichtigt.

Der Umstand, daß ein Gericht eines Mitgliedstaats solche einstweiligen Maßnahmen nach seinem nationalen Recht gegenüber einem Hoheitsträger der überseeischen Länder und Gebiete zu erlassen hätte, ist ohne Belang für die Frage, unter welchen Voraussetzungen dem einzelnen, der sich auf das Gemeinschaftsrecht beruft, vor den nationalen Gerichten vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren ist.

(vgl. Randnr. 73, Tenor 2)


Urteil des Gerichtshofes vom 8. Februar 2000. - Emesa Sugar (Free Zone) NV gegen Aruba. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Arrondissementsrechtbank 's-Gravenhage - Niederlande. - Assoziierung der überseeischen Länder und Gebiete - Beschluß 97/803/EG - Einfuhr von Zucker - Ursprungskumulierung AKP/ÜLG - Beurteilung der Gültigkeit - Nationales Gericht - Einstweilige Maßnahmen. - Rechtssache C-17/98.

Parteien:

In der Rechtssache C-17/98

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) vom Präsidenten der Arrondissementsrechtbank Den Haag (Niederlande) in dem bei dieser anhängigen Rechtsstreit

Emesa Sugar (Free Zone) NV

gegen

Aruba

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Gültigkeit des Beschlusses 97/803/EG des Rates vom 24. November 1997 zur Halbzeitänderung des Beschlusses 91/482/EWG über die Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. L 329, S. 50)

erläßt

DER GERICHTSHOF

unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der Kammerpräsidenten J. C. Moitinho de Almeida und D. A. O. Edward sowie der Richter P. J. G. Kapteyn, J.-P. Puissochet, G. Hirsch, P. Jann, H. Ragnemalm und M. Wathelet (Berichterstatter),

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer

Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- der Emesa Sugar (Free Zone) NV, vertreten durch Rechtsanwalt G. van der Wal, Brüssel,

- der Regierung von Aruba, vertreten durch die Rechtsanwälte P. V. F. Bos und M. Slotboom, Rotterdam,

- der spanischen Regierung, vertreten durch Abogado del Estado M. López-Monís Gallego als Bevollmächtigte,

- der französischen Regierung, vertreten durch K. Rispal-Bellanger, stellvertretende Direktorin in der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten, und C. Chavance, Sekretär für Auswärtige Angelegenheiten in derselben Direktion, als Bevollmächtigte,

- der italienischen Regierung, vertreten durch Professor U. Leanza, Leiter des Servizio del contenzioso diplomatico im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten im Beistand von Avvocato dello Stato D. Del Gaizo,

- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Ridley, Treasury Solicitor's Department, als Bevollmächtigte, im Beistand von Rechtsanwalt K. Parker, QC,

- des Rates der Europäischen Union, vertreten durch J. Huber und G. Houttuin, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater T. van Rijn, als Bevollmächtigten,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Emesa Sugar (Free Zone) NV, der Regierung von Aruba, der spanischen, der französischen und der italienischen Regierung sowie des Rates und der Kommission in der Sitzung vom 16. März 1999,

nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 1. Juni 1999,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Der Präsident der Arrondissementsrechtbank Den Haag hat mit Beschluß vom 19. Dezember 1997, beim Gerichtshof eingegangen am 23. Januar 1998, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) zwölf Fragen nach der Gültigkeit des Beschlusses 97/803/EG des Rates vom 24. November 1997 zur Halbzeitänderung des Beschlusses 91/482/EWG über die Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. L 329, S. 50) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Emesa Sugar (Free Zone) NV (im folgenden: Emesa) und den Behörden von Aruba über die Bedingungen für die Einfuhr bestimmter Zuckermengen, die Emesa auf Aruba verarbeitet und verpackt, in die Gemeinschaft.

Rechtlicher Rahmen

3 Gemäß Artikel 3 Buchstabe r EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe s EG) umfaßt die Tätigkeit der Gemeinschaft die Assoziierung der überseeischen Länder und Gebiete (im folgenden: ÜLG), "um den Handelsverkehr zu steigern und die wirtschaftliche und soziale Entwicklung durch gemeinsame Bemühungen zu fördern".

4 Aruba gehört zu den ÜLG.

5 Die Assoziierung der ÜLG an die Gemeinschaft wird im Vierten Teil des EG-Vertrags geregelt.

6 Artikel 131 Absätze 2 und 3 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 182 Absätze 2 und 3 EG) bestimmt:

"Ziel der Assoziierung ist die Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Länder und Hoheitsgebiete und die Herstellung enger Wirtschaftsbeziehungen zwischen ihnen und der gesamten Gemeinschaft.

Entsprechend den in der Präambel dieses Vertrages aufgestellten Grundsätzen soll die Assoziierung in erster Linie den Interessen der Einwohner dieser Länder und Hoheitsgebiete dienen und ihren Wohlstand fördern, um sie der von ihnen erstrebten wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung entgegenzuführen."

7 Gemäß Artikel 132 EG-Vertrag (jetzt Artikel 183 EG) gehört es zu den in dieser Bestimmung aufgeführten Zwecken der Assoziierung, daß die "Mitgliedstaaten... auf ihren Handelsverkehr mit den Ländern und Hoheitsgebieten das System [anwenden], das sie aufgrund dieses Vertrags untereinander anwenden".

8 Gemäß Artikel 133 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 184 Absatz 1 EG) werden die Zölle bei der Einfuhr von Waren aus den ÜLG in die Mitgliedstaaten vollständig abgeschafft; dies geschieht nach Maßgabe der im Vertrag vorgesehenen schrittweisen Abschaffung der Zölle zwischen den Mitgliedstaaten.

9 Artikel 136 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 187 EG) bestimmt:

"Für einen ersten Zeitabschnitt von fünf Jahren nach Inkrafttreten dieses Vertrages werden in einem dem Vertrag beigefügten Durchführungsabkommen die Einzelheiten und das Verfahren für die Assoziierung der Länder und Hoheitsgebiete an die Gemeinschaft festgelegt.

Vor Ablauf der Geltungsdauer des in Absatz 1 genannten Abkommens legt der Rat aufgrund der erzielten Ergebnisse und der Grundsätze dieses Vertrags die Bestimmungen für einen neuen Zeitabschnitt einstimmig fest."

10 Auf der Grundlage von Artikel 136 Absatz 2 des Vertrages erließ der Rat am 25. Februar 1964 den Beschluß 64/349/EWG über die Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. Nr. 93, S. 1472). Dieser Beschluß sollte ab 1. Juni 1964, an dem das am 20. Juli 1963 in Jaunde unterzeichnete Interne Abkommen über die Finanzierung und Verwaltung der Hilfe der Gemeinschaft in Kraft trat, das dem Vertrag beigefügte und für die Dauer von fünf Jahren geschlossene Durchführungsabkommen über die Assoziierung der ÜLG mit der Gemeinschaft ersetzen.

11 Der Rat erließ später eine Reihe weiterer Beschlüsse zur Assoziierung der ÜLG an die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Am 25. Juli 1991 erließ er den Beschluß 91/482/EWG vom 25. Juli 1991 (ABl. L 263, S. 1; im folgenden: ÜLG-Beschluß), der gemäß seinem Artikel 240 Absatz 1 vom 1. März 1990 an für zehn Jahre gilt. Nach Artikel 240 Absatz 3 Buchstaben a und b ÜLG-Beschluß beschließt der Rat jedoch vor Ablauf der ersten fünf Jahre gegebenenfalls außer der finanziellen Hilfe der Gemeinschaft auf Vorschlag der Kommission einstimmig auch etwaige Änderungen der Assoziierung der ÜLG an die Gemeinschaft für den zweiten Fünfjahreszeitraum. Dies ist mit dem Beschluß 97/803 des Rates geschehen.

12 Ursprünglich hieß es in Artikel 101 Absatz 1 des ÜLG-Beschlusses:

"Waren mit Ursprung in den ÜLG sind frei von Zöllen und Abgaben gleicher Wirkung zur Einfuhr in die Gemeinschaft zugelassen."

13 Artikel 102 des ÜLG-Beschlusses bestimmte:

"Die Gemeinschaft wendet bei der Einfuhr von Ursprungswaren der ÜLG keine mengenmäßigen Beschränkungen oder Maßnahmen gleicher Wirkung an."

14 Artikel 108 Absatz 1 erster Gedankenstrich des ÜLG-Beschlusses verweist für die Bestimmung des Begriffes Ursprungswaren und die Methoden für die Zusammenarbeit der Verwaltungen auf diesem Gebiet auf Anhang II des Beschlusses (im folgenden: Anhang II). Gemäß Artikel 1 des Anhangs II gilt ein Erzeugnis als Ursprungsware der ÜLG, der Gemeinschaft oder der Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks (im folgenden: AKP-Staaten), wenn es dort entweder vollständig hergestellt oder gewonnen oder in ausreichendem Maße be- oder verarbeitet worden ist.

15 Artikel 3 Absatz 3 des Anhangs II führt eine Reihe von Be- und Verarbeitungen auf, die als nicht ausreichend angesehen werden, um den Ursprung eines Erzeugnisses in den ÜLG zu begründen. In Artikel 6 Absatz 2 des Anhangs II heißt es:

"Wenn vollständig in der Gemeinschaft oder in den AKP-Staaten hergestellte bzw. gewonnene Erzeugnisse in den ÜLG be- oder verarbeitet werden, gelten sie als vollständig in den ÜLG hergestellt" (sogenannte Ursprungskumulierung AKP/ÜLG).

16 Nach Artikel 12 des Anhangs II wird der Ursprung eines Erzeugnisses durch eine Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 nachgewiesen (Absatz 1), die von den Zollbehörden des ÜLG der Ausfuhr ausgestellt wird (Absatz 6); diese Behörden prüfen die Ursprungseigenschaft der Ware und können dafür alle Kontrollmaßnahmen ergreifen, die ihnen zweckdienlich erscheinen (Absatz 7).

17 In der sechsten und siebten Begründungserwägung ihres dem Rat am 16. Februar 1996 vorgelegten Vorschlags eines Beschlusses zur Halbzeitänderung des ÜLG-Beschlusses (KOM[95] 739 endg., ABl. C 139, S. 1) stellte die Kommission fest, daß nach Einführung des freien Marktzugangs für alle Ursprungswaren der ÜLG und Aufrechterhaltung der Ursprungskumulierung AKP/ÜLG ein Konflikt zwischen den Zielen zweier Gemeinschaftspolitiken drohe, nämlich der Entwicklung der ÜLG und der gemeinsamen Agrarpolitik.

18 In der siebten Begründungserwägung des Beschlusses 97/803, der auf diesen Vorschlag hin erlassen wurde, führte der Rat aus, "[u]m neuen Störungen vorzubeugen, [sei] mit Hilfe geeigneter Maßnahmen ein Rahmen festzulegen, der einen geregelten Handel begünstigt und gleichzeitig mit der gemeinsamen Agrarpolitik vereinbar ist".

19 Daher wurde mit dem Beschluß 97/803 in den ÜLG-Beschluß u. a. ein Artikel 108b eingefügt, der die Ursprungskumulierung AKP/ÜLG bei Zucker für eine bestimmte Jahresmenge zuläßt. Dieser Artikel 108b Absätze 1 und 2 bestimmt:

"(1) [D]ie in Anhang II Artikel 6 genannte Ursprungskumulierung AKP/ÜLG [wird] für eine Jahresmenge von 3 000 Tonnen Zucker zugelassen.

(2) Was die Durchführung der in Absatz 1 genannten Kumulierungsregeln AKP/ÜLG anbelangt, so gilt das Formen von Würfeln aus Zucker oder das Färben als ausreichend, um dem Erzeugnis die Eigenschaft eines Erzeugnisses mit Ursprung in den ÜLG zu verleihen." (Das Mahlen von Zucker [sogenanntes "milling"] wird somit nicht genannt.)

Der Ausgangsrechtsstreit

20 Emesa betreibt seit April 1997 auf Aruba eine Zuckerfabrik und exportiert Zucker in die Gemeinschaft.

21 Da auf Aruba selbst kein Zucker erzeugt wird, kauft Emesa den Zucker von Rohrzuckerraffinerien in Trinidad und Tobago, einem AKP-Staat. Der gekaufte Zucker wird nach Aruba transportiert und dort be- und verarbeitet; danach gilt er als Enderzeugnis. Diese Behandlung besteht darin, daß der Zucker gereinigt, gemahlen (sogenanntes "milling" zur Herstellung der vom Kunden gewünschten Zuckerfeine) und verpackt wird. Nach Angaben der Antragstellerin des Ausgangsverfahrens hat ihre Fabrik eine Jahreskapazität von mindestens 34 000 Tonnen Zucker.

22 Nach Erlaß des Beschlusses 97/803 beantragte Emesa beim Präsidenten der Arrondissementsrechtbank Den Haag, im Wege einstweiliger Maßnahmen

- dem niederländischen Staat zu untersagen, auf den von Emesa einzuführenden Zucker mit Ursprung in den ÜLG Einfuhrabgaben zu erheben;

- der Hoofdproductschap voor akkerbouwproducten (Fachverband für landwirtschaftliche Erzeugnisse; im folgenden: HPA) zu verbieten, Emesa Einfuhrgenehmigungen zu verweigern;

- Aruba zu verbieten, Emesa für von ihr auf Aruba erzeugten Zucker Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 zu verweigern, soweit diese Bescheinigungen nach dem ÜLG-Beschluß vor seiner Änderung nicht verweigert worden wären.

23 Die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens begründet diese Anträge im wesentlichen damit, daß die Änderung des ÜLG-Beschlusses, die Zuckereinfuhren mit ÜLG-Ursprung faktisch verhindere und deshalb eine mengenmäßige Beschränkung darstelle, gemeinschaftsrechtlich unzulässig sei, da sie nach dem ÜLG-Beschluß nicht bestehende strukturelle Beschränkungen wiedereinführe, ohne daß wichtige Gemeinschaftsinteressen derartige Korrekturen bereits nach einer so kurzen Geltungsdauer rechtfertigten und obgleich die Auswirkungen des ÜLG-Beschlusses voll und ganz vorhersehbar gewesen seien.

24 Der Präsident der Arrondissementsrechtbank Den Haag erklärte die gegen den niederländischen Staat und die HPA gerichteten Anträge im Vorlagebeschluß für unzulässig, da Emesa insoweit zur Abwendung der Durchführung des ÜLG-Beschlusses eine Verwaltungsbeschwerde beim College van Beroep voor het Bedrijfsleven erheben könne; dem gegen Aruba gerichteten Antrag gab der Präsident hingegen statt. In seiner vorläufigen Beurteilung äußerte er Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beschlusses 97/803, und zwar vor allem im Hinblick auf die in den Artikeln 131, 132 und 133 EG-Vertrag niedergelegten Zwecke der ÜLG-Assoziierung, die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der ÜLG zu fördern und zwischen ihnen und der gesamten Gemeinschaft enge Wirtschaftsbeziehungen herzustellen, sowie wegen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.

25 Emesa drohe auch ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden, denn bei Fortgeltung der streitigen Bestimmungen müsse sie ihre gerade erst in Betrieb genommene Fabrik wieder schließen. Da sehr zweifelhaft sei, ob die Änderung des ÜLG-Beschlusses rechtmäßig sei, laufe es nicht dem Gemeinschaftsinteresse zuwider, Emesa im Wege einer einstweiligen Anordnung die Fortsetzung ihrer - zumal dem Umfang nach sehr begrenzten - Einfuhren in die Gemeinschaft zu gestatten.

26 Unter diesen Umständen hat der Präsident der Arrondissementsrechtbank Den Haag das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist die Halbzeitänderung des ÜLG-Beschlusses zum 1. Dezember 1997 durch den Beschluß 97/803 - insbesondere der eingefügte Artikel 108b Absatz 1 und die Streichung des "milling" als ursprungsbegründende Verarbeitung - verhältnismäßig?

2. Ist es zulässig, daß sich der Beschluß 97/803 - insbesondere der eingefügte Artikel 108b Absatz 1 und die Streichung des "milling" als ursprungsbegründende Verarbeitung - (eindeutig) restriktiver auswirkt, als dies Schutzmaßnahmen gemäß Artikel 109 ÜLG-Beschluß könnten?

3. Dürfen Beschlüsse gemäß Artikel 136 Absatz 2 EG-Vertrag - hier der Beschluß 97/803 - nach dem EG-Vertrag, insbesondere seinem Vierten Teil, mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen oder Maßnahmen gleicher Wirkung enthalten?

4. Macht es für die Antwort auf die dritte Frage einen Unterschied,

a) ob diese Beschränkungen oder Maßnahmen in der Form von Zollkontingenten, ursprungsbezogenen Einschränkungen oder beidem gleichzeitig ergehen

oder

b) ob die fragliche Regelung Schutzmaßnahmen umfaßt?

5. Folgt aus dem EG-Vertrag, insbesondere seinem Vierten Teil, daß im Rahmen von Artikel 136 Absatz 2 erzielte Ergebnisse - im Sinne die ÜLG begünstigender Maßnahmen - später nicht mehr zum Nachteil der ÜLG geändert oder rückgängig gemacht werden dürfen?

6. Falls ja, sind die fraglichen Beschlüsse des Rates dann nichtig und kann sich der einzelne in einem Rechtsstreit vor dem nationalen Gericht darauf berufen?

7. Muß der ÜLG-Beschluß während der ganzen in seinem Artikel 240 Absatz 1 festgelegten Geltungsdauer von zehn Jahren unverändert gelten, nachdem ihn der Rat nicht vor Ablauf des ersten Fünfjahreszeitraums gemäß Artikel 240 Absatz 3 geändert hat?

8. Verstößt der Änderungsbeschluß 97/803 gegen Artikel 133 Absatz 1 EG-Vertrag?

9. Ist der Änderungsbeschluß gültig angesichts der Erwartungen, die die Kommission dadurch weckte, daß sie auf Seite 16 ihrer Informationsbroschüre DE 76= vom Oktober 1993 ausführte, der Sechste ÜLG-Beschluß gelte für zehn Jahre (anstelle von vorher fünf Jahren)?

10. Ist der zum 1. Dezember 1997 eingefügte Artikel 108b so weitgehend undurchführbar, daß er als ungültig anzusehen ist?

11. Darf ein nationales Gericht (des vorläufigen Rechtsschutzes) unter den im Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-143/88 und C-92/89, Zuckerfabrik Süderdithmarschen u. a., und in späteren Urteilen beschriebenen Umständen vorab eine einstweilige Maßnahme erlassen, um eine drohende Verletzung des Gemeinschaftsrechts durch eine zu dessen Durchführung berufene, jedoch nichtgemeinschaftliche Behörde abzuwenden?

12. Bei Bejahung der elften Frage und falls diese Umstände nicht vom nationalen Gericht, sondern vom Gerichshof zu prüfen sind: Rechtfertigen die im vorliegenden Beschluß unter 3.9 bis 3.11 genannten Umstände (Streichung des "milling", Einführung mengenmäßiger Beschränkungen, schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden der Emesa, Berücksichtigung des Gemeinschaftsinteresses) eine einstweilige Maßnahme der in der elften Frage beschriebenen Art?

Zu den ersten zehn Fragen

27 Mit seinen ersten zehn Fragen möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der ÜLG-Beschluß in der Fassung des Beschlusses 97/803 (im folgenden: geänderter ÜLG-Beschluß), insbesondere die Begrenzung der Ursprungskumulierung AKP/ÜLG auf eine Jahresmenge von 3 000 Tonnen Zucker in Artikel 108b und - in dessen Absatz 2 - die Streichung des "milling" unter den für die Begründung des ÜLG-Ursprungs ausreichenden Be- und Verarbeitungen, gültig ist.

28 Vor Beantwortung dieser Fragen ist zunächst daran zu erinnern, daß die Assoziierung der ÜLG in einem dynamischen und allmählichen Prozeß erfolgen soll, so daß der Erlaß mehrerer Vorschriften erforderlich werden kann, um unter Berücksichtigung der aufgrund der früheren Beschlüsse des Rates erzielten Ergebnisse alle in Artikel 132 EG-Vertrag genannten Ziele zu erreichen (vgl. Urteile vom 22. April 1997 in der Rechtssache C-310/95, Road Air, Slg. 1997, I-2229, Randnr. 40, und vom 11. Februar 1999 in der Rechtssache C-390/95 P, Antillean Rice Mills u. a./Kommission, Slg. 1999, I-769, Randnr. 36).

29 Andererseits sind die ÜLG zwar assoziierte Länder und Gebiete mit besonderen Beziehungen zur Gemeinschaft, sie gehören dieser aber nicht an, sondern befinden sich ihr gegenüber in der gleichen Lage wie Drittländer (vgl. Gutachten 1/78 vom 4. Oktober 1979, Slg. 1978, 2871, Randnr. 62, und 1/94 vom 15. November 1994, Slg. 1994, I-5267, Randnr. 17). Insbesondere gibt es in diesem Stadium gemäß Artikel 132 EG-Vertrag zwischen den ÜLG und der Gemeinschaft keinen freien Warenverkehr ohne Beschränkungen (Urteil Antillean Rice Mills u. a./Kommission, Randnr. 36).

30 Weiter ermächtigt Artikel 136 Absatz 2 EG-Vertrag den Rat, "aufgrund der erzielten Ergebnisse und der Grundsätze" des Vertrages im Rahmen der Assoziierung Beschlüsse zu fassen. Der Rat hat folglich beim Erlaß von ÜLG-Beschlüssen nicht nur die im Vierten Teil des Vertrages genannten Grundsätze, sondern auch die anderen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts einschließlich derjenigen zu berücksichtigen, die sich auf die gemeinsame Agrarpolitik beziehen (Urteil Antillean Rice Mills u. a./Kommission, Randnrn. 36 f.).

Zur Frage, ob der ÜLG-Beschluß nach den ersten fünf Jahren seiner Geltung noch geändert werden darf (siebte und neunte Frage)

31 Mit seiner siebten Frage möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen wissen, ob der Rat den ÜLG-Beschluß nach Ablauf der ersten fünf Jahre seiner Geltung gemäß Artikel 240 Absatz 1 des Beschlusses noch ändern durfte. Seine neunte Frage geht dahin, ob der Beschluß 97/803 gültig ist angesichts des schutzwürdigen Vertrauens der Wirtschaftsteilnehmer aufgrund des Hinweises der Kommission in ihrer Informationsbroschüre DE 76 "The European Community and the Overseas Countries and Territories" (Die Europäische Gemeinschaft und die überseeischen Länder und Gebiete) vom Oktober 1993, daß der ÜLG-Beschluß für zehn Jahre gelte.

32 Nach Ansicht von Emesa und Aruba setzt Artikel 240 Absatz 3 des ÜLG-Beschlusses für dessen Änderung eine Ausschlußfrist; zweieinhalb Jahre nach Ablauf dieser Frist sei die Befugnis des Rates zur Änderung des Beschlusses somit längst erloschen.

33 Dieses Argument ist zurückzuweisen, denn die Regelung in Artikel 240 Absatz 3 des ÜLG-Beschlusses, wonach der Rat vor Ablauf des ersten Fünfjahreszeitraums gegebenenfalls Änderungen für die Assoziierung der ÜLG an die Gemeinschaft beschließt, kann dem Rat, wie der Generalanwalt in Nummer 43 seiner Schlußanträge hervorgehoben hat, nicht seine unmittelbar aus dem EG-Vertrag fließende Befugnis nehmen, seine Rechtsakte nach Artikel 136 EG-Vertrag zu ändern, um die in Artikel 132 EG-Vertrag genannten Ziele vollständig zu verwirklichen.

34 Überdies gehört zwar, wie der Gerichtshof wiederholt entschieden hat, der Grundsatz des Vertrauensschutzes zu den grundlegenden Prinzipien der Gemeinschaft, jedoch können die Wirtschaftsteilnehmer kein berechtigtes Vertrauen in die Beibehaltung einer bestehenden Situation setzen, die die Gemeinschaftsorgane im Rahmen ihres Ermessens ändern können; das gilt insbesondere auf einem Gebiet wie dem der gemeinsamen Marktorganisationen, deren Zweck eine ständige Anpassung an die Veränderungen der wirtschaftlichen Lage mit sich bringt (vgl. z. B. Urteil vom 17. September 1998 in der Rechtssache C-372/96, Pontillo, Slg. 1998, I-5091, Randnrn. 22 f.).

35 Im vorliegenden Fall kommt noch hinzu, daß die geltend gemachten Erwartungen der Wirtschaftsteilnehmer lediglich durch eine Broschüre hervorgerufen wurden, die - wie die Informationsbroschüre DE 76 der Kommission - für die allgemeine Öffentlichkeit bestimmt war und keinerlei rechtliche Verbindlichkeit hatte. Es ist auch nicht zu beanstanden, daß die Kommission im Oktober 1993, als die Broschüre erschien, auf die zehnjährige Geltungsdauer des ÜLG-Beschlusses hinwies, ohne eigens zu erwähnen, daß der Beschluß möglicherweise später geändert werden könnte.

36 Schließlich ergibt sich aus den Akten, daß Emesa bei Beginn ihrer Investitionen auf Aruba hinreichende Informationen besaß, um als durchschnittlich sorgfältiger Wirtschaftsteilnehmer vorherzusehen, daß die liberale Regelung der Ursprungskumulierung möglicherweise eingeschränkt würde. So wurde insbesondere der Vorschlag der Kommission für eine Halbzeitänderung des ÜLG-Beschlusses bereits im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 10. Mai 1996 veröffentlicht, also nahezu ein Jahr, bevor Emesa ihre Produktion auf Aruba aufnahm.

Zur Irreversibilität nach Artikel 136 EG-Vertrag erzielter Ergebnisse (fünfte und sechste Frage)

37 Mit seiner fünften Frage möchte das vorlegende Gericht - vor allem im Hinblick auf Artikel 136 Absatz 2 EG-Vertrag - wissen, ob es einen "Sperrgrundsatz" gebe, wonach den ÜLG im Rahmen der schrittweisen Verwirklichung der Assoziierung gewährte Vorteile nicht wieder in Frage gestellt werden dürfen. Seine sechste Frage geht dahin, wie es sich für den einzelnen auswirkt, wenn ein solcher Grundsatz mißachtet wird.

38 Zwar erfordert es der dynamische und allmähliche Prozeß der Assoziierung der ÜLG an die Gemeinschaft, daß der Rat die Ergebnisse berücksichtigt, die infolge seiner vorangegangenen Beschlüsse erzielt werden konnten. Gleichwohl muß er, wie bereits oben in Randnummer 30 erwähnt, beim Erlaß von Maßnahmen gemäß Artikel 136 Absatz 2 EG-Vertrag nicht nur den im Vierten Teil des Vertrages niedergelegten, sondern auch den sonstigen gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen, darunter denen der gemeinsamen Agrarpolitik, Rechnung tragen.

39 Die Abwägung der verschiedenen Ziele des EG-Vertrags unter gleichzeitiger allgemeiner Berücksichtigung der Ergebnisse, die infolge seiner früheren Beschlüsse erreicht wurden, kann den Rat, der insoweit entsprechend der ihm in den Artikeln 40 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 34 EG), 41 und 42 EG-Vertrag (jetzt Artikel 35 EG und 36 EG), 43 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 37 EG) und 136 EG-Vertrag übertragenen politischen Verantwortung über ein weites Ermessen verfügt, erforderlichenfalls dazu veranlassen, bestimmte den ÜLG eingeräumte Vorteile zu verringern.

40 Im vorliegenden Fall ist unstreitig, daß die Senkung der Jahresmenge Zucker, für die die Ursprungskumulierung AKP/ÜLG gewährt wird, auf 3 000 Tonnen gegenüber dem ÜLG-Beschluß eine Einschränkung darstellt. Ist jedoch - wie nachstehend unter den Randnummern 51 bis 57 geprüft wird - nachgewiesen, daß die Anwendung der Regel der Ursprungskumulierung im Zuckersektor geeignet war, das Funktionieren einer gemeinsamen Marktorganisation erheblich zu stören, so war der Rat nach Abwägung der Ziele der ÜLG-Assoziierung mit denen der gemeinsamen Agrarpolitik befugt, unter Beachtung der für seine Ermessensausübung geltenden gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze alle zweckdienlichen Maßnahmen zu treffen, um solche Störungen zu beseitigen oder zu mildern, und dabei auch den ÜLG zuvor gewährte Vorteile abzuschaffen oder einzuschränken.

41 Wie der Generalanwalt in Nummer 57 seiner Schlußanträge dargelegt hat, gilt dies besonders dann, wenn die in Frage stehenden Vorteile in Abweichung von den Regeln für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes gewährt werden. Eine solche Abweichung stellt die Regel dar, die es erlaubt, bestimmten aus den AKP-Staaten stammenden Erzeugnissen nach bestimmten Behandlungen einen ÜLG-Ursprung zuzuerkennen.

42 Im übrigen erschöpfte sich die Änderung des ÜLG-Beschlusses gegenüber der vorherigen Regelung nicht in Einschränkungen und Plafonierungen, sondern eröffnete, wie die Kommission unwidersprochen ausgeführt hat, den ÜLG auch verschiedene Vorteile in den Bereichen Niederlassung in der Gemeinschaft (Artikel 232 bis 233b geänderter ÜLG-Beschluß), Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise (Artikel 233b) und Zugang zu Gemeinschaftsprogrammen (Artikel 233c). Außerdem wurde die Finanzhilfe der Gemeinschaft an die ÜLG um 21 % erhöht (Artikel 154a).

Zum Bestehen mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen, die den Artikeln 133 Absatz 1 und 136 Absatz 2 EG-Vertrag zuwiderlaufen (dritte, vierte und achte Frage)

43 Die dritte, die vierte und die achte Frage des vorlegenden Gerichts gehen dahin, ob sich aus Artikel 108b des geänderten ÜLG-Beschlusses eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung ergibt und ob diese angesichts der Artikel 133 Absatz 1 und 136 Absatz 2 EG-Vertrag gültig ist.

44 Nach Auffassung des Rates ist zweifelhaft, ob die Durchführung des Artikels 108b des geänderten ÜLG-Beschlusses überhaupt eine mengenmäßige Beschränkung bewirke, denn dieser Artikel beschränke zwar für bestimmte Erzeugnisse die für eine Ursprungskumulierung zulässige und damit zollfrei einführbare Menge, aber auch nach Ausschöpfung dieser Menge dürften diese Erzeugnisse bei Entrichtung der anfallenden Zölle durchaus eingeführt werden.

45 Ungeachtet der Fragen, ob das in Artikel 108b des geänderten ÜLG-Beschlusses festgesetzte Zollkontingent als mengenmäßige Beschränkung angesehen wird und die Vorschrift über die AKP/ÜLG-Ursprungskumulierung den betroffenen Waren für die Anwendung der in Artikel 133 Absatz 1 EG-Vertrag niedergelegten Einfuhrregelung einen ÜLG-Ursprung verleihen kann, ist jedenfalls festzustellen, daß die fraglichen Erzeugnisse über das Kontingent hinaus nur gegen Entrichtung von Zöllen eingeführt werden dürfen.

46 Gemäß Artikel 133 Absatz 1 EG-Vertrag erfolgt die vollständige Abschaffung der Zölle bei der Einfuhr von Waren aus den ÜLG in die Mitgliedstaaten "nach Maßgabe der [im] Vertrag vorgesehenen schrittweisen Abschaffung der Zölle zwischen den Mitgliedstaaten".

47 Wie die Kommission ausgeführt hat, wurden die innergemeinschaftlichen Zölle im Zuckerhandel erst nach Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für dieses Erzeugnis abgeschafft, die die Einführung eines gemeinsamen Außenzolls und parallel die Festsetzung eines Mindestpreises für alle Mitgliedstaaten einschloß, um Wettbewerbsverzerrungen auszuschalten. Da es hingegen zwischen den ÜLG und der Gemeinschaft keinerlei gemeinsame Agrarpolitik gibt, können Maßnahmen zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen oder Störungen des Gemeinschaftsmarkts, darunter auch die Festlegung von Zollkontingenten, nicht schon wegen ihres Erlasses als Verstoß gegen Artikel 133 Absatz 1 EG-Vertrag angesehen werden.

48 Zur Frage, ob das Zollkontingent gemäß Artikel 108b des geänderten ÜLG-Beschlusses mit Artikel 136 Absatz 2 EG-Vertrag vereinbar ist, genügt der Hinweis, daß der Rat nach dieser Bestimmung Maßnahmen "aufgrund der erzielten Ergebnisse und der Grundsätze [des] Vertrags" zu treffen hat. Wie der Gerichtshof im Urteil Antillean Rice Mills u. a./Kommission, Randnummer 37, festgestellt hat, gehören zu diesen Grundsätzen auch die der gemeinsamen Agrarpolitik.

49 Es ist deshalb nicht zu beanstanden, daß der Rat im Rahmen der Durchführung des Artikels 136 Absatz 2 EG-Vertrag die Anforderungen der gemeinsamen Agrarpolitik berücksichtigt hat.

50 Daß Artikel 108b des geänderten ÜLG-Beschlusses Zuckereinfuhren, die durch die Anwendung der Ursprungskumulierung AKP/ÜLG begünstigt werden, einer Kontingentierung unterwirft, steht seiner Gültigkeit gemäß den Artikeln 133 Absatz 1 und 136 Absatz 2 EG-Vertrag demnach nicht entgegen.

Zur Verhältnismäßigkeit der mit dem Beschluß 97/803 erlassenen Maßnahmen (erste und zweite Frage)

51 Mit seiner ersten und zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Einführung eines Zollkontingents und die behauptete Streichung des "milling" unter den Be- und Verarbeitungsvorgängen, die für die Gewährung der Ursprungskumulierung AKP/ÜLG genügen, in Artikel 108b Absätze 1 und 2 des geänderten ÜLG-Beschlusses mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Schranken vereinbar sind, die nach Artikel 109 des ÜLG-Beschlusses für Schutzmaßnahmen gelten.

52 Nach Auffassung von Emesa und Aruba ist die Gefahr, daß der Gemeinschaftsmarkt für Zucker gestört werden und die Gemeinschaft ihre Vertragspflichten im Rahmen der Welthandelsorganisation (im folgenden: WHO) nicht einhalten könnte, eine Folge des Überschusses der Gemeinschaftserzeugung selbst und des Gesamtvolumens der Einfuhren in die Gemeinschaft, nicht aber der geringfügigen Zuckereinfuhren der Gemeinschaft aus den ÜLG, die insgesamt weniger als 4 % der (vor allem aus den AKP-Staaten stammenden) Zuckereinfuhren zu Vorzugsbedingungen ausmachten. Jedenfalls wären bei schwerwiegenden Störungen Schutzmaßnahmen nach Artikel 109 des ÜLG-Beschlusses in den dort gezogenen Grenzen angemessener gewesen.

53 In einem Bereich, in dem die Gemeinschaftsorgane - wie im vorliegenden Fall - über ein weites Ermessen verfügen, kann die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme nur dann beeinträchtigt sein, wenn die Maßnahme zur Erreichung des verfolgten Zieles offensichtlich ungeeignet ist. Die Beschränkung der Kontrolle durch den Gerichtshof ist insbesondere dann geboten, wenn sich der Rat veranlaßt sieht, einen Ausgleich zwischen divergierenden Interessen herbeizuführen und so im Rahmen der in seinem Verantwortungsbereich zu treffenden politischen Entscheidungen eine Auswahl vorzunehmen (vgl. Urteil vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-280/93, Deutschland/Rat, Slg. 1994, I-4973, Randnrn. 90 f., vom 17. Oktober 1995 in der Rechtssache C-44/94, Fishermen's Organisations u. a., Slg. 1995, I-3115, Randnr. 37, und vom 19. November 1998 in der Rechtssache C-150/94, Vereinigtes Königreich/Rat, Slg. 1998, I-7235, Randnr. 87).

54 Im vorliegenden Fall ist erstens nicht ersichtlich, daß die Festsetzung des Kontingents in Artikel 108b des geänderten ÜLG-Beschlusses offensichtlich über das hinausging, was für die Verwirklichung der vom Rat verfolgten Zwecke erforderlich war.

55 Laut der siebten Begründungserwägung des Beschlusses 97/803 fügte der Rat Artikel 108b ein, weil er festgestellt hatte, daß infolge des "freien Marktzugangs für alle Ursprungswaren der ÜLG... und der Aufrechterhaltung der Kumulierung zwischen Ursprungswaren der AKP-Staaten und Ursprungswaren der ÜLG... ein Konflikt" zwischen den Zielen der Gemeinschaftspolitik für die Förderung der ÜLG und der gemeinsamen Agrarpolitik drohte, und weil er dem Umstand Rechnung tragen wollte, daß "schwere Störungen auf dem Gemeinschaftsmarkt für bestimmte Erzeugnisse, die einer gemeinsamen Marktorganisation unterliegen,... mehrfach zur Einführung von Schutzmaßnahmen geführt" hatten.

56 Insoweit läßt sich den Akten entnehmen, daß die Gemeinschaft bei Erlaß des Beschlusses 97/803 mehr Rübenzucker erzeugte als verbrauchte und zusätzlich noch Rohrzucker aus den AKP-Ländern einführte, um die spezielle Nachfrage nach diesem Erzeugnis zu decken und im Rahmen der WHO geschlossene Verträge zu erfuellen, die sie zur Einfuhr bestimmter Zuckermengen aus Drittländern verpflichteten. Außerdem hatte sie - in den von den Verträgen im Rahmen der WHO gezogenen Grenzen - Zuckerexporte durch Ausfuhrerstattungen zu subventionieren. Unter diesen Umständen durfte der Rat davon ausgehen, daß jede, selbst gemessen an der Gemeinschaftserzeugung geringfügige Menge Zucker, die zusätzlich auf den Gemeinschaftsmarkt gelänge, die Gemeinschaftsorgane gezwungen hätte, entweder in den genannten Grenzen die Ausgaben für die Ausfuhrsubventionierung zu erhöhen oder die Quoten für die europäischen Erzeuger zu senken, was die in ihrem Gleichgewicht empfindliche gemeinsame Marktorganisation für Zucker gestört und den Zielen der gemeinsamen Agrarpolitik widersprochen hätte.

57 Im übrigen ergibt sich sowohl aus dem Vorlagebeschluß als auch aus den vom Rat und von der Kommission vorgelegten Zahlen, daß das Jahreskontingent von 3 000 Tonnen nicht niedriger ist als die bisher üblichen Zuckereinfuhren aus den ÜLG, die selbst keinen Zucker erzeugen. Da die aus den AKP-Staaten stammende Ware in den ÜLG zudem nur eine geringe Wertsteigerung erfährt, konnten die durch den Beschluß 97/803 betroffenen Industriebetriebe zur Entwicklung der ÜLG nur in geringem Maße beitragen. Ferner ist nicht auszuschließen, daß die unbeschränkte Geltung der Ursprungskumulierung die Gefahr mit sich brachte, daß Erzeugnisse aus den AKP-Staaten über das Territorium der ÜLG umgeleitet würden, um sich über die Zuckermengen hinaus, deren zollfreie Einfuhr in die Gemeinschaft den AKP-Staaten vertraglich zugesichert ist, Zugang zum Gemeinschaftsmarkt zu verschaffen.

58 Es läßt sich deshalb nicht feststellen, daß die in Artikel 108b Absatz 1 des geänderten ÜLG-Beschlusses enthaltene Maßnahme betreffend Zuckereinfuhren, die durch die Ursprungskumulierung AKP/ÜLG begünstigt werden, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zuwiderliefe.

59 Was zweitens die angebliche Streichung des "milling" unter den die Ursprungskumulierung ermöglichenden Be- und Verarbeitungsvorgängen angeht, so ist mit dem Rat und der Kommission festzustellen, daß sich Artikel 108b Absatz 2 auf die Erwähnung von zwei Beispielen solcher ursprungsbegründenden Be- und Verarbeitungsvorgänge beschränkt, aber keine erschöpfende Aufzählung gibt.

60 Das Vorbringen von Emesa, das "milling" sei in Artikel 108b Absatz 2 als ursprungsbegründender Vorgang gestrichen worden, ist deshalb nicht schlüssig.

61 Was drittens die Voraussetzungen betrifft, unter denen gemäß Artikel 109 des ÜLG-Beschlusses Schutzmaßnahmen erlassen werden dürfen, so sind sie für die Beurteilung der Gültigkeit des Beschlusses 97/803 irrelevant, da die in Artikel 108b Absatz 1 des geänderten ÜLG-Beschlusses enthaltene Maßnahme keine solche Schutzmaßnahme ist, mit der ausnahmsweise und vorübergehend dem Auftreten ungewöhnlicher und im Rahmen der normalen Handelsregelung nicht vermeidbarer Schwierigkeiten begegnet werden soll, sondern eine Änderung dieser normalen Regelung selbst, für die dieselben Kriterien gelten wie für den Erlaß des ÜLG-Beschlusss.

62 Demnach brauchte der Rat beim Erlaß von Artikel 108b des geänderten ÜLG-Beschlusses nicht die speziellen Anforderungen zu berücksichtigen, die für den Erlaß von Schutzmaßnahmen gemäß Artikel 109 des ÜLG-Beschlusses vorliegen müssen.

Zur mangelnden Durchführbarkeit von Artikel 108b (zehnte Frage)

63 Die zehnte Frage des vorlegenden Gerichts geht dahin, ob Artikel 108b undurchführbar und deshalb ungültig ist.

64 Nach Auffassung von Aruba ist dieser Artikel deshalb undurchführbar, weil die Behörden der ÜLG nicht feststellen könnten, zu welchem Zeitpunkt das Kontingent von 3 000 Tonnen Zucker ausgeschöpft sei, und deshalb nicht in der Lage seien, die Ursprungsbescheinigungen im Einzelfall zu erteilen oder zu versagen.

65 Artikel 108b des geänderten ÜLG-Beschlusses legt für die Anwendung der Regelung über die Ursprungskumulierung lediglich ein Zollkontingent von 3 000 Tonnen fest, enthält jedoch keine Durchführungsbestimmungen hierzu. Letztere sind vielmehr, worauf Rat und Kommission hingewiesen haben, in der Verordnung (EG) Nr. 2553/97 der Kommission vom 17. Dezember 1997 mit den Modalitäten für die Erteilung von Einfuhrlizenzen für bestimmte Erzeugnisse der KN-Codes 1701, 1702, 1703 und 1704 mit Ursprungskumulierung AKP/ÜLG (ABl. L 349, S. 26) enthalten.

66 Da die Kommission die fraglichen Durchführungsbestimmungen somit erlassen hat, ist die Rüge, Artikel 108b des geänderten ÜLG-Beschlusses sei nicht durchführbar, nicht begründet.

67 Nach alledem hat die Prüfung der ersten zehn Fragen nichts ergeben, was die Gültigkeit des Beschlusses 97/803 beeinträchtigen könnte.

Zur elften und zwölften Frage

68 Mit seiner elften Frage möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen wissen, ob es mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, daß ein nationales Gericht, bei dem ein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt wurde, gegenüber einem nicht der Gemeinschaft angehörenden Hoheitsträger einstweilige Maßnahmen erläßt, um eine drohende Verletzung des Gemeinschaftsrechts abzuwenden.

69 Diese Frage ist zu bejahen, sofern die im Urteil des Gerichtshofes vom 21. Februar 1991 in den verbundenen Rechtssachen C-143/88 und C-92/89 (Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest, Slg. 1991, I-415, Randnr. 33) genannten Voraussetzungen vorliegen. Danach darf ein nationales Gericht einstweilige Maßnahmen nur erlassen, wenn

- es erhebliche Zweifel an der Gültigkeit der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen hat, die der Hoheitsträger, gegenüber dem die einstweiligen Maßnahmen beantragt werden, vollzieht, und wenn es die Frage nach der Gültigkeit dieser Bestimmungen, sofern der Gerichtshof mit ihr noch nicht befaßt ist, diesem selbst vorlegt,

- wenn die Entscheidung dringlich ist und dem Antragsteller ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden droht und

- wenn das Gericht das Interesse der Gemeinschaft angemessen berücksichtigt.

70 Der Umstand, daß ein Gericht eines Mitgliedstaats solche einstweiligen Maßnahmen nach seinem nationalen Recht gegenüber einem Hoheitsträger der ÜLG zu erlassen hätte, ist ohne Belang für die Frage, unter welchen Voraussetzungen dem einzelnen, der sich auf das Gemeinschaftsrecht beruft, vor den nationalen Gerichten vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren ist.

71 Die zwölfte Frage des vorlegenden Gerichts geht dahin, inwieweit unter den Umständen des Ausgangsverfahrens gegenüber einem nicht der Gemeinschaft angehörenden, aber Gemeinschaftsrecht vollziehenden Hoheitsträger einstweilige Maßnahmen des nationalen Gerichts angemessen sind.

72 Da die Prüfung der ersten zehn Fragen nichts für die Ungültigkeit des Artikels 108b des geänderten ÜLG-Beschlusses ergeben hat, ist eine Beantwortung der zwölften Frage für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits offensichtlich unerheblich und somit nicht erforderlich.

73 Demnach ist auf die elfte Frage zu antworten, daß ein nationales Gericht gegenüber einem nicht der Gemeinschaft angehörenden Hoheitsträger einstweilige Maßnahmen zur Abwendung einer drohenden Verletzung des Gemeinschaftsrechts nur erlassen darf, wenn

- es erhebliche Zweifel an der Gültigkeit der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen hat, die der Hoheitsträger, gegenüber dem die einstweiligen Maßnahmen beantragt werden, vollzieht, und wenn es die Frage nach der Gültigkeit dieser Bestimmungen, sofern der Gerichtshof mit ihr noch nicht befaßt ist, diesem selbst vorlegt,

- wenn die Entscheidung dringlich ist und dem Antragsteller ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden droht und

- wenn das Gericht das Interesse der Gemeinschaft angemessen berücksichtigt.

Der Umstand, daß ein Gericht eines Mitgliedstaats solche einstweiligen Maßnahmen nach seinem nationalen Recht gegenüber einem Hoheitsträger der ÜLG zu erlassen hätte, ist ohne Belang für die Frage, unter welchen Voraussetzungen dem einzelnen, der sich auf das Gemeinschaftsrecht beruft, vor den nationalen Gerichten vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

74 Die Auslagen der italienischen, der spanischen, der französischen und der Regierung des Vereinigten Königreichs sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem nationalen Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Präsidenten der Arrondissementsrechtbank Den Haag mit Beschluß vom 19. Dezember 1997 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Die Prüfung der Vorlagefragen hat nichts ergeben, was die Gültigkeit des Beschlusses 97/803/EG des Rates vom 24. November 1997 zur Halbzeitänderung des Beschlusses 91/482/EWG über die Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beeinträchtigen könnte.

2. Ein nationales Gericht darf gegenüber einem nicht der Gemeinschaft angehörenden Hoheitsträger einstweilige Maßnahmen zur Abwendung einer drohenden Verletzung des Gemeinschaftsrechts nur erlassen, wenn

- es erhebliche Zweifel an der Gültigkeit der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen hat, die der Hoheitsträger, gegenüber dem die einstweiligen Maßnahmen beantragt werden, vollzieht, und wenn es die Frage nach der Gültigkeit dieser Bestimmungen, sofern der Gerichtshof mit ihr noch nicht befaßt ist, diesem selbst vorlegt,

- wenn die Entscheidung dringlich ist und dem Antragsteller ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden droht und

- wenn das Gericht das Interesse der Gemeinschaft angemessen berücksichtigt.

Auf die Voraussetzungen, unter denen einem einzelnen, der sich auf das Gemeinschaftsrecht beruft, vor den nationalen Gerichten vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren ist, ist es ohne Einfluß, daß ein Gericht eines Mitgliedstaats solche einstweiligen Maßnahmen nach seinem nationalen Recht gegenüber einem Hoheitsträger der überseeischen Länder und Gebiete zu erlassen hätte.

Ende der Entscheidung

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