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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 28.10.1999
Aktenzeichen: C-193/98
Rechtsgebiete: Richtlinie 93/89/EWG


Vorschriften:

Richtlinie 93/89/EWG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Der Gerichtshof ist für die Beantwortung einer Vorabentscheidungsfrage nach der Auslegung des am 9. Februar 1994 von den Regierungen mehrerer Mitgliedstaaten geschlossenen Übereinkommens über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Strassen mit schweren Nutzfahrzeugen offensichtlich unzuständig, wenn die Frage weder die Auslegung des Vertrages noch die von Handlungen der Organe der Gemeinschaft betrifft.

Dabei reicht der Umstand, daß die Präambel des Übereinkommens auf die Richtlinie 93/89 über die Besteuerung bestimmter Kraftfahrzeuge zur Güterbeförderung sowie die Erhebung von Benutzungsgebühren für bestimmte Verkehrswege verweist, die zwei oder mehr Mitgliedstaaten erlaubt, bei der Einführung eines gemeinsamen Systems von Benutzungsgebühren zusammenzuarbeiten, nicht aus, um ein zu diesem Zweck geschlossenes Übereinkommen als Teil des Gemeinschaftsrechts anzusehen, für dessen Auslegung der Gerichtshof zuständig ist.

Dagegen ist der Gerichtshof für die Beantwortung einer Vorlagefrage zuständig, wenn das vorlegende Gericht nicht nur um die Auslegung einer Bestimmung des Übereinkommens, sondern auch um die Auslegung von Artikel 2 vierter Gedankenstrich der Richtlinie ersucht, auf die sich Artikel 2 Absatz 1 des Übereinkommens ausdrücklich bezieht.

2 Für die Frage, ob ein Kraftfahrzeug oder eine Fahrzeugkombination im Sinne von Artikel 2 vierter Gedankenstrich der Richtlinie 93/89 über die Besteuerung bestimmter Kraftfahrzeuge zur Güterbeförderung sowie die Erhebung von Benutzungsgebühren für bestimmte Verkehrswege ausschließlich für den Güterkraftverkehr bestimmt ist, ist auf die generelle Zweckbestimmung des Fahrzeugs unabhängig vom Verwendungszweck im Einzelfall abzustellen.


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 28. Oktober 1999. - Alois Pfennigmann. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Oberlandesgericht Köln - Deutschland. - Richtlinie 93/89/EWG - Güterkraftverkehr - Kraftfahrzeugsteuern - Gebühren für die Benutzung bestimmter Straßen - Schwere Nutzfahrzeuge. - Rechtssache C-193/98.

Entscheidungsgründe:

1 Das Oberlandesgericht Köln hat mit Beschluß vom 8. Mai 1998, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Mai 1998, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) eine Frage nach der Auslegung von Artikel 2 Absatz 1 des am 9. Februar 1994 von den Regierungen des Königreichs Belgien, des Königreichs Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, des Großherzogtums Luxemburg und des Königreichs der Niederlande geschlossenen Übereinkommens über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Strassen mit schweren Nutzfahrzeugen (BGBl. 1994 II S. 1768; nachstehend: Übereinkommen) und von Artikel 2 vierter Gedankenstrich der Richtlinie 93/89/EWG des Rates vom 25. Oktober 1993 über die Besteuerung bestimmter Kraftfahrzeuge zur Güterbeförderung sowie die Erhebung von Maut- und Benutzungsgebühren für bestimmte Verkehrswege durch die Mitgliedstaaten (ABl. L 279, S. 32; nachstehend: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich im Rahmen einer Rechtsbeschwerde von Herrn Pfennigmann gegen eine Geldbusse, die gegen ihn wegen Verstosses gegen das Autobahngebührengesetz festgesetzt wurde.

Rechtlicher Rahmen

A - Die Richtlinie

3 Die Richtlinie soll nach ihrer ersten und zweiten Begründungserwägung die Wettbewerbsverzerrungen zwischen Verkehrsunternehmen aus den Mitgliedstaaten durch die fortschreitende Harmonisierung der Abgabensysteme beseitigen und gerechte Mechanismen für die Anlastung der Wegekosten an die Verkehrsunternehmer einführen. Sie sieht dazu eine begrenzte Angleichung der von den Mitgliedstaaten erhobenen Kraftfahrzeugsteuern (Artikel 3 bis 6) und bestimmte Mindestregeln für die Erhebung von Maut- und Benutzungsgebühren (Artikel 7 bis 9) vor.

4 Artikel 2 vierter Gedankenstrich der Richtlinie bestimmt:

"Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

...

- "Kraftfahrzeug" ein Kraftfahrzeug oder eine Fahrzeugkombination, die ausschließlich für den Güterkraftverkehr bestimmt sind und deren zulässiges Gesamtgewicht mindestens 12 Tonnen beträgt."

5 Artikel 6 Absatz 3 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie lautet:

"Die Mitgliedstaaten können ermässigte Sätze oder Befreiungen anwenden auf

-...

- Kraftfahrzeuge, die nur gelegentlich im Strassenverkehr des Mitgliedstaats eingesetzt werden, in dem sie zugelassen sind, und die von natürlichen oder juristischen Personen benutzt werden, deren Hauptgewerbe nicht der Güterverkehr ist, sofern die mit den Fahrzeugen durchgeführten Transporte keine Wettbewerbsverzerrungen verursachen und die Kommission ihre Zustimmung dazu gegeben hat."

6 Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie sieht vor:

"Zwei oder mehr Mitgliedstaaten können bei der Einführung eines gemeinsamen Systems von Benutzungsgebühren für ihre Hoheitsgebiete zusammenarbeiten. Diese Mitgliedstaaten beteiligen die Kommission eng an diesen Arbeiten sowie an dem späteren Betrieb und etwaigen Änderungen des Systems."

7 Mit Urteil vom 5. Juli 1995 in der Rechtssache C-21/94 (Parlament/Rat, Slg. 1995, I-1827) erklärte der Gerichtshof die Richtlinie wegen Verstosses gegen wesentliche Formvorschriften für nichtig, hielt jedoch deren Wirkungen bis zum Erlaß einer neuen Regelung des Rates in diesem Bereich aufrecht. Die Kommission erließ hierzu am 13. November 1996 einen Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge (ABl. 1997, C 59, S. 9). Dieser Vorschlag wurde bisher nicht angenommen.

B - Das Übereinkommen

8 Das Übereinkommen wurde auf der Grundlage des Artikels 8 Absatz 1 der Richtlinie geschlossen.

9 Artikel 1 des Übereinkommens lautet:

"Zweck dieses Übereinkommens ist die Erhebung einer gemeinsamen Benutzungsgebühr durch die Vertragsparteien für Kraftfahrzeuge, die bestimmte Strassen in ihrem Hoheitsgebiet benutzen, sowie die Festlegung der Bedingungen und Verfahren zur Verteilung der Gebühreneinnahmen."

10 Gemäß Artikel 2 Absatz 1 des Übereinkommens finden auf das Übereinkommen die Begriffsbestimmungen des Artikels 2 der Richtlinie Anwendung. Der Anwendungsbereich des Übereinkommens beschränkt sich daher auf Fahrzeuge im Sinne der Begriffsbestimmung des Artikels 2 vierter Gedankenstrich der Richtlinie.

11 Artikel 4 Absätze 1 und 2 des Übereinkommens bestimmt:

"(1) Von der Gebühr nach Artikel 3 sind Kraftfahrzeuge der Streitkräfte, des Zivil- und Katastrophenschutzes, der Feuerwehr und anderer Notdienste, der Ordnungsbehörden und des Strassenunterhaltungs- oder Strassenbetriebsdienstes befreit.

(2) Jede Vertragspartei kann für ihr Hoheitsgebiet Kraftfahrzeuge, die in Artikel 6 Absatz 3 2. Anstrich der Richtlinie bezeichnet sind, von der Gebühr nach Artikel 3 befreien."

Das Ausgangsverfahren

12 Mit Bescheid vom 8. Juli 1997 verhängte das Bundesamt für Güterverkehr gegen Herrn Pfennigmann gemäß dem Autobahngebührengesetz eine Geldbusse in Höhe von 100 DM, weil dieser mit seinem Ackerschlepper (zulässiges Gesamtgewicht: 7 490 kg) nebst Anhänger (zulässiges Gesamtgewicht: 8 500 kg) zwei Bundesautobahnen befahren hatte, ohne die Autobahnbenutzungsgebühr entrichtet zu haben. Zweck der Fahrt war die Lieferung von Feldfrüchten an eine Firma, mit der Herr Pfennigmann, Inhaber eines Ackerbaubetriebs, entsprechende Lieferungsvereinbarungen geschlossen hatte.

13 Herr Pfennigmann legte gegen diesen Bescheid Einspruch beim Amtsgericht Köln ein. Er machte geltend, die von ihm zur Tatzeit geführte Fahrzeugkombination aus Ackerschlepper und Anhänger sei nicht ausschließlich zum Güterkraftverkehr bestimmt, sondern diene in erster Linie der Bewirtschaftung seines landwirtschaftlichen Betriebes. Er sei daher nicht zur Entrichtung der Autobahnbenutzungsgebühr verpflichtet gewesen.

14 Das Amtsgericht Köln wies den Einspruch mit Urteil vom 17. November 1997 zurück. Es erklärte, für die Frage, ob jemand zur Entrichtung einer Autobahngebühr verpflichtet sei, sei allein entscheidend, ob das Kraftfahrzeug oder die Fahrzeugkombination zum Zeitpunkt der Autobahnbenutzung ausschließlich zur Güterbeförderung bestimmt gewesen sei. Weitere Zweckbestimmungen ausserhalb der Autobahnbenutzung seien ohne Bedeutung. Hierzu stützte sich das Amtsgericht insbesondere auf Artikel 6 Absatz 3 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie und auf Artikel 4 Absätze 1 und 2 des Übereinkommens. Die den Mitgliedstaaten nach diesen Bestimmungen eingeräumte Befugnis, ermässigte Sätze oder Befreiungen für bestimmte Kraftfahrzeuge anzuwenden, die nur gelegentlich und von Personen im Strassenverkehr eingesetzt würden, deren Hauptgewerbe nicht der Güterverkehr sei, bedeute im Umkehrschluß, daß die Güterbeförderung nicht die ständige und alleinige Zweckbestimmung des Fahrzeugs sein müsse.

15 Auf die Rechtsbeschwerde von Herrn Pfennigmann hin hat das Oberlandesgericht Köln beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist für die Frage, ob ein Kraftfahrzeug oder eine Fahrzeugkombination im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 des Übereinkommens in Verbindung mit Artikel 2 vierter Gedankenstrich der Richtlinie 93/89/EWG des Rates ausschließlich für den Güterkraftverkehr bestimmt ist, auf den Zeitpunkt und die Art der jeweiligen Benutzung abzustellen oder kommt es unabhängig vom Verwendungszweck im Einzelfall darauf an, ob eine generelle Zweckbestimmung des Kraftfahrzeugs oder der Fahrzeugkombination für den Einsatz zum Güterkraftverkehr besteht?

Zur Vorlagefrage

16 Einleitend ist festzustellen, daß das vorlegende Gericht den Gerichtshof bereits mehrfach um Auslegung von Bestimmungen des Übereinkommens ersucht hat (vgl. Beschlüsse vom 12. November 1998 in der Rechtssache C-162/98, Hartmann, Slg. 1998, I-7083, in der Rechtssache C-194/98, Pörschke, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, und vom 11. Februar 1999 in der Rechtssache C-313/98, Claasen, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht).

17 In diesen Rechtssachen hatte der Gerichtshof sich für die Beantwortung der ihm vom nationalen Gericht zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen für offensichtlich unzuständig erklärt.

18 Der Gerichtshof verwies in diesem Zusammenhang darauf, daß er nach Artikel 177 des Vertrages zuständig ist, im Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung dieses Vertrages sowie der Handlungen der Organe der Gemeinschaft zu entscheiden.

19 Dagegen reicht der Umstand, daß die Richtlinie, auf die die Präambel des Übereinkommens verweist, in ihrem Artikel 8 zwei oder mehr Mitgliedstaaten erlaubt, bei der Einführung eines gemeinsamen Systems von Benutzungsgebühren zusammenzuarbeiten, für sich allein nicht aus, um ein zu diesem Zweck geschlossenes Übereinkommen als Teil des Gemeinschaftsrechts anzusehen, für dessen Auslegung der Gerichtshof zuständig ist (vgl. Beschluß Hartmann, Randnrn. 10 und 11).

20 Die Bestimmungen eines solchen Übereinkommens unterscheiden sich nämlich nur dadurch, daß sie gemeinsam vereinbart worden sind, von anderen Rechtsvorschriften, die jeder Mitgliedstaat nach der Richtlinie erlassen darf und für deren Auslegung der Gerichtshof im Rahmen von Artikel 177 des Vertrages nicht zuständig ist (vgl. Beschluß Hartmann, Randnr. 12).

21 Im vorliegenden Fall ersucht das nationale Gericht anders als in den Rechtssachen Hartmann, Pörschke und Claasen nicht nur um die Auslegung einer Bestimmung des Übereinkommens, konkret von Artikel 2 Absatz 1 des Übereinkommens, sondern auch um die Auslegung von Artikel 2 vierter Gedankenstrich der Richtlinie, auf die sich Artikel 2 Absatz 1 des Übereinkommens ausdrücklich bezieht.

22 Folglich ist der Gerichtshof für die Beantwortung der Vorlagefrage des Oberlandesgerichts zuständig, soweit sie die Auslegung von Artikel 2 vierter Gedankenstrich der Richtlinie betrifft.

23 Die Vorlagefrage ist also dahin zu verstehen, daß das vorlegende Gericht wissen möchte, ob für die Frage, ob ein Kraftfahrzeug oder eine Fahrzeugkombination im Sinne von Artikel 2 vierter Gedankenstrich der Richtlinie "ausschließlich" für den Güterkraftverkehr bestimmt ist, auf den Zeitpunkt und die Art der jeweiligen Benutzung abzustellen ist oder ob es auf die generelle Zweckbestimmung des Fahrzeugs unabhängig vom Verwendungszweck im Einzelfall ankommt.

24 Die Richtlinie enthält unterschiedliche Regelungen für Kraftfahrzeugsteuern (Artikel 3 bis 6) einerseits und Maut- und Benutzungsgebühren (Artikel 7 bis 9) andererseits.

25 Artikel 3 der Richtlinie führt für jeden Mitgliedstaat die Steuern auf, die für Fahrzeuge erhoben werden können, die ausschließlich für den Güterkraftverkehr bestimmt sind. Nach Artikel 5 der Richtlinie können diese Steuern nur von dem Mitgliedstaat der Zulassung erhoben werden.

26 Im Fall der in Artikel 3 der Richtlinie aufgeführten Steuern können die Mitgliedstaaten nach Artikel 6 Absatz 3 der Richtlinie auf bestimmte Fahrzeuge, die im Allgemeininteresse eingesetzt werden, sowie unter bestimmten Bedingungen auf solche Fahrzeuge, die nur gelegentlich im Strassenverkehr des Zulassungsstaats eingesetzt werden und die von natürlichen oder juristischen Personen benutzt werden, deren Hauptgewerbe nicht der Güterverkehr ist, ermässigte Sätze oder Befreiungen anwenden.

27 Die Regelung über Maut- und Benutzungsgebühren hängt nicht mit der über Kraftfahrzeugsteuern zusammen, da die Entrichtung der Steuern nicht von der Pflicht zur Zahlung der Gebühren befreit, wenn die ausschließlich für den Güterkraftverkehr bestimmten Fahrzeuge Autobahnen, vergleichbare Strassen, Brücken, Tunnel und Gebirgspässe benutzen. Zudem dürfen die Mitgliedstaaten die Maut- und Benutzungsgebühren für die Benutzung dieser Verkehrswege nicht so anwenden, daß sie unmittelbar oder mittelbar zu einer unterschiedlichen Behandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit des Verkehrsunternehmers bzw. des Ausgangs- oder Zielpunktes des Verkehrs führen.

28 Nach Ansicht der Kommission sowie der belgischen und der schwedischen Regierung kommt es für die Frage, ob ein Fahrzeug oder eine Fahrzeugkombination im Sinne von Artikel 2 vierter Gedankenstrich ausschließlich für den Güterkraftverkehr bestimmt sei, unabhängig vom Verwendungszweck im Einzelfall allein darauf an, ob eine generelle Zweckbestimmung des Fahrzeugs oder der Kombination für den Einsatz zum Güterkraftverkehr bestehe.

29 Dagegen ist nach Meinung der deutschen Regierung nicht auf die überwiegende Verwendung des Fahrzeugs im allgemeinen, sondern nur darauf abzustellen, ob das Kraftfahrzeug beim Benutzen von Strassen im Sinne der Richtlinie Güter befördere. Diese Auslegung ergebe sich aus Artikel 6 Absatz 3 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie in Verbindung mit Artikel 4 Absatz 2 des Übereinkommens. Nach diesen Bestimmungen sei jedem Mitgliedstaat die Befugnis eingeräumt, auf bestimmte, nur gelegentlich im Strassenverkehr eingesetzte Fahrzeuge, die von Personen benutzt würden, deren Hauptgewerbe nicht der Güterverkehr sei, ermässigte Sätze oder Befreiungen anzuwenden. Der Gemeinschaftsgesetzgeber habe damit Fahrzeuge, die auch noch zu anderen Zwecken als der Güterbeförderung bestimmt seien, eindeutig einbezogen. Würden solche Fahrzeuge schon durch die Verwendung des Wortes "ausschließlich" von der Gebührenpflicht ausgeschlossen, hätte es der Ausnahmeregelung des Artikels 6 Absatz 3 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie nicht bedurft.

30 Ziel der Richtlinie ist nach deren erster Begründungserwägung die Beseitigung der Wettbewerbsverzerrungen zwischen Verkehrsunternehmen aus den Mitgliedstaaten durch die schrittweise Harmonisierung der Abgabensysteme und die Einführung gerechter Mechanismen für die Anlastung der Wegekosten an die Verkehrsunternehmer.

31 Nach der zweiten und der vierten Begründungserwägung der Richtlinie ist dieses Ziel nur stufenweise zu verwirklichen, und die Angleichung der einzelstaatlichen Abgabensysteme bleibt unter den derzeitigen Umständen auf Nutzfahrzeuge mit einem bestimmten Mindestgesamtgewicht beschränkt.

32 Infolgedessen sind auf dieser ersten Stufe nur die Fahrzeuge betroffen, die aufgrund ihrer Merkmale dazu bestimmt sind, regelmässig und auf Dauer und nicht nur gelegentlich am Wettbewerb im Güterverkehr teilzunehmen.

33 Dieses Ergebnis wird durch die Untersuchung des Wortlauts des Artikels 2 vierter Gedankenstrich der Richtlinie bestätigt, der in allen Sprachfassungen übereinstimmend von Fahrzeugen, die ausschließlich für den Güterkraftverkehr bestimmt sind, spricht, wie der Generalanwalt in Nummer 25 seiner Schlussanträge ausgeführt hat.

34 Nur für die so umschriebenen Fahrzeuge müssen nach den Bestimmungen der Richtlinie im Zulassungsstaat die in Artikel 3 der Richtlinie aufgeführten Steuern entrichtet werden und kann in einem bestimmten Mitgliedstaat für die Benutzung bestimmter Verkehrswege dieses Staates die Entrichtung von Maut- und Benutzungsgebühren verlangt werden.

35 Schließlich lässt sich eine Auslegung des Artikels 2 vierter Gedankenstrich der Richtlinie, nach der es auf die Verwendung des Fahrzeugs im Einzelfall ankommen soll, nicht mit einem Hinweis auf Artikel 6 Absatz 3 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie rechtfertigen.

36 Entgegen der Ansicht der deutschen Regierung wird Artikel 6 Absatz 3 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie auch dann nicht gegenstandslos, wenn die Fahrzeuge, die gelegentlich im Güterkraftverkehr eingesetzt werden, nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen.

37 Natürliche oder juristische Personen, deren Hauptgewerbe nicht der Güterverkehr ist, können nämlich die in dieser Bestimmung vorgesehene Ausnahmeregelung für Fahrzeuge in Anspruch nehmen, die zwar ausschließlich für den Güterkraftverkehr bestimmt sind, aber nur gelegentlich im Strassenverkehr des Mitgliedstaats der Zulassung eingesetzt werden. Wie der Generalanwalt in Nummer 24 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist dies der Fall bei Lastkraftwagen, die in abgeschlossenen Industrieanlagen wie Gruben oder Steinbrüchen eingesetzt werden.

38 Somit ist auf die Vorlagefrage zu antworten, daß für die Frage, ob ein Kraftfahrzeug oder eine Fahrzeugkombination im Sinne von Artikel 2 vierter Gedankenstrich der Richtlinie ausschließlich für den Güterkraftverkehr bestimmt ist, auf die generelle Zweckbestimmung des Fahrzeugs unabhängig vom Verwendungszweck im Einzelfall abzustellen ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

39 Die Auslagen der deutschen, der belgischen und der schwedischen Regierung sowie der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahren; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

auf die ihm vom Oberlandesgericht Köln mit Beschluß vom 8. Mai 1998 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Für die Frage, ob ein Kraftfahrzeug oder eine Fahrzeugkombination im Sinne von Artikel 2 vierter Gedankenstrich der Richtlinie 93/89/EWG des Rates vom 25. Oktober 1993 über die Besteuerung bestimmter Kraftfahrzeuge zur Güterbeförderung sowie die Erhebung von Maut- und Benutzungsgebühren für bestimmte Verkehrswege durch die Mitgliedstaaten ausschließlich für den Güterkraftverkehr bestimmt ist, ist auf die generelle Zweckbestimmung des Fahrzeugs unabhängig vom Verwendungszweck im Einzelfall abzustellen.

Ende der Entscheidung

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