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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 26.04.2007
Aktenzeichen: C-195/04
Rechtsgebiete: EG


Vorschriften:

EG Art. 226
EG Art. 28
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

26. April 2007

"Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Öffentlicher Auftrag über die Lieferung einer Catering-Einrichtung - Art. 28 EG - Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen - Maßnahmen gleicher Wirkung - Diskriminierungsverbot - Verpflichtung zur Transparenz"

Parteien:

In der Rechtssache C-195/04

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 29. April 2004,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Huttunen und K. Wiedner als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Republik Finnland, vertreten durch T. Pynnä und E. Bygglin als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

unterstützt durch:

Königreich Dänemark, vertreten durch J. Molde als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch A. Tiemann und M. Lumma als Bevollmächtigte,

Königreich der Niederlande, vertreten durch H. G. Sevenster und C. M. Wissels sowie vertreten durch P. van Ginneken als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter R. Schintgen und P. Kuris, der Richterin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) und des Richters G. Arestis,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juni 2006,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. Januar 2007

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Feststellung, dass die Republik Finnland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 28 EG verstoßen hat, dass sie die Senaatti-kiinteistöt (ehemals Valtion kiinteistölaitos), die Behörde, die in Finnland für die Verwaltung staatlicher Gebäude zuständig ist, beim Auftrag über eine Catering-Einrichtung gegen die fundamentalen Rechtsgrundsätze des EG-Vertrags und insbesondere den Grundsatz der Nichtdiskriminierung, der die Verpflichtung zur Transparenz einschließt, hat verstoßen lassen.

Sachverhalt und vorprozessuales Verfahren

2 Im März 1998 veröffentlichte die Senaatti-kiinteistöt im Rahmen eines nicht offenen Verfahrens im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften und im Virallinen Lehti (Amtsblatt der Republik Finnland) eine Ausschreibung für einen öffentlichen Auftrag über Arbeiten zur Renovierung und zum Umbau des Gebäudes der Regionalverwaltung von Turku (im Folgenden: ursprüngliche Ausschreibung).

3 Der Auftrag war in Lose im Einzelwert zwischen 1 000 000 und 22 000 000 FIM unterteilt. Die Angebote konnten sich auf ein Los, mehrere Lose oder alle Lose erstrecken. Eines dieser Lose betraf die Lieferung und die Installation einer für die Küche des Restaurants dieser Verwaltung bestimmten Catering-Einrichtung.

4 Die Parteien streiten darüber, ob in diesem Stadium des Vergabeverfahrens dem öffentlichen Auftraggeber ein Angebot für dieses Los vorgelegt worden ist. Nach Angabe der Republik Finnland ist ein einziges Angebot von der Firma Kopal Markkinointi Oy vorgelegt worden, während dies nach Angabe der Kommission nicht der Fall ist.

5 Anfang 2000 wandte sich der öffentliche Auftraggeber unmittelbar an vier Unternehmen und forderte sie zur Abgabe von Angeboten für die Lieferung und Installation einer Catering-Einrichtung auf.

6 Mit Schreiben vom 14. Februar 2000 setzte der öffentliche Auftraggeber die Empfänger dieses Schreibens davon in Kenntnis, dass er aufgrund der zu hohen Preise in den eingegangenen Angeboten beschlossen habe, alle Angebote abzulehnen. Die Republik Finnland und die Kommission sind sich darüber uneinig, ob dieses Schreiben an alle Unternehmen gerichtet war, die im Rahmen der ursprünglichen Ausschreibung Angebote für die Lieferung und die Installation einer Catering-Einrichtung abgegeben hatten.

7 In demselben Schreiben gibt der öffentliche Auftraggeber außerdem an, dass er die Firma Amica Ravintolat Oy, die Pächterin des Restaurants der Regionalverwaltung von Turku, damit betraut habe, die Catering-Einrichtung für Rechnung des öffentlichen Auftraggebers für höchstens 1 050 000 FIM zu kaufen, und fordert die Empfänger dieses Schreibens auf, ihre Angebote unmittelbar gegenüber dieser Firma abzugeben.

8 Amica Ravintolat Oy soll diese Einrichtung schließlich bei der Firma Hackman-Metos Oy gekauft haben.

9 Nachdem bei der Kommission eine Beschwerde in Bezug auf die Ordnungsmäßigkeit des von der Senaatti-kiinteistöt eingeschlagenen Verfahrens eingegangen war, forderte die Kommission die Republik Finnland mit Schreiben vom 17. Juli 2002 auf, sich dazu binnen zwei Monaten vom Eingang dieses Schreibens an zu äußern.

10 Die finnischen Behörden antworteten auf dieses Mahnschreiben mit Schreiben vom 3. September 2002.

11 Da die Kommission der Auffassung war, dass die Republik Finnland gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 28 EG verstoßen habe, richtete sie an diese am 19. Dezember 2002 eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie sie aufforderte, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um dieser Stellungnahme binnen zwei Monaten nach ihrer Bekanntgabe nachzukommen.

12 Mit Schreiben vom 12. Februar 2003 bestritten die finnischen Behörden die von der Kommission zur Last gelegte Vertragsverletzung und machten geltend, dass im vorliegenden Fall sowohl Art. 28 EG als auch der Grundsatz der Nichtdiskriminierung und die sich daraus ergebende Verpflichtung zur Transparenz beachtet worden seien.

13 Die Kommission sieht die Erklärungen der finnischen Behörden nicht als überzeugend an und hat beschlossen, die vorliegende Klage zu erheben.

14 Durch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 14. Oktober 2004 sind das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland und das Königreich der Niederlande als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Republik Finnland zugelassen worden.

Zur Zulässigkeit der Klage

15 Die Republik Finnland macht geltend, die Klage der Kommission sei unzulässig.

16 Die mit Gründen versehene Stellungnahme beziehe sich nämlich nicht auf die gleichen Rügen wie die Klageschrift. So habe die Kommission in dieser Stellungnahme angegeben, dass der öffentliche Auftraggeber für eine ausreichende Publizität hätte Sorge tragen müssen und dass die zur Last gelegte Vertragsverletzung darauf beruhe, dass der Pächter des Restaurants der Regionalverwaltung von Turku als Bevollmächtigter dieses Auftraggebers den Auftrag über die Lieferung einer Catering-Einrichtung vergeben habe, während sie in ihrer Klageschrift geltend mache, dass der öffentliche Auftraggeber eine Ausschreibung hätte veranstalten müssen und dass die Vertragsverletzung sich daraus ergebe, dass die ursprüngliche Ausschreibung ergebnislos geblieben und der streitige Auftrag infolgedessen nicht Gegenstand einer veröffentlichten Ausschreibung gewesen sei.

17 Die Kommission habe auf diese Weise den Streitgegenstand, so wie er im vorprozessualen Verfahren definiert worden sei, erweitert.

18 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Gegenstand der nach Art. 226 EG erhobenen Klage zwar durch das in dieser Vorschrift vorgesehene vorprozessuale Verfahren umschrieben wird, weshalb die mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission und die Klage auf dieselben Rügen gestützt werden müssen, dass dieses Erfordernis aber nicht so weit gehen kann, dass sie in jedem Fall völlig übereinstimmend formuliert sein müssen, sofern nur der Streitgegenstand nicht erweitert oder geändert, sondern lediglich beschränkt worden ist (Urteile vom 12. Juni 2003, Kommission/Finnland, C-229/00, Slg. 2003, I-5727, Randnrn. 44 und 46, vom 14. Juli 2005, Kommission/Deutschland, C-433/03, Slg. 2005, I-6985, Randnr. 28, und vom 30. Januar 2007, Kommission/Dänemark, C-150/04, Slg. 2007, I-0000, Randnr. 67). Daher kann die Kommission ihre ursprünglichen Rügen in ihrer Klageschrift präzisieren, sofern sie den Streitgegenstand nicht ändert (Urteile vom 11. September 2001, Kommission/Irland, C-67/99, Slg. 2001, I-5757, Randnr. 23, vom 12. Oktober 2004, Kommission/Griechenland, C-328/02, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 32, und vom 26. April 2005, Kommission/Irland, C-494/01, Slg. 2005, I-3331, Randnr. 38).

19 Es ist aber festzustellen, dass die Kommission im vorliegenden Fall den in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 19. Dezember 2002 festgelegten Streitgegenstand nicht erweitert, geändert oder gar eingeschränkt hat.

20 Aus den Schlussfolgerungen der mit Gründen versehenen Stellungnahme und den Klageanträgen der Kommission, die fast gleichlautend formuliert sind, geht nämlich nicht nur hervor, dass diese auf die gleichen Rügen gestützt sind, sondern es zeigt sich auch, dass die Kommission dadurch, dass sie in ihrer Klageschrift geltend macht, dass der öffentliche Auftraggeber eine Ausschreibung hätte veranstalten müssen, die in ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme ursprünglich geltend gemachte Rüge, dass nämlich der Auftrag über die Lieferung einer Catering-Einrichtung für die Regionalverwaltung von Turku Gegenstand einer ausreichenden Publizität hätte sein müssen, nur präzisiert hat.

21 Der Gerichtshof kann jedoch von Amts wegen prüfen, ob die gemäß Art. 226 EG für die Erhebung einer Vertragsverletzungsklage geltenden Voraussetzungen erfüllt sind (Urteile vom 31. März 1992, Kommission/Italien, C-362/90, Slg. 1992, I-2353, Randnr. 8, vom 15. Januar 2002, Kommission/Italien, C-439/99, Slg. 2002, I-305, Randnr. 8, und vom 4. Mai 2006, Kommission/Vereinigtes Königreich, C-98/04, Slg. 2005, I-4003, Randnr. 16).

22 In diesem Zusammenhang ergibt sich aus Art. 38 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichtshofs und der einschlägigen Rechtsprechung, dass die Klageschrift den Streitgegenstand angeben und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss und dass diese Angaben so klar und deutlich sein müssen, dass sie dem Beklagten die Vorbereitung seines Verteidigungsvorbringens und dem Gerichtshof die Wahrnehmung seiner Kontrollaufgabe ermöglichen. Folglich müssen sich die tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die eine Klage gestützt wird, zusammenhängend und verständlich unmittelbar aus der Klageschrift ergeben (Urteile vom 9. Januar 2003, Italien/Kommission, C-178/00, Slg. 2003, I-303, Randnr. 6, vom 14. Oktober 2004, Kommission/Spanien, C-55/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 23, und vom 15. September 2005, Irland/Kommission, C-199/03, Slg. 2005, I-8027, Randnr. 50), und die Anträge der Klageschrift müssen eindeutig formuliert sein, damit der Gerichtshof nicht ultra petita entscheidet oder eine Rüge übergeht (Urteile vom 20. November 2003, Kommission/Frankreich, C-296/01, Slg. 2003, I-13909, Randnr. 121, und vom 15. Juni 2006, Kommission/Frankreich, C-255/04, Slg. 2006, I-5251, Randnr. 24).

23 Im vorliegenden Fall entspricht die Klageschrift der Kommission diesen Anforderungen nicht.

24 Mit ihrer Klage will die Kommission feststellen lassen, dass die Republik Finnland gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 28 EG verstoßen hat, weil die Senaatti-kiinteistöt bei einem Auftrag über eine Catering-Einrichtung gegen die fundamentalen Grundsätze des Vertrags und insbesondere den Grundsatz der Nichtdiskriminierung, der die Verpflichtung zur Transparenz einschließt, verstoßen hat.

25 Wie die Generalanwältin in Nr. 45 ihrer Schlussanträge festgestellt hat, sind die Anträge der Klageschrift, so wie sie formuliert sind, nicht eindeutig und erlauben es nicht, klar und genau festzustellen, was die Kommission der Republik Finnland zur Last legt, da sie sich gleichzeitig auf Art. 28 EG, grundlegende Bestimmungen des Vertrags, den Grundsatz der Nichtdiskriminierung und die Verpflichtung zur Transparenz beziehen.

26 Auch wenn man annimmt, dass mit der Klage der Kommission ein Verstoß gegen Art. 28 EG festgestellt werden soll, wird weder in den Klageanträgen noch im Text der Klageschrift klar und genau angegeben, welche Maßnahme im vorliegenden Fall eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung oder eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne dieses Artikels darstellen soll.

27 Die Kommission beschränkt sich nämlich darauf, das Verhalten des öffentlichen Auftraggebers "bei einem Auftrag über eine Catering-Einrichtung" in Frage zu stellen.

28 Darüber hinaus war die Kommission zu keinem Verfahrenszeitpunkt in der Lage, eine zusammenhängende und genaue Darstellung der Tatsachen vorzutragen, auf die sich die Rügen stützten, die sie zur Begründung ihrer Klage geltend macht.

29 So macht sie in ihrer Klageschrift keine genaue Angabe in Bezug auf die ursprüngliche Ausschreibung, sondern stellt lediglich fest, dass diese in Bezug auf den Erwerb einer Catering-Einrichtung "erfolglos geblieben ist".

30 Dabei lässt sich weder anhand des Wortlauts der Klageschrift noch anhand der Antworten der Kommission auf die Fragen des Gerichtshofs in der mündlichen Verhandlung mit Sicherheit feststellen, ob ein Angebot für die Lieferung und die Installation einer Catering-Einrichtung dem öffentlichen Auftraggeber im Rahmen dieser Ausschreibung vorgelegt worden ist.

31 Auch behauptet die Kommission in ihrer Erwiderung, ohne dies allerdings zu beweisen, dass zum einen mindestens eines der Unternehmen, die ein solches Angebot abgegeben hätten, nicht zu den vier vom öffentlichen Auftraggeber im Jahr 2000 kontaktierten Unternehmen gehört hat und dass zum anderen das die Lieferung und die Installation einer Catering-Einrichtung betreffende Los, das zu dem im Rahmen der ursprünglichen Ausschreibung angekündigten Auftrag gehört habe, nicht denselben Gegenstand wie der Auftrag gehabt habe, der Anlass zu den im Laufe desselben Jahres aufgenommenen Kontakten gegeben habe.

32 Unter diesen Umständen verfügt der Gerichtshof nicht über ausreichende Anhaltspunkte, um die Tragweite des der Republik Finnland vorgeworfenen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht genau erfassen und damit überprüfen zu können, ob die von der Kommission behauptete Vertragsverletzung vorliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Vereinigtes Königreich, Randnr. 18).

33 Die Klage ist folglich als unzulässig abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

34 Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Republik Finnland eine entsprechende Verurteilung der Kommission beantragt hat und deren Klage unzulässig ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten.

Ende der Entscheidung

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