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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 09.06.1992
Aktenzeichen: C-228/90
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag über die Einführung eines Gemeinsamen Zolltarifs gegenüber dritten Ländern, EWG-Vertrag über die Durchführung einer gemeinsamen Handelspoltik der Mitgliedstaaten, EWG-Vertrag, Drittes AKP-EWG-Abkommen


Vorschriften:

EWG-Vertrag über die Einführung eines Gemeinsamen Zolltarifs gegenüber dritten Ländern Art. 9
EWG-Vertrag über die Durchführung einer gemeinsamen Handelspoltik der Mitgliedstaaten Art. 113
EWG-Vertrag Art. 115
EWG-Vertrag Art. 95
Drittes AKP-EWG-Abkommen Art. 139 Abs. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Eine Abgabe wie die mit dem Gesetz Nr. 986/64 in der Fassung des Gesetzes Nr. 873/82 in die italienische Rechtsordnung eingeführte inländische Verbrauchsteuer, die auf frische Bananen erhoben wird, ist als Bestandteil einer allgemeinen inländischen Abgabenregelung im Sinne des Artikels 95 EWG-Vertrag anzusehen, und ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht ist im Rahmen dieses Artikels und nicht in dem der Artikel 9 und 12 EWG-Vertrag zu beurteilen, sofern

- sie zu einer Gesamtheit von Verbrauchsteuern gehört, die gemeinsamen Steuervorschriften unterliegen und Erzeugnisgruppen unabhängig vom Ursprung des betreffenden Erzeugnisses aufgrund eines objektiven Kriteriums, nämlich der Zugehörigkeit eines Erzeugnisses zu einer bestimmten Erzeugnisgruppe, betreffen;

- ein Teil dieser Steuern auf Erzeugnisse erhoben wird, die der menschlichen Ernährung dienen, und der Umstand, ob diese Güter aus einheimischer oder ausländischer Erzeugung stammen, anscheinend weder einen Einfluß auf den Steuersatz noch auf die Bemessungsgrundlage oder auf die Art und Weise der Erhebung hat;

- das Aufkommen dieser Steuern keine spezifische Zweckbestimmung hat, sondern eine Steuereinnahme wie die anderen darstellt und wie diese zur allgemeinen Finanzierung der Staatsausgaben auf allen Gebieten beiträgt.

An der Rechtsnatur dieser Steuer als inländischer Abgabe ändert sich nichts dadurch, daß sie im Anschluß an ein Urteil des Gerichtshofes, mit dem dieser die Erhebung der Steuer auf aus anderen Mitgliedstaaten eingeführte frische Bananen für mit Artikel 95 unvereinbar erklärt hat, nur auf aus Drittländern eingeführte Bananen erhoben wird. Dieser Umstand ist nämlich Folge des Urteils des Gerichtshofes und kann nicht als bestimmendes Merkmal für den Begriff der Abgabe mit gleicher Wirkung wie ein Einfuhrzoll angesehen werden. Die Steuer kann ebensowenig vom inländischen Abgabensystem, zu dem sie gehört, isoliert betrachtet werden.

Da Artikel 95 nur auf Erzeugnisse anwendbar ist, die aus anderen Mitgliedstaaten eingeführt werden, fällt eine Abgabe wie die fragliche Steuer nicht unter diese Vorschrift, soweit ihr Einfuhren frischer Bananen unmittelbar aus Drittstaaten unterliegen.

2. Eine Abgabe wie die mit dem Gesetz Nr. 986/64 in der Fassung des Gesetzes Nr. 873/82 in die italienische Rechtsordnung eingeführte inländische Verbrauchsteuer, die auf frische Bananen erhoben wird, ist, soweit ihr Einfuhren frischer Bananen unmittelbar aus Drittländern unterliegen, auch dann mit dem Geist und dem System des Gemeinschaftsrechts, wie sie sich aus den Bestimmungen des EWG-Vertrags über die Durchführung der gemeinsamen Handelspolitik ergeben, vereinbar, wenn feststeht, daß sie für die einheimische Tafelobsterzeugung Schutzcharakter hat; hiervon unberührt bleibt jedoch die Anwendung von Bestimmungen etwaiger völkerrechtlicher Abkommen zwischen der Gemeinschaft und den Drittländern, aus denen die Bananen stammen.

Es ist Sache der nationalen Gerichte, festzustellen, ob die Bestimmungen dieser Abkommen die Erhebung der betreffenden Abgabe tatsächlich verbieten, und dem Gerichtshof zu diesem Zweck gegebenenfalls vorab Fragen nach der Auslegung dieser Bestimmungen vorzulegen.

3. Ein nationales Gesetz, mit dem eine Abgabe wie die mit dem Gesetz Nr. 986/64 in der Fassung des Gesetzes Nr. 873/82 in die italienische Rechtsordnung eingeführte Verbrauchsteuer auf frische Bananen eingeführt wird, darf von den nationalen Gerichten nicht angewendet werden, soweit es mit auf völkerrechtlichen Abkommen beruhendem Gemeinschaftsrecht unvereinbar ist, das dem einzelnen Rechte verleiht, da die Betroffenen in einem solchen Fall nicht zur Entrichtung dieser Abgabe verpflichtet sind.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 9. JUNI 1992. - SIMBA SPA UND ANDERE GEGEN AMMINISTRAZIONE DELLE FINANZE DELLO STATO ITALIANO. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: PRETURA DI SAVONA, PRETURA DI LA SPEZIA UND PRETURA DI SALERNO - ITALIEN. - NATIONALE STEUER AUF BANANEN - ERHEBUNG NUR AUF UNMITTELBAR AUS DRITTSTAATEN EINGEFUEHRTE ERZEUGNISSE - MOEGLICHE UNVEREINBARKEIT MIT DEM GEMEINSCHAFTSRECHT. - VERBUNDENE RECHTSSACHEN C-228/90 BIS C-234/90, C-339/90 UND C-353/90.

Entscheidungsgründe:

1 Der Pretore von Savona, der Pretore von La Spezia und der Vice-Pretore von Salerno haben mit neun Beschlüssen vom 28. Juni, 6. und 11. Juli, 5. und 12. November 1990, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Juli, 13. und 28. November 1990, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag Fragen nach der Auslegung der Artikel 9, 95, 113 und 115 EWG-Vertrag und der Verordnung (EWG) Nr. 950/68 des Rates vom 28. Juni 1968 über den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 172, S. 1) zur Vorabentscheidung vorgelegt, um die Vereinbarkeit einer nationalen Verbrauchsteuer ("imposta erariale di consumo") auf frische Bananen mit diesen Bestimmungen beurteilen zu können, soweit diese Steuer auf Einfuhren frischer Bananen unmittelbar aus Drittstaaten erhoben wird.

2 Diese Fragen stellen sich in Rechtsstreitigkeiten zwischen mehreren Importeuren (im folgenden: Antragstellerinnen) und dem italienischen Finanzministerium. Nach Ansicht dieser Importeure steht das Gemeinschaftsrecht der Erhebung der fraglichen Steuer auf Partien frischer Bananen entgegen, die zur Einfuhr unmittelbar aus Drittstaaten anstuenden, die zur Dollarzone gehörten oder Parteien des am 8. Dezember 1984 in Lome unterzeichneten Dritten AKP-EWG-Abkommens (ABl. 1986, L 86, S. 3) seien.

3 Auf Antrag der Antragstellerinnen verpflichteten die vorlegenden Gerichte die Verwaltung vorläufig, die Einfuhr der Partien Bananen zu genehmigen, ohne die Entrichtung der Steuer zu verlangen. In der Folge vertraten die vorlegenden Gerichte die Ansicht, daß die Streitigkeiten Fragen nach der Auslegung des Gemeinschaftsrechts aufwürfen; sie haben daher die Verfahren ausgesetzt, bis der Gerichtshof folgende Fragen vorab entschieden hat:

In den Rechtssachen C-228/90, C-229/90, C-230/90, C-231/90, C-232/90, C-233/90 und C-234/90:

1) Ist die durch das Gesetz Nr. 986/64 in der Fassung des Gesetzes Nr. 873/82 in die italienische Rechtsordnung eingeführte Abgabe auf den Verbrauch von frischen Bananen mit dem Geist und dem System der Gemeinschaftsrechtsordnung, wie sie sich aus Artikel 9 über die Einführung eines Gemeinsamen Zolltarifs gegenüber dritten Ländern und aus Artikel 113 über die Durchführung einer gemeinsamen Handelspoltik der Mitgliedstaaten ergeben, vereinbar, wenn man berücksichtigt, daß diese Abgabe - die gemäß den Urteilen des Gerichtshofes in den Rechtssachen 184/85 und 193/85 nicht mehr auf die in den Mitgliedstaaten im freien Verkehr befindlichen Erzeugnisse anwendbar ist - nur auf die unmittelbar aus dritten Ländern kommenden Erzeugnisse anwendbar bleibt und damit eine protektionistische Maßnahme darstellt, die nicht gemäß Artikel 115 EWG-Vertrag erlassen worden ist?

2) Wenn ja, darf das Gesetz, mit dem die genannte Abgabe eingeführt wurde, vom auslegenden Richter nicht angewendet werden, und folgt daraus für den einzelnen, daß er zur Zahlung des entsprechenden Betrags nicht verpflichtet ist?

3) Hilfsweise: Ist mit den genannten Vorschriften des EWG-Vertrags - sowie mit der seit dem 1. Juli 1968 geltenden Verordnung (EWG) Nr. 950/68 des Rates - nur das Gesetz Nr. 873/82 unvereinbar, mit dem der italienische Staat die fragliche Abgabe von 70 LIT auf derzeit 525 LIT erhöht und zugleich gegen das im Urteil des Gerichtshofes in den verbundenen Rechtssachen 37/73 und 38/73 ausgesprochene, an die Mitgliedstaaten gerichtete Verbot verstossen hat, den Umfang des vom Gemeinsamen Zolltarif gewährten Schutzes zu ändern?

In der Rechtssache C-339/90:

1) Verletzt die mit dem Gesetz Nr. 986/1964 in der Fassung des Gesetzes Nr. 873/1982 in die italienische Rechtsordnung eingeführte Abgabe auf den Verbrauch frischer Bananen auch dann Artikel 95 EWG-Vertrag, wenn sie auf aus Drittländern unmittelbar eingeführte Bananen erhoben wird, oder ist diese Abgabe in keiner Form mit dem Geist und dem System der Gemeinschaftsrechtsordnung, wie sie sich aus Artikel 9 EWG-Vertrag über die Einführung eines Gemeinsamen Zolltarifs gegenüber dritten Ländern und aus Artikel 113 EWG-Vertrag über die Durchführung einer gemeinsamen Handelspolitik der Mitgliedstaaten ergeben, vereinbar, wenn man berücksichtigt, daß diese Abgabe - die gemäß den Urteilen des Gerichtshofes in den Rechtssachen 184/85 und 193/85 nicht mehr auf die in den Mitgliedstaaten im freien Verkehr befindlichen Erzeugnisse anwendbar ist - nur auf die unmittelbar aus dritten Ländern kommenden Erzeugnisse anwendbar bleibt und damit eine protektionistische Maßnahme darstellt, die nicht gemäß Artikel 115 EWG-Vertrag erlassen worden ist?

2) Hilfsweise: Ist mit den genannten Vorschriften des EWG-Vertrags - sowie mit der seit dem 1. Juli 1968 geltenden Verordnung (EWG) Nr. 950/68 des Rates - nur das Gesetz Nr. 873/82 unvereinbar, mit dem der italienische Staat die fragliche Abgabe von 70 LIT auf derzeit 525 LIT erhöht und zugleich gegen das im Urteil des Gerichtshofes in den verbundenen Rechtssachen 37/73 und 38/73 ausgesprochene, an die Mitgliedstaaten gerichtete Verbot verstossen hat, den Umfang des vom Gemeinsamen Zolltarif gewährten Schutzes zu ändern?

In der Rechtssache C-353/90:

1) Ist die durch das Gesetz Nr. 986/64 in der Fassung des Gesetzes Nr. 873/82 in die italienische Rechtsordnung eingeführte Abgabe auf den Verbrauch von frischen Bananen mit dem Geist und dem System der Gemeinschaftsrechtsordnung, wie sie sich aus Artikel 9 EWG-Vertrag über die Einführung eines Gemeinsamen Zolltarifs gegenüber dritten Ländern und aus Artikel 113 über die Durchführung einer gemeinsamen Handelspolitik der Mitgliedstaaten ergeben, vereinbar, wenn man berücksichtigt, daß diese Abgabe - im Lichte der Urteile des Gerichtshofes in den Rechtssachen 184/85 und 193/85 - nur auf die unmittelbar aus dritten Ländern kommenden Erzeugnisse anwendbar bliebe und damit eine protektionistische Maßnahme darstellte, die nicht gemäß Artikel 115 EWG-Vertrag erlassen worden wäre?

2) Wenn ja, darf das Gesetz, mit dem die fragliche Abgabe eingeführt wurde, vom auslegenden Richter nicht angewendet werden, und folgt daraus für den einzelnen, daß er zur Zahlung des entsprechenden Betrags nicht verpflichtet ist?

3) Hilfsweise: Ist mit den genannten Vorschriften des EWG-Vertrags - sowie mit der seit dem 1. Juli 1968 geltenden Verordnung Nr. 950/68 des Rates - nur das Gesetz Nr. 873/82 unvereinbar, mit dem der italienische Staat die Abgabe von 70 LIT auf derzeit 525 LIT erhöht und zugleich gegen das im Urteil des Gerichtshofes in den verbundenen Rechtssachen 37/73 und 38/73 ausgesprochene, an die Mitgliedstaaten gerichtete Verbot verstossen hat, den Umfang des vom Gemeinsamen Zolltarif gewährten Schutzes zu ändern?

4 Mit Beschluß vom 20. September 1990 hat der Gerichtshof die Rechtssachen C-228/90 bis C-234/90 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.

5 Mit Beschluß vom 16. September 1991 hat der Gerichtshof die verbundenen Rechtssachen C-228/90 bis C-234/90 und die Rechtssachen C-339/90 und C-353/90 zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung und Entscheidung verbunden.

6 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts der Ausgangsverfahren, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Rechtsnatur einer Abgabe wie der inländischen Verbrauchsteuer

7 Im Urteil vom 7. Mai 1987 in der Rechtssache 193/85 (Co-Frutta, Slg. 1987, 2085, Randnr. 13) hat der Gerichtshof bereits befunden, daß eine Abgabe wie die inländische Verbrauchsteuer als Bestandteil einer allgemeinen inländischen Abgabenregelung im Sinne des Artikels 95 EWG-Vertrag anzusehen ist und daß ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht im Rahmen dieses Artikels und nicht in dem der Artikel 9 und 12 EWG-Vertrag zu beurteilen ist.

8 Insbesondere unterliegen Steuern wie die neunzehn in Italien bestehenden Verbrauchsteuern gemeinsamen Steuervorschriften und betreffen Erzeugnisgruppen unabhängig vom Ursprung des betreffenden Erzeugnisses aufgrund eines objektiven Kriteriums, nämlich der Zugehörigkeit eines Erzeugnisses zu einer bestimmten Erzeugnisgruppe. Ein Teil dieser Steuern, etwa die inländische Verbrauchsteuer auf Bananen, wird auf Erzeugnisse erhoben, die der menschlichen Ernährung dienen; ob diese Güter aus einheimischer oder ausländischer Erzeugung stammen, hat anscheinend weder einen Einfluß auf den Steuersatz noch auf die Bemessungsgrundlage oder auf die Art und Weise der Erhebung. Schließlich hat das Aufkommen dieser Steuern keine spezifische Zweckbestimmung, sondern stellt eine Steuereinnahme wie die anderen dar und trägt wie diese zur allgemeinen Finanzierung der Staatsausgaben auf allen Gebieten bei (Urteil vom 7. Mai 1987, a. a. O., Randnr. 12).

9 Weiter hat der Gerichtshof im gleichfalls am 7. Mai 1987 ergangenen Urteil in der Rechtssache 184/85 (Kommission/Italien, Slg. 1987, 2013, Randnr. 15) ausgeführt, daß die Italienische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 95 Absatz 2 EWG-Vertrag verstossen hat, indem sie eine Verbrauchsteuer eingeführt und beibehalten hat, die für frische Bananen mit Ursprung in anderen Mitgliedstaaten gilt.

10 Im vorliegenden Verfahren ist vorgetragen worden, daß die inländische Verbrauchsteuer nicht mehr eine inländische Abgabe, sondern eine Abgabe mit gleicher Wirkung wie ein Einfuhrzoll darstelle, da sie seit den genannten Urteilen vom 7. Mai 1987 nicht mehr Teil einer allgemeinen inländischen Abgabenregelung sein könne, weil ihr nur noch unmittelbar aus Drittstaaten eingeführte Bananen unterlägen und sie somit nicht mehr nach objektiven Kriterien, insbesondere unabhängig vom Einfuhrland, erhoben werde.

11 Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen. Nach ständiger Rechtsprechung (insbesondere Urteil vom 10. Oktober 1978 in der Rechtssache 148/77, Hansen, Slg. 1978, 1787, Randnr. 22) kann nämlich eine Abgabe grundsätzlich nicht gleichzeitig als inländische Abgabe im Sinne des Artikels 95 EWG-Vertrag und als Abgabe mit gleicher Wirkung wie ein Einfuhrzoll im Sinne des Artikels 9 EWG-Vertrag qualifiziert werden.

12 Im vorliegenden Fall ist der Umstand, daß eine Abgabe wie die inländische Verbrauchsteuer nachträglich nur auf unmittelbar aus Drittländern eingeführte Bananen erhoben worden ist, Folge der angeführten Urteile vom 7. Mai 1987 und kann nicht als bestimmendes Merkmal für den Begriff der Abgabe mit gleicher Wirkung wie ein Einfuhrzoll angesehen werden. Eine solche Abgabe kann ebensowenig vom inländischen Abgabensystem, zu dem sie gehört, isoliert betrachtet werden.

Zu der in der Rechtssache C-339/90 vorgelegten Frage nach der Auslegung des Artikels 95 EWG-Vertrag

13 Da eine Abgabe wie die inländische Verbrauchsteuer als inländische Abgabe im Sinne des Artikels 95 anzusehen ist, ist zunächst die Frage zu beantworten, ob eine solche Abgabe gegen diese Bestimmung verstösst, soweit ihr Einfuhren frischer Bananen unmittelbar aus Drittstaaten unterliegen.

14 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (siehe Urteil vom 10. Oktober 1978, a. a. O.) ist Artikel 95 nur auf Erzeugnisse anwendbar, die aus anderen Mitgliedstaaten eingeführt werden. Daher ist diese Bestimmung auf unmittelbar aus Drittländern eingeführte Erzeugnisse unanwendbar.

15 Somit ist zu antworten, daß eine Abgabe wie die inländische Verbrauchsteuer, die mit dem Gesetz Nr. 986/64 in der Fassung des Gesetzes Nr. 873/82 in das italienische Recht eingeführt worden ist, nicht unter Artikel 95 EWG-Vertrag fällt, soweit ihr Einfuhren frischer Bananen unmittelbar aus Drittstaaten unterliegen.

Zu den Fragen nach der Auslegung des Artikels 113 EWG-Vertrag

16 Mit diesen Fragen soll geklärt werden, ob eine Abgabe wie die Verbrauchsteuer, insbesondere in Anbetracht ihrer protektionistischen Natur, mit dem Geist und dem System der Gemeinschaftsrechtsordnung unvereinbar ist, die sich aus Artikel 113 EWG-Vertrag herleiten, der die Durchführung einer gemeinsamen Handelspolitik der Mitgliedstaaten vorsieht.

17 Die Bestimmungen des EWG-Vertrags über die gemeinsame Handelspolitik, insbesondere Artikel 113, verbieten für sich genommen den Mitgliedstaaten nicht, eine Abgabe wie die inländische Verbrauchsteuer auf unmittelbar aus Drittstaaten eingeführte Erzeugnisse zu erheben.

18 Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat (Urteil vom 10. Oktober 1978, a. a. O.), enthält nämlich der EWG-Vertrag selbst für den Handel mit Drittländern hinsichtlich der inländischen Abgabe keine dem Artikel 95 entsprechende Vorschrift.

19 Enthält aber der EWG-Vertrag selbst keine Bestimmungen, die etwaige Diskriminierungen bei der Erhebung inländischer Abgaben auf unmittelbar aus Drittländern eingeführte Erzeugnisse verbieten, so sind in den vorliegenden Rechtssachen die internationalen Abkommen zu berücksichtigen, die zwischen der Gemeinschaft und den Ursprungsdrittländern der Bananenpartien gelten und die möglicherweise derartige Bestimmungen enthalten, die die Entscheidung der Ausgangsverfahren beeinflussen können (Urteil vom 10. Oktober 1978, a. a. O.).

20 Insbesondere haben sich die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten nach Artikel 139 Absatz 2 des Dritten AKP-EWG-Abkommens im Rahmen der allgemeinen Handelsregelung verpflichtet, gegenüber aus AKP-Staaten eingeführten Erzeugnissen keine protektionistischen Maßnahmen einzusetzen.

21 Der Gerichtshof hat jedoch in den genannten Urteilen vom 7. Mai 1987 ausdrücklich den Schutzcharakter hervorgehoben, den eine Abgabe wie die inländische Verbrauchsteuer für die einheimische Tafelobsterzeugung des in Rede stehenden Mitgliedstaats hat.

22 Es ist Sache der vorlegenden Gerichte, festzustellen, ob die Bestimmungen der völkerrechtlichen Abkommen die Erhebung einer Abgabe wie der Verbrauchsteuer auf unmittelbar aus den betreffenden Drittstaaten eingeführte Partien Bananen durch einen Mitgliedstaat tatsächlich verbieten, und dem Gerichtshof zu diesem Zweck gegebenenfalls vorab Fragen nach der Auslegung dieser Bestimmungen vorzulegen.

23 Daher ist zu antworten, daß eine Abgabe wie die mit dem Gesetz Nr. 986/64 in der Fassung des Gesetzes Nr. 873/82 in die italienische Rechtsordnung eingeführte inländische Verbrauchsteuer, soweit ihr Einfuhren frischer Bananen unmittelbar aus Drittländern unterliegen, mit dem Geist und dem System des Gemeinschaftsrechts, wie sie sich aus den Bestimmungen des EWG-Vertrags über die Durchführung der gemeinsamen Handelspolitik ergeben, vereinbar ist; hiervon unberührt bleibt jedoch die Anwendung von Bestimmungen etwaiger völkerrechtlicher Abkommen zwischen der Gemeinschaft und den Drittländern, aus denen die Bananen stammen, um die es in den Ausgangsverfahren geht.

Zu den Fragen nach der Auslegung des Artikels 9 EWG-Vertrag und der Verordnung Nr. 950/68

24 Mit diesen Fragen soll geklärt werden, ob Artikel 9 EWG-Vertrag, der die Einführung eines Gemeinsamen Zolltarifs gegenüber dritten Ländern vorschreibt, und die Verordnung Nr. 950/68 über den Gemeinsamen Zolltarif der Erhebung einer Abgabe wie der inländischen Verbrauchsteuer auf unmittelbar aus Drittländern eingeführte Bananen entgegenstehen, wenn man insbesondere die Erhöhungen dieser Abgabe seit dem Inkrafttreten des Gemeinsamen Zolltarifs berücksichtigt.

25 Da eine Abgabe grundsätzlich nicht gleichzeitig als inländische Abgabe im Sinne des Artikels 95 EWG-Vertrag und als Abgabe mit gleicher Wirkung wie ein Einfuhrzoll im Sinne des Artikels 9 EWG-Vertrag qualifiziert werden kann, sind Artikel 9 und die Verordnung Nr. 950/68 in ihrer später geänderten Fassung nicht auf eine Abgabe wie die inländische Verbrauchsteuer anwendbar, so daß die Fragen nach ihrer Auslegung nicht beantwortet zu werden brauchen.

Zu den Fragen nach einer etwaigen Nichtanwendbarkeit der nationalen Rechtsvorschriften

26 Mit diesen Fragen soll geklärt werden, ob ein nationales Gesetz, mit dem die Erhebung einer Abgabe wie der inländischen Verbrauchsteuer eingeführt wird, von den nationalen Gerichten insoweit unangewendet gelassen werden muß, als es mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar ist, da die Betroffenen zur Entrichtung der fraglichen Abgaben nicht verpflichtet sind.

27 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil vom 9. März 1978 in der Rechtssache 106/77, Simmenthal, Slg. 1978, 629, Randnr. 21) ist jeder staatliche Richter verpflichtet, das Gemeinschaftsrecht uneingeschränkt anzuwenden und die Rechte, die es dem einzelnen verleiht, zu schützen, indem er nötigenfalls jede möglicherweise entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lässt.

28 Daraus folgt zwangsläufig, daß die Betroffenen zur Entrichtung einer Abgabe wie der inländischen Verbrauchsteuer nicht verpflichtet sind, wenn das nationale Gesetz, mit dem eine solche Abgabe eingeführt wird, nach Auffassung der vorlegenden Gerichte mit auf völkerrechtlichen Abkommen beruhendem Gemeinschaftsrecht unvereinbar ist, das dem einzelnen Rechte verleiht.

29 Daher ist zu antworten, daß ein nationales Gesetz, mit dem eine Abgabe wie die Verbrauchsteuer eingeführt wird, von den nationalen Gerichten nicht angewendet werden darf, soweit es mit auf völkerrechtlichen Abkommen beruhendem Gemeinschaftsrecht unvereinbar ist, das dem einzelnen Rechte verleiht, da die Betroffenen in einem solchen Fall nicht zur Entrichtung dieser Abgabe verpflichtet sind.

Kostenentscheidung:

Kosten

30 Die Auslagen der Italienischen Republik und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei den vorlegenden Gerichten anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieser Gerichte.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Pretore von Savona, vom Pretore von La Spezia und vom Vice-Pretore von Salerno mit Beschlüssen vom 28. Juni, 6. und 11. Juli, 5. und 12. November 1990 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1) Eine Abgabe wie die inländische Verbrauchsteuer, die mit dem Gesetz Nr. 986/64 in der Fassung des Gesetzes Nr. 873/82 in das italienische Recht eingeführt worden ist, fällt nicht unter Artikel 95 EWG-Vertrag, soweit ihr Einfuhren frischer Bananen unmittelbar aus Drittstaaten unterliegen.

2) Soweit Einfuhren frischer Bananen unmittelbar aus Drittländern einer Abgabe wie der inländischen Verbrauchsteuer unterliegen, ist diese Abgabe mit dem Geist und dem System des Gemeinschaftsrechts, wie sie sich aus den Bestimmungen des EWG-Vertrags über die Durchführung der gemeinsamen Handelspolitik ergeben, vereinbar; hiervon unberührt bleibt jedoch die Anwendung von Bestimmungen etwaiger völkerrechtlicher Abkommen zwischen der Gemeinschaft und den Drittländern, aus denen die Bananen stammen, um die es in den Ausgangsverfahren geht.

3) Soweit ein nationales Gesetz, mit dem eine Abgabe wie die Verbrauchsteuer eingeführt wird, mit auf völkerrechtlichen Abkommen beruhendem Gemeinschaftsrecht unvereinbar ist, das dem einzelnen Rechte verleiht, darf es von den nationalen Gerichten nicht angewandt werden, da die Betroffenen in einem solchen Fall nicht zur Entrichtung dieser Abgabe verpflichtet sind.

Ende der Entscheidung

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