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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 12.02.2004
Aktenzeichen: C-236/02
Rechtsgebiete: Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates vom 28. Dezember 1992 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor, Verordnung (EWG) Nr. 536/93 der Kommission vom 9. März 1993 mit Durchführungsbestimmungen zur Zusatzabgabe im Milchsektor, Richtlinie 92/102/EWG des Rates vom 27. November 1992 über die Kennzeichnung und Registrierung von Tieren, Regeling superheffing 1993 (Regelung über die Erhebung einer Zusatzabgabe von 1993) (Niederlande)


Vorschriften:

Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates vom 28. Dezember 1992 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor Art. 2 Abs. 1
Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates vom 28. Dezember 1992 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor Art. 9 Buchst. c
Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates vom 28. Dezember 1992 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor Art. 9 Buchst. h
Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates vom 28. Dezember 1992 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor Art. 1
Verordnung (EWG) Nr. 536/93 der Kommission vom 9. März 1993 mit Durchführungsbestimmungen zur Zusatzabgabe im Milchsektor Art. 4 Abs. 1
Verordnung (EWG) Nr. 536/93 der Kommission vom 9. März 1993 mit Durchführungsbestimmungen zur Zusatzabgabe im Milchsektor Art. 7 Abs. 1 Buchst. f
Verordnung (EWG) Nr. 536/93 der Kommission vom 9. März 1993 mit Durchführungsbestimmungen zur Zusatzabgabe im Milchsektor Art. 7 Abs. 3 Buchst. b
Richtlinie 92/102/EWG des Rates vom 27. November 1992 über die Kennzeichnung und Registrierung von Tieren Art. 4 Abs. 1 Buchst. a
Regeling superheffing 1993 (Regelung über die Erhebung einer Zusatzabgabe von 1993) (Niederlande) Art. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 12. Februar 2004. - J. Slob gegen Productschap Zuivel. - Ersuchen um Vorabentscheidung: College van Beroep voor het bedrijfsleven - Niederlande. - Milch und Milchprodukte - Direktverkauf - Referenzmenge - Überschreitung - Zusatzabgabe auf Milch - Verpflichtung des Erzeugers, eine Bestandsbuchhaltung zu führen - Inhalt - Auslegung von Artikel7 Absatz1 Buchstabef der Verordnung (EWG) Nr. 536/93. - Rechtssache C-236/02.

Parteien:

In der Rechtssache C-236/02

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom College van Beroep voor het bedrijfsleven (Niederlande) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

J. Slob

gegen

Productschap Zuivel

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe f der Verordnung (EWG) Nr. 536/93 der Kommission vom 9. März 1993 mit Durchführungsbestimmungen zur Zusatzabgabe im Milchsektor (ABl. L 57, S. 12)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Richters C. Gulmann in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Sechsten Kammer, der Richter J. N. Cunha Rodrigues und J.-P. Puissochet sowie der Richterinnen F. Macken und N. Colneric (Berichterstatterin),

Generalanwalt: F. G. Jacobs,

Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch T. van Rijn als Bevollmächtigten,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von J. Slob, vertreten durch G. van der Wal und G. van der Hardt Aberson, advocaten, der niederländischen Regierung, vertreten durch N. A. J. Bel als Bevollmächtigten sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch T. van Rijn als Bevollmächtigten, in der Sitzung vom 26. Juni 2003,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom

18. September 2003,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Das College van Beroep voor het bedrijfsleven hat mit Beschluss vom 12. Juni 2002, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Juni 2002, gemäß Artikel 234 EG eine Frage nach der Auslegung von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe f der Verordnung (EWG) Nr. 536/93 der Kommission vom 9. März 1993 mit Durchführungsbestimmungen zur Zusatzabgabe im Milchsektor (ABl. L 57, S. 12) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2. Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen J. Slob (im Folgenden: Kläger), einem Milcherzeuger, und der Productschap Zuivel (im Folgenden: Productschap) über die Bestandsbuchhaltung, zu deren Führung die Milcherzeuger verpflichtet sind, die für den Abgabezeitraum 1996/1997 über eine einzelbetriebliche Referenzmenge Direktverkauf verfügen.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3. Die Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates vom 28. Dezember 1992 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor (ABl. L 405, S. 1) hat die Zusatzabgabe für Milch, die mit der Verordnung (EWG) Nr. 856/84 des Rates vom 31. März 1984 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 90, S. 10) eingeführt wurde, für weitere sieben Zwölfmonatszeiträume ab 1. April 1993 verlängert.

4. Nach der sechsten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 3950/92 haben bei Überschreiten der Garantiemengen der jeweiligen Mitgliedstaaten die betreffenden Erzeuger, die zu dieser Überschreitung beigetragen haben, die Abgabe zu entrichten.

5. Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3950/92 sieht vor:

Die Abgabe wird auf alle Milch- oder Milchäquivalente erhoben, die in dem betreffenden Zwölfmonatszeitraum vermarktet werden und die eine der beiden in Artikel 3 genannten Mengen überschreiten. Sie wird auf die Erzeuger verteilt, die zur Mengenüberschreitung beigetragen haben.

...

6. Nach Artikel 9 Buchstaben c und h dieser Verordnung bedeutet

c) Erzeuger: der Betriebsinhaber - eine natürliche oder juristische Person oder eine Vereinigung natürlicher oder juristischer Personen -, der einen Betrieb im geografischen Gebiet der Gemeinschaft bewirtschaftet und der

- Milch oder Milcherzeugnisse direkt an den Verbraucher verkauft bzw.

- an den Abnehmer liefert;

...

h) Direktverkauf von Milch oder Milchäquivalent: unentgeltliche Überlassung oder Verkauf von Milch oder in Milchäquivalent umgerechneten Milcherzeugnissen an den Verbraucher ohne Einschaltung eines behandelnden oder verarbeitenden Unternehmens.

7. Nach der zweiten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 536/93 betreffen deren Bestimmungen u. a. die Kontrollregeln, mit deren Hilfe festgestellt werden kann, ob die Abgabe ordnungsgemäß erhoben worden ist.

8. Artikel 1 der Verordnung Nr. 536/93 hat folgenden Wortlaut:

Für die Berechnung der mit der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 eingeführten Zusatzabgabe gilt Folgendes:

1. Vermarktete Milch- oder Milchäquivalentmengen im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 der genannten Verordnung sind alle Milch- und Milchäquivalentmengen in einem Mitgliedstaat, die einen im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats gelegenen Betrieb verlassen.

...

2. Es ist von folgenden Äquivalenzen auszugehen:

...

- 1 kg Butter = 22,5 kg Milch.

...

9. Artikel 4 Absatz 1 dieser Verordnung sieht vor:

Bei Direktverkäufen macht der Erzeuger am Ende jedes der Zeiträume gemäß Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 eine Aufstellung über die Menge Milch und/oder Milcherzeugnisse, aufgeschlüsselt nach Erzeugnissen, die er direkt zum menschlichen Verbrauch und/oder an Großhändler, Verarbeitungsbetriebe oder Einzelhändler verkauft hat.

...

10. Artikel 7 Absätze 1 und 3 der Verordnung Nr. 536/93 sieht vor:

(1) Die Mitgliedstaaten treffen alle erforderlichen Kontrollmaßnahmen, um zu gewährleisten, dass die Abgabe auf die Milch- und Milchäquivalentmengen erhoben wird, die über eine der in Artikel 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 genannten Mengen hinaus vermarktet werden. Zu diesem Zweck gilt Folgendes:

...

f) Die Erzeuger, die über eine Referenzmenge Direktverkäufe verfügen, müssen der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats mindestens drei Jahre lang folgende Unterlagen zur Einsicht bereithalten: zum einen eine Bestandsbuchhaltung für die einzelnen Zwölfmonatszeiträume, aus der für jeden Monat und jedes Erzeugnis die Menge Milch und/oder Milcherzeugnisse hervorgeht, die direkt zum menschlichen Verbrauch und/oder an Großhändler, Verarbeitungsbetriebe oder Einzelhändler verkauft wurde, sowie zum anderen das Register der zur Milcherzeugung im Betrieb gehaltenen Tiere gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 92/102/EWG des Rates... und die Belege, die eine Prüfung der Bestandsbuchhaltung ermöglichen.

(3) Der Mitgliedstaat prüft die Richtigkeit der Verbuchung der vermarkteten Milch- und Milchäquivalentmengen und nimmt zu diesem Zweck Kontrollen bei der Beförderung der Milch während der Abholung in den Betrieben und vor Ort insbesondere folgende Kontrollen vor:

...

b) bei den Erzeugern mit einer Referenzmenge Direktverkäufe die Kontrolle der Zuverlässigkeit der Aufstellung gemäß Artikel 4 Absatz 1 und der Bestandsbuchhaltung gemäß Absatz 1 Buchstabe f).

...

11. Die Verordnung (EG) Nr. 1392/2001 der Kommission vom 9. Juli 2001 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor (ABl. L 187, S. 19) hat die Verordnung Nr. 536/93 mit Wirkung vom 31. März 2002 ersetzt. Ihr Artikel 6 Absatz 1 Unterabsatz 1 ist mit Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 536/93 identisch.

12. Artikel 6 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 1392/2001 bestimmt:

Der Mitgliedstaat kann vorsehen, dass ein Erzeuger, der über eine Referenzmenge Direktverkäufe verfügt, gegebenenfalls erklären muss, dass er während des betreffenden Zeitraums keine Milch verkauft hat.

13. Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 92/102/EWG des Rates vom 27. November 1992 über die Kennzeichnung und Registrierung von Tieren (ABl. L 355, S. 32) hat folgenden Wortlaut:

(1) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass

a) jeder Halter von Rindern oder Schweinen gemäß der Richtlinie 64/432/EWG, der in das in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a genannte Verzeichnis aufgenommen ist, ein Register führt, das Angaben über die Anzahl der in seinem Betrieb vorhandenen Tiere enthält.

Dieses Register umfasst eine stets auf dem neuesten Stand zu haltende Übersicht über die bei diesen Tieren zu verzeichnenden Geburten, Todesfälle und Bewegungen (Anzahl der Tiere bei jedem Zu- und Abgang) auf der Mindestgrundlage der Gesamtveränderungen des Bestands und unter Angabe des Ursprungs bzw. der Bestimmung der Tiere und des Zeitpunkts dieser Bestandsveränderungen.

In allen Fällen ist das gemäß den Artikeln 5 und 8 angebrachte Kennzeichen anzugeben.

...

Nationales Recht

14. Die Artikel 4, 26, 29 und 31 der Regeling superheffing 1993 (Regelung über die Erhebung einer Zusatzabgabe von 1993, Nederlandse Staatscourant 1993, Nr. 60, S. 18, im Folgenden: Regeling superheffing), die die Regelung über die Zusatzabgabe auf Milch in den Niederlanden umgesetzt hat, bestimmen:

Artikel 4

1. Der Erzeuger schuldet eine Abgabe für Direktverkäufe einer Milch- oder Milchäquivalentmenge zum menschlichen Verbrauch, die seine Referenzmenge für Direktverkäufe übersteigt.

2. Artikel 2 Absatz 2 ist entsprechend anwendbar.

Artikel 26

Die Productschap ist mit der Festsetzung, Veranlagung und Erhebung der in den Artikeln 2... und 4 genannten Abgaben beauftragt.

Artikel 29

1. Der Erzeuger im Sinne des Artikels 4 zeigt gemäß Artikel 4 der Verordnung (EWG) Nr. 536/93 und der dazu von der Productschap erlassenen Bestimmungen bei der Productschap die Menge Milch oder anderer Milcherzeugnisse an, die er im vorherigen Abgabezeitraum direkt zum menschlichen Verbrauch... geliefert hat, aufgeschlüsselt nach Erzeugnis.

...

Artikel 31

1. Der... Erzeuger, der gemäß den Artikeln... 4 eine Abgabe schuldet oder schulden kann, ist gemäß Artikel 7 der Verordnung (EWG) Nr. 536/93 und den durch die Productschap erlassenen Bestimmungen verpflichtet, Buch zu führen.

2. Die Productschap kann die gelieferte Menge von Amts wegen feststellen, wenn die Verpflichtungen nach Absatz 1 sowie nach Artikel 27 Absatz 2 und Artikel 29 Absatz 1 nicht oder, nach Auffassung der Productschap, unzureichend beachtet wurden.

15. Mit Wirkung vom 31. März 2002 hat das Königreich der Niederlande mit Artikel 29 Absatz 7 der Regeling superheffing von seiner Befugnis nach Artikel 6 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 1392/2001 Gebrauch gemacht, die Erzeuger, die über eine Referenzmenge Direktverkäufe verfügen, gegebenenfalls zu der Erklärung zu verpflichten, dass sie während des betreffenden Zeitraums keine Milch verkauft haben.

16. Artikel 11 Absatz 1 der Zuivelverordening (Milchverordnung) 1994, Uitvoering regeling superheffing (Durchführung der Regelung über die Erhebung einer Zusatzabgabe) (PBO-blad 1994, S. 26, im Folgenden: Zuivelverordening) hat folgenden Wortlaut:

Der Erzeuger ist verpflichtet, alles, was sein Unternehmen oder seinen Betrieb betrifft, in der Weise aufzuzeichnen, dass daraus jederzeit die Produktion, der Bestand und die erhaltenen behandelten oder verarbeiteten und gelieferten Milchmengen sowie die sich darauf beziehenden finanziellen Daten erkennbar sind, und die entsprechenden Aufzeichnungen und Daten mindestens drei Jahre aufzubewahren.

Der Rechtsstreit im Ausgangsverfahren

17. Der Kläger ist ein Milcherzeuger, der für den Abgabezeitraum 1996/1997 über eine einzelbetriebliche Referenzmenge für den Direktverkauf von 647 910 kg Milch verfügte.

18. Anlässlich einer Kontrolle seines Betriebes im Dezember 1997 stellte der Algemene Inspectiedienst (Allgemeiner Inspektionsdienst, im Folgenden: AID) des Ministerie van Landbouw, Natuurbeheer en Visserij (niederländisches Ministerium für Landwirtschaft, Landschaftspflege und Fischerei) u. a. eine Differenz von ungefähr 250 000 kg Milch zwischen dem aufgrund des Milchviehbestands des Klägers im Abgabezeitraum 1996/1997 errechneten Produktionspotenzial und der verkauften Produktion fest, wie sie sich aus der Erklärung des Klägers gegenüber der Productschap ergab.

19. Der Kläger bestätigte diese Differenz und erklärte, dass er die fraglichen 250 000 kg Milch im Zuge der Gewinnung von Buttermilch für die Käseherstellung zu Butter verarbeitet habe. Er habe die hergestellten 10 000 kg Butter unmittelbar nach der Herstellung vernichtet, indem er sie in die Mistgrube geworfen habe. Er habe über diese Erzeugung und Vernichtung keine Bestandsbuchhaltung geführt; eine solche Buchhaltung sei nur für den am Ende des Verfahrens hergestellten Käse geführt worden.

20. Mit Bescheid vom 1. Oktober 1999 setzte die Productschap gemäß Artikel 31 Absatz 2 der Regeling superheffing die vom Kläger im Abgabezeitraum 1996/1997 direkt verkaufte Milch- und Milchäquivalentmenge von Amts wegen fest und teilte ihm mit, dass er nach Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung Nr. 536/93 eine Zusatzabgabe in Höhe von 180 976,77 NLG zu zahlen habe.

21. Auf Beschwerde des Klägers ermäßigte die Productschap mit Entscheidung vom 4. April 2000 den Betrag der Zusatzabgabe. Sie erklärte seine Rügen jedoch für unbegründet, soweit sie die genannte Differenz betrafen. In dieser Entscheidung stellte sie fest, dass über ungefähr 250 000 kg Milch nicht Buch geführt worden sei. Sie schloss daraus, dass der Kläger während des Abgabezeitraums 1996/1997 nicht wie von Artikel 7 der Verordnung Nr. 536/93 in Verbindung mit Artikel 31 Absatz 1 der Regeling superheffing und Artikel 11 der Zuivelverordening vorgesehen richtig und vollständig über Produktion, Lagerhaltung und Lieferung von Milch und Milchprodukten Buch geführt habe.

22. Der Kläger erhob beim vorlegenden Gericht Klage gegen die Entscheidung vom 4. April 2000. Die Parteien streiten über die Frage, was mit den fraglichen 10 000 kg Butter geschehen ist. Nach Ansicht des Klägers geht die Productschap aufgrund der fehlenden Buchführung über die vernichtete Butter aber zu Unrecht davon aus, dass diese Menge ebenfalls verkauft worden sei.

23. Der Kläger ist der Ansicht, dass ihm nach dem geltenden Gemeinschaftsrecht hinsichtlich der nicht verkauften, sondern vernichteten Erzeugnisse keine Buchführungspflicht oblag. Die fragliche Buttermenge sei im Betrieb verblieben; daher erstreckten sich die Buchführungspflichten nicht auf diese Butter, und die Zusatzabgabe sei zu Unrecht erhoben worden.

24. Die Productschap trägt vor, dass den Kläger hinsichtlich der fraglichen Milchmenge eine Buchführungspflicht getroffen habe.

Die Vorlagefrage

25. Das vorlegende Gericht führt aus, dass die dem Erzeuger gemäß Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 536/93 obliegende Verpflichtung sich dem Wortlaut nach ausschließlich auf im betreffenden Zeitraum verkaufte Milch- oder Milchäquivalentmengen beziehe und nicht für nicht gelieferte Mengen zu gelten scheine. Es fragt sich jedoch, ob die in Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe f dieser Verordnung genannten Pflichten des Erzeugers sich auch auf nicht verkaufte Mengen von Milcherzeugnissen bezögen, insbesondere, ob der Passus: aus der für jeden Monat und jedes Erzeugnis die Menge Milch und/oder Milcherzeugnisse hervorgeht, die direkt... verkauft wurde, als abschließende Festlegung des Inhalts der Bestandsbuchhaltung anzusehen sei, oder ob dieser Passus angebe, dass diese Daten in der Buchhaltung auch zu erfassen seien.

26. Es sei denkbar, dass die Verpflichtung zur Buchführung als Pflicht des Erzeugers zu verstehen sei, über jede Handlung Buch zu führen, die seine Produktion betreffe, um es den nationalen Kontroll- und Durchführungsbehörden zu ermöglichen, eine eventuelle Differenz zwischen dieser Produktion und den registrierten Lieferungen festzustellen. Für diese Auslegung spreche der Umstand, dass sie die dem Mitgliedstaat nach Artikel 7 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung Nr. 536/93 obliegenden Kontrollen erleichtern würde.

27. Allerdings könne die Annahme einer Verpflichtung des Erzeugers, die nicht förmlich im geltenden Recht genannt sei, Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit begegnen, insbesondere soweit die Productschap aufgrund von Artikel 31 Absatz 2 der Regeling superheffing aus der Nichtbeachtung dieser Verpflichtung erhebliche finanzielle Folgen ableite.

28. Aus diesen Gründen hat das vorlegende Gericht das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Kann aus Artikel 7 Absatz 1 Einleitungssatz und Buchstabe f der Verordnung Nr. 536/93 die Verpflichtung des Erzeugers abgeleitet werden, eine Buchhaltung zu führen, in der u. a. Verfügbarkeit, Produktion, Lagerhaltung, Verwendung, Verarbeitung und Vernichtung von Milch und/oder Milcherzeugnissen in seinem Betrieb festgehalten werden, und in dieser Bestandsbuchhaltung ferner für jeden Monat und jedes Erzeugnis die verkaufte Menge Milch und/oder Milcherzeugnisse anzugeben, oder verpflichtet diese Bestimmung allein zur Registrierung der letztgenannten Verkaufsdaten?

Zur Vorlagefrage

29. Vorab ist festzustellen, dass es ausschließlich Sache des innerstaatlichen Gerichts ist, den Gegenstand der Fragen zu bestimmen, die es dem Gerichtshof vorlegen will. Dieser kann daher nicht auf Ersuchen einer Partei des Ausgangsverfahrens Fragen prüfen, die ihm das innerstaatliche Gericht nicht vorgelegt hat. Sollte dieses im weiteren Verlauf des Verfahrens die Klärung weiterer Fragen nach der Auslegung des Gemeinschaftsrechts für erforderlich halten, kann es den Gerichtshof erneut anrufen (Urteile vom 3. Oktober 1985 in der Rechtssache 311/84, CBEM, Slg. 1985, 3261, Randnr. 10, und vom 23. Oktober 1997 in der Rechtssache C-189/95, Franzén, Slg. 1997, I-5909, Randnr. 79).

30. Die in der mündlichen Verhandlung erörterte Frage der Befugnis der Mitgliedstaaten, eine Regelung zu erlassen, die den in ihrem Gebiet ansässigen Milcherzeugern Buchführungspflichten auferlegt, die über die sich aus der auszulegenden Bestimmung ergebenden Pflichten hinausgehen, ist nicht Gegenstand der Vorlagefrage.

31. Nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe f der Verordnung Nr. 536/93 ist ein Erzeuger, der über eine Referenzmenge Direktverkäufe verfügt, verpflichtet, zum einen ein Bestandsbuch und zum anderen das Register der Tiere gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 92/102 zu führen.

32. In Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe f der Verordnung Nr. 536/93 heißt es, dass die Bestandsbuchhaltung für jeden Monat und für jedes Erzeugnis die Menge Milch und/oder Milcherzeugnisse erfasst, die direkt verkauft wurde. Diese Daten werden nicht beispielhaft genannt.

33. Eine Auslegung, die andere Daten wie Verfügbarkeit, Produktion, Lagerhaltung, Verwendung, Verarbeitung und Vernichtung dieser Erzeugnisse von der Bestandsbuchhaltung ausnimmt, wird auch durch Artikel 6 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 1392/2001 nahe gelegt, der die Mitgliedstaaten erst ab dem 31. März 2002 ausdrücklich ermächtigt, die Erzeuger, die über eine Referenzmenge Direktverkäufe verfügen, zu verpflichten, ggf. zu erklären, während des betreffenden Zeitraums keine Milch verkauft zu haben.

34. Gewiss kann ein Mitgliedstaat in einer Lage wie der dem Ausgangsverfahren zugrunde liegenden bei der Erfuellung der ihm nach Artikel 7 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 536/93 obliegenden Kontrollaufgabe auf Schwierigkeiten stoßen.

35. Zum einen enthält Artikel 7 Absätze 1 und 3 jedoch Regeln, die die Durchführung von Kontrollen ermöglichen. So ermöglicht Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe f der Verordnung Nr. 536/93 durch einen Vergleich des Registers der Tiere mit der Bestandsbuchhaltung eine erste Kontrolle der Menge der direkt verkauften Milch und/oder Milcherzeugnisse. Weiter sieht Artikel 7 Absatz 3 die Kontrolle der Zuverlässigkeit der Bestandsbuchhaltung vor Ort vor.

36. Zum anderen kann einer möglichen Unzulänglichkeit dieses Kontrollmechanismus in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens nicht dadurch begegnet werden, dass dem Erzeuger im Zusammenhang mit der Bestandsbuchhaltung im Wege einer extensiven Auslegung des Gemeinschaftsrechts rückwirkend eine Verpflichtung mit erheblichen finanziellen Folgen auferlegt wird, mit der er nicht zu rechnen brauchte.

37. Eine solche extensive Auslegung verstieße gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit. Dieser elementare Grundsatz des Gemeinschaftsrechts verlangt u. a., dass eine Regelung wie die vorliegende, die dazu führen kann, dass den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern Belastungen auferlegt werden, klar und deutlich ist, damit diese ihre Rechte und Pflichten eindeutig erkennen und somit ihre Vorkehrungen treffen können (in diesem Sinne Urteile vom 13. Februar 1996 in der Rechtssache C-143/93, Van Es Douane Agenten, Slg. 1996, I431, Randnr. 27, und vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-354/95, National Farmers' Union u. a., Slg. 1997, I4559, Randnr. 57).

38. Aufgrund dieser Erwägungen ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Artikel 7 Absatz 1 Satz 1 Buchstabe f der Verordnung Nr. 536/93 dahin auszulegen ist, dass das vom Erzeuger zu führende Bestandsbuch nur für jeden Monat und jedes Erzeugnis die Mengen verkaufter Milch und/oder Milchprodukte enthalten muss.

Kostenentscheidung:

Kosten

39. Die Auslagen der niederländischen Regierung und der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

auf die ihm vom College van Beroep voor het bedrijfsleven mit Beschluss vom 12. Juni 2002 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Artikel 7 Absatz 1 Satz 1 Buchstabe b der Verordnung (EWG) Nr. 536/93 der Kommission vom 9. März 1993 mit Durchführungsbestimmungen zur Zusatzabgabe im Milchsektor ist dahin auszulegen, dass das vom Erzeuger zu führende Bestandsbuch nur für jeden Monat und jedes Erzeugnis die Mengen verkaufter Milch und/oder Milchprodukte enthalten muss.

Ende der Entscheidung

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