Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 04.03.2004
Aktenzeichen: C-264/02
Rechtsgebiete: Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit in der durch die Richtlinie 90/88/EWG des Rates vom 22. Februar 1990 geänderten Fassung, Code de la consommation (Frankreich)


Vorschriften:

Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit in der durch die Richtlinie 90/88/EWG des Rates vom 22. Februar 1990 geänderten Fassung Art. 2 Abs. 1
Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit in der durch die Richtlinie 90/88/EWG des Rates vom 22. Februar 1990 geänderten Fassung Art. 4
Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit in der durch die Richtlinie 90/88/EWG des Rates vom 22. Februar 1990 geänderten Fassung Art. 6
Code de la consommation (Frankreich) Art. L.311-8
Code de la consommation (Frankreich) Art. L.311-9
Code de la consommation (Frankreich) Art. L.311-10
Code de la consommation (Frankreich) Art. L.311-37
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 4. März 2004. - Cofinoga Mérignac SA gegen Sylvain Sachithanathan. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunal d'instance de Vienne - Frankreich. - Richtlinien87/102/EWG und 90/88/EWG - Verbraucherkredit - Verbraucherinformation - Effektiver Jahreszins - Variabler Zinssatz - Verlängerung des Vertrages. - Rechtssache C-264/02.

Parteien:

In der Rechtssache C-264/02

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Tribunal d'instance Vienne (Frankreich) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Cofinoga Mérignac SA

gegen

Sylvain Sachithanathan

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit (ABl. 1987, L 42, S. 48) in der durch die Richtlinie 90/88/EWG des Rates vom 22. Februar 1990 (ABl. L 61, S. 14) geänderten Fassung

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters P. Jann (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Fünften Kammer sowie der Richter C. W. A. Timmermans und S. von Bahr,

Generalanwalt: A. Tizzano,

Kanzler: M. Múgica Arzamendi, Hauptverwaltungsrätin,

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- der Cofinoga Mérignac SA, vertreten durch J.-J. Gatineau, avocat,

- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und R. Loosli Surrans als Bevollmächtigte,

- der belgischen Regierung, vertreten durch A. Snoecx als Bevollmächtigte,

- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch P. Ormond und J. Turner als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M.-J. Jonczy und M. França als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Cofinoga Mérignac SA, vertreten durch J.-J. Gatineau, der französischen Regierung, vertreten durch C. Lemaire als Bevollmächtigten, und der Kommission, vertreten durch M.-J. Jonczy, in der Sitzung vom 3. Juli 2003,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom

25. September 2003,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Das Tribunal d'instance Vienne hat mit Urteil vom 5. Juli 2002, beim Gerichtshof eingegangen am 18. Juli 2002, gemäß Artikel 234 EG vier Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit (ABl. 1987, L 42, S. 48) in der durch die Richtlinie 90/88/EWG des Rates vom 22. Februar 1990 (ABl. L 61, S. 14) (im Folgenden: Richtlinie) geänderten Fassung zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2. Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Cofinoga SA (im Folgenden: Klägerin), einer Gesellschaft französischen Rechts, und dem Beklagten Sachithanathan über Forderungen aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3. Nach ihrem Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe c findet die Richtlinie auf Kreditverträge Anwendung, d. h. Verträge, bei denen ein Kreditgeber einem Verbraucher einen Kredit in Form eines Zahlungsaufschubs, eines Darlehens oder einer sonstigen ähnlichen Finanzierungshilfe gewährt oder zu gewähren verspricht.

4. Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie lautet:

Diese Richtlinie findet keine Anwendung:

...

e) auf Verträge, aufgrund deren Kredite durch ein Kredit- oder Geldinstitut in Form von Überziehungskrediten auf laufenden Konten gewährt werden, mit Ausnahme der Kreditkartenkonten.

Jedoch ist auf solche Kredite Artikel 6 anwendbar;

...

5. Artikel 3 der Richtlinie sieht vor, dass in jeder Werbung, durch die jemand seine Bereitschaft zur Gewährung eines Kredits ankündigt und die eine Angabe über den Zinssatz enthält, der effektive Jahreszins angegeben werden muss.

6. Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Richtlinie bestimmt:

(1) Kreditverträge bedürfen der Schriftform. Der Verbraucher erhält eine Ausfertigung des schriftlichen Vertrages.

(2) In der Vertragsurkunde ist Folgendes anzugeben:

a) der effektive Jahreszins;

b) die Bedingungen, unter denen der effektive Jahreszins geändert werden kann.

Falls die Angabe des effektiven Jahreszinses nicht möglich ist, sind dem Verbraucher in der Vertragsurkunde angemessene Informationen zu geben. Diese Angaben müssen mindestens die in Artikel 6 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich vorgesehenen Informationen umfassen.

7. Nach Artikel 1a Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie erfolgt die Berechnung des effektiven Jahreszinses nach der im Anhang dargestellten mathematischen Formel. Nach Artikel 1a Absatz 4 Buchstabe a wird der effektive Jahreszins zu dem Zeitpunkt [berechnet], zu dem der Kreditvertrag geschlossen wird.

8. Artikel 6 Absätze 1 und 2 der Richtlinie lautet:

(1) Unbeschadet der Ausnahmeregelung gemäß Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe e ist der Verbraucher im Falle eines Vertrages zwischen ihm und einem Kredit- oder Finanzinstitut über die Gewährung eines Kredits in Form eines Überziehungskredits auf einem laufenden Konto, außer einem Kreditkartenkonto, vor Vertragsabschluss oder zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu informieren:

- über die etwaige Hoechstgrenze des Kreditbetrags;

- über den Jahreszins und die bei Abschluss des Vertrages in Rechnung gestellten Kosten sowie darüber, unter welchen Voraussetzungen diese geändert werden können;

- über die Modalitäten einer Beendigung des Vertragsverhältnisses.

Diese Informationen sind schriftlich zu bestätigen.

(2) Ferner ist der Verbraucher während der Laufzeit des Vertrages über jede Änderung des Jahreszinses und der in Rechnung gestellten Kosten im Augenblick ihres Eintretens zu unterrichten....

...

Nationales Recht

9. Die wichtigsten Vorschriften über den Verbraucherkredit enthalten die Artikel L. 311-1 bis L. 311-37 des Code de la consommation. Die im Ausgangsverfahren erheblichen Vorschriften sind die Folgenden:

Artikel L. 311-8:

Kreditverträge... werden gemäß den Bedingungen geschlossen, die in einem vorherigen, dem Kreditnehmer in doppelter Ausfertigung... übermittelten Angebot genannt sind.

Artikel L. 311-9:

Bei der Eröffnung eines Kredits, der dem Darlehensnehmer unabhängig davon, ob er an die Verwendung einer Kreditkarte gebunden ist oder nicht, ermöglicht, den gewährten Kreditbetrag in Teilbeträgen zu von ihm gewählten Zeitpunkten abzurufen, ist das vorherige Angebot nur für den ersten Vertrag obligatorisch.

In dem Angebot ist anzugeben, dass die Laufzeit des Vertrages auf ein Jahr mit der Möglichkeit der Verlängerung beschränkt ist und dass der Darlehensgeber die Bedingungen für die Verlängerung drei Monate zuvor mitzuteilen hat....

Artikel L. 311-10:

In dem vorherigen Angebot

...

2. werden der Kreditbetrag... und, soweit erforderlich, sein effektiver Jahreszins sowie der Gesamtbetrag der zuzüglich zu den Zinsen erhobenen pauschalen Gebühren angegeben...

...

Artikel L. 311-37:

Für Streitigkeiten aus der Anwendung des vorliegenden Kapitels ist das Tribunal d'instance zuständig. Klagen sind innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach dem die Streitigkeit auslösenden Ereignis bei diesem Gericht zu erheben...

10. Nach den Informationen, die das vorlegende Gericht geliefert hat, gilt die Verlängerung eines Kreditvertrags nach französischem Recht nicht als Verlängerung des ersten Vertrages, sondern als Abschluss eines neuen Vertrages.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

11. Mit Vertrag vom 1. Juli 1993 gewährte die Klägerin dem Beklagten einen Kredit mit einer Laufzeit von einem Jahr und der Möglichkeit der Verlängerung, der mit Kreditkarte in Teilbeträgen abrufbar war und einem variablen Zinssatz unterlag.

12. Nachdem die fälligen Raten nicht gezahlt worden waren, verklagte die Klägerin den Beklagten am 19. November 2001 beim Tribunal d'instance Vienne auf Zahlung des für Kapital, Zinsen und Vertragsstrafe geschuldeten Betrages. Der Beklagte ließ sich auf den Rechtsstreit nicht ein.

13. Das Tribunal d'instance Vienne forderte die Klägerin auf, wie in Artikel L. 311-9 des Code de la consommation vorgesehen, die regelmäßige Vertragsverlängerung von der ersten Rate an nachzuweisen.

14. Das Tribunal d'instance Vienne nahm die Erklärungen der Klägerin zur Kenntnis. Es hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Sind die Richtlinien 87/102 und 90/88 so auszulegen, dass sie den nationalen Richter dazu verpflichten, einer Auslegung seines Rechts den Vorzug zu geben, wonach die Verbraucherkreditinstitute dazu verpflichtet sind, dem Darlehensnehmer/Verbraucher den geltenden effektiven Jahreszinssatz vor jeder Verlängerung eines in Tranchen erneuerbaren Kreditvertrags mit variabler Zinsklausel schriftlich mitzuteilen?

2. Sind die genannten Richtlinien so auszulegen, dass sie den nationalen Richter dazu verpflichten, einer Auslegung seines Rechts den Vorzug zu geben, wonach die Verbraucherkreditinstitute dazu verpflichtet sind, diesem Verbraucher die Klausel über die Veränderung dieses effektiven Jahreszinssatzes vor jeder Verlängerung eines solchen Vertrages mitzuteilen?

3. Sind die genannten Richtlinien so auszulegen, dass der Richter danach einer Auslegung seines Rechts den Vorzug geben muss, die ihn ermächtigt, einem Einwand der Rechtswidrigkeit hinsichtlich des Abschlusses oder der Verlängerung eines Verbraucherkreditvertrags wie dem der fehlenden Angabe des effektiven Jahreszinssatzes, der vom Verbraucher geltend gemacht oder von Amts wegen berücksichtigt wird, ohne zeitliche Begrenzung im Rahmen eines Rechtsstreits wegen einer Zahlungsklage des Kreditinstituts Geltung zu verschaffen?

4. Wenn dies verneint wird, sind die genannten Richtlinien so auszulegen, dass der Richter danach einer Auslegung seines Rechts den Vorzug geben muss, die ihn ermächtigt, eine Bestimmung nationalen Rechts, die es dem Verbraucher oder dem Richter verwehrt, einen Einwand der Rechtswidrigkeit hinsichtlich des Abschlusses oder der Verlängerung eines Verbraucherkreditvertrags nach Ablauf einer vom allgemeinen Recht abweichenden Frist geltend zu machen, unangewendet zu lassen, weil diese Frist eine außergewöhnliche Beschränkung des Klagerechts des Verbrauchers darstellen und die Effektivität seines Schutzes beeinträchtigen würde?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten und zur zweiten Vorlagefrage

15. Mit diesen beiden Fragen möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie dahin auszulegen ist, dass der Kreditgeber im Falle eines Kreditvertrags mit bestimmter Laufzeit, der in Form der Eröffnung eines mit Kreditkarte in Teilbeträgen abrufbaren Guthabens gewährt wird, in monatlichen Raten rückzahlbar ist und einem variablen Zinssatz unterliegt, vor jeder Verlängerung des Vertrages zu unveränderten Konditionen verpflichtet ist, den Kreditnehmer schriftlich über den geltenden effektiven Jahreszins und über die Bedingungen, unter denen dieser geändert werden kann, zu informieren.

Vor dem Gerichtshof abgegebene Erklärungen

16. Die Klägerin und die französische Regierung sind der Auffassung, dass diese Fragen zu verneinen seien. Die Regierung des Vereinigten Königreichs teilt diese Auffassung zumindest für den Fall, dass die Verlängerung einer Verlängerung des ursprünglichen Vertrages gleichkomme.

17. In einem Fall wie dem des streitigen Vertrages beträfen die Informationspflichten des Kreditgebers nach Artikel 4 der Richtlinie nicht die Vertragsverlängerung. Das ergebe sich sowohl aus dem Wortlaut des Artikels 4 der Richtlinie, der den Zeitpunkt des Vertragsschlusses betreffe, als auch aus seinem Zweck, es dem Verbraucher zu ermöglichen, die Kosten des Kredits zu beurteilen und mit anderen Angeboten zu vergleichen, bevor er eine Verpflichtung eingehe.

18. Die Klägerin, die französische Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs sind, obschon aus unterschiedlichen Gründen, der Auffassung, dass die Informationspflichten des Kreditgebers nach Artikel 6 der Richtlinie im Ausgangsverfahren ebenfalls nicht anwendbar seien. Für die Klägerin und die Regierung des Vereinigten Königreichs ergibt sich das daraus, dass diese Vorschrift nur auf einen Überziehungskredit auf einem laufenden Konto (außer einem Kreditkartenkonto) anwendbar sei; in diese Fallgruppe gehöre der streitige Vertrag jedoch nicht. Für die französische Regierung enthält Artikel 6 der Richtlinie eine Regelung allgemeiner Bedeutung, die für alle in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallenden Verträge gelte, jedoch nur den Fall betreffe, dass der Vertrag geändert werde, was bei dem streitigen Vertrag nicht geschehen sei.

19. Die belgische Regierung und die Kommission schlagen vor, die beiden ersten Fragen zu bejahen.

20. Die belgische Regierung führt die von der Regierung des Vereinigten Königreichs gemachte Einschränkung näher aus und weist darauf hin, dass die Verlängerung des Vertrages nach französischem Recht als Abschluss eines neuen Vertrages gelte. Daraus folge, dass der Kreditgeber die in Artikel 4 der Richtlinie vorgesehenen Informationen bei jeder Verlängerung angeben müsse.

21. Die Kommission meint, dass sowohl Artikel 4 als auch Artikel 6 der Richtlinie eine Regelung allgemeiner Bedeutung enthielten und daher kumulativ anzuwenden seien. Nach Artikel 4 müsse der Vertrag Schriftform haben und eine Angabe des effektiven Jahreszinses enthalten, nach Artikel 6 der Verbraucher während der Vertragslaufzeit über jede Änderung des effektiven Jahreszinses oder der zum Zeitpunkt dieser Änderung anfallenden Kosten informiert werden; daraus leitet sie ab, dass der Verbraucher vor jeder Verlängerung des Vertrages über jede Änderung des Zinssatzes zu informieren sei.

Antwort des Gerichtshofes

22. Angesichts der vor dem Gerichtshof abgegebenen Erklärungen ist, erstens, zu prüfen, ob Artikel 4 der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass der Kreditgeber im Fall der Verlängerung eines Kreditvertrags zu unveränderten Konditionen verpflichtet ist, dem Verbraucher den effektiven Jahreszins anzugeben.

23. Der Wortlaut des Artikels 4 der Richtlinie regelt nicht ausdrücklich, wann die dort genannten Angaben dem Verbraucher mitzuteilen sind. Der Zusammenhang dieser Vorschrift lässt hieran jedoch keinen Zweifel. Da der Kreditvertrag der Schriftform bedarf und die Vertragsurkunde die Angabe des effektiven Jahreszinses sowie der Bedingungen, zu denen dieser geändert werden kann, enthalten muss, bezieht sich Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Richtlinie nämlich eindeutig auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Diese Auslegung wird durch Artikel 1a der Richtlinie bestätigt, der die Modalitäten der Berechnung des effektiven Jahreszinses festlegt und in Absatz 4 Buchstabe a ausführt, dass diese Berechnung zum Zeitpunkt, zu dem der Kreditvertrag geschlossen wird, erfolgt.

24. Da weder der Wortlaut noch der Zusammenhang des Artikels 4 der Richtlinie für die Auslegung sprechen, dass der effektive Jahreszins dem Verbraucher im Zeitpunkt der Vertragsverlängerung zu unveränderten Konditionen bekannt gegeben werden muss, ist zu prüfen, ob sich aus den Zielen der Richtlinie etwas anderes ergibt.

25. Ziele der Richtlinie sind nach deren Begründungserwägungen zum einen die Errichtung eines gemeinsamen Verbraucherkreditmarktes (dritte bis fünfte Begründungserwägung) und zum anderen der Schutz der Verbraucher, die solche Kredite aufnehmen (sechste, siebte und neunte Begründungserwägung) (Urteil vom 23. März 2000 in der Rechtssache C-208/98, Berliner Kindl Brauerei, Slg. 2000, I-1741, Randnr. 20).

26. Die Unterrichtung des Verbrauchers von den Gesamtkosten des Kredits in Form eines nach einer einheitlichen mathematischen Formel berechneten Zinssatzes ist dabei von besonderer Bedeutung. Zum einen trägt diese Unterrichtung, die nach Artikel 3 der Richtlinie schon in der Werbung zu erfolgen hat, zur Transparenz des Marktes bei, da sie es dem Verbraucher ermöglicht, Kreditangebote zu vergleichen. Zum anderen ermöglicht sie es dem Verbraucher, den Umfang seiner Verpflichtung einzuschätzen.

27. Wie der Generalanwalt in Nummer 53 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist diese Unterrichtung dem Verbraucher im Licht dieser Ziele vor allem in der entscheidenden Phase vor Abschluss des Vertrages nützlich. Später, etwa bei einer Verlängerung des Vertrages zu unveränderten Konditionen, ist die - bereits erfolgte - Unterrichtung von geringer Bedeutung.

28. Da es an einer ausdrücklichen Regelung und an Anhaltspunkten dafür fehlt, dass der Zusammenhang oder die Ziele der Richtlinie für eine extensive Auslegung des Artikels 4 der Richtlinie sprächen, kann dieser somit nicht dahin ausgelegt werden, dass er den Kreditgeber verpflichtet, dem Verbraucher den effektiven Jahreszins vor der Verlängerung des Kreditvertrags zu unveränderten Konditionen bekannt zu geben.

29. Dass nach den Angaben des vorlegenden Gerichts die Verlängerung eines Kreditvertrags nach französischem Recht nicht als Verlängerung des ersten Vertrages, sondern als Abschluss eines neuen Vertrages gilt, ändert daran nichts. Wie der Generalanwalt in Nummer 43 seiner Schlussanträge festgestellt hat, würde das Harmonisierungsziel der Richtlinie vereitelt, wenn ihre Bestimmungen unter Berücksichtigung des jeweiligen nationalen Rechts der Mitgliedstaaten auszulegen wären.

30. Angesichts dieser Auslegung des Artikels 4 der Richtlinie, ist, zweitens, zu prüfen, ob Artikel 6 der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass der Kreditgeber im Fall der Verlängerung des Kreditvertrags zu unveränderten Konditionen verpflichtet ist, dem Verbraucher den effektiven Jahreszins mitzuteilen.

31. Im Licht der vor dem Gerichtshof abgegebenen Erklärungen ist zunächst der Anwendungsbereich dieser Vorschrift zu bestimmen.

32. Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie lautet: Unbeschadet der Ausnahmeregelung gemäß Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe e ist der Verbraucher im Falle eines Vertrages zwischen ihm und einem Kredit- oder Finanzinstitut über die Gewährung eines Kredits in Form eines Überziehungskredits auf einem laufenden Konto, außer einem Kreditkartenkonto, vor Vertragsschluss oder zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses über die anschließend in der Vorschrift aufgeführten Bedingungen des Vertrages zu informieren. Artikel 6 Absatz 2 ergänzt: Ferner ist der Verbraucher während der Laufzeit des Vertrages über jede Änderung des Jahreszinses und der in Rechnung gestellten Kosten im Augenblick ihres Eintretens zu unterrichten. Somit ergibt sich aus dem Wortlaut des Artikels 6 klar, dass sich Absatz 2 auf dieselben Verträge bezieht wie Absatz 1.

33. Ebenso klar ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut der Artikel 2, 4 und 6 der Richtlinie wie aus deren Zusammenhang, dass Artikel 6 eine Sonderregel für einen bestimmten Vertragstyp aufstellt, der zudem vom Anwendungsbereich der allgemeinen Regeln der Richtlinie ausgeschlossen ist.

34. Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe e der Richtlinie schließt nämlich aus deren Anwendungsbereich die Kredite aus, die in Form von Überziehungskrediten auf laufenden Konten außer Kreditkartenkonten gewährt werden. Bei solchen Krediten verpflichtet Artikel 6 Absatz 2 der Richtlinie den Kreditgeber, dem Verbraucher in Artikel 4 der Richtlinie nicht vorgesehene Angaben zu machen, während Artikel 6 Absatz 1 den Kreditgeber verpflichtet, dem Verbraucher die dort genannten Angaben zu machen, zu denen der effektive Jahreszins nicht gehört.

35. Außerdem sind dem Verbraucher nach Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie, falls die Angabe des effektiven Jahreszinses beim Abschluss des Vertrages nicht möglich ist, in der Vertragsurkunde gleichwohl angemessene Informationen zu geben, die mindestens die in Artikel 6 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich vorgesehenen Angaben umfassen müssen. Wie der Generalanwalt in Nummer 73 seiner Schlussanträge festgestellt hat, wäre eine solche Verweisung nicht erforderlich, wenn Artikel 6 ohnehin auf alle der Richtlinie unterliegenden Verträge anwendbar wäre.

36. Daraus folgt, dass Artikel 6 nur für die Verträge gilt, die in ihm genannt sind, d. h. für Kredite in Form eines Überziehungskredits auf einem laufenden Konto außer einem Kreditkartenkonto.

37. Unstreitig gehört der streitige Vertrag nicht zu dieser Fallgruppe.

38. Damit ist Artikel 6 der Richtlinie für die Ermittlung der Informationspflichten des Kreditgebers in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens ohne Belang.

39. Nach alledem ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass die Richtlinie nicht vorschreibt, dass der Kreditgeber im Falle eines Kreditvertrags mit bestimmter Laufzeit, der in Form der Eröffnung eines mit Kreditkarte in Teilbeträgen abrufbaren Guthabens gewährt wird, in monatlichen Raten rückzahlbar ist und einem variablen Zinssatz unterliegt, vor jeder Verlängerung des Vertrages zu unveränderten Konditionen verpflichtet ist, den Kreditnehmer schriftlich über den geltenden effektiven Jahreszins und über die Bedingungen, unter denen dieser geändert werden kann, zu informieren.

Zur dritten und zur vierten Vorlagefrage

40. In Anbetracht der Antwort auf die beiden ersten Fragen brauchen die dritte und die vierte Frage nicht beantwortet zu werden.

Kostenentscheidung:

Kosten

41. Die Auslagen der französischen und der belgischen Regierung sowie der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Tribunal d'instance Vienne mit Urteil vom 5. Juli 2002 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

Die Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit in der durch die Richtlinie 90/88/EWG des Rates vom 22. Februar 1990 geänderten Fassung schreibt nicht vor, dass der Kreditgeber, im Falle eines Kreditvertrags mit bestimmter Laufzeit, der in Form der Eröffnung eines mit Kreditkarte in Teilbeträgen abrufbaren Guthabens gewährt wird, in monatlichen Raten rückzahlbar ist und einem variablen Zinssatz unterliegt, vor jeder Verlängerung des Vertrages zu unveränderten Konditionen verpflichtet ist, den Kreditnehmer schriftlich über den geltenden effektiven Jahreszins und über die Bedingungen, unter denen dieser geändert werden kann, zu informieren.

Ende der Entscheidung

Zurück