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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 06.03.2008
Aktenzeichen: C-287/06 (1)
Rechtsgebiete: EG, Richtlinie 97/67/EG


Vorschriften:

EG Art. 47 Abs. 2
EG Art. 95
Richtlinie 97/67/EG Art. 7 Abs. 1
Richtlinie 97/67/EG Art. 12 fünfter Gedankenstrich
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

6. März 2008

"Postdienste - Richtlinie 97/67/EG - Für den Anbieter von Universalpostdienstleistungen reservierter Bereich - Sondertarife für die Einlieferung einer Mindestmenge vorsortierter Sendungen an bestimmten Punkten des Postnetzes durch Geschäftskunden - Verweigerung solcher Tarife gegenüber Unternehmen, die gewerbsmäßig im eigenen Namen die Sendungen mehrerer Absender zusammenfassen"

Parteien:

In den verbundenen Rechtssachen C-287/06 bis C-292/06

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Verwaltungsgericht Köln (Deutschland) mit Entscheidungen vom 28. April 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Juli 2006, in den Verfahren

Deutsche Post AG (C-287/06, C-288/06 und C-291/06),

Magdeburger Dienstleistungs- und Verwaltungs GmbH (MDG) (C-289/06),

Marketing Service Magdeburg GmbH (C-290/06),

Vedat Deniz (C-292/06)

gegen

Bundesrepublik Deutschland,

Beteiligte:

Marketing Service Magdeburg GmbH (C-287/06),

Citipost Gesellschaft für Kurier- und Postdienstleistungen mbH (C-288/06),

Deutsche Post AG (C-289/06, C-290/06 und C-292/06),

Magdeburger Dienstleistungs- und Verwaltungs GmbH (MDG) (C-291/06),

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter) sowie der Richter A. Tizzano, A. Borg Barthet, M. Ilesic und E. Levits,

Generalanwalt: M. Poiares Maduro,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. September 2007,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der Deutsche Post AG, vertreten durch die Rechtsanwälte J. Sedemund und S. Gerstner,

- der Marketing Service Magdeburg GmbH, Citipost Gesellschaft für Kurier- und Postdienstleistungen mbH und Magdeburger Dienstleistungs- und Verwaltungs GmbH (MDG), vertreten durch Rechtsanwalt C. Freiherr von Ulmenstein,

- von Vedat Deniz, vertreten durch Rechtsanwalt T. Brach,

- der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma als Bevollmächtigten im Beistand von Rechtsanwalt T. Lübbig,

- der belgischen Regierung, vertreten durch A. Hubert als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Braun und K. Simonsson als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Art. 47 Abs. 2 EG und 95 EG sowie der Art. 7 Abs. 1 und 12 fünfter Gedankenstrich der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarkts der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität (ABl. 1998, L 15, S. 14) in der durch die Richtlinie 2002/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Juni 2002 (ABl. L 176, S. 21) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 97/67).

2 Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen der Deutsche Post AG (im Folgenden: Deutsche Post) als Anbieterin von Universalpostdienstleistungen in Deutschland sowie der Magdeburger Dienstleistungs- und Verwaltungs GmbH (MDG), der Marketing Service Magdeburg GmbH und Vedat Deniz (im Folgenden: betroffene Konsolidierer) gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen Entscheidungen der Bundesnetzagentur (BNA) über den Zugang dieser Konsolidierer zu Teilleistungen der Deutschen Post in deren Postnetz und über die Bedingungen dafür.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 Mit der Richtlinie 97/67 wurde der Prozess einer schrittweisen Liberalisierung des Marktes für Postdienste eingeleitet. Nach dem zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/39 wurde durch die Richtlinie 97/67 "ein Rechtsrahmen für den Postsektor in der Gemeinschaft geschaffen, der unter anderem Vorschriften umfasst, die einen Universaldienst garantieren, und bei den Postdiensten Höchstgrenzen für den Bereich festlegt, den die Mitgliedstaaten für ihre(n) Anbieter von Universaldienstleistungen reservieren können, um den Universaldienst aufrechtzuerhalten, und der ferner einen Zeitplan für Beschlüsse über eine weitere Öffnung des Marktes für den Wettbewerb festlegt, damit ein Binnenmarkt für Postdienste entsteht".

4 Die Richtlinie 2002/39 verfolgt diese Liberalisierung weiter und legt nach ihren Erwägungsgründen 14 und 24 einen Zeitplan für eine schrittweise und kontrollierte Öffnung des Marktes für Briefsendungen fest, wobei als voraussichtlicher Zeitpunkt für die Vollendung des Binnenmarkts für Postdienste das Jahr 2009 angegeben wird.

5 Art. 2 der Richtlinie 97/67 bestimmt:

"Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

1. 'Postdienste' die Dienste im Zusammenhang mit der Abholung, dem Sortieren, dem Transport und der Zustellung von Postsendungen;

2. 'öffentliches Postnetz' die Gesamtheit der Organisation und der Mittel jeglicher Art, die von dem Anbieter bzw. den Anbietern von Universaldienstleistungen eingesetzt werden, so dass insbesondere folgende Leistungen erbracht werden können:

- die Abholung der unter die Universaldienstpflichten fallenden Postsendungen von Zugangspunkten im gesamten Hoheitsgebiet;

- die Weiterleitung und Bearbeitung dieser Sendungen vom Zugangspunkt des Postnetzes bis zum Zustellzentrum;

- die Zustellung an die auf der betreffenden Sendung befindliche Anschrift;

3. 'Zugangspunkte' die Einrichtungen, einschließlich der für die Allgemeinheit bestimmten Postbriefkästen auf öffentlichen Wegen oder in den Räumlichkeiten des Anbieters von Universaldienstleistungen, wo die Kunden ihre Postsendungen in das öffentliche Postnetz geben können;

4. 'Abholung' das Einsammeln der Postsendungen an Zugangspunkten;

..."

6 In Bezug auf die für den/die Anbieter von Universalpostdienstleistungen reservierbaren Dienste sieht Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 1, 3 und 4 der Richtlinie 97/67 vor:

"Soweit es für die Aufrechterhaltung des Universaldienstes notwendig ist, kann jeder Mitgliedstaat Dienste für Anbieter von Universaldienstleistungen reservieren. Diese Dienste beschränken sich auf die Abholung, das Sortieren, den Transport und die Zustellung von Inlandsbriefsendungen und eingehenden grenzüberschreitenden Briefsendungen, entweder als beschleunigte oder als normale Zustellung, innerhalb der beiden nachfolgend genannten Preis- und Gewichtsgrenzen. Die Gewichtsgrenze beträgt ab 1. Januar 2003 100 Gramm und ab 1. Januar 2006 50 Gramm. Die ab 1. Januar 2003 vorgesehene Gewichtsgrenze gilt nicht, wenn der Preis mindestens dem Dreifachen des öffentlichen Tarifs für eine Briefsendung der ersten Gewichtsklasse der schnellsten Kategorie entspricht, und die ab 1. Januar 2006 vorgesehene Gewichtsgrenze gilt nicht, wenn der Preis mindestens dem Zweieinhalbfachen dieses Tarifs entspricht.

...

Soweit es für die Sicherstellung des Universaldienstes notwendig ist, kann Direktwerbung innerhalb derselben Preis- und Gewichtsgrenzen weiterhin reserviert werden.

Soweit es für die Sicherstellung des Universaldienstes notwendig ist - wenn beispielsweise bestimmte Sektoren der Posttätigkeit bereits liberalisiert worden sind oder weil bestimmte Besonderheiten des Postdienstes in einem Mitgliedstaat zu berücksichtigen sind -, können abgehende grenzüberschreitende Briefsendungen innerhalb derselben Preis- und Gewichtsgrenzen weiterhin reserviert werden."

7 Die Art. 9 und 10 der Richtlinie 97/67 regeln die Bedingungen für die Bereitstellung nicht reservierter Dienste. Dabei sind Allgemeingenehmigungen und Einzelgenehmigungen für konkurrierende Unternehmen vorgesehen.

8 Art. 11 dieser Richtlinie bestimmt:

"Das Europäische Parlament und der Rat beschließen auf Vorschlag der Kommission nach den Artikeln 57 Absatz 2, 66 und 100a des [EG-]Vertrags die erforderlichen Harmonisierungsmaßnahmen, um zu gewährleisten, dass den Nutzern und dem Anbieter bzw. den Anbietern von Universaldienstleistungen Zugang zum öffentlichen Postnetz unter transparenten und nicht diskriminierenden Bedingungen gewährt wird."

9 In Bezug auf die Tarifierungsgrundsätze, die die Anbieter von Universalpostdienstleistungen zu beachten haben, verpflichtet Art. 12 vierter und fünfter Gedankenstrich der Richtlinie die Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass die Tarife für die einzelnen Universaldienstleistungen den Grundsätzen der Transparenz und der Nichtdiskriminierung entsprechen.

Nationales Recht

10 Die Richtlinie 97/67 wurde durch das Postgesetz vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3294) in seiner später geänderten Fassung in deutsches Recht umgesetzt. Nach diesem Gesetz ist die Deutsche Post die Anbieterin von Universalpostdienstleistungen im Sinne von Art. 7 der Richtlinie. Die BNA ist die deutsche Regulierungsbehörde im Sinne von Art. 22 der Richtlinie.

11 § 51 Postgesetz sieht im Hinblick auf die Lizenzen, die zum einen dem Anbieter von Universalpostdienstleistungen und zum anderen den mit diesem konkurrierenden Unternehmen zu erteilen sind, vor:

"(1) Bis zum 31. Dezember 2007 steht der Deutschen Post ... das ausschließliche Recht zu, Briefsendungen und adressierte Kataloge, deren Einzelgewicht bis 50 Gramm und deren Einzelpreis weniger als das Zweieinhalbfache des Preises für entsprechende Postsendungen der untersten Gewichtsklasse beträgt, gewerbsmäßig zu befördern (gesetzliche Exklusivlizenz). Satz 1 gilt nicht

...

5. für denjenigen, der Briefsendungen im Auftrage des Absenders bei diesem abholt und bei der nächsten Annahmestelle der Deutschen Post ... oder bei einer anderen Annahmestelle der Deutschen Post ... innerhalb derselben Gemeinde einliefert,

..."

12 Die konkurrierenden Unternehmen können beim Anbieter von Universaldienstleistungen unter bestimmten Voraussetzungen auch nachfragen, ihnen Zugang zu Teilen seiner Beförderungsleistungen zu öffnen. Hierzu sieht § 28 Abs. 1 Postgesetz vor:

"Ist ein Lizenznehmer auf einem Markt für lizenzpflichtige Postdienstleistungen marktbeherrschend, so hat er, soweit dies nachgefragt wird, auf diesem Markt Teile der von ihm erbrachten Beförderungsleistungen gesondert anzubieten, sofern ihm dies wirtschaftlich zumutbar ist. Gegenüber einem anderen Anbieter von Postdienstleistungen besteht die Verpflichtung nach Satz 1 nur dann, wenn das nachfragende Unternehmen nicht marktbeherrschend ist und wenn ansonsten Wettbewerb auf demselben oder einem anderen Markt unverhältnismäßig behindert würde. Der Lizenznehmer darf die Teilleistung verweigern, wenn hierdurch die Funktionsfähigkeit seiner Einrichtungen oder die Betriebssicherheit gefährdet würde oder im Einzelfall die vorhandenen Kapazitäten für die nachgefragte Leistung erschöpft sind."

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

13 Die betroffenen Konsolidierer sind private Unternehmen, die im Sektor Postdienste tätig sind. Sie sind Inhaber einer Lizenz nach § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Postgesetz, die sie dazu berechtigt, im Auftrag des Absenders und in dessen Namen bei diesem abgeholte Briefsendungen zu befördern, um sie bei der nächsten Annahmestelle der Deutschen Post oder bei einer anderen Annahmestelle der Deutschen Post innerhalb derselben Gemeinde einzuliefern.

14 Das von der Anbieterin von Universalpostdienstleistungen in Deutschland, der Deutschen Post, eingeführte Briefbeförderungssystem ist folgendermaßen organisiert: Die von den Absendern in Briefkästen eingeworfenen bzw. bei Postämtern abgegebenen Briefe werden abgeholt und sodann in das dem Absender nächstgelegene "Briefzentrum" (interne Verteilungseinheit, die der Öffentlichkeit normalerweise nicht zugänglich ist) befördert, wo die Briefe nach Leitregionen und Formaten vorsortiert werden; danach werden sie in das dem Empfänger nächstgelegene Briefzentrum befördert, wo weitersortiert wird, und werden schließlich den Empfängern zugestellt.

15 Durch Beschluss der BNA vom 15. September 2000 wurde die Deutsche Post verpflichtet, solchen Geschäftskunden, die bestimmte vorbereitende Leistungen selbst erbringen, d. h. bestimmte Mindestmengen an Briefsendungen nach Leitregionen und Formaten vorsortiert unmittelbar bei den Briefzentren-Abgang einliefern, Sondertarife einzuräumen. Diese Sondertarife wurden in die von der Deutschen Post angebotenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen übernommen.

16 Am 27. Juni 2001 forderte Vedat Deniz die Deutsche Post auf, ihm ein Teilleistungsangebot im Sinne von § 28 Postgesetz zu machen. Diese Nachfrage bezog sich insbesondere auf die Möglichkeit, größere Mengen an Briefsendungen, die bei verschiedenen Kunden eingesammelt wurden, gewerbsmäßig, im eigenen Namen und zu den gleichen Sondertarifen wie für Geschäftskunden der Deutschen Post bei einem Briefzentrum zusammengefasst und vorsortiert einzuliefern.

17 Nachdem die Deutsche Post es abgelehnt hatte, Vedat Deniz ein solches Angebot zu machen, beantragte dieser bei der BNA, die Bedingungen über den Zugang zu Teilleistungen festzusetzen. Diese lehnte mit Beschluss vom 5. September 2001 den Antrag von Vedat Deniz ab, wobei sie die Auffassung vertrat, die Lizenz nach § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Postgesetz gestatte ihrem Inhaber nicht das Erbringen von Teilleistungen der Briefbeförderungskette.

18 Am 10. Oktober 2001 erhob Vedat Deniz beim vorlegenden Gericht Klage gegen diesen Ablehnungsbeschluss.

19 Einige Jahre später untersagte das Bundeskartellamt mit Beschluss vom 11. Februar 2005 der Deutschen Post, Konsolidierern den Zugang zu Teilleistungen in dem Umfang zu verweigern, in dem sie zum einen einen solchen Zugang und Rabatte Massenversendern im Rahmen ihrer "Teilleistungsverträge Kunde" unabhängig von den Gewichts- und Preisgrenzen der Exklusivlizenz und zum anderen Konsolidierern im Rahmen ihrer "Teilleistungsverträge Wettbewerber" für die Einlieferung von Briefsendungen oberhalb der Gewichts- und Preisgrenzen der Exklusivlizenz gewährt.

20 Nach diesem Beschluss des Bundeskartellamts forderten die betroffenen Konsolidierer die Deutsche Post auf, ihnen ein Teilleistungsangebot für Sendungen, die sie für Kunden befördern, zu Entgelten zu machen, die den von der Deutschen Post Kunden angebotenen Entgelten entsprechen.

21 Einige Wochen später beantragten diese Konsolidierer bei der BNA, die Bedingungen für den Zugang zu Teilleistungen festzusetzen. Diese Anträge waren damit begründet, dass die Deutsche Post die Konsolidierer dadurch diskriminiere, dass sie ihnen nicht die gleichen Tarife wie ihren Kunden gewähre.

22 Mit Beschlüssen vom 24. Oktober 2005 gab die BNA diesen Anträgen insoweit statt, als sie u. a. die Deutsche Post verpflichtete, Konsolidierern den Zugang in den Briefzentren zu den allgemeinen Geschäftsbedingungen für gewerbsmäßige Konsolidierer zu gewähren. Der Beschluss wurde unter den Vorbehalt des Widerrufs gestellt für den Fall, dass der Beschluss des Bundeskartellamts im Rechtsmittelverfahren oder aufgrund einer Entscheidung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften oder des Gerichts erster Instanz oder des Gerichtshofs aufgehoben wird.

23 Die betroffenen Konsolidierer - mit Ausnahme von Vedat Deniz - und die Deutsche Post erhoben aus unterschiedlichen Gründen beim vorlegenden Gericht Klagen gegen diese Beschlüsse der BNA.

24 Da das Verwaltungsgericht Köln Zweifel hat, wie Art. 12 fünfter Gedankenstrich in Verbindung mit Art. 7 der Richtlinie 97/67 auszulegen ist, hat es beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende in den Rechtssachen C-287/06 bis C-292/06 gleichlautende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist Art. 47 Abs. 2 EG in Verbindung mit Art. 95 EG in Verbindung mit Art. 12 fünfter Gedankenstrich in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 97/67 dahin auszulegen, dass dann, wenn ein Anbieter von Universaldienstleistungen Sondertarife für Geschäftskunden anwendet, die Postsendungen an den Briefzentren vorsortiert in das Postnetz geben, der Anbieter von Universaldienstleistungen verpflichtet ist, diese Sondertarife auch gegenüber Unternehmen anzuwenden, die Postsendungen beim Absender abholen und diese am selben Zugangspunkt und zu denselben Bedingungen wie Geschäftskunden vorsortiert in das Postnetz geben, ohne dass der Anbieter von Universaldienstleistungen dies mit Rücksicht darauf verweigern darf, dass er zur Erbringung von Universaldienstleistungen verpflichtet ist?

25 Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 31. Oktober 2006 sind die Rechtssachen C-287/06 bis C-292/06 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

Zur Vorlagefrage

26 Die Frage des vorlegenden Gerichts geht dahin, ob die Richtlinie 97/67 so auszulegen ist, dass sie dem entgegensteht, dass Unternehmen, die gewerbsmäßig und in eigenem Namen Postsendungen mehrerer Absender zusammenfassen, Sondertarife verweigert werden, die der nationale Anbieter von Universalpostdienstleistungen im Bereich seiner Exklusivlizenz Geschäftskunden für die Einlieferung von Mindestmengen vorsortierter Sendungen in seinen Briefzentren gewährt.

27 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 97/67 in Bezug auf die Anwendung von Sondertarifen in Art. 12 fünfter Gedankenstrich ausdrücklich vorsieht:

"Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die Tarife für die einzelnen Universaldienstleistungen folgenden Grundsätzen entsprechen:

...

- Wenn Anbieter von Universaldienstleistungen Sondertarife anwenden, beispielsweise für Dienste für Geschäftskunden, Massenversender oder Konsolidierer von Postsendungen verschiedener Kunden, so gelten die Grundsätze der Transparenz und Nichtdiskriminierung sowohl für die Tarife als auch für die entsprechenden Bedingungen. Die Tarife tragen den im Vergleich zu dem allumfassenden Standarddienst einschließlich Einsammeln, Transport, Sortierung und Zustellung einzelner Sendungen eingesparten Kosten Rechnung und gelten, ebenso wie die entsprechenden Bedingungen, sowohl im Verhältnis zwischen verschiedenen Dritten als auch im Verhältnis zwischen Dritten und Universaldiensteanbietern, die gleichwertige Dienste anbieten. Alle derartigen Tarife werden auch privaten Kunden gewährt, die Sendungen unter vergleichbaren Bedingungen einliefern."

28 Aus dieser Bestimmung geht klar hervor, dass ein Anbieter von Universalpostdienstleistungen, wenn er Sondertarife anwendet, diese Tarife in der gleichen Weise insbesondere in den Beziehungen zwischen verschiedenen Dritten anwenden muss, um die Grundsätze der Transparenz und der Nichtdiskriminierung zu beachten. Entgegen dem Vorbringen der Deutschen Post und der deutschen Regierung müssen daher die Konsolidierer von Postsendungen verschiedener Kunden, wenn ein solcher Anbieter Sondertarife bei Geschäftskunden und/oder Massenversendern anwendet, die gleichen Tarife zu den gleichen Bedingungen erhalten können.

29 Diese Feststellung kann nicht durch das Vorbringen der Deutschen Post und der deutschen Regierung entkräftet werden, mit dem dargetan werden soll, dass Art. 12 fünfter Gedankenstrich der Richtlinie 97/67 nicht verlangt, dass die betroffenen Konsolidierer und die Geschäftskunden des Anbieters von Universalpostdienstleistungen gleichbehandelt werden.

30 In diesem Zusammenhang machen die Deutsche Post und die deutsche Regierung zunächst geltend, dass die von den betroffenen Konsolidierern durchgeführte Tätigkeit der Abholung, des Transports und der Sortierung in den Bereich falle, der nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 97/67 reserviert werden könne und der in der Tat vom deutschen Gesetzgeber im Allgemeininteresse für die Deutsche Post bis zum 31. Dezember 2007 reserviert worden sei. Diese Konsolidierer seien folglich nicht befugt, die Dienstleistungen anzubieten, für die sie Sondertarife beanspruchten. Dagegen würden die Geschäftskunden als "Eigenbeförderer" im Sinne des 21. Erwägungsgrundes dieser Richtlinie tätig und könnten daher nicht in den Bereich der Exklusivlizenz der Deutschen Post eingreifen.

31 Es ist festzustellen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 97/67, soweit es für die Aufrechterhaltung des Universaldienstes notwendig ist, innerhalb bestimmter Gewichts- und Preisgrenzen Dienste für Anbieter von Universaldienstleistungen weiterhin reservieren können. Diese Dienste beschränken sich auf die Abholung, die Sortierung, den Transport und die Zustellung von Inlandsbriefsendungen und eingehenden grenzüberschreitenden Briefsendungen. Soweit es für die Sicherstellung des Universaldienstes notwendig ist, können nach Abs. 1 Unterabs. 3 und 4 Direktwerbung und abgehende grenzüberschreitende Briefsendungen innerhalb derselben in diesem Absatz festgelegten Preis- und Gewichtsgrenzen ebenfalls weiterhin reserviert werden.

32 Wie aus dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 der Richtlinie 97/67 hervorgeht, beginnt die Beförderungskette, die für den Anbieter von Universalpostdienstleistungen reserviert werden kann, jedoch erst mit der Abholung. Nach Art. 2 Nr. 4 dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck "Abholung" das Einsammeln der Postsendungen an Zugangspunkten; diese werden in Art. 2 Nr. 3 definiert als "die Einrichtungen, einschließlich der für die Allgemeinheit bestimmten Postbriefkästen auf öffentlichen Wegen oder in den Räumlichkeiten des Anbieters von Universaldienstleistungen, wo die Kunden ihre Postsendungen in das öffentliche Postnetz geben können".

33 Es ist festzustellen, dass Einrichtungen wie die Briefzentren der Deutschen Post Zugangspunkte im Sinne des Art. 2 Nr. 3 sind. Es steht nämlich fest, dass die Geschäftskunden dieser Gesellschaft dort ihre Postsendungen in das von dieser als Anbieterin von Universalpostdienstleistungen unterhaltene öffentliche Postnetz geben können. Entgegen dem Vorbringen der Deutschen Post ist die Frage, ob die von solchen Geschäftskunden selbst oder in ihrem Namen bis zur Einlieferung der Sendungen in den Postzentren erbrachten Teilleistungen als "Eigenbeförderung" qualifiziert werden können, in diesem Zusammenhang nicht erheblich.

34 Wie die deutsche Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen ausführt, haben im Übrigen außerhalb des Bereichs der Exklusivlizenz der Deutschen Post auch deren Wettbewerber auf der Grundlage des Postgesetzes Zugang zu den Briefzentren und den für Teilleistungen gewährten Rabatten. Ein solcher Zugang scheint aufgrund der Tatsache erforderlich zu sein, dass - wie Vedat Deniz in seinen schriftlichen Erklärungen darlegt, ohne dass ihm in diesem Punkt widersprochen worden wäre - die Briefkästen und Postämter der Deutschen Post zu klein sind, als dass große Mengen von Sendungen dort entgegengenommen und bearbeitet werden könnten.

35 Daher ist festzustellen, dass eine Tätigkeit wie die Sammlung von Postsendungen bei verschiedenen Absendern durch die Konsolidierer, die Vorsortierung dieser Sendungen und deren Transport bis zu Zugangspunkten wie den Briefzentren der Deutschen Post nicht in den Bereich fällt, der nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 97/67 reserviert werden kann. Diese Bestimmung kann folglich nicht herangezogen werden, um eine Behandlung der betroffenen Konsolidierer zu rechtfertigen, die sich von der Behandlung der Geschäftskunden dieser Gesellschaft unterscheidet.

36 Die Deutsche Post und die deutsche Regierung machen jedoch geltend, dass es das finanzielle Gleichgewicht der Deutschen Post gefährden würde, wenn den Konsolidierern Zugang zu den Briefzentren und den entsprechenden Rabatten für eine Teilleistung in Bezug auf Postsendungen gewährt würde, die in Anbetracht ihres Gewichts und ihres Preises unter die Exklusivlizenz dieser Gesellschaft fielen. Diese Konsolidierer könnten nämlich einer lukrativen Kundschaft, den Geschäftskunden, von denen etwa 80 % aller Sendungen stammten, die gesamte Postbeförderungskette anbieten, und zwar zu niedrigeren Tarifen als die Deutsche Post. Für die aufwändigeren Leistungen, insbesondere die Zustellung in ländlichen Gebieten, könnten diese Konsolidierer dann auf die Dienste des Anbieters von Universalpostdienstleistungen als Subunternehmer zurückgreifen; dieser wäre verpflichtet, seinen betrieblichen und personellen Apparat in vollem Umfang aufrechtzuerhalten.

37 In diesem Zusammenhang genügt die Feststellung, dass Sondertarife nach Art. 12 fünfter Gedankenstrich der Richtlinie 97/67 "den im Vergleich zu dem allumfassenden Standarddienst einschließlich Einsammeln, Transport, Sortierung und Zustellung einzelner Sendungen eingesparten Kosten Rechnung [tragen]". Diese Tarife können daher in der Weise ausgestaltet werden, dass sie die mit der Erbringung der Universalpostdienstleistungen verbundenen spezifischen Kosten decken und sich von normalen Tarifen nur dadurch unterscheiden, dass die tatsächlich eingesparten Kosten von den letztgenannten Tarifen abgezogen werden, so dass die Gewährung von Sondertarifen das finanzielle Gleichgewicht des Anbieters von Universalpostdienstleistungen nicht beeinträchtigt.

38 Sollte sich herausstellen, dass die Gewährung der gegenwärtig nur den Geschäftskunden der Deutschen Post eingeräumten Rabatte an die Konsolidierer zur Folge hat, dass diese Rabatte im Verhältnis zu den eingesparten Kosten übermäßig sind, stünde es dieser Gesellschaft daher frei, diese Rabatte für alle, die sie erhalten, in dem erforderlichen Maß herabzusetzen.

39 Im Übrigen steht fest, dass die Zustellung von Postsendungen, die in den Bereich der Exklusivlizenz des Anbieters von Universalpostdienstleistungen fallen, grundsätzlich für diesen Anbieter reserviert bleibt und dass die Rabatte, die die Deutsche Post ihren Geschäftskunden für die Einlieferung von Mindestmengen vorsortierter Sendungen in ihren Briefzentren einräumt, zwischen 3 % und höchstens 21 % schwanken.

40 Die Deutsche Post und die deutsche Regierung machen außerdem geltend, Art. 12 fünfter Gedankenstrich der Richtlinie 97/67 sei nur eine Tarifierungsbestimmung und könne daher nicht zur Folge haben, dass ein Mitgliedstaat gezwungen sei, im Bereich der Exklusivlizenz des Anbieters von Universalpostdienstleistungen den Wettbewerbern den Zugang zu Teilleistungen zu eröffnen. Der Zugang zum öffentlichen Postnetz sei nämlich Gegenstand von Art. 11 dieser Richtlinie, der die Regelung dieses Zugangs einem späteren Tätigwerden des Gemeinschaftsgesetzgebers überlasse, wobei dieser von dieser Ermächtigung jedoch nicht Gebrauch gemacht habe.

41 Es trifft zu, dass Art. 12 fünfter Gedankenstrich der Richtlinie 97/67 nicht die Grundsatzfrage regeln soll, ob ein Anbieter von Universalpostdienstleistungen einen Zugang zur Postbeförderungskette zu anderen Bedingungen und an anderen Punkten gewähren muss als denjenigen des herkömmlichen Briefpostdienstes. Wie aus dem Wortlaut dieser Bestimmung hervorgeht, erlegt sie den Mitgliedstaaten jedoch eine strenge Verpflichtung auf, die Grundsätze der Transparenz und der Nichtdiskriminierung dann zu beachten, wenn ein solcher Zugang zu Sondertarifen von diesem Anbieter tatsächlich gewährt wird.

42 Sowohl die Deutsche Post als auch die deutsche Regierung räumen ein, dass die Deutsche Post ihren Geschäftskunden noch liberaler, als es die Richtlinie vorgibt, Zugang zu ihrem Postnetz an anderen Punkten als den herkömmlichen Zugangspunkten gewährt und ihnen dafür Sondertarife einräumt.

43 Gerade einen solchen Fall soll Art. 12 fünfter Gedankenstrich der Richtlinie 97/67 regeln. Wendet ein Anbieter von Universalpostdienstleistungen Sondertarife an, z. B. für Dienste gegenüber Geschäftskunden, Massenversendern oder Konsolidierern von Sendungen mehrerer Kunden, so gelten diese Tarife ebenso wie die sie betreffenden Bedingungen in gleicher Weise in den Beziehungen insbesondere zwischen Dritten.

44 Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 12 fünfter Gedankenstrich der Richtlinie 97/67 dahin auszulegen ist, dass er dem entgegensteht, dass Unternehmen, die Postsendungen mehrerer Absender gewerblich und in eigenem Namen zusammenfassen, Sondertarife verweigert werden, die der nationale Anbieter von Universalpostdienstleistungen im Bereich seiner Exklusivlizenz Geschäftskunden für die Einlieferung von Mindestmengen vorsortierter Sendungen in seinen Briefzentren gewährt.

Kostenentscheidung:

Kosten

45 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

Art. 12 fünfter Gedankenstrich der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität in der durch die Richtlinie 2002/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Juni 2002 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er dem entgegensteht, dass Unternehmen, die Postsendungen mehrerer Absender gewerblich und in eigenem Namen zusammenfassen, Sondertarife verweigert werden, die der nationale Anbieter von Universalpostdienstleistungen im Bereich seiner Exklusivlizenz Geschäftskunden für die Einlieferung von Mindestmengen vorsortierter Sendungen in seinen Briefzentren gewährt.

Ende der Entscheidung

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