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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 16.11.2000
Aktenzeichen: C-291/98 P
Rechtsgebiete: Entscheidung 94/601/EG vom 13. Juli, EG-Vertrag, EG


Vorschriften:

Entscheidung 94/601/EG vom 13. Juli
EG-Vertrag Art. 85 Abs. 1
EG-Vertrag Art. 190
EG-Vertrag Art. 173
EG Art. 81 Abs. 1
EG Art. 253
EG Art. 230
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 In Verfahren über Klagen gegen Entscheidungen der Kommission, mit denen gegen Unternehmen wegen Verletzung der Wettbewerbsregeln Geldbußen festgesetzt werden, hat der Gemeinschaftsrichter im Rahmen der ihm durch Artikel 172 EG-Vertrag (jetzt Artikel 229 EG) und Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 eingeräumten Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zu beurteilen, ob die Höhe der Geldbußen angemessen ist. Diese Beurteilung kann die Vorlage und Heranziehung zusätzlicher Informationen erfordern, die an sich nicht in der Bußgeldentscheidung erwähnt zu werden brauchen, damit diese dem Begründungserfordernis gemäß Artikel 190 EG-Vertrag (jetzt Artikel 253 EG) genügt.

(vgl. Randnrn. 69, 71)

2 In Artikel 15 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 17 heißt es: "Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist neben der Schwere des Verstoßes auch die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen." Unter diesen Umständen sind die Anforderungen an das wesentliche Formerfordernis, um das es sich bei der Begründungspflicht handelt, erfuellt, wenn die Kommission in ihrer Entscheidung die Beurteilungsgesichtspunkte angibt, die es ihr ermöglicht haben, Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung zu ermitteln. Fehlen diese Gesichtspunkte, so ist die Entscheidung wegen unzureichender Begründung für nichtig zu erklären.

Die Tatsache, dass später - bei einer Pressekonferenz oder im Lauf des gerichtlichen Verfahrens - genauere Informationen als diese Beurteilungsgesichtspunkte - wie die Umsätze der Unternehmen oder der Umfang der Herabsetzung der Geldbußen durch die Kommission - bekannt gegeben wurden, kann das Vorliegen einer ausreichenden Begründung der Entscheidung nicht in Frage stellen. Nähere Angaben des Autors einer angefochtenen Entscheidung, die eine für sich bereits ausreichende Begründung ergänzen, fallen nicht unter die eigentliche Begründungspflicht, auch wenn sie für die innere Kontrolle der Entscheidungsgründe durch den Gemeinschaftsrichter nützlich sein können, da das Organ so die seiner Entscheidung zugrunde liegenden Erwägungen erläutern kann.

(vgl. Randnrn. 72-73, 75)

3 Es ist nicht Sache des Gerichtshofes, bei der Entscheidung über Rechtsfragen im Rahmen eines Rechtsmittels die Beurteilung des Gerichts, das in Ausübung seiner unbeschränkten Nachprüfungsbefugnis über den Betrag der gegen Unternehmen wegen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht festgesetzten Geldbußen entscheidet, aus Gründen der Billigkeit durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen.

Die Ausübung einer Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung darf jedoch nicht dazu führen, dass Unternehmen, die an einer gegen Artikel 85 Absatz 1 EG- Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) verstoßenden Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise beteiligt waren, bei der Ermittlung der Höhe ihrer Geldbußen ungleich behandelt werden.

(vgl. Randnrn. 96-97)


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 16. November 2000. - Sarrió SA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Rechtsmittel - Wettbewerb - Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) - Begriff der einheitlichen Zuwiderhandlung - Informationsaustausch - Anordnung - Geldbuße - Bestimmung der Höhe - Berechnungsmethode - Begründung - Mildernde Umstände. - Rechtssache C-291/98 P.

Parteien:

In der Rechtssache C-291/98 P

Sarrió SA mit Sitz in Barcelona (Spanien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. Mazzoni, Mailand, M. Siragusa, Rom, und F. M. Moretti, Venedig, Zustellungsanschrift: Kanzlei der Rechtsanwälte Elvinger, Hoss & Prussen, 2, place Winston Churchill, Luxemburg,

Rechtsmittelführerin,

betreffend ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (Dritte erweiterte Kammer) vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-334/94 (Sarrió/Kommission, Slg. 1998, II-1439) wegen Aufhebung dieses Urteils,

anderer Verfahrensbeteiligter:

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigten im Beistand von Rechtsanwalt A. Dal Ferro, Vicenza, Zustellungsbevollmächtigter: C. Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. La Pergola sowie der Richter M. Wathelet (Berichterstatter), D. A. O. Edward, P. Jann und L. Sevón,

Generalanwalt: J. Mischo

Kanzler: R. Grass

aufgrund des Berichts des Berichterstatters,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. Mai 2000,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Die Sarrió SA hat mit Rechtsmittelschrift, die am 28. Juli 1998 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-334/94 (Sarrió/Kommission, Slg. 1998, II-1439; im Folgenden: angefochtenes Urteil) eingelegt, mit dem das Gericht die Entscheidung 94/601/EG der Kommission vom 13. Juli 1994 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (IV/C/33.833 - Karton) (ABl. L 243, S. 1; im Folgenden: Entscheidung) teilweise für nichtig erklärte und die Klage im Übrigen abwies.

Sachverhalt

2 Mit der Entscheidung setzte die Kommission gegen 19 Kartonhersteller und -lieferanten aus der Gemeinschaft wegen Verstößen gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) Geldbußen fest.

3 Aus dem angefochtenen Urteil geht hervor, dass diese Entscheidung erging, nachdem die British Printing Industries Federation, eine Branchenorganisation der Mehrzahl der britischen Kartonbedrucker, und die Fédération française du cartonnage im Jahr 1990 informelle Beschwerden eingelegt hatten und nachdem Beamte der Kommission im April 1991 gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), ohne Vorankündigung in den Geschäftsräumen verschiedener Unternehmen und Branchenorganisationen des Kartonsektors Nachprüfungen vorgenommen hatten.

4 Aufgrund der im Rahmen dieser Nachprüfungen und im Anschluss an Ersuchen um Auskünfte und Vorlage von Dokumenten erlangten Informationen kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass sich die betreffenden Unternehmen von etwa Mitte 1986 bis (in den meisten Fällen) mindestens April 1991 an einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages beteiligt hätten. Sie beschloss daher, ein Verfahren gemäß dieser Bestimmung einzuleiten, und richtete mit Schreiben vom 21. Dezember 1992 eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an jedes der fraglichen Unternehmen, die alle schriftlich darauf antworteten. Neun Unternehmen baten um eine mündliche Anhörung.

5 Am Ende des Verfahrens erließ die Kommission die Entscheidung, die folgende Bestimmungen enthält:

"Artikel 1

Buchmann GmbH, Cascades S.A., Enso-Gutzeit Oy, Europa Carton AG, Finnboard - the Finnish Board Mills Association, Fiskeby Board AB, Gruber & Weber GmbH & Co. KG, Kartonfabriek "De Eendracht" NV (unter der Firma BPB de Eendracht handelnd), NV Koninklijke KNP BT NV (ehemals Koninklijke Nederlandse Papierfabrieken NV), Laakmann Karton GmbH & Co. KG, Mo Och Domsjö AB (MoDo), Mayr-Melnhof Gesellschaft mbH, Papeteries de Lancey S.A., Rena Kartonfabrik A/S, Sarrió SpA, SCA Holding Ltd (ehemals Reed Paper & Board (UK) Ltd), Stora Kopparbergs Bergslags AB, Enso Española S.A. (früher Tampella Española S.A.) und Moritz J. Weig GmbH & Co. KG haben gegen Artikel 85 Absatz 1 des EG-Vertrages verstoßen, indem sie sich

- im Falle von Buchmann und Rena von etwa März 1988 bis mindestens Ende 1990,

- im Falle von Enso Española von mindestens März 1988 bis mindestens Ende April 1991 und

- im Falle von Gruber & Weber von mindestens 1988 bis Ende 1990,

- in den [übrigen] Fällen von Mitte 1986 bis mindestens April 1991,

an einer seit Mitte 1986 bestehenden Vereinbarung und abgestimmten Verhaltensweise beteiligten, durch die die Kartonanbieter in der Gemeinschaft

- sich regelmäßig an einer Reihe geheimer und institutionalisierter Sitzungen zwecks Erörterung und Festlegung eines gemeinsamen Branchenplans zur Einschränkung des Wettbewerbs trafen;

- sich über regelmäßige Preiserhöhungen für jede Kartonsorte in jeder Landeswährung verständigten;

- gleichzeitige und einheitliche Preiserhöhungen für die gesamte Gemeinschaft planten und durchführten;

- sich vorbehaltlich gelegentlicher Änderungen über die Aufrechterhaltung konstanter Marktanteile der führenden Hersteller verständigten;

- in zunehmendem Maße ab Anfang 1990 abgestimmte Maßnahmen zur Kontrolle des Kartonangebots in der Gemeinschaft trafen, um die Durchsetzung der vorerwähnten abgestimmten Preiserhöhungen sicherzustellen;

- als Absicherung der vorgenannten Maßnahmen Geschäftsinformationen (über Lieferungen, Preise, Abstellzeiten, Auftragsbestände und Kapazitätsauslastung) austauschten.

Artikel 2

Die in Artikel 1 bezeichneten Unternehmen stellen, soweit noch nicht geschehen, den genannten Verstoß unverzüglich ab. Sie sehen im Zusammenhang mit ihren Tätigkeiten im Kartonbereich künftig von allen Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen ab, mit denen Gleiches oder Ähnliches bezweckt oder bewirkt wird, einschließlich jedes Austauschs von Geschäftsinformationen,

a) durch den die Teilnehmer mittel- oder unmittelbar Kenntnis von der Produktion, den Verkäufen, dem Auftragsbestand, der Kapazitätsausnutzung, den Verkaufspreisen, den Kosten oder den Absatzplänen anderer einzelner Hersteller erlangen, oder

b) durch den auch ohne Offenlegung individueller Informationen eine gemeinsame Reaktion der Branche auf wirtschaftliche Verhältnisse hinsichtlich der Preise oder der Kontrolle der Produktion gefördert oder erleichtert wird, oder

c) durch die die Teilnehmer in die Lage versetzt werden könnten, die Erfuellung oder Beachtung ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarungen betreffend die Preise oder die Marktaufteilung in der Gemeinschaft zu überwachen.

Jedes System für den Austausch allgemeiner Informationen (wie das FIDES-System oder dessen Nachfolgesystem), an dem sie sich beteiligen, ist so zu gestalten, dass es nicht nur alle Informationen, mit denen sich das Verhalten einzelner Hersteller ermitteln lässt, sondern auch alle Daten über den gegenwärtigen Stand der Auftragseingänge und der Auftragslage, die erwartete Kapazitätsausnutzung (in beiden Fällen auch in globaler Form) oder die Produktionskapazität jeder Maschine ausschließt.

Ein eventueller Informationsaustausch beschränkt sich auf die Beschaffung und Verbreitung von Produktions- und Verkaufsstatistiken in globaler Form, die nicht dazu benutzt werden können, ein gemeinsames Geschäftsverhalten zu fördern oder zu erleichtern.

Die Unternehmen nehmen außerdem von jedem Austausch weiterer wettbewerbsrelevanter Informationen über den zulässigen Informationsaustausch hinaus sowie von allen Treffen oder sonstigen Kontakten zur Erörterung des Aussagegehalts der ausgetauschten Informationen oder der möglichen oder wahrscheinlichen Reaktion der Branche oder einzelner Hersteller auf diese Informationen Abstand.

Für die notwendigen Änderungen an einem etwaigen Informationsaustauschsystem wird eine Frist von drei Monaten ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung eingeräumt.

Artikel 3

Gegen die nachstehenden Unternehmen werden für den in Artikel 1 festgestellten Verstoß folgende Geldbußen festgesetzt:

...

xv) gegen Sarrió SpA eine Geldbuße in Höhe von 15 500 000 ECU;

..."

6 Das angefochtene Urteil enthält ferner folgende Angaben zum Sachverhalt:

"13 Der Entscheidung zufolge geschah die Zuwiderhandlung im Rahmen einer aus mehreren Gruppen oder Ausschüssen bestehenden Organisation namens "Produktgruppe Karton" (im Folgenden: PG Karton).

14 Im Rahmen dieser Organisation sei Mitte 1986 ein Ausschuss namens "Presidents' Working Group" (PWG) eingesetzt worden, der aus hochrangigen Vertretern der (etwa acht) führenden Kartonlieferanten der Gemeinschaft bestanden habe.

15 Der PWG habe sich u. a. mit der Erörterung und Abstimmung der Märkte, Marktanteile, Preise und Kapazitäten beschäftigt. Er habe insbesondere umfassende Beschlüsse über die zeitliche Folge und die Höhe der von den Herstellern vorzunehmenden Preiserhöhungen gefasst.

16 Der PWG habe der "Präsidentenkonferenz" (PK) Bericht erstattet, an der (mehr oder weniger regelmäßig) fast alle Generaldirektoren der betreffenden Unternehmen teilgenommen hätten. Die PK habe im maßgeblichen Zeitraum zweimal pro Jahr getagt.

17 Ende 1987 sei das "Joint Marketing Committee" (JMC) eingesetzt worden. Die Hauptaufgabe des JMC habe darin bestanden, zum einen zu ermitteln, ob und, wenn ja, wie sich Preiserhöhungen durchsetzen ließen, und zum anderen die vom PWG beschlossenen Preisinitiativen nach Ländern und wichtigsten Kunden im Detail auszuarbeiten, um zu einem einheitlichen Preissystem in Europa zu gelangen.

18 Schließlich habe die "Wirtschaftliche Kommission" (WK) u. a. die Preisentwicklung auf den nationalen Märkten und die Auftragslage erörtert und dem JMC oder - bis Ende 1987 - dessen Vorgänger, dem "Marketing Committee", über die Ergebnisse ihrer Arbeit berichtet. Die WK habe aus Vertriebs- und/oder Verkaufsleitern der meisten fraglichen Unternehmen bestanden und sei mehrmals pro Jahr zusammengetreten.

19 Aus der Entscheidung geht ferner hervor, dass die Tätigkeiten der PG Karton nach Ansicht der Kommission durch einen Informationsaustausch über die Treuhandgesellschaft FIDES mit Sitz in Zürich (Schweiz) unterstützt wurden. In der Entscheidung heißt es, die meisten Mitglieder der PG Karton hätten der FIDES regelmäßig Berichte über Auftragslage, Produktion, Verkäufe und Kapazitätsauslastung geliefert. Diese Berichte seien im Rahmen des FIDES-Systems bearbeitet worden, und die Teilnehmer hätten die zusammengefassten Daten erhalten.

20 Die Klägerin ist aus einer 1990 erfolgten Fusion des Kartonbereichs des führenden italienischen Herstellers Saffa mit dem spanischen Hersteller Sarrió hervorgegangen (Randnr. 11 der Entscheidung). 1991 erwarb die Klägerin überdies den spanischen Hersteller Prat Carton (a. a. O.).

21 Die Klägerin wird in der Entscheidung für die gesamte Dauer der Teilnahme von Prat Carton an dem beanstandeten Kartell verantwortlich gemacht (Randnr. 154 der Entscheidung).

22 Die Klägerin stellt hauptsächlich GD-Karton, aber auch GC-Karton her."

7 Sechzehn der achtzehn anderen beschuldigten Unternehmen sowie vier finnische Unternehmen, die als Mitglieder der Wirtschaftsvereinigung Finnboard gesamtschuldnerisch für die Zahlung der gegen diese festgesetzten Geldbuße haftbar gemacht wurden, erhoben ebenfalls Klage gegen die Entscheidung (Rechtssachen T-295/94, T-301/94, T-304/94, T-308/94 bis T-311/94, T-317/94, T-319/94, T-327/94, T-337/94, T-338/94, T-347/94, T-348/94, T-352/94 und T-354/94 sowie verbundene Rechtssachen T-339/94 bis T-342/94).

Das angefochtene Urteil

8 Mit ihrer Klage vor dem Gericht beantragte die Rechtsmittelführerin, die Entscheidung oder, hilfsweise, deren Artikel 2 für nichtig zu erklären sowie die gegen sie festgesetzte Geldbuße für nichtig zu erklären oder herabzusetzen.

Zum Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung

9 Zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung der Entscheidung berief sich die Rechtsmittelführerin vor dem Gericht auf neun Klagegründe, die das Gericht mit Ausnahme des letzten Klagegrundes, mit dem geltend gemacht wurde, dass Prat Carton nicht an der Zuwiderhandlung teilgenommen habe, alle zurückwies.

10 Zu diesem Klagegrund führte das Gericht aus:

"250 [Es] ist festzustellen, dass die Kommission nachgewiesen hat, dass sich Prat Carton in der Zeit von Juni 1990 bis Februar 1991 an einer Preisabsprache und an einer Absprache über die Abstellzeiten beteiligte. Die Beteiligung von Prat Carton an der Absprache über die Marktanteile im selben Zeitraum ist jedoch nicht hinreichend nachgewiesen. Schließlich hat die Kommission für die Zeit davor, d. h. von Mitte 1986 bis Juni 1990, die Beteiligung von Prat Carton an den Bestandteilen der Zuwiderhandlung nicht nachgewiesen."

11 In Anbetracht des Vorbringens im Rechtsmittelverfahren ist die Darstellung der Gründe des angefochtenen Urteils, die den Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung betreffen, auf die Ausführungen zu den Klagegründen des Fehlens einer Abstimmung der tatsächlichen Verkaufspreise und des Vorliegens eines Verstoßes gegen die Begründungserfordernisse, der fehlenden Teilnahme an einem Kartell zum Einfrieren der Marktanteile und zur Angebotskontrolle sowie eines Fehlers der Kommission bei der Beurteilung des Informationsaustauschsystems der FIDES zu beschränken.

Zum Klagegrund des Fehlens einer Abstimmung der tatsächlichen Verkaufspreise und des Vorliegens eines Verstoßes gegen die Begründungserfordernisse

12 Die Rechtsmittelführerin bestritt vor dem Gericht, dass sich ihre Beteiligung an einer Abstimmung der angekündigten Preise auf die tatsächlichen Verkaufspreise erstreckt habe. Ferner machte sie geltend, die Kommission habe nicht klargestellt, ob sich die ihr zur Last gelegte Preisabsprache auf die angekündigten Preise bezogen haben solle - was sie einräume - oder ob sie sich auch auf die tatsächlichen Verkaufspreise erstreckt haben solle; dies stelle einen Verstoß gegen die Begründungserfordernisse und eine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte dar.

13 Das Gericht führte dazu aus:

"50 Bevor auf das Vorbringen der Klägerin eingegangen wird, dass sich die Abstimmung nicht auf die tatsächlichen Verkaufspreise erstreckt habe, ist zu prüfen, ob die Kommission in der Entscheidung wirklich geltend gemacht hat, dass sich die Abstimmung auf diese Preise erstreckt habe.

51 Hierzu ist erstens festzustellen, dass Artikel 1 der Entscheidung keine Angaben darüber enthält, welcher Preis Gegenstand der abgestimmten Erhöhungen war.

52 Zweitens geht aus der Entscheidung nicht hervor, dass die Hersteller nach Ansicht der Kommission einheitliche tatsächliche Verkaufspreise festgelegt hatten oder auch nur festlegen wollten. Insbesondere die Randnummern 101 und 102 der Entscheidung, die den "Auswirkungen der abgestimmten Preisinitiativen auf das Preisniveau" gewidmet sind, zeigen, dass die Kommission davon ausgegangen ist, dass die Preisinitiativen die Listenpreise betrafen und eine Erhöhung der tatsächlichen Verkaufspreise herbeiführen sollten. Dort heißt es u. a.: "Selbst wenn alle Hersteller entschlossen waren, die volle Preiserhöhung durchzusetzen, bedeutete die für die Kunden bestehende Möglichkeit, auf eine billigere Qualität oder Sorte auszuweichen, dass die Hersteller unter Umständen ihren angestammten Kunden bestimmte Terminzugeständnisse machen oder zusätzliche Anreize in Form von Mengenrabatten oder Skonti für Großaufträge geben mussten, um bei ihnen die volle Basis-Preiserhöhung durchsetzen zu können. Eine Preiserhöhung käme damit erst nach einer gewissen Zeit voll zum Tragen" (Randnr. 101 Absatz 6).

53 Aus der Entscheidung ergibt sich somit, dass die Kommission das Ziel der Preisabsprache zwischen den Herstellern darin sah, dass die abgestimmten Erhöhungen der angekündigten Preise zu einer Erhöhung der tatsächlichen Verkaufspreise führten. Insoweit ist Randnummer 101 Absatz 1 der Entscheidung zu entnehmen, dass "sich die Hersteller nicht darauf [beschränkten], die vereinbarten Preiserhöhungen anzukündigen, sondern... - mit wenigen Ausnahmen - auch alles [taten], um sicherzustellen, dass sie bei den Kunden durchgesetzt wurden". Die Situation im vorliegenden Fall unterscheidet sich somit von der, die der Gerichtshof im Urteil Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission geprüft hat, da die Kommission in der vorliegenden Entscheidung im Gegensatz zu der Entscheidung, die zum letztgenannten Urteil führte, nicht geltend macht, dass die Unternehmen eine unmittelbare Abstimmung der tatsächlichen Verkaufspreise vorgenommen hätten.

54 Diese Analyse der Entscheidung wird durch die von der Kommission vorgelegten Schriftstücke bestätigt.

...

57 Im Übrigen hat die Klägerin in der Verhandlung eingeräumt, dass die angekündigten Preise als Grundlage für die Aushandlung der tatsächlichen Verkaufspreise mit den Kunden gedient hätten; dies bestätigt, dass letztlich die Erhöhung der tatsächlichen Verkaufspreise angestrebt wurde. Ohnehin wäre die Festlegung einheitlicher, von den Herstellern vereinbarter Listenpreise ohne jede Bedeutung, wenn diese Preise im Endeffekt keine Auswirkung auf die tatsächlichen Verkaufspreise haben sollten.

58 Dem Vorbringen der Klägerin, dass die Unklarheiten hinsichtlich des Gegenstands der Abstimmung für sich genommen eine Verletzung der Begründungserfordernisse darstellten, steht entgegen, dass Artikel 1 der Entscheidung keine Angaben darüber enthält, welcher Preis Gegenstand der Absprache war.

59 In einer solchen Situation ist der verfügende Teil der Entscheidung nach ständiger Rechtsprechung im Licht ihrer Gründe zu verstehen (vgl. z. B. Urteil des Gerichtshofes vom 16. Dezember 1975 in den Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73, 55/73, 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Suiker Unie u. a./Kommission, Slg. 1975, 1663, Randnrn. 122 bis 124).

60 Im vorliegenden Fall hat die Kommission nach alledem in den Begründungserwägungen der Entscheidung hinreichend erläutert, dass sich die Abstimmung auf die Listenpreise bezog und auf eine Erhöhung der tatsächlichen Verkaufspreise abzielte.

61 Folglich ist der Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen."

Zum Klagegrund der fehlenden Teilnahme an einem Kartell zum Einfrieren der Marktanteile und zur Angebotskontrolle

14 Die Rechtsmittelführerin machte vor dem Gericht geltend, die Kommission verfüge nicht über Beweise für das Vorliegen einer Absprache über das Einfrieren der Marktanteile oder einer Absprache über die Angebotskontrolle und habe jedenfalls ihre Teilnahme an solchen Absprachen nicht bewiesen.

15 Außerdem entspreche das tatsächliche Verhalten der Unternehmen nicht den Behauptungen der Kommission.

16 Hinsichtlich des Vorliegens von Absprachen über das Einfrieren der Marktanteile oder über die Angebotskontrolle kam das Gericht zu folgendem Ergebnis:

"106 Aus alledem ist zu schließen, dass der Kommission der Beweis für das Vorliegen einer Absprache der Teilnehmer an den Sitzungen des PWG über die Marktanteile sowie einer Absprache dieser Unternehmen über die Abstellzeiten rechtlich gelungen ist. Da die Klägerin unstreitig an den Sitzungen des PWG teilnahm und da sie im hauptsächlichen Belastungsmaterial (den Aussagen von Stora und Anlage 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) ausdrücklich erwähnt wird, hat die Kommission sie zu Recht für eine Teilnahme an diesen beiden Absprachen zur Verantwortung gezogen."

17 Zum tatsächlichen Verhalten der Rechtsmittelführerin stellte das Gericht fest:

"115 Auch dem zweiten und dem dritten Teil des Klagegrundes, wonach das tatsächliche Verhalten der Unternehmen nicht den Behauptungen der Kommission zum Vorliegen der beiden streitigen Absprachen entspreche, kann nicht gefolgt werden.

116 Erstens darf die Existenz von Absprachen der Mitglieder des PWG über die beiden Aspekte der "Preis-vor-Menge"-Politik nicht mit deren Durchführung verwechselt werden. Die von der Kommission vorgelegten Beweise haben nämlich ein solches Gewicht, dass Informationen über das tatsächliche Marktverhalten der Klägerin keinen Einfluss auf die Ergebnisse haben können, zu denen die Kommission hinsichtlich des Vorliegens von Absprachen über die beiden Aspekte der streitigen Politik gelangt ist. Die Behauptungen der Klägerin könnten allenfalls als Beleg dafür dienen, dass ihr Verhalten nicht dem entsprach, was die dem PWG angehörenden Unternehmen vereinbart hatten.

117 Zweitens stehen die Ergebnisse, zu denen die Kommission gelangt ist, nicht im Widerspruch zu den von der Klägerin erteilten Auskünften. Die Kommission räumt ausdrücklich ein, dass die Absprache über die Marktanteile "kein formelles System von Strafen oder Kompensationsmaßnahmen, um die in der Frage der Marktanteile erzielte Einigung durchzusetzen," einschloss und dass die Marktanteile einzelner großer Hersteller von Jahr zu Jahr wuchsen (vgl. insbesondere Randnrn. 59 und 60 der Entscheidung). Außerdem räumt die Kommission ein, dass die Industrie bis Anfang 1990 mit voller Kapazitätsauslastung arbeitete, so dass bis dahin praktisch keine Abstellzeiten notwendig wurden (Randnr. 70 der Entscheidung).

118 Drittens ist nach ständiger Rechtsprechung die Tatsache, dass sich ein Unternehmen den Ergebnissen von Sitzungen mit offensichtlich wettbewerbsfeindlichem Gegenstand nicht beugt, nicht geeignet, es von seiner vollen Verantwortlichkeit für seine Teilnahme am Kartell zu entlasten, wenn es sich nicht offen vom Inhalt der Sitzungen distanziert hat (vgl. z. B. Urteil des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-141/89, Tréfileurope/Kommission, Slg. 1995, II-791, Randnr. 85). Selbst wenn man annimmt, dass das Marktverhalten der Klägerin nicht dem vereinbarten Verhalten entsprach, ändert dies somit nichts an ihrer Verantwortlichkeit für eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages."

Zum Klagegrund eines Fehlers der Kommission bei der Beurteilung des Informationsaustauschsystems der FIDES

18 Die Rechtsmittelführerin machte vor dem Gericht geltend, das Informationsaustauschsystem der FIDES sei nicht zur Förderung aufeinander abgestimmten Verhaltens geeignet gewesen und verstoße daher nicht gegen Artikel 85 des Vertrages.

19 Das Gericht wies diesen Klagegrund aus folgenden Gründen als unzulässig zurück:

"155 Nach Artikel 48 § 2 Absatz 1 der Verfahrensordnung können neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.

156 Der Klagegrund eines Fehlers der Kommission bei der Beurteilung des Informationsaustauschsystems der FIDES ist von der Klägerin erstmals in der Erwiderung geltend gemacht worden und wird nicht auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind."

Zum Antrag auf Nichtigerklärung von Artikel 2 der Entscheidung

20 Insoweit erklärte das Gericht Artikel 2 Absätze 1 bis 4 der Entscheidung in Bezug auf die Rechtsmittelführerin mit Ausnahme folgender Passagen für nichtig:

"Die in Artikel 1 bezeichneten Unternehmen stellen, soweit noch nicht geschehen, den genannten Verstoß unverzüglich ab. Sie sehen im Zusammenhang mit ihren Tätigkeiten im Kartonbereich künftig von allen Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen ab, mit denen Gleiches oder Ähnliches bezweckt oder bewirkt wird, einschließlich jedes Austauschs von Geschäftsinformationen,

a) durch den die Teilnehmer mittel- oder unmittelbar Kenntnis von der Produktion, den Verkäufen, dem Auftragsbestand, der Kapazitätsausnutzung, den Verkaufspreisen, den Kosten oder den Absatzplänen anderer einzelner Hersteller erlangen.

Jedes System für den Austausch allgemeiner Informationen (wie das FIDES-System oder dessen Nachfolgesystem), an dem sie sich beteiligen, ist so zu gestalten, dass es alle Informationen, mit denen sich das Verhalten einzelner Hersteller ermitteln lässt, ausschließt."

Zum Antrag auf Nichtigerklärung oder Herabsetzung der Geldbuße

21 Zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung oder Herabsetzung der Geldbuße berief sich die Rechtsmittelführerin vor dem Gericht auf zehn Klagegründe; drei davon betrafen eine unzureichende Begründung und einen Verstoß gegen die Verteidigungsrechte in Bezug auf die Berechnung der Geldbuße, einen methodischen Fehler bei der Berechnung der Geldbuße und eine falsche Berechnung des Teils der Geldbuße, der auf die Prat Carton zur Last gelegte Zuwiderhandlung entfiel, sowie einen dabei begangenen Verstoß gegen die Begründungspflicht.

Zum Klagegrund einer unzureichenden Begründung und eines Verstoßes gegen die Verteidigungsrechte in Bezug auf die Berechnung der Geldbuße

22 Vor dem Gericht warf die Rechtsmittelführerin der Kommission vor, sie habe in ihrer Entscheidung die von ihr angewandten Kriterien nicht angegeben und der Rechtsmittelführerin damit eine wirksame Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung unmöglich gemacht; dies stelle eine offenkundige Verletzung ihrer Verteidigungsrechte dar.

23 Das Gericht äußerte sich dazu wie folgt:

"341 Nach ständiger Rechtsprechung hat die Pflicht zur Begründung von Einzelfallentscheidungen den Zweck, dem Gemeinschaftsrichter die Überprüfung der Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu ermöglichen und den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, dass er erkennen kann, ob die Entscheidung zutreffend begründet oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der ihre Anfechtung ermöglicht; dabei hängt der Umfang der Begründungspflicht von der Art des fraglichen Rechtsakts und den Umständen ab, unter denen er erlassen wurde (vgl. u. a. Urteil des Gerichts vom 11. Dezember 1996 in der Rechtssache T-49/95, Van Megen Sports/Kommission, Slg. 1996, II-1799, Randnr. 51).

342 Handelt es sich um eine Entscheidung, mit der wie im vorliegenden Fall gegen mehrere Unternehmen wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft Geldbußen festgesetzt werden, so ist bei der Bestimmung des Umfangs der Begründungspflicht insbesondere zu berücksichtigen, dass die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln ist, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (Beschluss SPO u. a./Kommission, Randnr. 54).

343 Außerdem verfügt die Kommission bei der Festlegung der Höhe der einzelnen Geldbußen über ein Ermessen und ist nicht verpflichtet, insoweit eine genaue mathematische Formel anzuwenden (in diesem Sinne auch Urteil Martinelli/Kommission, Randnr. 59).

344 Die zur Ermittlung des allgemeinen Niveaus der Geldbußen und der Höhe der individuellen Geldbußen herangezogenen Kriterien finden sich in den Randnummern 168 und 169 der Entscheidung. Zudem führt die Kommission in Bezug auf die individuellen Geldbußen in Randnummer 170 aus, dass die Unternehmen, die an den Sitzungen des PWG teilgenommen hätten, grundsätzlich als "Anführer" des Kartells und die übrigen Unternehmen als dessen "gewöhnliche Mitglieder" angesehen worden seien. Schließlich weist sie in den Randnummern 171 und 172 darauf hin, dass die gegen Rena und Stora festgesetzten Geldbußen erheblich niedriger auszufallen hätten, um deren aktiver Kooperation mit der Kommission Rechnung zu tragen, und dass acht andere Unternehmen, darunter die Klägerin, ebenfalls in den Genuss einer in geringerem Umfang herabgesetzten Geldbuße kommen könnten, da sie in ihren Erwiderungen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte die vorgebrachten Tatsachenbehauptungen der Kommission in der Substanz nicht bestritten hätten.

345 In ihren beim Gericht eingereichten Schriftsätzen und in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts hat die Kommission erläutert, dass die Geldbußen auf der Grundlage des von den einzelnen Adressaten der Entscheidung auf dem Kartonmarkt der Gemeinschaft im Jahr 1990 erzielten Umsatzes berechnet worden seien. Gegen die als "Anführer" des Kartells angesehenen Unternehmen seien Geldbußen mit einem Basissatz von 9 % und gegen die übrigen Unternehmen Geldbußen mit einem Basissatz von 7,5 % festgesetzt worden. Schließlich habe die Kommission gegebenenfalls dem kooperativen Verhalten bestimmter Unternehmen während des Verwaltungsverfahrens Rechnung getragen. Bei zwei Unternehmen seien die Geldbußen aus diesem Grund um zwei Drittel und bei anderen Unternehmen um ein Drittel herabgesetzt worden.

346 Im Übrigen ergibt sich aus einer von der Kommission vorgelegten Tabelle, die Angaben zur Festlegung der Höhe aller individuellen Geldbußen enthält, dass diese zwar nicht durch streng mathematische Anwendung allein der oben genannten Zahlen ermittelt wurden, dass diese Zahlen jedoch bei der Berechnung der Geldbußen systematisch herangezogen wurden.

347 In der Entscheidung wird aber nicht erläutert, dass die Geldbußen auf der Grundlage des von den einzelnen Unternehmen auf dem Kartonmarkt der Gemeinschaft im Jahr 1990 erzielten Umsatzes berechnet wurden. Auch die zur Berechnung der festgesetzten Geldbußen angewandten Basissätze von 9 % für die als "Anführer" angesehenen Unternehmen und von 7,5 % für die "gewöhnlichen Mitglieder" sind in der Entscheidung nicht zu finden. Gleiches gilt für den Umfang der Herabsetzung bei Rena und Stora einerseits und bei acht anderen Unternehmen andererseits.

348 Im vorliegenden Fall ist erstens davon auszugehen, dass die Randnummern 169 bis 172 der Entscheidung bei einer Auslegung im Licht der in der Entscheidung zu findenden eingehenden Darstellung der jedem ihrer Adressaten zur Last gelegten Sachverhalte ausreichende und sachgerechte Angaben zu den Gesichtspunkten enthalten, die bei der Beurteilung der Schwere und der Dauer der von den einzelnen Unternehmen begangenen Zuwiderhandlung herangezogen wurden (in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 1991 in der Rechtssache T-2/89, Petrofina/Kommission, Slg. 1991, II-1087, Randnr. 264).

349 Zweitens würde, wenn die Höhe der jeweiligen Geldbußen wie hier auf der Grundlage der systematischen Heranziehung einiger ganz bestimmter Daten ermittelt wird, die Angabe all dieser Faktoren in der Entscheidung den Unternehmen die Beurteilung der Frage erleichtern, ob die Kommission bei der Festlegung der Höhe der individuellen Geldbuße Fehler begangen hat und ob die Höhe jeder individuellen Geldbuße in Anbetracht der angewandten allgemeinen Kriterien gerechtfertigt ist. Im vorliegenden Fall wäre mit der Angabe der fraglichen Faktoren - Referenzumsatz, Referenzjahr, angewandte Basissätze und Umfang der Herabsetzung der Geldbußen - in der Entscheidung keine möglicherweise gegen Artikel 214 des Vertrages verstoßende implizite Preisgabe des genauen Umsatzes der Adressaten der Entscheidung verbunden gewesen. Denn der Endbetrag der individuellen Geldbußen ergibt sich, wie die Kommission selbst ausgeführt hat, nicht aus einer streng mathematischen Anwendung dieser Faktoren.

350 Die Kommission hat im Übrigen in der Verhandlung eingeräumt, dass sie in der Entscheidung die systematisch berücksichtigten und in einer Pressekonferenz am Tag ihres Erlasses bekannt gegebenen Faktoren durchaus hätte aufzählen können. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Begründung einer Entscheidung nach ständiger Rechtsprechung in der Entscheidung selbst enthalten sein muss und dass nachträgliche Erläuterungen der Kommission nur unter außergewöhnlichen Umständen berücksichtigt werden können (vgl. Urteil des Gerichts vom 2. Juli 1992 in der Rechtssache T-61/89, Dansk Pelsdyravlerforening/Kommission, Slg. 1992, II-1931, Randnr. 131; in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1991 in der Rechtssache T-30/89, Hilti/Kommission, Slg. 1991, II-1439, Randnr. 136).

351 Gleichwohl ist festzustellen, dass die Begründung zur Festlegung der Höhe der Geldbußen in den Randnummern 167 bis 172 der Entscheidung mindestens ebenso detailliert ist wie die Begründung in früheren Entscheidungen der Kommission, die ähnliche Zuwiderhandlungen betrafen. Zwar ist der Klagegrund eines Begründungsmangels von Amts wegen zu berücksichtigen, doch hatte der Gemeinschaftsrichter zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung noch in keinem Fall die Praxis der Kommission bei der Begründung der festgesetzten Geldbußen gerügt. Erst im Urteil vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-148/89 (Tréfilunion/Kommission, Slg. 1995, II-1063, Randnr. 142) und in zwei anderen Urteilen vom selben Tag in den Rechtssachen T-147/89 (Société métallurgique de Normandie/Kommission, Slg. 1995, II-1057, abgekürzte Veröffentlichung) und T-151/89 (Société des treillis et panneaux soudés/Kommission, Slg. 1995, II-1191, abgekürzte Veröffentlichung) hat es das Gericht erstmals als wünschenswert bezeichnet, dass die Unternehmen die Berechnungsweise der gegen sie verhängten Geldbuße im Einzelnen in Erfahrung bringen können, ohne zu diesem Zweck gerichtlich gegen die Entscheidung der Kommission vorgehen zu müssen.

352 Folglich muss die Kommission, wenn sie in einer Entscheidung eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln feststellt und gegen die daran beteiligten Unternehmen Geldbußen verhängt und wenn sie systematisch bestimmte Grundelemente bei der Festlegung der Höhe der Geldbußen heranzieht, diese Elemente in der Entscheidung selbst angeben, um es deren Adressaten zu ermöglichen, die Richtigkeit der Höhe der Geldbuße zu überprüfen und festzustellen, ob eine Diskriminierung vorliegt.

353 Unter den zuvor in Randnummer 351 genannten besonderen Umständen und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Kommission bereit war, im gerichtlichen Verfahren alle Auskünfte über den Berechnungsmodus der Geldbußen zu geben, kann das Fehlen einer speziellen Begründung für den Berechnungsmodus der Geldbußen in der Entscheidung im vorliegenden Fall nicht als Verstoß gegen die Begründungspflicht angesehen werden, der die völlige oder teilweise Nichtigerklärung der festgesetzten Geldbußen rechtfertigt. Die Klägerin hat überdies auch nicht dargelegt, dass sie daran gehindert worden wäre, von ihren Verteidigungsrechten sachgerecht Gebrauch zu machen.

354 Der vorliegende Klagegrund ist daher zurückzuweisen."

Zum Klagegrund eines methodischen Fehlers bei der Berechnung der Geldbuße

24 Die Rechtsmittelführerin trug vor dem Gericht vor, die Kommission habe bei der Festsetzung der Geldbuße die Wirkungen der Währungsschwankungen außer Acht gelassen, da sowohl die spanische Peseta als auch die italienische Lira seit 1990 gegenüber dem Ecu und den anderen europäischen Währungen stark gefallen seien. Sie fügte hinzu, Faktoren wie Währungsschwankungen, die mit der zu ahndenden Zuwiderhandlung nichts zu tun hätten und ihrem Urheber nicht anzulasten seien, dürften keinen Einfluss auf die Höhe der Geldbuße haben. Die Entscheidung habe auch zu ungerechtfertigten Ungleichbehandlungen geführt, da die Währungsschwankungen das Verhältnis zwischen den verschiedenen festgesetzten Geldbußen grundlegend verändert hätten. Die Kommission sei nicht verpflichtet, die Geldbuße in Ecu anzugeben, und hätte sie daher in Landeswährung angeben müssen, um ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen zu verhindern.

25 Das Gericht führte dazu aus:

"392 Gemäß Artikel 4 der Entscheidung sind die festgesetzten Geldbußen in Ecu zu zahlen.

393 Die Kommission ist nicht daran gehindert, die Geldbuße in Ecu anzugeben, einer in Landeswährung konvertierbaren Währungseinheit. Dies erleichtert es den Unternehmen im Übrigen, die Beträge der festgesetzten Geldbußen miteinander zu vergleichen. Außerdem unterscheidet die Umrechnungsmöglichkeit des Ecu in Landeswährung diese Währungseinheit von der in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 erwähnten "Rechnungseinheit", bei der nach der ausdrücklichen Feststellung des Gerichtshofes der Betrag der Geldbuße zwangsläufig in Landeswährung bestimmt werden musste, da sie keine Währung ist, in der Zahlungen vorgenommen werden können (Urteil Société anonyme générale sucrière u. a./Kommission, Randnr. 15).

394 Den Einwänden der Klägerin gegen die Methode der Kommission, den Umsatz der Unternehmen im Referenzjahr zum durchschnittlichen Wechselkurs dieses Jahres (1990) in Ecu umzurechnen, ist nicht zu folgen.

395 Zunächst muss die Kommission bei der Berechnung der Geldbußen gegen Unternehmen, die wegen Beteiligung an derselben Zuwiderhandlung verfolgt werden, normalerweise dieselbe Methode anwenden (vgl. Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 122).

396 Sodann muss sie, um die verschiedenen mitgeteilten Umsätze, die in den jeweiligen Landeswährungen der betreffenden Unternehmen angegeben sind, miteinander vergleichen zu können, diese Zahlen in dieselbe Währungseinheit umrechnen. Da sich der Wert des Ecu nach dem Wert aller Landeswährungen der Mitgliedstaaten richtet, hat die Kommission die Umsätze der einzelnen Unternehmen zu Recht in Ecu umgerechnet.

397 Sie hat sich auch zu Recht auf den Umsatz im Referenzjahr (1990) gestützt und diesen Umsatz auf der Grundlage der durchschnittlichen Wechselkurse dieses Jahres in Ecu umgerechnet. Zum einen hat es ihr die Heranziehung des von den einzelnen Unternehmen im Referenzjahr - dem letzten vollständigen in den Zeitraum der Zuwiderhandlung einbezogenen Jahr - erzielten Umsatzes ermöglicht, die Größe und die Wirtschaftskraft jedes Unternehmens sowie das Ausmaß der von jedem von ihnen begangenen Zuwiderhandlung einzuschätzen; dies sind für die Beurteilung der Schwere der von den einzelnen Unternehmen begangenen Zuwiderhandlung relevante Gesichtspunkte (vgl. Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission, Randnrn. 120 und 121). Zum anderen konnte sie durch die Heranziehung der durchschnittlichen Wechselkurse im gewählten Referenzjahr bei der Umrechnung der fraglichen Umsätze in Ecu verhindern, dass etwaige Währungsschwankungen seit der Beendigung der Zuwiderhandlung die Beurteilung der relativen Größe und Wirtschaftskraft der Unternehmen sowie des Ausmaßes der von jedem von ihnen begangenen Zuwiderhandlung und damit die Beurteilung der Schwere dieser Zuwiderhandlung beeinflussen. Die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung muss sich nämlich auf die tatsächliche wirtschaftliche Lage zur Zeit ihrer Begehung beziehen.

398 Folglich kann dem Vorbringen, dass der Umsatz im Referenzjahr auf der Grundlage des zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung geltenden Wechselkurses in Ecu hätte umgerechnet werden müssen, nicht gefolgt werden. Die Methode, die Geldbuße unter Heranziehung des durchschnittlichen Wechselkurses im Referenzjahr zu berechnen, erlaubt es, die zufälligen Auswirkungen von Änderungen des tatsächlichen Wertes der Landeswährungen auszuschließen, die zwischen dem Referenzjahr und dem Jahr des Erlasses der Entscheidung eintreten können und im vorliegenden Fall auch eingetreten sind. Diese Methode kann zwar dazu führen, dass ein bestimmtes Unternehmen einen Betrag zahlen muss, der - in Landeswährung - nominal höher oder niedriger ist als der Betrag, der bei Anwendung des Wechselkurses zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung hätte gezahlt werden müssen; dies ist jedoch nur die logische Folge der Schwankungen des tatsächlichen Wertes der einzelnen Landeswährungen.

399 Hinzu kommt, dass mehrere Adressaten der Entscheidung Kartonwerke in mehr als einem Land besitzen (vgl. Randnrn. 7, 8 und 11 der Entscheidung). Außerdem sind die Adressaten der Entscheidung im Allgemeinen über örtliche Vertretungen in mehr als einem Mitgliedstaat tätig. Sie arbeiten folglich mit mehreren nationalen Währungen. Die Klägerin selbst erzielt einen beträchtlichen Teil ihres Umsatzes auf den Exportmärkten. Werden mit einer Entscheidung der in Rede stehenden Art Verstöße gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages geahndet, und sind die Adressaten der Entscheidung im Allgemeinen in mehreren Mitgliedstaaten tätig, so besteht der zum durchschnittlichen Wechselkurs des Referenzjahres in Ecu umgerechnete Umsatz dieses Jahres aus der Summe der Umsätze in allen Ländern, in denen das Unternehmen tätig ist. Er trägt somit der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation der betreffenden Unternehmen im Referenzjahr voll und ganz Rechnung.

400 Schließlich ist zu prüfen, ob die Behauptung der Klägerin zutrifft, dass die in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 vorgesehene Obergrenze von "zehn vom Hundert des... im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes" infolge der nach dem Referenzjahr eingetretenen Währungsschwankungen überschritten wurde.

401 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes bezieht sich der in dieser Bestimmung genannte Prozentsatz auf den Gesamtumsatz des fraglichen Unternehmens (Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 119).

402 Das "letzte Geschäftsjahr" im Sinne von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 ist das dem Erlass der Entscheidung vorangegangene Jahr, d. h. im vorliegenden Fall das letzte vollständige Geschäftsjahr jedes betroffenen Unternehmens am 13. Juli 1994.

403 In Anbetracht dieser Gesichtspunkte ist auf der Grundlage der von der Klägerin in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts gegebenen Auskünfte festzustellen, dass der Betrag der Geldbuße, umgerechnet in Landeswährung zu dem zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Entscheidung geltenden Wechselkurs, 10 % des Gesamtumsatzes der Klägerin im Jahr 1993 nicht übersteigt.

404 Nach alledem ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen."

Zum Klagegrund einer falschen Berechnung des Teils der Geldbuße, der auf die Prat Carton zur Last gelegte Zuwiderhandlung entfiel, und eines dabei begangenen Verstoßes gegen die Begründungspflicht

26 Die Rechtsmittelführerin machte vor dem Gericht geltend, die Kommission habe den Teil der Geldbuße, der auf die angeblich von Prat Carton begangene Zuwiderhandlung entfalle, insofern falsch berechnet, als sie den gleichen Prozentsatz des Umsatzes wie bei ihr, d. h. 9 %, verringert um ein Drittel wegen der Kooperation des Unternehmens während der Untersuchung des Falles, herangezogen habe. Die auf die Sitzungen des JMC von Juni 1990 bis März 1991 beschränkte Beteiligung von Prat Carton und die Tatsache, dass sie nicht zu den "Anführern" gehört habe, hätten aber eine Herabsetzung der Geldbuße gerechtfertigt.

27 Ferner rügte sie, dass die Berechnung des Teils der Geldbuße, der auf die Prat Carton zur Last gelegte Zuwiderhandlung entfalle, völlig undurchschaubar sei und einer Begründung entbehre.

28 Das Gericht kam insoweit zu folgendem Ergebnis:

"409 Nach Angaben der Kommission beträgt die gegen die Klägerin festgesetzte Geldbuße 6 % der Summe des 1990 von ihr und Prat Carton erzielten Umsatzes (der bei den "Anführern" herangezogene Satz von 9 %, verringert um ein Drittel wegen der als kooperativ eingestuften Haltung der Klägerin). Auch wenn es in einem solchen Fall wünschenswert ist, dass die Entscheidung eine ausführlichere Begründung der angewandten Berechnungsmethode enthält, ist die von der Klägerin erhobene Rüge eines Verstoßes gegen Artikel 190 des Vertrages aus den bereits genannten Gründen (siehe oben, Randnrn. 351 bis 353) zurückzuweisen.

410 Des Weiteren hat die Kommission, wie bereits festgestellt wurde (siehe oben, Randnr. 250), nachgewiesen, dass sich Prat Carton in der Zeit von Juni 1990 bis Februar 1991 an der Preisabsprache und an der Absprache über die Abstellzeiten beteiligte. Dagegen hat sie weder die Beteiligung von Prat Carton an einer Absprache über die Marktanteile im selben Zeitraum noch ihre Beteiligung an einem der in Artikel 1 der Entscheidung beschriebenen Bestandteile der Zuwiderhandlung zwischen Mitte 1986 und Juni 1990 hinreichend nachgewiesen.

411 In Anbetracht der Tatsache, dass sich Prat Carton nur an einigen Bestandteilen der Zuwiderhandlung beteiligte und dass sich ihre Beteiligung auf einen kürzeren als den von der Kommission angenommenen Zeitraum erstreckte, ist die gegen die Klägerin festgesetzte Geldbuße herabzusetzen.

412 Da im vorliegenden Fall kein anderer der von der Klägerin geltend gemachten Klagegründe eine Herabsetzung der Geldbuße rechtfertigt, setzt das Gericht diese in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung auf 14 000 000 ECU fest."

Das Rechtsmittel

29 Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Rechtsmittelführerin, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Gericht zurückzuverweisen, falls der Gerichtshof den Rechtsstreit nicht für entscheidungsreif halte, sowie die Entscheidung für nichtig zu erklären und, hilfsweise, die gegen sie verhängte Geldbuße herabzusetzen.

30 Zur Stützung ihres Rechtsmittels beruft sich die Rechtsmittelführerin auf folgende fünf Gründe:

- eine falsche Auslegung der Entscheidung in Bezug auf die ihr tatsächlich zur Last gelegte Zuwiderhandlung;

- eine falsche Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts in Bezug auf die automatisch wettbewerbswidrige Wirkung der Teilnahme von Sarrió an den Treffen der Hersteller, hilfsweise die mangelnde Berücksichtigung der Tatsache, dass Sarrió das Kartell nicht umgesetzt habe, und höchst hilfsweise eine falsche Einordnung der begangenen Zuwiderhandlung;

- die mangelnde Berücksichtigung der unzureichenden Begründung für die Berechnung der Geldbuße und einen Widerspruch zwischen Gründen und Tenor;

- die mangelnde Berücksichtigung des methodischen Fehlers bei der Berechnung der Geldbuße;

- einen Widerspruch zwischen Gründen und Tenor in Bezug auf die Herabsetzung der Geldbuße.

Zum ersten Rechtsmittelgrund

31 Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht vor, die Entscheidung dadurch falsch ausgelegt zu haben, dass es in Randnummer 53 des angefochtenen Urteils die Ansicht vertreten habe, in der Entscheidung werde keine unmittelbar die tatsächlichen Verkaufspreise betreffende Absprache gerügt, sondern die Teilnahme an einer Absprache in Bezug auf die angekündigten Preise, die zu einer Erhöhung der tatsächlichen Verkaufspreise geführt habe.

32 Die Unterscheidung zwischen der Absprache über die angekündigten Preise und der Absprache über die tatsächlichen Verkaufspreise sei im Rahmen der Prüfung einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln von besonderer Bedeutung, wie der Gerichtshof im Urteil vom 31. März 1993 in den Rechtssachen C-89/85, C-104/85, C-114/85, C-116/85, C-117/85 und C-125/85 bis C-129/85 (Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, Slg. 1993, I-1307) deutlich gemacht habe.

33 Da die Kommission wegen aller gerügten Zuwiderhandlungen eine einzige Geldbuße festgesetzt habe, hätte diese Geldbuße herabgesetzt werden müssen, wenn sich herausgestellt hätte, dass die Rechtsmittelführerin wegen Handlungen, die sie nicht begangen habe, mit einer Sanktion belegt worden sei. Das Gericht habe sich stattdessen mit der Unterscheidung zwischen der unmittelbaren und der mittelbaren Abstimmung der tatsächlichen Preise beschäftigt und es nicht für erforderlich gehalten, zu prüfen, ob es Beweise in Bezug auf die tatsächlichen Verkaufspreise gebe, und so festzustellen, ob die von der Rechtsmittelführerin begangene Zuwiderhandlung tatsächlich ein geringeres als das von der Kommission behauptete Ausmaß gehabt habe.

34 Die Kommission hält diesen Rechtsmittelgrund für unzulässig. Die Forderung, das angefochtene Urteil aufzuheben, weil darin festgestellt werde, dass der Rechtsmittelführerin eine Absprache über die angekündigten Preise und nicht - wie in der Entscheidung fälschlich angegeben - über die tatsächlichen Verkaufspreise vorzuwerfen sei, setze nämlich eine rein tatsächliche Würdigung des Verhaltens der Rechtsmittelführerin voraus, für die der Gerichtshof nicht zuständig sei.

35 Dieser Einrede der Unzulässigkeit kann nicht gefolgt werden. Der Vorwurf der Rechtsmittelführerin, das Gericht habe die Entscheidung falsch ausgelegt, betrifft eine Rechtsfrage, die im Rahmen eines Rechtsmittels geprüft werden kann.

36 In der Sache hält die Kommission die Auslegung der Entscheidung durch das Gericht für zutreffend; aus der Entscheidung gehe hervor, dass sich die Preisabsprachen auf die Preise ausgewirkt hätten, die die Rechtsmittelführerin tatsächlich von ihren Kunden verlangt habe (vgl. Randnr. 101 und Artikel 1 der Entscheidung sowie die Randnrn. 56, 57 und 60 des angefochtenen Urteils), ohne dass damit die Möglichkeit ausgeschlossen worden sei, dass die angekündigten und die tatsächlichen Preise aufgrund geschäftlicher Erfordernisse voneinander abwichen.

37 Bei der Auslegung der Entscheidung und der Beurteilung des Umfangs der der Rechtsmittelführerin zur Last gelegten Zuwiderhandlung hat das Gericht sowohl den verfügenden Teil der Entscheidung als auch deren Begründung geprüft (vgl. Randnrn. 51 bis 53 des angefochtenen Urteils).

38 Am Ende dieser Prüfung kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass die fragliche Zuwiderhandlung in einer Absprache über die Festsetzung von Listenpreisen bestanden habe, die aber auf eine Erhöhung der Rechnungspreise abgezielt habe (Randnr. 53 des angefochtenen Urteils); diese Auswirkung hat die Rechtsmittelführerin in der Verhandlung vor dem Gericht eingeräumt (Randnr. 57 des angefochtenen Urteils). Hierzu hat das Gericht in Randnummer 57 des angefochtenen Urteils zu Recht ausgeführt, dass

"die Festlegung einheitlicher, von den Herstellern vereinbarter Listenpreise ohne jede Bedeutung [wäre], wenn diese Preise im Endeffekt keine Auswirkung auf die tatsächlichen Verkaufspreise haben sollten".

39 Das Vorbringen der Rechtsmittelführerin kann die Schlussfolgerung des Gerichts nicht in Frage stellen, dass die Listenpreise gemeinsam festgelegt wurden, auch wenn mit dem Kartell eine Vereinheitlichung der tatsächlichen Verkaufspreise angestrebt wurde. Die Rechtsmittelführerin hat nicht nachgewiesen und im Übrigen auch nicht nachzuweisen versucht, dass die Urteilsgründe widersprüchlich sind oder nach dem Inhalt der dem Gericht vorgelegten Akten einen tatsächlichen Fehler enthalten, der zu einem Begründungsmangel des angefochtenen Urteils führen könnte.

40 Folglich ist der erste Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund

41 Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht in erster Linie vor, ihr Vorbringen zurückgewiesen zu haben, wonach ihre Teilnahme an Treffen verschiedener Organe der PG Karton, eines Berufsverbandes mit im Wesentlichen rechtmäßigen Zielen, als Beweis für ihre Beteiligung an einem die Aufrechterhaltung der Marktanteile und geplante Produktionsunterbrechungen zur Angebotskontrolle betreffenden Kartell nicht ausreichen könne.

42 Die Teilnahme eines Unternehmens an einem Treffen mit wettbewerbsfeindlichem Gegenstand stelle als solche kein Verhalten dar, das mit einer Sanktion belegt werden könne; die Kommission müsse nachweisen, dass das Unternehmen die bei einem solchen Treffen gefassten Beschlüsse umgesetzt habe. Von dem Unternehmen den Nachweis zu verlangen, dass es sich tatsächlich von diesen Beschlüssen distanziert, d. h., sie weder gebilligt noch umgesetzt habe, würde ihm eine unerfuellbare Beweislast auferlegen.

43 Das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, als es in Randnummer 118 des angefochtenen Urteils Folgendes ausgeführt habe:

"[D]ie Tatsache, dass sich ein Unternehmen den Ergebnissen von Sitzungen mit offensichtlich wettbewerbsfeindlichem Gegenstand nicht beugt, [ist] nicht geeignet, es von seiner vollen Verantwortlichkeit für seine Teilnahme am Kartell zu entlasten, wenn es sich nicht offen vom Inhalt der Sitzungen distanziert hat... Selbst wenn man annimmt, dass das Marktverhalten der Klägerin nicht dem vereinbarten Verhalten entsprach, ändert dies somit nichts an ihrer Verantwortlichkeit für eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages."

44 Hilfsweise macht die Rechtsmittelführerin geltend, es sei zwar richtig, dass nach ständiger Rechtsprechung die Zustimmung zu einer Vereinbarung mit wettbewerbswidrigem Ziel ausreiche, um die Verantwortung eines Unternehmens für einen Verstoß gegen Artikel 85 des Vertrages auszulösen, doch sei es unhaltbar, ein Unternehmen, das der Vereinbarung lediglich zugestimmt habe, ebenso zu behandeln wie ein Unternehmen, das diese Vereinbarung auch umgesetzt habe. Das Gericht habe aber in den Randnummern 115 bis 118 des angefochtenen Urteils die Tatsache, dass es keinen Beweis für eine Umsetzung der zur Stabilisierung der Marktanteile und zur Angebotskontrolle gefassten Beschlüsse durch die Rechtsmittelführerin gebe, nicht einmal berücksichtigt, um zwischen ihrer Verantwortung für die Zuwiderhandlung und der Verantwortung anderer Unternehmen, die der Vereinbarung nachgekommen seien, zu unterscheiden.

45 Hoechst hilfsweise rügt die Rechtsmittelführerin schließlich, dass das Gericht davon ausgegangen sei, dass die ihr zur Last gelegte Zuwiderhandlung in der Beteiligung an einem Kartell bestehe; der einzige Vorwurf, der ihr gemacht werden könnte, sei aber die Teilnahme an einem Informationsaustausch, die eine weit weniger schwerwiegende Zuwiderhandlung darstelle.

46 Die Rechtsmittelführerin wendet sich insoweit gegen die Ausführungen des Gerichts, dass ihr Klagegrund eines Fehlers der Kommission bei der Beurteilung des Informationsaustauschsystems der FIDES unzulässig sei, da sie ihn erstmals in der Erwiderung geltend gemacht habe (vgl. Randnrn. 155 und 156 des angefochtenen Urteils). Die Rechtsmittelführerin verweist dabei auf Punkt 46 ihrer Klageschrift.

47 Das Gericht kam nach Prüfung der Akten der Kommission und insbesondere der Aussagen der Stora Kopparbergs Bergslags AB (im Folgenden: Stora) zu dem Ergebnis, dass die Kommission das Vorliegen einer Absprache der Teilnehmer an den Sitzungen des PWG sowohl über die Marktanteile (Randnrn. 76 bis 87 des angefochtenen Urteils) als auch über die Produktionsunterbrechungen ordnungsgemäß nachgewiesen habe. Es wies die Einwände zurück, die die Rechtsmittelführerin insbesondere gegen die Aussagen von Stora erhoben hatte (Randnrn. 107 bis 113 des angefochtenen Urteils).

48 Die Rechtsmittelführerin hat die Schlussfolgerungen des Gerichts zum Vorliegen der oben genannten doppelten Absprache nicht in Frage gestellt. Ihr Vorbringen betrifft in Wirklichkeit die Umsetzung oder ihre angebliche Nichtumsetzung der wettbewerbswidrigen Beschlüsse.

49 Insoweit war das Gericht im Anschluss an die - auf einer Tatsachenwürdigung beruhende - Feststellung, dass die Kommission die Absprache über die Stabilisierung der Marktanteile und die Angebotskontrolle und nicht deren eigentliche Umsetzung als Zuwiderhandlung angesehen habe und dass die Rechtsmittelführerin an dieser Absprache teilgenommen habe, zu der Annahme berechtigt, dass die Behauptungen der Rechtsmittelführerin zu ihrem tatsächlichen Marktverhalten nichts an ihrer Verantwortlichkeit für eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages ändern könnten (Randnr. 118, letzter Satz, des angefochtenen Urteils).

50 Dem Gericht ist darin zuzustimmen, dass die Teilnahme eines Unternehmens an Sitzungen mit wettbewerbswidrigem Gegenstand objektiv zur Entstehung oder Stärkung eines Kartells führt und dass der Umstand, dass ein Unternehmen die Ergebnisse dieser Sitzungen nicht umsetzt, es nicht von seiner Verantwortung für die Teilnahme am Kartell entlasten kann, sofern es sich nicht offen vom Inhalt der gefassten Beschlüsse distanziert. Wie aus dem angefochtenen Urteil hervorgeht, wurden vor dem Gericht keine Beweise für eine solche offene Distanzierung erbracht.

51 Somit ist in Bezug auf die Zuwiderhandlung, für die die Rechtsmittelführerin zur Verantwortung gezogen wurde, davon auszugehen, dass ihr Vorbringen vor dem Gericht zu ihrem tatsächlichen Marktverhalten nicht stichhaltig war, so dass es keinen Grund gibt, dem Gericht vorzuwerfen, dieses Vorbringen bei der Beurteilung ihrer Verantwortlichkeit nicht berücksichtigt zu haben. Jedenfalls ist nach den bindenden Feststellungen des Gerichts zum einen nie behauptet worden, dass die Absprache über die Marktanteile zu deren vollständigem Einfrieren geführt habe; zum anderen war bis 1990 die Begrenzung des Angebots durch abgestimmte Produktionsunterbrechungen wegen der starken Nachfrage nicht erforderlich, so dass die Tatsache, dass Sarrió ihre Produktion 1990 und 1991 nicht vorübergehend unterbrach, keineswegs beweist, dass sie nichts mit der gerügten Absprache zu tun hatte (Randnr. 117 des angefochtenen Urteils).

52 Schließlich ist in Bezug auf die Rüge, das Gericht habe den Klagegrund einer falschen Beurteilung des Informationsaustauschsystems der FIDES durch die Kommission zu Unrecht als unzulässig angesehen, dem Hinweis der Kommission zuzustimmen, dass Punkt 46 der Klageschrift, auf den die Rechtsmittelführerin verweist, keine Würdigung dieser Frage durch die Kommission betrifft, sondern den Standpunkt der Rechtsmittelführerin zum Ausdruck bringt, dass der Informationsaustausch und die Abstimmung der angekündigten Preise weniger streng als die Abstimmung der tatsächlichen Preise hätten geahndet werden müssen.

53 Daraus folgt, dass der zweite Rechtsmittelgrund zurückzuweisen ist.

Zum dritten Rechtsmittelgrund

54 Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht vor, dadurch einen Rechtsfehler begangen zu haben, dass es die Entscheidung nicht wegen unzureichender Begründung für nichtig erklärt habe, obwohl es in Randnummer 347 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass die Kommission die bei der Festlegung der Höhe der Geldbußen systematisch herangezogenen Faktoren in der Entscheidung nicht angegeben habe.

55 Solche Angaben müssten nach ständiger Rechtsprechung, auf die das Gericht in Randnummer 350 des angefochtenen Urteils hinweise, in der Entscheidung selbst enthalten sein; nachträgliche Erläuterungen der Kommission gegenüber der Presse oder im Verfahren vor dem Gericht könnten nur unter außergewöhnlichen Umständen berücksichtigt werden. Wie das Gericht in Randnummer 350 ausdrücklich festgestellt habe, habe die Kommission in der Verhandlung eingeräumt, dass sie in der Entscheidung die fraglichen Gesichtspunkte durchaus hätte aufzählen können. Unter diesen Umständen hätte das Gericht nicht berücksichtigen dürfen, "dass die Kommission bereit war, im gerichtlichen Verfahren alle Auskünfte über den Berechnungsmodus der Geldbußen zu geben" (Randnr. 353 des angefochtenen Urteils).

56 Ferner habe das Gericht zu Unrecht berücksichtigt, dass die Kommission bei Erlass der Entscheidung die vom Gericht in seinen Urteilen Tréfilunion/Kommission, Société métallurgique de Normandie/Kommission und Société des treillis et panneaux soudés/Kommission (im Folgenden: Betonstahlmatten-Urteile), auf die in Randnummer 351 des angefochtenen Urteils verwiesen werde, vorgenommene Auslegung der Anforderungen von Artikel 190 EG-Vertrag (jetzt Artikel 253 EG) im Bereich der Festsetzung von Geldbußen noch nicht gekannt habe und dass die Begründung der Entscheidung der früherer Entscheidungen der Kommission entspreche (Randnr. 351 des angefochtenen Urteils).

57 Dieser Standpunkt sei rechtlich fehlerhaft. Die Tatsache, dass das Gericht den Umfang der Begründungspflicht noch nicht klargestellt habe, bedeute nicht, dass die Kommission zu keiner Begründung verpflichtet sei. Das Gericht dürfe zudem keine Rechtsregeln für die Zukunft aufstellen, wenn es diese nicht sogleich auf den zu entscheidenden Fall anwende und dadurch die Auswirkungen einer Entscheidung der Kommission aufrechterhalte, deren unzureichende Begründung es selbst festgestellt habe.

58 Die Kommission hält den dritten Rechtsmittelgrund für unzulässig. Sie verweist auf das Urteil des Gerichtshofes vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-219/95 P (Ferriere Nord/Kommission, Slg. 1997, I-4411, Randnr. 31) aus dem hervorgehe, dass der Gerichtshof, wenn er im Rahmen eines Rechtsmittels über Rechtsfragen entscheide, die Beurteilung des Gerichts, das in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung über die Höhe von Geldbußen entschieden habe, die gegen Unternehmen wegen ihres Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht festgesetzt worden seien, nicht aus Gründen der Billigkeit durch seine eigene Beurteilung ersetzen könne.

59 Die Kommission fügt hinzu, sie verfüge bei der Festsetzung von Geldbußen über ein Ermessen (vgl. Urteil Ferriere Nord/Kommission, Randnrn. 32 und 33), das verhindern solle, dass die Unternehmen von vornherein genau wüssten, welche Geldbuße bei rechtswidrigem Verhalten gegen sie verhängt werden könne, und dadurch veranlasst würden, sich anhand rein finanzieller Erwägungen rechtmäßig oder rechtswidrig zu verhalten (vgl. Urteil des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-150/89, Martinelli/Kommission, Slg. 1995, II-1165, Randnr. 59).

60 Die Randnummern 349 bis 353 des angefochtenen Urteils seien an sich überfluessig, da dort auf die Konsequenzen der Betonstahlmatten-Urteile hingewiesen werde. Überdies habe die Rechtsmittelführerin diese Urteile falsch verstanden. Das Gericht habe dort, wie im angefochtenen Urteil, den Wunsch nach größerer Transparenz der angewandten Berechnungsmethode geäußert. Dabei habe das Gericht die fehlende Transparenz nicht als Begründungsmangel der Entscheidung eingestuft. Der Standpunkt des Gerichts sei allenfalls aus dem Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung abzuleiten, ohne dass der Verstoß gegen diesen Grundsatz für sich genommen einen Grund für die Nichtigerklärung der Entscheidung darstellen könne.

61 Zuerst sind die verschiedenen Stufen der Erwägungen darzulegen, mit denen das Gericht auf den Klagegrund einer Verletzung der Begründungspflicht bei der Berechnung der Geldbußen eingegangen ist.

62 Das Gericht hat zunächst in Randnummer 341 des angefochtenen Urteils auf die ständige Rechtsprechung hingewiesen, nach der die Pflicht zur Begründung von Einzelfallentscheidungen den Zweck hat, dem Gemeinschaftsrichter die Überprüfung der Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu ermöglichen und den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, dass er erkennen kann, ob die Entscheidung zutreffend begründet oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der ihre Anfechtung ermöglicht; dabei hängt der Umfang der Begründungspflicht von der Art des fraglichen Rechtsakts und den Umständen ab, unter denen er erlassen wurde (vgl. neben der vom Gericht genannten Rechtsprechung u. a. Urteil vom 15. April 1997 in der Rechtssache C-22/94, Irish Farmers Association u. a., Slg. 1997, I-1809, Randnr. 39).

63 Sodann hat das Gericht in Randnummer 342 des angefochtenen Urteils ausgeführt, wenn es sich um eine Entscheidung handele, mit der wie im vorliegenden Fall gegen mehrere Unternehmen wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft Geldbußen festgesetzt würden, sei bei der Bestimmung des Umfangs der Begründungspflicht insbesondere zu berücksichtigen, dass die Schwere der Zuwiderhandlungen von einer Vielzahl von Gesichtspunkten abhänge, zu denen die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehörten, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (Beschluss des Gerichtshofes vom 25. März 1996 in der Rechtssache C-137/95 P, SPO u. a./Kommission, Slg. 1996, I-1611, Randnr. 54).

64 Insoweit hat das Gericht in Randnummer 348 des angefochtenen Urteils folgende Auffassung vertreten:

"[D]ie Randnummern 169 bis 172 der Entscheidung [enthalten] bei einer Auslegung im Licht der in der Entscheidung zu findenden eingehenden Darstellung der jedem ihrer Adressaten zur Last gelegten Sachverhalte ausreichende und sachgerechte Angaben zu den Gesichtspunkten..., die bei der Beurteilung der Schwere und der Dauer der von den einzelnen Unternehmen begangenen Zuwiderhandlung herangezogen wurden (in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 1991 in der Rechtssache T-2/89, Petrofina/Kommission, Slg. 1991, II-1087, Randnr. 264)."

65 In den Randnummern 349 bis 353 des angefochtenen Urteils hat das Gericht die Tragweite der Ausführungen in Randnummer 348 jedoch in nicht widerspruchsfreier Weise abgeschwächt.

66 Den Randnummern 349 und 350 des angefochtenen Urteils zufolge enthält die Entscheidung keine genauen Angaben zu den Faktoren, die die Kommission bei der Festlegung der Höhe der Geldbußen systematisch herangezogen hat, obwohl sie diese hätte offen legen können und den Unternehmen damit die Beurteilung der Frage erleichtert hätte, ob die Kommission bei der Festlegung der Höhe der individuellen Geldbuße Fehler begangen hat und ob deren Höhe in Anbetracht der angewandten allgemeinen Kriterien gerechtfertigt ist. In Randnummer 351 des angefochtenen Urteils hat das Gericht hinzugefügt, es sei in den Betonstahlmatten-Urteilen als wünschenswert bezeichnet worden, dass die Unternehmen die Berechnungsweise der gegen sie verhängten Geldbuße im Einzelnen in Erfahrung bringen könnten, ohne zu diesem Zweck gerichtlich gegen die Entscheidung der Kommission vorgehen zu müssen.

67 Schließlich ist das Gericht in Randnummer 353 des angefochtenen Urteils zu dem Ergebnis gekommen, dass das "Fehlen einer speziellen Begründung für den Berechnungsmodus der Geldbußen in der Entscheidung" aufgrund der besonderen Umstände des Falles - Offenlegung der Berechnungsfaktoren im gerichtlichen Verfahren und neue Auslegung von Artikel 190 des Vertrages in den Betonstahlmatten-Urteilen - nicht zu beanstanden sei.

68 Bevor auf das Vorbringen der Rechtsmittelführerin hin die Stichhaltigkeit der Erwägungen geprüft wird, die das Gericht zu der Frage angestellt hat, welche Konsequenzen sich für die Einhaltung der Begründungspflicht aus der Offenlegung der Berechnungsfaktoren im gerichtlichen Verfahren und der Neuartigkeit der Betonstahlmatten-Urteile ergeben könnten, ist zu klären, ob die Kommission zur Erfuellung der in Artikel 190 des Vertrages aufgestellten Begründungspflicht außer den Gesichtspunkten, die ihr die Ermittlung von Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung ermöglichten, eingehendere Angaben zum Berechnungsmodus der Geldbußen in die Entscheidung hätte aufnehmen müssen.

69 In Verfahren über Klagen gegen Entscheidungen der Kommission, mit denen gegen Unternehmen wegen Verletzung der Wettbewerbsregeln Geldbußen festgesetzt werden, verfügt das Gericht über zweierlei Befugnisse.

70 Zum einen hat es gemäß Artikel 173 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 EG) ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen. In diesem Rahmen muss es u. a. die Einhaltung der in Artikel 190 des Vertrages aufgestellten Begründungspflicht überwachen, bei deren Verletzung die Entscheidung für nichtig erklärt werden kann.

71 Zum anderen hat es im Rahmen der ihm durch Artikel 172 EG-Vertrag (jetzt Artikel 229 EG) und Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 eingeräumten Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zu beurteilen, ob die Höhe der Geldbußen angemessen ist. Diese Beurteilung kann die Vorlage und Heranziehung zusätzlicher Informationen erfordern, die an sich nicht in der Entscheidung erwähnt zu werden brauchen, damit diese dem Begründungserfordernis gemäß Artikel 190 des Vertrages genügt.

72 Bei der Prüfung, ob die Begründungspflicht eingehalten wurde, ist zu beachten, dass es in Artikel 15 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 17 heißt: "Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist neben der Schwere des Verstoßes auch die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen."

73 Unter diesen Umständen sind im Hinblick auf die in den Randnummern 341 und 342 des angefochtenen Urteils erwähnte Rechtsprechung die Anforderungen an das wesentliche Formerfordernis, um das es sich bei der Begründungspflicht handelt, erfuellt, wenn die Kommission in ihrer Entscheidung die Beurteilungsgesichtspunkte angibt, die es ihr ermöglicht haben, Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung zu ermitteln. Fehlen diese Gesichtspunkte, so ist die Entscheidung wegen unzureichender Begründung für nichtig zu erklären.

74 Das Gericht hat in Randnummer 348 des angefochtenen Urteils zu Recht entschieden, dass die Kommission diesen Anforderungen genügt hat. Wie das Gericht feststellt, werden in den Randnummern 167 bis 172 der Entscheidung die Kriterien aufgeführt, die die Kommission bei der Berechnung der Geldbußen herangezogen hat. So betrifft Randnummer 167 u. a. die Dauer der Zuwiderhandlung; sie enthält ferner, ebenso wie Randnummer 168, die Erwägungen, auf die sich die Kommission bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und der Höhe der Geldbußen gestützt hat; in Randnummer 169 sind die Umstände genannt, die die Kommission bei der Festsetzung der Geldbußen gegen die einzelnen Unternehmen berücksichtigt hat; in Randnummer 170 werden die als "Anführer" des Kartells eingestuften Unternehmen genannt, die im Vergleich zu den anderen Unternehmen eine besondere Verantwortung trugen; schließlich werden in den Randnummern 171 und 172 die Konsequenzen für die Höhe der Geldbußen gezogen, die sich daraus ergeben, dass verschiedene Hersteller bei den Nachprüfungen zur Ermittlung des Sachverhalts oder in der Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte mit der Kommission zusammenarbeiteten.

75 Die Tatsache, dass später - bei einer Pressekonferenz oder im Lauf des gerichtlichen Verfahrens - genauere Informationen wie die Umsätze der Unternehmen oder der Umfang der Herabsetzung der Geldbußen durch die Kommission bekannt gegeben wurden, kann die Feststellung in Randnummer 348 des angefochtenen Urteils nicht in Frage stellen. Nähere Angaben des Autors einer angefochtenen Entscheidung, die eine für sich bereits ausreichende Begründung ergänzen, fallen nicht unter die eigentliche Begründungspflicht, auch wenn sie für die innere Kontrolle der Entscheidungsgründe durch den Gemeinschaftsrichter nützlich sein können, da das Organ so die seiner Entscheidung zugrunde liegenden Erwägungen erläutern kann.

76 Die Kommission darf zwar nicht durch den ausschließlichen und mechanischen Rückgriff auf mathematische Formeln auf ihr Ermessen verzichten. Es steht ihr jedoch frei, ihre Entscheidung mit einer Begründung zu versehen, die über die in Randnummer 73 des vorliegenden Urteils genannten Anforderungen hinausgeht und u. a. Zahlenangaben enthält, von denen sie sich vor allem hinsichtlich der angestrebten Abschreckungswirkung leiten ließ, als sie bei der Festsetzung von Geldbußen gegen mehrere Unternehmen, die in unterschiedlich starkem Maß an der Zuwiderhandlung teilgenommen hatten, ihr Ermessen ausübte.

77 Es kann wünschenswert sein, dass die Kommission von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, um den Unternehmen nähere Angaben zur Berechnungsweise der gegen sie verhängten Geldbuße zu verschaffen. Darüber hinaus kann dies zur Transparenz des Verwaltungshandelns beitragen und dem Gericht die Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung erleichtern, in deren Rahmen es außer der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung auch die Angemessenheit der festgesetzten Geldbuße zu beurteilen hat. Diese Befugnis ändert jedoch, wie die Kommission ausgeführt hat, nichts am Umfang der Begründungspflicht.

78 Folglich hat das Gericht die Tragweite von Artikel 190 des Vertrages verkannt, als es in Randnummer 352 des angefochtenen Urteils die Ansicht vertrat, dass "die Kommission, wenn sie... systematisch bestimmte Grundelemente bei der Festlegung der Höhe der Geldbußen heranzieht, diese Elemente in der Entscheidung selbst angeben [muss]". Ferner hat es sich in den Gründen des angefochtenen Urteils dadurch widersprochen, dass es im Anschluss an die Feststellung in Randnummer 348, dass die Entscheidung "ausreichende und sachgerechte Angaben zu den Gesichtspunkten [enthält], die bei der Beurteilung der Schwere und der Dauer der von den einzelnen Unternehmen begangenen Zuwiderhandlung herangezogen wurden", in Randnummer 353 vom "Fehlen einer speziellen Begründung für den Berechnungsmodus der Geldbußen in der Entscheidung" sprach.

79 Der somit vom Gericht begangene Rechtsfehler kann jedoch nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen, denn nach den vorstehenden Erwägungen hat das Gericht den Klagegrund einer Verletzung der Begründungspflicht bei der Berechnung der Geldbußen ungeachtet der Randnummern 349 bis 353 des angefochtenen Urteils zu Recht zurückgewiesen.

80 Da aus der Begründungspflicht nicht folgt, dass die Kommission in ihrer Entscheidung Zahlenangaben zur Berechnungsweise der Geldbußen machen musste, brauchen die verschiedenen Rügen der Rechtsmittelführerin, die auf dieser falschen Prämisse beruhen, nicht geprüft zu werden.

81 Folglich ist der dritte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

Zum vierten Rechtsmittelgrund

82 Mit dem vierten Rechtsmittelgrund beanstandet die Rechtsmittelführerin eine unzureichende Begründung. Zum einen habe das Gericht eine rein abstrakte Beurteilung der Rüge vorgenommen, dass durch die Festsetzung der Geldbußen in Ecu die Unternehmen benachteiligt worden seien, deren Landeswährung zwischen 1990, dem von der Kommission bei der Festsetzung der Geldbußen herangezogenen Referenzjahr, und 1994, dem Jahr des Erlasses der Entscheidung, an Wert verloren habe. Zum anderen sei es nicht auf die Rüge eingegangen, dass die Kommission zur Berechnung der Geldbuße den zum durchschnittlichen Wechselkurs des letzten vollständigen Jahres der Zuwiderhandlung in Ecu umgerechneten Umsatz dieses Jahres herangezogen habe und nicht den Umsatz im letzten Geschäftsjahr vor dem Erlass der Bußgeldentscheidung, nach dem sich gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 die Obergrenze von 10 % des Umsatzes des betroffenen Unternehmens richte.

83 Die Wahl des Umsatzes im letzten Jahr der Zuwiderhandlung könne insbesondere aufgrund der Schwankungen der Wechselkurse nicht unter allen Umständen gewährleisten, dass die Geldbuße in angemessenem Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung und zur Wirtschaftskraft der betroffenen Unternehmen stehe.

84 Die Randnummern 392 bis 404 des angefochtenen Urteils betreffen speziell die Heranziehung des Ecu bei der Festsetzung der Geldbußen und die Frage einer Ungleichbehandlung der am gleichen Kartell beteiligten Unternehmen. Die Rüge einer unzureichenden Begründung geht daher fehl.

85 Zur Rechtmäßigkeit der Heranziehung von zwei Referenzjahren, von denen das eine für die Ermittlung der Obergrenze der Geldbuße und das andere für die Beurteilung der Größe und Wirtschaftskraft des Unternehmens zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung maßgebend ist, ist zum einen festzustellen, dass sich, wie das Gericht in Randnummer 402 des angefochtenen Urteils ausführt, die in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 vorgesehene Obergrenze für Geldbußen, die über eine Million Rechnungseinheiten hinausgehen, von "zehn vom Hundert des... im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes" auf das Geschäftsjahr vor dem Erlass der Entscheidung bezieht. Es ist im Übrigen sachgerecht, bei der Ermittlung der Obergrenze einer Geldbuße, die gegen ein Unternehmen verhängt werden kann, das eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln begangen hat, auf dieses Geschäftsjahr abzustellen.

86 Zum anderen sind bei der Beurteilung von Größe und Wirtschaftskraft eines Unternehmens zur Zeit der Zuwiderhandlung zwangsläufig der während dieser Zeit erzielte Umsatz und daher die damals geltenden Umrechnungskurse und nicht die zum Zeitpunkt des Erlasses der Bußgeldentscheidung geltenden Kurse heranzuziehen. Andernfalls würde die jeweilige Größe der Unternehmen, die sich an der Zuwiderhandlung beteiligt haben, durch die Berücksichtigung äußerer, vom Zufall abhängiger Umstände wie z. B. der Entwicklung nationaler Währungen in der Folgezeit verfälscht (vgl. Urteil vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C-49/92 P, Kommission/Anic Partecipazioni, Slg. 1999, I-4125, Randnr. 165).

87 Im vorliegenden Fall hat die Rechtsmittelführerin nicht dargetan, inwiefern das Gericht durch die Billigung der Berechnungsmethode der Kommission, die auf dem Umsatz im letzten vollständig von der Zuwiderhandlung erfaßten Jahr beruht, gegen die Verordnung Nr. 17 oder gegen allgemeine Rechtsgrundsätze verstoßen haben soll.

88 Zunächst verbietet die Verordnung Nr. 17 nicht die Heranziehung des Ecu bei der Festsetzung von Geldbußen. Ferner hat die Kommission, wie das Gericht in den Randnummern 395 bis 399 des angefochtenen Urteils feststellt, bei der Berechnung der Geldbußen für die Unternehmen, die wegen Beteiligung an derselben Zuwiderhandlung verfolgt wurden, dieselbe Methode angewandt, die es ihr ermöglicht hat, Größe und Wirtschaftskraft jedes Unternehmens sowie das Ausmaß der begangenen Zuwiderhandlung anhand der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage zur Zeit der Begehung der Zuwiderhandlung zu beurteilen.

89 Schließlich handelt es sich speziell bei den Währungsschwankungen um einen Zufallsfaktor, der sich sowohl vorteilhaft als auch nachteilig auswirken kann, mit dem sich die Unternehmen im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit ständig auseinander setzen müssen und dessen Existenz als solche nicht zur Unangemessenheit einer Geldbuße führen kann, die anhand der Schwere der Zuwiderhandlung und des Umsatzes im letzten Jahr ihrer Begehung rechtmäßig festgesetzt wurde. Der Hoechstbetrag der Geldbuße, der sich gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 nach dem Umsatz im Geschäftsjahr vor dem Erlass der Entscheidung richtet, begrenzt jedenfalls etwaige nachteilige Auswirkungen der Währungsschwankungen.

90 Folglich ist der vierte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

Zum fünften Rechtsmittelgrund

91 Mit ihrem fünften Rechtsmittelgrund trägt die Rechtsmittelführerin vor, die Herabsetzung der Geldbuße durch das Gericht sei in Anbetracht seiner Feststellungen zur Teilnahme ihrer Tochtergesellschaft Prat Carton am Kartell unzureichend.

92 Unter Berücksichtigung der Korrekturen, die das Gericht hinsichtlich der Dauer der Zuwiderhandlung von Prat Carton und des nur geringen Umfangs ihrer Beteiligung an der Absprache vorgenommen habe, müsse es bei der Festsetzung der Geldbuße auf 14 Millionen ECU eine andere Berechnungsmethode als die Kommission gewählt haben; dies habe zu einer Ungleichbehandlung der am Kartell beteiligten Unternehmen geführt.

93 Hätte das Gericht die Berechnungsmethode der Kommission angewandt, so hätte die Geldbuße in Anbetracht der Korrekturen hinsichtlich der Beteiligung von Prat Carton an der Zuwiderhandlung um 250 000 ECU niedriger sein müssen.

94 Die Kommission bestreitet nicht, dass die Heranziehung ihrer Berechnungsmethode zu einer zusätzlichen Herabsetzung in der genannten Höhe geführt hätte, macht aber geltend, die Festsetzung der Geldbuße gehöre zur unbeschränkten Nachprüfungsbefugnis des Gerichts.

95 Wie aus Randnummer 250 des angefochtenen Urteils hervorgeht, hat das Gericht die Teilnahme von Prat Carton an der Zuwiderhandlung nur in Bezug auf die Absprache über Preise und Abstellzeiten, nicht aber in Bezug auf die Absprache über das Einfrieren der Marktanteile, und nur für die Zeit von Juni 1990 bis Februar 1991 als erwiesen angesehen. Deshalb führte das Gericht aus:

"411 In Anbetracht der Tatsache, dass sich Prat Carton nur an einigen Bestandteilen der Zuwiderhandlung beteiligte und dass sich ihre Beteiligung auf einen kürzeren als den von der Kommission angenommenen Zeitraum erstreckte, ist die gegen die Klägerin festgesetzte Geldbuße herabzusetzen.

412 Da im vorliegenden Fall kein anderer der von der Klägerin geltend gemachten Klagegründe eine Herabsetzung der Geldbuße rechtfertigt, setzt das Gericht diese in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung auf 14 000 000 ECU fest."

96 Es ist nicht Sache des Gerichtshofes, bei der Entscheidung über Rechtsfragen im Rahmen eines Rechtsmittels die Beurteilung des Gerichts, das in Ausübung seiner unbeschränkten Nachprüfungsbefugnis über den Betrag der gegen Unternehmen wegen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht festgesetzten Geldbußen entscheidet, aus Gründen der Billigkeit durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen (Urteil Ferriere Nord/Kommission, Randnr. 31).

97 Die Ausübung einer Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung darf jedoch nicht dazu führen, dass Unternehmen, die an einer gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstoßenden Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise beteiligt waren, bei der Ermittlung der Höhe ihrer Geldbußen ungleich behandelt werden.

98 Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Kommission die Geldbußen gegenüber allen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen anhand einer Berechnungsmethode festsetzte, die vom Gericht nicht in Frage gestellt wurde. Hätte das Gericht speziell bei der Rechtsmittelführerin von dieser Methode oder von bestimmten zahlenmäßigen Bewertungen der Kommission abweichen wollen, so hätte es dies im angefochtenen Urteil erläutern müssen.

99 Es ist folglich als erwiesen anzusehen, dass das Gericht in Randnummer 412 des angefochtenen Urteils gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen hat, so dass dem fünften Rechtsmittelgrund zu folgen ist.

100 Nach alledem ist dem Rechtsmittel in Bezug auf Randnummer 412 und Punkt 2 des Tenors des angefochtenen Urteils stattzugeben.

101 Nach Artikel 54 Absatz 1 der EG-Satzung des Gerichtshofes hebt der Gerichtshof die Entscheidung des Gerichts auf, wenn das Rechtsmittel begründet ist. Er kann sodann den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen. Da die Rechtssache zur Entscheidung reif ist, ist über die Höhe der gegen die Rechtsmittelführerin festzusetzenden Geldbuße endgültig zu entscheiden.

Zur Nichtigkeitsklage

102 Angesichts der Randnummern 282 bis 411 des angefochtenen Urteils und insbesondere der Tatsache, dass die Rechtsmittelführerin nur für eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages in Form einer Absprache über Preise und Abstellzeiten und nur für die Zeit von Juni 1990 bis Februar 1991 zur Verantwortung gezogen werden kann, ist die Geldbuße der Rechtsmittelführerin auf 13 750 000 EUR festzusetzen.

Kostenentscheidung:

Kosten

103 Nach Artikel 122 Absatz 1 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er selbst den Rechtsstreit endgültig entscheidet. Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung, der gemäß Artikel 118 auf das Rechtsmittelverfahren anwendbar ist, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

104 Da die Rechtsmittelführerin mit den meisten ihrer Rechtsmittelgründe unterlegen ist, hat sie ihre eigenen Kosten sowie zwei Drittel der Kosten zu tragen, die der Kommission im Rechtsmittelverfahren entstanden sind.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Punkt 2 des Tenors des Urteils des Gerichts erster Instanz vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-334/94 (Sarrió/Kommission) wird aufgehoben.

2. Die Höhe der gegen die Sarrió SA verhängten Geldbuße wird auf 13 750 000 EUR festgesetzt.

3. Im Übrigen wird das Rechtsmittel zurückgewiesen.

4. Die Sarrió SA trägt ihre eigenen Kosten und zwei Drittel der Kosten, die der Kommission der Europäischen Gemeinschaften im Rechtsmittelverfahren entstanden sind.

5. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt ein Drittel der Kosten, die ihr im Rechtsmittelverfahren entstanden sind.

Ende der Entscheidung

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