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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 09.10.1997
Aktenzeichen: C-31/96
Rechtsgebiete: EGV, Verordnung (EWG) Nr. 1408/71, Verordnung (EWG) Nr. 2001/83, Verordnung (EWG) Nr. 1248/92


Vorschriften:

EGV Art. 177 (jetzt EGV Art. 234)
Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 Art. 47 Abs. 1
Verordnung (EWG) Nr. 2001/83
Verordnung (EWG) Nr. 1248/92
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung Nr. 1408/71 in ihrer durch die Verordnung Nr. 2001/83 geänderten und aktualisierten Fassung, angepasst durch Anhang I Teil VIII der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und die Anpassungen der Verträge, aus dem nach dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1248/92 Buchstabe g geworden ist, bedeutet zum einen, daß bei der Feststellung der Renten bei Alter und Invalidität durch Anwendung der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, nach denen die Höhe der Renten anhand einer durchschnittlichen Beitragsbemessungsgrundlage berechnet wird, die dem Arbeitsentgelt entspricht, das während einer bestimmten Anzahl von Jahren vor dem Eintritt in den Ruhestand oder dem Eintritt der Invalidität bezogen wurde, die durchschnittliche Beitragsbemessungsgrundlage bei Arbeitnehmern, die, nachdem sie den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats unterlagen, in einem anderen Mitgliedstaat eine Beschäftigung aufgenommen und bis zum Ende ihres Berufslebens ausgeuebt haben, allein nach der Höhe der nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats tatsächlich entrichteten Beiträge zu berechnen ist, und zum anderen, daß der auf diese Weise ermittelte theoretische Betrag der Leistung entsprechend angepasst und erhöht werden muß, als wenn die Betroffenen in dem betreffenden Mitgliedstaat weiterhin unter den gleichen Bedingungen beschäftigt gewesen wären.

Sollte sich jedoch die Anwendung dieser so ausgelegten Vorschrift für Arbeitnehmer, die schon vor dem Inkrafttreten der Verordnung in diesem Mitgliedstaat in einem anderen Mitgliedstaat beschäftigt waren, als ungünstiger erweisen als die eines früheren Abkommens mit dem letztgenannten Staat, so müsste das zuständige Gericht ausnahmsweise die Vorschriften dieses Abkommens anwenden.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 9. Oktober 1997. - Antonio Naranjo Arjona gegen Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS), Francisco Vicente Mateos gegen Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS) und Tesorería General de la Seguridad Social (TGSS) und Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS) gegen Laura García Lázaro. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunal Superior de Justicia de la Comunidad de Extremadura, Cáceres - Spanien. - Soziale Sicherheit - Invalidität - Altersrenten - Artikel 47 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 - Berechnung der Leistungen. - Verbundene Rechtssachen C-31/96, C-32/96 und C-33/96.

Entscheidungsgründe:

1 Das Tribunal Superior de Justicia de la Comunidad de Extremadura, Cáceres, hat mit Beschlüssen vom 15. und 17. Januar 1996, beim Gerichtshof eingegangen am 7. Februar 1996, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung von Artikel 47 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. L 149, S. 2), in ihrer durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 (ABl. L 230, S. 6) geänderten und aktualisierten Fassung, angepasst durch Anhang I Teil VIII der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und die Anpassungen der Verträge (ABl. 1985, L 302, S. 23; im folgenden: Verordnung), sodann geändert durch die Verordnung (EWG) Nr. 1248/92 des Rates vom 30. April 1992 (ABl. L 136, S. 7), zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich im Rahmen dreier Rechtsstreitigkeiten zwischen Herrn Naranjo Arjona und dem Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS), zwischen Herrn Vicente Mateos und dem INSS sowie der Tesorería General de la Securidad Social (TGSS), und zwischen dem INSS und Frau García Lázaro wegen der Berechnung von Alters- oder Invaliditätsrenten.

3 Durch Beschluß des Präsidenten vom 12. März 1996 sind diese drei Rechtssachen zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

4 Aus den vom vorlegenden Gericht übermittelten Akten ergibt sich, daß nach den spanischen Rechtsvorschriften die Höhe der Renten der Arbeitnehmer bei Alter und dauernder Invalidität nicht von der Anzahl der Beitragszeiten oder der Länge der Versicherungslaufbahn der Betroffenen abhängig ist, sondern sich aus der Berücksichtigung einer durchschnittlichen Beitragsbemessungsgrundlage ergibt, die dem Arbeitsentgelt entspricht, das während einer bestimmten Anzahl von Jahren vor dem Eintritt in den Ruhestand oder dem Eintritt der Invalidität bezogen wurde. Genauer gesagt, entspricht gemäß Artikel 3.1 des Gesetzes 26/85 vom 31. Juli 1985, das zur Zeit der Ereignisse der Ausgangsverfahren in Kraft war, "die Berechnungsgrundlage der Renten bei Alter und nicht berufsbedingter dauernder Invalidität... dem Quotienten aus den Beitragsgrundlagen des Betroffenen während der letzten 96 Monate vor dem Eintritt des Versicherungsfalls und der Zahl 112". Nach dieser Vorschrift werden die Grundlagen für die 24 Monate vor dem Monat des Eintritts des Versicherungsfalls zum Nominalwert berechnet, während die übrigen Grundlagen entsprechend der Entwicklung des Verbraucherpreisindex aktualisiert werden. In Absatz 4 des Artikels wird ausserdem klargestellt, daß, wenn während des gesamten fraglichen Zeitraums oder eines Teils davon keine Beitragspflicht besteht, die Lücken durch Anwendung der für Arbeitnehmer ab dem vollendeten 18. Lebensjahr geltenden Mindestgrundlagen geschlossen werden.

5 In der Rechtssache C-31/96 war Herr Naranjo Arjona, ein Arbeitnehmer spanischer Staatsangehörigkeit, von 1952 bis 1965 in Spanien und von 1966 bis 1991 in Deutschland beschäftigt, wobei er bis 1968 weiterhin Beiträge zur spanischen sozialen Sicherheit entrichtete. 1994 erkannte ihm das INSS mit Wirkung vom 1. April 1991 eine Altersrente zu, die auf der Grundlage der von 1962 bis 1968 in Spanien entrichteten Beiträge berechnet war und deren Betrag der Betroffene mit der Begründung beanstandete, daß als Referenzzeitraum die Zeit von 1982 bis 1991, als seine berufliche Laufbahn in Deutschland endete, zu berücksichtigen sei.

6 In der Rechtssache C-32/96 war Herr Vicente Mateos, ein Arbeitnehmer spanischer Staatsangehörigkeit, ebenfalls von 1942 bis 1962 in Spanien und von 1963 bis 1989 in Deutschland beschäftigt. Der zuständige Träger im letztgenannten Staat erkannte ihm mit Wirkung vom 1. Februar 1989 einen Anspruch auf eine Rente bei dauernder Invalidität zu. In Spanien gewährte ihm das INSS eine Invaliditätsrente nur im Rahmen des früheren Systems der spanischen sozialen Sicherheit, das von einer ausschließlich nationalen Grundlage und einem stets festen Betrag ausging. Der Betroffene beanstandete den Betrag dieser Rente mit der Begründung, daß die in Deutschland zurückgelegten Beitragszeiten berücksichtigt werden müssten.

7 In der Rechtssache C-33/96 war Frau García Lázaro, eine spanische Staatsangehörige, auch von 1961 bis 1964 in Spanien und von 1961 bis 1987 in Deutschland beschäftigt. Nachdem ihr der zuständige deutsche Träger 1987 einen Anspruch auf eine Invaliditätsrente zuerkannt hatte, beantragte sie beim INSS eine Rente bei dauernder Invalidität, die ihr 1992 verweigert wurde. Frau García Lázaro erhob jedoch Klage gegen diese Entscheidung, und das angerufene Gericht erkannte ihr einen Anspruch auf eine Rente bei dauernder vollständiger Berufsunfähigkeit zu, deren Betrag anhand der in Spanien in ihrer Berufsgruppe geltenden Beitragshöchstgrenzen für die in Deutschland zurückgelegten Beitragszeiten berechnet wurde.

8 Das Tribunal Superior de Justicia de la Comunidad de Extremadura, bei dem diese Rechtsstreitigkeiten in der Berufungsinstanz anhängig sind, hat dem Gerichtshof in den drei Rechtssachen folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Bezieht sich Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 - jetzt Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe g - mit der Wendung "ermittelt diese Durchschnittsgrundlage gemäß den allein nach den Rechtsvorschriften dieses Staates zurückgelegten Versicherungszeiten"

1. auf die theoretische Hoechst-, Mindest- oder Durchschnittsbemessungsgrundlage, die aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats jeweils für die Entrichtung der entsprechenden Beiträge zur sozialen Sicherheit festgelegt werden, oder

2. auf den Durchschnitt der tatsächlichen Bemessungsgrundlagen für die von dem Betroffenen tatsächlich entrichteten Beiträge, unabhängig davon, was er in den in Spanien zurückgelegten Beschäftigungszeiten gemäß den Rechtsvorschriften dieses Staates hätte an Beiträgen entrichten müssen?

Zum rechtlichen Rahmen der Ausgangsverfahren

9 Vor der Beantwortung der Vorlagefrage ist der Inhalt der in den Ausgangsverfahren streitigen Bestimmungen der Verordnung wiederzugeben.

10 Wie sich aus den Akten ergibt, gehören die Rechtsvorschriften der beiden Mitgliedstaaten, in denen die Betroffenen Leistungen bei Invalidität zu beziehen haben, nicht zum selben Typ. Die spanischen Rechtsvorschriften sind in Anhang IV der Verordnung als Rechtsvorschriften im Sinne von Artikel 37 Absatz 1 aufgeführt, nach denen die Höhe der Leistungen bei Invalidität nicht von der Dauer der Versicherungszeiten abhängt. Dagegen gehören die deutschen Rechtsvorschriften nicht zu diesem Typ.

11 Nach Artikel 40 Absatz 1 der Verordnung gelten für Arbeitnehmer, die erwerbsunfähig geworden sind und nacheinander diesen beiden Typen von Rechtsvorschriften unterlagen, die Bestimmungen des Kapitels der Verordnung über die Renten bei Alter und Tod, d. h. die Artikel 44 bis 51, entsprechend. Diese Bestimmungen sind daher sowohl in der Rechtssache C-31/96, die eine Altersrente betrifft, als auch in den Rechtssachen C-32/96 und C-33/96, die Invaliditätsrenten betreffen, anwendbar.

12 Artikel 46 der Verordnung legt die Vorschriften über die Feststellung der Leistungen fest. Sein Absatz 2 enthält insbesondere folgende Regelung:

"a) Der Träger berechnet den theoretischen Betrag der Leistung, auf die die betreffende Person Anspruch hätte, wenn alle nach den für den Arbeitnehmer oder Selbständigen geltenden Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungs- und Wohnzeiten nur in dem betreffenden Staat und nach den für diesen Träger zum Zeitpunkt der Feststellung der Leistung geltenden Rechtsvorschriften zurückgelegt worden wären. Ist nach diesen Rechtsvorschriften der Betrag der Leistung von der Dauer der zurückgelegten Zeiten unabhängig, so gilt dieser Betrag als theoretischer Betrag."

13 Artikel 47 der Verordnung enthält ergänzende Vorschriften für die Berechnung der Leistungen. Sein Absatz 1 legt besondere Vorschriften für die Berechnung des theoretischen Betrages nach Artikel 46 Absatz 2 Buchstabe a fest, u. a. folgende:

"e) Der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, nach dessen Rechtsvorschriften bei der Berechnung von Leistungen eine durchschnittliche Beitragsbemessungsgrundlage heranzuziehen ist, ermittelt diese Durchschnittsgrundlage gemäß den allein nach den Rechtsvorschriften dieses Staates zurückgelegten Versicherungszeiten."

14 Schließlich ist festzustellen, daß aus Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe e in der Fassung der Verordnung, die sich aus der Verordnung Nr. 1248/92 ergibt, Buchstabe g dieser Vorschrift geworden ist. Ausserdem wurde Anhang VI, der gemäß Artikel 89 der Verordnung die Besonderheiten bei der Anwendung der Rechtsvorschriften bestimmter Mitgliedstaaten aufführt, in Abschnitt D. Spanien wie folgt ergänzt:

"4. a) In Anwendung des Artikels 47 erfolgt die Berechnung der spanischen theoretischen Leistung anhand der Bemessungsgrundlagen für tatsächlich entrichtete Beiträge des Versicherten in den Jahren unmittelbar vor Entrichtung des letzten Beitrags zur spanischen sozialen Sicherheit.

b) Der so ermittelte Betrag der Rente wird für Renten gleicher Art um die für jedes bis zu dem Jahr vor Eintritt des Versicherungsfalls folgende Jahr errechneten Steigerungs- und Anpassungsbeträge erhöht."

Zur Vorlagefrage

15 Das vorlegende Gericht möchte mit seiner Frage im wesentlichen wissen, ob die durchschnittliche Beitragsbemessungsgrundlage gemäß Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung, aus dem in der Fassung der Verordnung Nr. 1248/92 Buchstabe g geworden ist, anhand theoretischer (Hoechst-, Mindest- oder Durchschnitts-) Beitragsbemessungsgrundlagen oder anhand der Bemessungsgrundlagen für tatsächlich entrichtete Beiträge des Versicherten zu ermitteln ist.

16 Herr Naranjo Arjona, Herr Vicente Mateos und Frau García Lázaro sind der Ansicht, daß die verschiedenen Möglichkeiten, die das vorlegende Gericht vorgeschlagen habe, nicht realisiert werden könnten, insbesondere weil das spanische Recht den Begriff "Lohnbasis" erst seit 1974 kenne und die Wanderarbeitnehmer, für die ein vor diesem Zeitpunkt gelegener Referenzzeitraum gelte, somit benachteiligt würden. Sie schlagen daher dem Gerichtshof vor, für Recht zu erkennen, daß Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung, aus dem mit Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1248/92 Buchstabe g geworden ist, und Anhang VI Abschnitt D (Spanien) Nummer 4 Buchstabe a der Verordnung in der geänderten Fassung mit Artikel 51 des Vertrages unvereinbar sind, da sie ein System zur Berechnung der Leistungen vorsehen, das sich von dem des spanischen Rechts unterscheidet, das die in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegten Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten nicht berücksichtigt.

17 Für die spanische Regierung ergibt sich dagegen aus den in Anhang VI Abschnitt D Nummer 4 gegebenen Erläuterungen für die Anwendung von Artikel 47 der Verordnung eindeutig, daß die Bemessungsgrundlagen für tatsächlich entrichtete Beiträge des Versicherten in den Jahren unmittelbar vor Entrichtung des letzten Beitrags zur spanischen sozialen Sicherheit zu berücksichtigen sind und der so ermittelte Betrag der Rente dem im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls bestehenden Niveau anzupassen ist.

18 Die Kommission meint, daß keine der Bestimmungen des Artikels 47 Absatz 1 der Verordnung auf die Berechnung des Betrages einer Leistung bei Invalidität in einem System anwendbar sei, nach dem dieser Betrag unabhängig von der Dauer der Versicherungszeiten sei. Bezueglich der Renten bei Alter und Tod sei die fragliche Vorschrift dahin auszulegen, daß die Höhe der tatsächlichen Arbeitsentgelte unmittelbar vor dem Zeitpunkt, in dem der Versicherungsfall eintrete, berücksichtigt werde, unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat diese Entgelte bezogen worden seien, so daß ein Arbeitnehmer, der sein Recht auf Freizuegigkeit ausgeuebt habe, bei Anwendung der unter Berücksichtigung der Zwecke der Artikel 48 und 51 des Vertrages ausgelegten nationalen Rechtsvorschriften im Ergebnis gegenüber einem Arbeitnehmer, der dieses Recht nicht ausgeuebt habe, nicht benachteiligt werde.

19 Entgegen dem Vorbringen der Kommission gilt Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung - Buchstabe g in der gegenwärtig geltenden Fassung -, wie der Gerichtshof im Urteil vom 12. September 1996 in der Rechtssache C-251/94 (Lafuente Nieto, Slg. 1996, I-4187) für Recht erkannt hat, für eine Regelung wie die nach den spanischen Rechtsvorschriften zur Berechnung von Invaliditätsleistungen vorgesehene, bei der eine durchschnittliche Beitragsbemessungsgrundlage herangezogen wird. Diese Vorschrift ist nämlich nicht nur auf die Systeme der Renten bei Alter und Tod anwendbar, sondern nach Artikel 40 Absatz 1 der Verordnung auch entsprechend auf die Systeme der Invaliditätsleistungen, wenn der betroffene Arbeitnehmer wie in den Ausgangsverfahren nacheinander unterschiedlichen Typen von Rechtsvorschriften unterliegt (vgl. Urteil Lafuente Nieto, a. a. O., Randnr. 28).

20 Ausserdem ist diese Vorschrift eine Ergänzungsregel für die Berechnung des theoretischen Betrages der Leistung nach Artikel 46 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung. Sie ist daher unter Berücksichtigung der letztgenannten Bestimmung und, wie der Gerichtshof im Urteil vom 9. August 1994 in der Rechtssache C-406/93 (Reichling, Slg. 1994, I-4061) festgestellt hat, unter Berücksichtigung des Zweckes des Artikels 51 des Vertrages auszulegen, der insbesondere darin besteht, daß die Wanderarbeitnehmer nicht dadurch, daß sie ihr Recht auf Freizuegigkeit ausgeuebt haben, eine Verminderung der Höhe der Leistungen der sozialen Sicherheit erleiden dürfen.

21 Entgegen dem Vorbringen der Betroffenen bedeutet eine solche Verpflichtung jedoch nicht, daß die streitige Vorschrift zwangsläufig mit dem vorgenannten Zweck unvereinbar wäre, weil sie es nicht erlaubt, bei der Ermittlung der durchschnittlichen Beitragsbemessungsgrundlage die Höhe der in einem anderen Mitgliedstaat entrichteten Beiträge zu berücksichtigen. Diese Verpflichtung bedeutet lediglich, daß diese Grundlage für den Wanderarbeitnehmer die gleiche sein muß, wie wenn er sein Recht auf Freizuegigkeit nicht ausgeuebt hätte.

22 Ist also in Fällen wie denen der Ausgangsverfahren nach Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung, aus dem durch die Verordnung Nr. 1248/92 Buchstabe g geworden ist, nur die Höhe der Beiträge zu berücksichtigen, die nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Staates entrichtet worden sind, so ist dieser Betrag in der Weise zu aktualisieren und anzupassen, daß er dem Betrag entspricht, den die Betroffenen tatsächlich entrichtet hätten, wenn sie in dem betreffenden Mitgliedstaat weiterhin unter den gleichen Bedingungen beschäftigt gewesen wären (vgl. Urteil Lafuente Nieto, a. a. O., Randnrn. 39 und 40).

23 Diese Auslegung steht mit den neuen Bestimmungen im Einklang, die durch die Verordnung Nr. 1248/92 in den Anhang VI Abschnitt D Nummer 4 der Verordnung eingefügt worden sind und nach denen "die Berechnung der spanischen theoretischen Leistung anhand der Bemessungsgrundlagen für tatsächlich entrichtete Beiträge des Versicherten in den Jahren unmittelbar vor Entrichtung des letzten Beitrags zur spanischen sozialen Sicherheit" erfolgt und der "so ermittelte Betrag der Rente... für Renten gleicher Art um die für jedes bis zu dem Jahr vor Eintritt des Versicherungsfalls folgende Jahr errechneten Steigerungs- und Anpassungsbeträge erhöht" wird.

24 Diese neuen Bestimmungen sind zwar grundsätzlich nicht auf die vor dem 1. Juni 1992 festgestellten Renten anwendbar, auch wenn die Betroffenen nach Artikel 95a der Verordnung in der geänderten Fassung die Möglichkeit haben, die Neufeststellung ihrer Ansprüche nach Maßgabe dieser Bestimmungen zu beantragen. Doch beschränken sich die fraglichen Bestimmungen, wie der Gerichtshof in Randnummer 42 des Urteils Lafuente Nieto bereits festgestellt hat, jedenfalls darauf, die Modalitäten der Verordnung, wonach die durchschnittliche Beitragsbemessungsgrundlage gemäß den allein nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Staates zurückgelegten Versicherungszeiten zu ermitteln ist, näher zu regeln, ohne den Inhalt des Artikels 47 Absatz 1 Buchstabe e insoweit abzuändern, und zielen nur darauf ab, die Vereinbarkeit dieser Bestimmung mit den Grundsätzen des Artikels 51 des Vertrages zu gewährleisten.

25 Die Kommission hat jedoch in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, die Anwendung dieser Bestimmungen dürfe sich nicht dahin auswirken, daß Vergünstigungen verlorengingen, weil aufgrund des Inkrafttretens dieser Bestimmungen das am 4. Dezember 1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat geschlossene und am 1. November 1977 in Kraft getretene Abkommen über Soziale Sicherheit (im folgenden: Abkommen) unanwendbar geworden sei. Die Anwendung von Artikel 25 Absatz 1 Buchstabe b dieses Abkommens, der eine Berücksichtigung der Höhe der Beitragsgrundlage ermögliche, zu der der Arbeitnehmer am Ende seiner Versicherungslaufbahn in Deutschland gelange, und gleichzeitig auf die in Spanien für die betreffende Berufsgruppe geltenden Beitragsgrundlagen verweise, habe nämlich für die Betroffenen ein günstigeres Ergebnis als die Anwendung der Vorschriften der Verordnung.

26 Der Gerichtshof hat im Urteil vom 7. Februar 1991 in der Rechtssache C-227/89 (Rönfeldt, Slg. 1991, I-323) für Recht erkannt, daß die Artikel 48 und 51 des Vertrages es nicht zulassen, daß Arbeitnehmer Vergünstigungen der sozialen Sicherheit verlieren, weil in das nationale Recht eingeführte Abkommen zwischen zwei oder mehr Mitgliedstaaten aufgrund des Inkrafttretens der Verordnung Nr. 1408/71 unanwendbar geworden sind. Im Urteil vom 9. November 1995 in der Rechtssache C-475/93 (Thévenon, Slg. 1995, I-3813) hat der Gerichtshof klargestellt, daß dieser Grundsatz jedoch nicht für Arbeitnehmer gelten kann, die ihr Recht auf Freizuegigkeit erst nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung ausgeuebt haben.

27 In den Ausgangsverfahren steht fest, daß die Betroffenen schon in Deutschland beschäftigt waren, bevor die Verordnung am 1. Januar 1986 in Spanien in Kraft getreten ist, deren Vorschriften gemäß ihrem Artikel 6 normalerweise die des deutsch-spanischen Abkommens ersetzt haben. Es kann nicht zulässig sein, daß die Betroffenen durch diese Ersetzung gegebenenfalls die Rechte und Vergünstigungen verlieren, die sich für sie aus diesem Abkommen ergeben.

28 Die spanische Regierung hat jedoch in der mündlichen Verhandlung die Auffassung der Kommission bestritten, daß für die Betroffenen die Anwendung des Abkommens günstiger wäre als die der Verordnung. Wie der Generalanwalt in Nummer 37 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, verfolgt die Aktualisierung der Beiträge gemäß den Vorschriften der Verordnung, wie sie vom Gerichtshof ausgelegt werden und in Randnummer 21 des vorliegenden Urteils dargestellt sind, im übrigen die gleichen Ziele wie das Abkommen und müsste normalerweise deren Erreichung ermöglichen.

29 Somit hat das vorlegende Gericht zu prüfen, ob sich die Anwendung dieses Abkommens für die betroffenen Arbeitnehmer tatsächlich als günstiger oder ungünstiger als die der Verordnung erweist. Im erstgenannten Fall wären gemäß dem im Urteil Rönfeldt aufgestellten Grundsatz ausnahmsweise die Vorschriften des Abkommens anzuwenden. Im gegenteiligen Fall müssten die Vorschriften der Verordnung, wie sie vom Gerichtshof ausgelegt werden, angewandt werden.

30 Demnach ist auf die Vorlagefrage zu antworten, daß Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung, daß aus dem in der Fassung der Verordnung Nr. 1248/92 Buchstabe g geworden ist, bedeutet, daß in Fällen, wie sie den Ausgangsverfahren zugrunde liegen, die durchschnittliche Beitragsbemessungsgrundlage allein nach der Höhe der nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats tatsächlich entrichteten Beiträge zu berechnen ist und daß der auf diese Weise ermittelte theoretische Betrag der Leistung entsprechend angepasst und erhöht werden muß, als wenn die Betroffenen in dem betreffenden Mitgliedstaat weiterhin unter den gleichen Bedingungen beschäftigt gewesen wären. Sollte sich jedoch die Anwendung dieser so ausgelegten Vorschrift für Arbeitnehmer, die schon vor dem Inkrafttreten der Verordnung in diesem Mitgliedstaat in einem anderen Mitgliedstaat beschäftigt waren, als ungünstiger erweisen als die eines früheren Abkommens mit dem letztgenannten Staat, so müsste das zuständige Gericht ausnahmsweise die Vorschriften dieses Abkommens anwenden.

Kostenentscheidung:

Kosten

31 Die Auslagen der spanischen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Tribunal Superior de Justicia de la Comunidad de Extremadura, Cáceres, mit Beschlüssen vom 15. und 17. Januar 1996 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in ihrer durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 geänderten und aktualisierten Fassung, angepasst durch Anhang I Teil VIII der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und die Anpassungen der Verträge, aus dem nach dem Inkrafttreten der Verordnung (EWG) Nr. 1248/92 des Rates vom 30. April 1992 Buchstabe g geworden ist, bedeutet, daß in Fällen, wie sie den Ausgangsverfahren zugrunde liegen, die durchschnittliche Beitragsbemessungsgrundlage allein nach der Höhe der nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats tatsächlich entrichteten Beiträge zu berechnen ist und daß der auf diese Weise ermittelte theoretische Betrag der Leistung entsprechend angepasst und erhöht werden muß, als wenn die Betroffenen in dem betreffenden Mitgliedstaat weiterhin unter den gleichen Bedingungen beschäftigt gewesen wären. Sollte sich jedoch die Anwendung dieser so ausgelegten Vorschrift für Arbeitnehmer, die schon vor dem Inkrafttreten der Verordnung in diesem Mitgliedstaat in einem anderen Mitgliedstaat beschäftigt waren, als ungünstiger erweisen als die eines früheren Abkommens mit dem letztgenannten Staat, so müsste das zuständige Gericht ausnahmsweise die Vorschriften dieses Abkommens anwenden.

Ende der Entscheidung

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