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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 16.06.1994
Aktenzeichen: C-322/93 P
Rechtsgebiete: EWG/EAG BeamtStat, EWGV, Verordnung 123/85/EWG


Vorschriften:

EWG/EAG BeamtStat Art. 49
EWGV Art. 85
Verordnung 123/85/EWG Art. 3 Nr. 11
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Kommission verletzt den Grundsatz der Rechtssicherheit nicht, wenn sie in einer Wettbewerbsentscheidung eine Gruppenfreistellungsverordnung in eben der Weise auslegt, in der sie diese Verordnung in einer gleichzeitig mit dieser veröffentlichten Bekanntmachung ausgelegt hat, zumal wenn sie die Bedeutung dieser Bekanntmachung in einem Schreiben an das betroffene Unternehmen vor der Entscheidung erläutert hat.

2. Das Vorliegen eines schriftlichen Auftrags ist nach Artikel 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge die einzige Voraussetzung dafür, eine Person als Vermittler einzustufen. Die Zahl der Aufträge, die einem gewerbsmässigen Vermittler erteilt werden, ist allein für eine Änderung der Natur der Tätigkeit des Vermittlers nicht entscheidend, sofern nicht andere Gesichtspunkte vorliegen, aus denen sich ergibt, daß der Vermittler eine dem Wiederverkauf gleichzusetzende Tätigkeit ausübt.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (SECHSTE KAMMER) VOM 16. JUNI 1994. - AUTOMOBILES PEUGEOT SA UND PEUGEOT SA GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WETTBEWERB - KRAFTFAHRZEUGVERTRIEB - GRUPPENFREISTELLUNG - BEGRIFF DES BEVOLLMAECHTIGTEN VERMITTLERS - RECHTSMITTEL. - RECHTSSACHE C-322/93 P.

Entscheidungsgründe:

1 Automobiles Peugeot SA und Peugeot SA (Klägerinnen) haben mit Rechtsmittelschrift, die am 22. Juni 1993 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EWG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 22. April 1993 in der Rechtssache T-9/92 (Automobiles Peugeot SA und Peugeot SA/Kommission, Slg. 1993, II-493) eingelegt, mit dem das Gericht die Klage der Klägerinnen auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 4. Dezember 1991 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag (IV/33.157 ° Eco System/Peugeot, ABl. 1992, L 66, S. 1; Entscheidung) abgewiesen hat.

2 Im angefochtenen Urteil hat das Gericht folgende Feststellungen getroffen (Randnrn. 3 und 7):

° "Am 9. Mai 1989 leitete die Klägerin zu 1 zum Schutz ihres Vertriebsnetzes, das unstreitig unter die Verordnung (EWG) Nr. 123/85 der Kommission vom 12. Dezember 1984 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge (ABl. 1985, L 15, S. 16) fällt, ihren in Frankreich, Belgien und Luxemburg zugelassenen Vertragshändlern und Wiederverkäufern über ihre Tochtergesellschaften ein Rundschreiben der Peugeot SA (Klägerin zu 2) zu, in dem diese aufgefordert wurden, ihre Lieferungen an die Beschwerdeführerin [die ECO System SA] einzustellen und von dieser keine Bestellungen von Neufahrzeugen der Marke Peugeot ° gleichviel, ob für eigene Rechnung oder für Rechnung ihrer Auftraggeber ° mehr anzunehmen. Der Entwurf dieses Rundschreibens war am 25. April 1989 der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission übermittelt, allerdings nicht förmlich angemeldet worden."

° "In der angefochtenen Entscheidung vom 4. Dezember 1991 stellte die Kommission fest, daß die Versendung des Rundschreibens vom 9. Mai 1989 durch die Klägerinnen an die Peugeot-Vertragshändler in Frankreich, Belgien und Luxemburg und die Einstellung der Lieferung von Kraftfahrzeugen der Marke Peugeot an die Beschwerdeführerin in Befolgung dieses Rundschreibens eine nach Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verbotene Vereinbarung oder zumindest eine abgestimmte Verhaltensweise sei (Artikel 1 der Entscheidung). Zur Begründung dieser Feststellung führt die Entscheidung insbesondere aus: 'Diese Vereinbarung bezweckt und bewirkt die Beschränkung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag dadurch, daß mit ihrer Anwendung durch alle Händler des Vertriebsnetzes von Peugeot in den betreffenden Ländern grundsätzlich verhindert wird, daß Neufahrzeuge der Marke Peugeot aus Belgien und Luxemburg von Eco System im Auftrag von französischen Käufern nach Frankreich eingeführt werden. Angesichts der Marktstellung der Marke Peugeot in der Gemeinschaft handelt es sich hierbei um eine spürbare Beschränkung des Wettbewerbs. Indem sich diese Vereinbarung auf die Einfuhren aus zwei anderen Mitgliedstaaten bezieht, ist sie geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen'. In der Entscheidung wurde ferner ausgeführt, daß zum einen 'die sich aus dem Rundschreiben ergebende Vereinbarung... nicht für eine Gruppenfreistellung nach der Verordnung (EWG) Nr. 123/85 in Betracht [kommt], da Verbote der Einfuhr oder Ausfuhr von Kraftfahrzeugen nicht zu den von der Verordnung zugelassenen Wettbewerbsbeschränkungen zählen' , und daß sie zum anderen in erster Linie deshalb für eine Einzelfreistellung nicht in Betracht komme, weil sie nicht förmlich angemeldet worden sei."

3 Nach dem Urteil des Gerichts (Randnrn. 19 und 20) haben die Klägerinnen vor dem Gericht folgendes vorgebracht:

° "Artikel 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85, der dem Händler erlaube, Kraftfahrzeuge des Vertragsprogramms oder ihnen entsprechende Waren Endverbrauchern, die einen Vermittler eingeschaltet hätten, zu verkaufen, wenn der Vermittler vorher schriftlich zum Kauf eines bestimmten Kraftfahrzeugs bevollmächtigt worden sei, stelle eine Ausnahme vom Grundsatz des selektiven Alleinvertriebs dar. Diese Vorschrift stelle indessen keinen unerläßlichen Ausgleich für die Zulassung eines selektiven Vertriebsnetzes dar, sondern sei im Gegenteil ein Mittel, das dem Hersteller, der vom Vermittler die Einhaltung bestimmter Bedingungen verlangen könne, den Schutz seines Vertriebsnetzes möglich mache."

° "Ausserdem habe die Kommission mit ihrem Hinweis in ihrer Bekanntmachung vom 12. Dezember [1984 zur Verordnung Nr. 123/85, ABl. 1985, C 17, S. 4; Bekanntmachung von 1984] 'die Unternehmen des Vertriebsnetzes [könnten] gleichwohl verpflichtet werden, an einen Dritten oder über einen Dritten keine neuen Kraftfahrzeuge des Vertragsprogramms... zu verkaufen, solange dieser wie ein autorisierter Wiederverkäufer neuer Kraftfahrzeuge des Verkaufsprogramms auftritt oder eine dem Wiederverkauf gleichzusetzende Tätigkeit entfaltet' , die in Artikel 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 vorgesehene Ausnahme von dem in dieser Verordnung verankerten Grundsatz des Alleinvertriebs innerhalb des Vertriebsnetzes in ihrem Anwendungsbereich beschränkt. Auf der Grundlage dieser einschränkenden Auslegung des Artikels 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 hätten die Klägerinnen das Rundschreiben vom 9. Mai 1989 an die Händler des Peugeotvertriebsnetzes gerichtet, um ihr selektives Vertriebssystem gegen die dem Wiederverkauf gleichzusetzende Tätigkeit der Beschwerdeführerin zu schützen. Der Begriff der dem Wiederverkauf gleichzusetzenden Tätigkeiten sei kein Rechtsbegriff, sondern beziehe sich vielmehr auf eine Tätigkeit, die in wirtschaftlicher Hinsicht die gleichen Wirkungen erzeuge wie ein Wiederverkauf."

4 Die Klägerinnen haben vor dem Gericht weiter vorgebracht, die gewerbliche Tätigkeit der Beschwerdeführerin überschreite die Tätigkeit eines Dienstleistungsunternehmens, da sie insbesondere eine Reihe von Risiken übernehme, die für einen einfachen Vermittler atypisch, für einen Wiederverkäufer hingegen kennzeichnend seien.

5 Weiter haben die Klägerinnen nach dem Urteil des Gerichts (Randnrn. 65 und 66) vor diesem folgendes vorgebracht:

° "... die Kommission habe, um die Unterschiede zwischen der angefochtenen Entscheidung und ihrer Auslegung des Artikels 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 in ihrer Bekanntmachung vom 12. Dezember zu rechtfertigen, am 4. Dezember, d. h. zeitgleich mit der angefochtenen Entscheidung, eine neue Bekanntmachung zur Auslegung der Verordnung Nr. 123/85 beschließen wollen. Diese Bekanntmachung habe mit der Festlegung neuer Kriterien für die Begriffsbestimmung des Vermittlers dem Begriff der einem Wiederverkauf gleichzusetzenden Tätigkeit jeglichen Sinn genommen. Damit habe die Kommission das berechtigte Vertrauen der Klägerinnen in das Weiterbestehen ihrer Rechtsstellung nach der Verordnung verletzt."

° "Die Kommission habe zugleich das gemeinschaftsrechtliche Rückwirkungsverbot verletzt, da sie die neue Auslegung der Verordnung Nr. 123/85 rückwirkend auf ein Verhalten der Klägerinnen (das Rundschreiben vom 9. Mai 1989) angewandt habe, für das die frühere Auslegung dieser Verordnung habe gelten müssen. Die Rechtsunsicherheit sei zumindest darauf zurückzuführen, daß die Kommission nie eine klare und eindeutige Definition des Begriffs der dem Wiederverkauf gleichzusetzenden Tätigkeit gegeben habe."

6 Die Nichtigkeitsklage der Klägerinnen gegen die Entscheidung wurde mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen.

Der erste Rechtsmittelgrund

7 Die erste Rüge geht dahin, das Gericht habe die Bekanntmachung von 1984 nicht berücksichtigt und daher verkannt, daß die Kommission gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstossen habe, indem sie in der Entscheidung von der Auslegung des Artikels 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 abgewichen sei, die sie in der Bekanntmachung von 1984 gegeben habe, und indem sie die Bekanntmachung von 1991 erlassen habe.

8 Was den ersten Teil dieser Rüge angeht, die Bekanntmachung von 1984 sei nicht berücksichtigt worden, so ist das Gericht von der Feststellung ausgegangen, daß Ausnahmen vom Kartellverbot, wie sie etwa in der Verordnung Nr. 123/85 enthalten sind, eng auszulegen sind.

9 Es hat dann zunächst festgestellt, daß ein Auslegungsvermerk, wie ihn die Bekanntmachung von 1984 darstelle, die in einer Verordnung enthaltenen zwingenden Vorschriften nicht ändern könne (Randnr. 44 des Urteils des Gerichts).

10 Weiter sei die Kommission befugt gewesen, in der Bekanntmachung von 1984 die Voraussetzungen zu verdeutlichen, die der bevollmächtigte Vermittler erfuellen müsse, um den Vorschriften des Artikels 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 zu genügen (Randnr. 46 des Urteils des Gerichts).

11 Daher sei zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin durch die Übernahme von Risiken, wie sie für einen Wiederverkäufer, nicht aber für einen Vermittler typisch seien, den Rahmen dieser Bestimmung überschritten habe (Randnrn. 47 ff. des Urteils des Gerichts).

12 Nach alledem werfen die Klägerinnen dem angefochtenen Urteil zu Unrecht vor, die Bekanntmachung von 1984 nicht berücksichtigt zu haben; vielmehr hat sich das Gericht ausdrücklich darauf bezogen, um den Begriff des Vermittlers in Artikel 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 zu umschreiben.

13 Was den zweiten Teil der Rüge angeht, das Gericht habe die Verletzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit nicht beanstandet, den die Kommission dadurch begangen habe, daß sie mit ihrer Entscheidung von der Bekanntmachung von 1984 abgewichen und die Bekanntmachung von 1991 erlassen habe, so hat das Gericht festgestellt, daß die Entscheidung nicht auf die Bekanntmachung von 1991 gestützt gewesen sei.

14 Zu dem Vorbringen, die Kommission sei mit ihrer Entscheidung von derjenigen Auslegung des Artikels 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 abgewichen, die sie selbst in der Bekanntmachung von 1984 gegeben habe, führt das Gericht aus, der Begriff der dem Wiederverkauf gleichzusetzenden Tätigkeit in dieser Bekanntmachung dürfe nicht derart ausgelegt werden, daß die Bedeutung des Begriffs des schriftlich bevollmächtigten Vermittlers im Sinne des Artikels 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 eingeschränkt werde. Ausserdem habe die Kommission den Klägerinnen bereits 1987 in einem Schreiben mitgeteilt, daß ein Dienstleistungsunternehmen wie die Beschwerdeführerin nicht unter den Begriff der dem Wiederverkauf gleichzusetzenden Tätigkeit falle (Randnrn. 71, 72 und 73 des Urteils des Gerichts).

15 Für die Entscheidung über die Begründetheit des Rechtsmittelvorbringens der Klägerinnen ist folgendes maßgeblich: Das Gericht hat zu Recht entschieden, daß die Kommission den Grundsatz der Rechtssicherheit nicht verletzt hat. Wie das Gericht ausführt, durfte sich die Entscheidung rechtlich nicht auf die Bekanntmachung von 1991 stützen. Im übrigen hat die Kommission, wie das Gericht weiter festgestellt hat, den Klägerinnen bereits 1987 mitgeteilt, wie sie den Begriff der dem Wiederverkauf gleichzusetzenden Tätigkeit im Sinne der Bekanntmachung von 1984 auf den Begriff des Vermittlers in Artikel 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 anwende; von dieser Auslegung ist sie in der Entscheidung nicht abgewichen.

16 Die erste Rüge ist somit in beiden Teilen zu verwerfen.

Der zweite Rechtsmittelgrund

17 Mit der zweiten Rüge werfen die Klägerinnen dem Gericht vor, den Begriff des Vermittlers in Artikel 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 falsch ausgelegt zu haben. Hierzu führen sie vier Punkte an:

° Die Verordnung Nr. 123/85 solle das selektive Vertriebssystem auch gegenüber Vermittlern schützen. Dieser Begriff habe somit eine wirtschaftliche Bedeutung; er bezeichne jede Tätigkeit, deren Wirkung wirtschaftlich einem Wiederverkauf gleichkomme.

° Das Gericht gehe einerseits von einem wirtschaftlichen Begriff des Vermittlers aus, meine andererseits aber zu Unrecht, daß der Kraftfahrzeughersteller nur durch das Erfordernis einer schriftlichen Vollmacht geschützt werde.

° Das Gericht habe sich geweigert, das Urteil vom 3. Juli 1985 in der Rechtssache 243/83 (Binon, Slg. 1985, 2015) in Rechnung zu stellen, aus dem sich ergebe, daß ein von einer grossen Zahl von Auftraggebern bevollmächtigter Vermittler als unabhängiger Unternehmer zu betrachten sei.

° Schließlich sei das Gericht auf das Vorbringen der Klägerinnen nicht eingegangen, die Beschwerdeführerin habe tatsächlich eine dem Wiederverkauf gleichzusetzende Tätigkeit ausgeuebt, indem sie insbesondere Risiken in Verbindung mit dem Transport und der Lagerung des Fahrzeugs vor der Auslieferung, der Nichtabnahme des Fahrzeugs durch die Kunden, des Kredits im Falle der Zahlungunfähigkeit des Käufers sowie ein wirtschaftliches Wechselkursrisiko oder ein Risiko wegen der Erhöhung des Kaufpreises der Fahrzeuge übernommen habe. Auch habe das Gericht keine Folgerungen aus dem Umstand gezogen, daß die Beschwerdeführerin geworben, Preislisten veröffentlicht, angebotene Fahrzeuge ausgestellt und den Käufern Kredite beschafft habe, was belege, daß sie als Wiederverkäufer gehandelt habe.

18 Das Gericht hat jedoch festgestellt, daß Artikel 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 das Tätigwerden eines Vermittlers unter der Voraussetzung ermöglichen solle, daß zwischen dem Händler und dem Endverbraucher eine unmittelbare Vertragsbeziehung bestehe (Randnr. 40 des Urteils des Gerichts).

19 Da die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht die einzige Voraussetzung sei, die Artikel 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 dem Vermittler auferlege, könne dieser nicht allein deswegen von dem Anwendungsbereich dieser Bestimmung ausgeschlossen werden, weil er seine Tätigkeit gewerbsmässig ausübe, solle diese Bestimmung nicht jede praktische Wirksamkeit verlieren. Die gewerbliche Ausübung einer Vermittlertätigkeit könne aber die Durchführung geschäftsfördernder Maßnahmen bei den Verbrauchern und die Übernahme von Risiken mit sich bringen, wie sie für jedes Dienstleistungsunternehmen typisch seien (Randnrn. 41 und 43 des Urteils des Gerichts).

20 Das Gericht hat weiter festgestellt, daß der Passus der Bekanntmachung von 1984 über den Begriff der dem Wiederverkauf gleichzusetzenden Tätigkeit nicht nur Artikel 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85, sondern auch Nr. 10 dieser Vorschrift auslegen wolle; die Kommission sei befugt gewesen, um die praktische Wirksamkeit der Nr. 10, nämlich einen effektiven Schutz des Vertriebsnetzes gegen die Bedrohungen durch nicht zugelassene Dritte zu sichern, die Voraussetzungen zu verdeutlichen, die der bevollmächtigte Vermittler erfuellen müsse, um den Vorschriften der Nr. 11 zu genügen (Randnr. 46 des Urteils des Gerichts).

21 Das Gericht hat dann geprüft, ob die Beschwerdeführerin Risiken übernommen habe, wie sie für einen Wiederverkäufer, nicht aber für einen Vermittler typisch seien.

22 Es hat dabei erstens festgestellt, daß die Beschwerdeführerin als Vertreter des Endverbrauchers gehandelt habe, daß sie nicht Partei des Kaufvertrages mit einem Wiederverkäufer des Vertriebsnetzes gewesen sei und daß sie zu keinem Zeitpunkt das Eigentum an dem Fahrzeug, das Gegenstand des Geschäftes sei, erworben habe (Randnrn. 47 und 48 des Urteils des Gerichts).

23 Ausserdem habe die Beschwerdeführerin keine Garantieleistungen gegenüber dem Endverbraucher übernommen; diese seien vielmehr Sache der Unternehmen des Vertriebsnetzes gewesen, die in unmittelbaren Beziehungen mit dem Endverbraucher gestanden hätten (Randnr. 49 des Urteils des Gerichts).

24 Der Vermittler habe daher kein Risiko getragen, wie es regelmässig im Zusammenhang mit der zweifachen Eigentumsübertragung, die kennzeichnend für Kauf und Wiederverkauf sei, entstehe, insbesondere nicht das Risiko des Absatzes des Fahrzeugs, falls der Endverbraucher zurücktrete (Randnr. 50 des Urteils des Gerichts).

25 Zweitens hat das Gericht festgestellt, daß der Kredit, den die Beschwerdeführerin ihren Kunden in Höhe der Auslagen für die Zeit zwischen dem Ankauf und der Bezahlung des Vertragshändlers und der Lieferung an den Käufer gewähre, der die Auslagen erstatte, nichts an der rechtlichen Qualifikation des Vermittlungsvertrags ändere (Randnr. 51 des Urteils des Gerichts). Um sich gegen das Risiko der Insolvenz des Kunden zu schützen, habe die Beschwerdeführerin nicht über die Mittel verfügt, die einem Vertragshändler des Netzes zu Gebote stuenden, nämlich vom Vertrag zurückzutreten und über das Fahrzeug zu verfügen, sondern nur über die klassischen Rechtsbehelfe des Vermittlers, nämlich der Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts sowie die Pfändung und Versteigerung fremden Guts (Randnr. 52 des Urteils des Gerichts).

26 Zum Wechselkursrisiko hat das Gericht drittens festgestellt, die Klägerinnen hätten nicht dargetan, daß die Beschwerdeführerin dieses Risiko übernommen habe. Das Risiko, dem Auftraggeber bei Verlust oder Beschädigung des Fahrzeugs während der Lagerung Schadensersatz leisten zu müssen, wäre, selbst wenn es nachgewiesen wäre, bei einem solchen Geschäft üblich und unterscheide sich von den Risiken des Eigentums (Randnrn. 53 und 54 des Urteils des Gerichts).

27 Schließlich hat das Gericht festgestellt, die Vermittlungsgebühr, die die Beschwerdeführerin als Gegenleistung für ihren Dienst erhalte, sei bei einem Vermittlungsvertrag dieser Art eine übliche Form des Entgelts (Randnr. 55 des Urteils des Gerichts).

28 Demnach trage die Beschwerdeführerin kein rechtliches oder wirtschaftliches Risiko, das für Kauf und Wiederverkauf kennzeichnend wäre. Sie habe die Grenzen der schriftlichen Vermittlungsaufträge nicht überschritten, die ihr erteilt worden seien (Randnrn. 56 und 60 des Urteils des Gerichts).

29 Weiter hat das Gericht verneint, daß eine Werbebroschüre in Verbraucherkreisen zu einer Verunsicherung hätte führen können, da die eigentliche Tätigkeit der Beschwerdeführerin dort klar angegeben gewesen sei. Zumindest sei das Vorgehen, mit dem die Klägerinnen die Verteilung dieser Broschüre hätten unterbinden wollen, offensichtlich unverhältnismässig gewesen (Randnr. 59 des Urteils des Gerichts).

30 Schließlich war das Gericht der Auffassung, das Urteil Binon könne nicht auf den Fall eines Vermittlers übertragen werden, der im Namen und für Rechnung von Endverbrauchern tätig werde; ein rein quantitatives Kriterium, wie die Zahl der einem gewerblichen Vermittler erteilten Aufträge, erlaube für sich allein nicht die Feststellung, daß dieses Unternehmen kein Vermittler im Sinne des Artikels 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 sei (Randnr. 61 des Urteils des Gerichts).

31 Bei der Prüfung der Begründetheit dieser Rüge ist zunächst festzustellen, daß die beiden ersten Punkte des Vorbringens der Klägerinnen sich insoweit decken, als dem Gericht vorgeworfen wird, einen rechtlichen Begriff des Vermittlers, der auf dem Vorliegen eines Auftrags beruhe, anstelle eines wirtschaftlichen Begriffs angewandt zu haben, der auf die Wirkung der Tätigkeit des Vermittlers auf das Vertriebsnetz abstelle.

32 Das Gericht hat jedoch zu Recht festgestellt, daß das Vorliegen eines schriftlichen Auftrags nach dem Wortlaut des Artikels 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 die einzige Voraussetzung dafür ist, eine Person als Vermittler einzustufen.

33 Das Gericht hat sich nicht mit dieser Feststellung begnügt, sondern die Tätigkeit der Beschwerdeführerin eingehend untersucht; es ist zu dem Schluß gekommen, daß diese einem Wiederverkauf nicht gleichzusetzen sei.

34 Das Gericht hat auch das Urteil Binon nicht verkannt. Es hat zu Recht entschieden, daß dieses Urteil, in dem es um die Anwendung des Artikels 85 EWG-Vertrag auf die Beziehungen zwischen einem Unternehmen und einem Handelsvertreter geht, auf den Fall eines Vermittlers, der für Rechnung eines Endverbrauchers tätig wird, keine Anwendung findet und daß die Zahl der Aufträge, die einem gewerbsmässigen Vermittler erteilt werden, allein für eine Änderung der Natur der Tätigkeit des Vermittlers nicht entscheidend sei.

35 Mit dem Vorbringen, das Gericht habe nicht untersucht, ob die Beschwerdeführerin nicht faktisch eine dem Wiederverkauf gleichzusetzende Tätigkeit ausübe, indem sie ein Wechselkursrisiko übernehme, wird die Sachverhaltsfeststellung des Gerichts gerügt, die Übernahme dieses Risikos durch die Beschwerdeführerin sei nicht nachgewiesen. Insoweit ist diese Rüge unzulässig.

36 Hinsichtlich des übrigen Vorbringens hat das Gericht die von der Beschwerdeführerin übernommenen Risiken eingehend erörtert und überzeugend begründet, daß diese im Falle eines Vermittlers nichts Ungewöhnliches seien und nicht zur Folge hätten, daß dessen Tätigkeit einem Wiederverkauf gleichzusetzen sei. Dabei hat es seine Befugnis zur Sachverhaltswürdigung nicht überschritten und den Begriff des schriftlich bevollmächtigten Vermittlers im Sinne des Artikels 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 nicht rechtswidrig ausgelegt.

37 Die zweite Rüge ist daher teils für unzulässig zu erklären, im übrigen aber zu verwerfen.

38 Da keiner Rüge stattzugeben ist, ist das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

39 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen die Kosten einschließlich der durch die Streithilfe der Beschwerdeführerin und des BEUC entstandenen Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2) Die Klägerinnen tragen sämtliche Kosten.

Ende der Entscheidung

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