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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 09.07.1998
Aktenzeichen: C-323/97
Rechtsgebiete: EGV, Richtlinie 94/80/EG des


Vorschriften:

EGV Art. 169
Richtlinie 94/80/EG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Ein Mitgliedstaat kann sich nicht auf Bestimmungen, Übungen oder Umstände seiner internen Rechtsordnung berufen, um die Nichteinhaltung der in einer Richtlinie festgelegten Verpflichtungen und Fristen zu rechtfertigen.


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 9. Juli 1998. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Königreich Belgien. - Aktives und passives Wahlrecht bei den Kommunalwahlen. - Rechtssache C-323/97.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 17. September 1997 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 94/80/EG des Rates vom 19. Dezember 1994 über die Einzelheiten der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts bei den Kommunalwahlen für Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen (ABl. L 368, S. 38; im folgenden: Richtlinie), verstossen hat, daß es nicht innerhalb der festgesetzten Frist die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um dieser Richtlinie nachzukommen.

2 Gemäß Artikel 14 Absatz 1 der Richtlinie mussten die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen, um der Richtlinie vor dem 1. Januar 1996 nachzukommen, und die Kommission unverzueglich davon in Kenntnis setzen.

3 Da die Kommission keine Mitteilung über die Umsetzung der Richtlinie in das belgische Recht erhalten hatte und nicht über Informationen verfügte, aus denen sie hätte schließen können, daß das Königreich Belgien dieser Verpflichtung nachgekommen war, forderte sie diesen Staat mit Schreiben vom 27. Februar 1996 auf, sich innerhalb von zwei Monaten zu äussern.

4 Da die Kommission von den belgischen Behörden keine Antwort erhalten hatte, gab sie am 27. November 1996 eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie feststellte, daß das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie verstossen habe, daß es nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen habe, um ihr nachzukommen, und es aufforderte, diese Maßnahmen innerhalb von zwei Monaten zu treffen.

5 Mit Schreiben vom 28. März 1997 antworteten die belgischen Behörden, daß die Regierung gegenwärtig die Probleme prüfe, die die Umsetzung der Richtlinie aufwerfe, denn hierzu bedürfe es zunächst einer Änderung von Artikel 8 der belgischen Verfassung.

6 Da in der Zwischenzeit keine Fortschritte erzielt wurden, hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben.

7 Das Königreich Belgien bestreitet nicht, daß die Richtlinie nicht innerhalb der festgesetzten Frist umgesetzt wurde, erklärt jedoch, daß diese Verzögerung aus der Notwendigkeit folge, Artikel 8 der belgischen Verfassung gemäß den Verfahrensregeln des Artikels 195 der Verfassung zu ändern. Ausserdem befinde sich das Verfahren der Umsetzung der Richtlinie in einem sehr fortgeschrittenen Stadium. Das Umsetzungsgesetz werde daher voraussichtlich im zweiten Quartal 1998 verabschiedet und im vierten Quartal 1998 im Moniteur belge veröffentlicht werden.

8 Nach ständiger Rechtsprechung kann sich ein Mitgliedstaat nicht auf Bestimmungen, Übungen oder Umstände seiner internen Rechtsordnung berufen, um die Nichteinhaltung der in einer Richtlinie festgelegten Verpflichtungen und Fristen zu rechtfertigen (vgl. u. a. Urteil vom 5. Juni 1997 in der Rechtssache C-107/96, Kommission/Spanien, Slg. 1997, I-3193, Randnr. 10).

9 Da die Umsetzung der Richtlinie nicht innerhalb der festgesetzten Frist erfolgt ist, ist die von der Kommission deswegen erhobene Klage als begründet anzusehen.

10 Folglich ist festzustellen, daß das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 14 Absatz 1 der Richtlinie verstossen hat, daß es nicht innerhalb der festgesetzten Frist die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um dieser Richtlinie nachzukommen.

Kostenentscheidung:

Kosten

11 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Königreich mit seinem Vorbringen unterlegen ist, hat es die Kosten zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Königreich Belgien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 14 Absatz 1 der Richtlinie 94/80/EG des Rates vom 19. Dezember 1994 über die Einzelheiten der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts bei den Kommunalwahlen für Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, verstossen, daß es nicht innerhalb der festgesetzten Frist die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um dieser Richtlinie nachzukommen.

2. Das Königreich Belgien trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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