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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 16.11.2004
Aktenzeichen: C-327/02
Rechtsgebiete: Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Bulgarien andererseits, Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Polen andererseits, Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Slowakischen Republik andererseits, Ausländergesetz 1994 (Niederlande)


Vorschriften:

Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Bulgarien andererseits Art. 45 Abs. 1
Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Bulgarien andererseits Art. 59 Abs. 1
Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Polen andererseits Art. 44 Abs. 3
Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Polen andererseits Art. 58 Abs. 1
Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Slowakischen Republik andererseits Art. 45 Abs. 3
Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Slowakischen Republik andererseits Art. 59 Abs. 1
Ausländergesetz 1994 (Niederlande) Art. 16a Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Große) vom 16. November 2004. - Lili Georgieva Panayotova und andere gegen Minister voor Vreemdelingenzaken en Integratie. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Rechtbank te 's-Gravenhage - Niederlande. - Assoziierungsabkommen Gemeinschaften - Bulgarien, Gemeinschaften - Polen und Gemeinschaften - Slowakei - Niederlassungsrecht - Nationale Rechtsvorschriften, wonach Anträge auf Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Niederlassung ohne Prüfung abgelehnt werden, wenn der Antragsteller nicht im Besitz einer vorläufigen Aufenthaltsgenehmigung ist. - Rechtssache C-327/02.

Parteien:

In der Rechtssache C-327/02

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht von der Rechtbank Den Haag (Niederlande) mit Entscheidung vom

16. September 2002

, beim Gerichtshof eingegangen am

18. September 2002

, in dem Verfahren

Lili Georgieva Panayotova,

Radostina Markova Kalcheva,

Izabella Malgorzata Lis,

Lubica Sopova,

Izabela Leokadia Topa,

Jolanta Monika Rusiecka

gegen

Minister voor Vreemdelingenzaken en Integratie,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans und A. Rosas, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter J.-P. Puissochet (Berichterstatter), R. Schintgen, S. von Bahr und J. N. Cunha Rodrigues,

Generalanwalt: M. Poiares Maduro,

Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom

2. Dezember 2003,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- von Frau Panayotova, Frau Kalcheva und Frau Lis, vertreten durch R. van Asperen, advocaat,

- der niederländischen Regierung, vertreten durch S. Terstal und J. van Bakel als Bevollmächtigte,

- der griechischen Regierung, vertreten durch M. Apessos und K. Boskovits als Bevollmächtigte,

- der französischen Regierung, vertreten durch C. Bergeot-Nunes als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch P. J. Kuijper und H. van Vliet als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom

19. Februar 2004,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 45 Absatz 1 und 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Bulgarien andererseits, genehmigt durch Beschluss 94/908/EGKS, EG, Euratom des Rates und der Kommission vom 19. Dezember 1994 (ABl. L 358, S. 1, im Folgenden: Abkommen Gemeinschaften-Bulgarien), der Artikel 44 Absatz 3 und 58 Absatz 1 des Europa-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Polen andererseits, genehmigt durch Beschluss 93/743/Euratom, EGKS, EG des Rates und der Kommission vom 13. Dezember 1993 (ABl. L 348, S. 1, im Folgenden: Abkommen Gemeinschaften-Polen), sowie der Artikel 45 Absatz 3 und 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Slowakischen Republik andererseits, genehmigt durch Beschluss 94/909/EGKS, EG, Euratom des Rates und der Kommission vom 19. Dezember 1994 (ABl. L 359, S. 1, im Folgenden: Abkommen Gemeinschaften-Slowakei) (für alle diese Abkommen im Folgenden: Assoziierungsabkommen).

2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten der bulgarischen Staatsangehörigen Panayotova und Kalcheva, der polnischen Staatsangehörigen Lis, Topa und Rusiecka sowie der slowakischen Staatsangehörigen Sopova gegen den Minister voor Vreemdelingenzaken en Integratie (Minister für Ausländerfragen und Integration) wegen der Weigerung des Ministers, ihren Anträgen auf Aufenthaltserlaubnis im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit als Selbständige stattzugeben.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsregelung

3. Artikel 45 Absatz 1 des Assoziierungsabkommens Gemeinschaften-Bulgarien in Titel IV dieses Abkommens lautet:

Die Mitgliedstaaten gewähren vom Inkrafttreten dieses Abkommens an für die Niederlassung bulgarischer Gesellschaften und Staatsangehöriger und für die Geschäftstätigkeit der in ihrem Gebiet niedergelassenen bulgarischen Gesellschaften und Staatsangehörigen eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist als die Behandlung ihrer eigenen Gesellschaften und Staatsangehörigen, mit Ausnahme der in Anhang XVa aufgeführten Bereiche.

4. Artikel 59 Absatz 1 dieses Abkommens bestimmt:

Für die Zwecke des Titels IV werden die Vertragsparteien durch keine Bestimmung dieses Abkommens daran gehindert, ihre Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Einreise und Aufenthalt, Beschäftigung, Beschäftigungsbedingungen, Niederlassung von natürlichen Personen und Erbringung von Dienstleistungen anzuwenden, sofern sie dies nicht in einer Weise tun, durch die die Vorteile, die einer Vertragspartei aus einer Bestimmung des Abkommens erwachsen, zunichte gemacht oder verringert werden....

5. Die Artikel 44 Absatz 3 und 58 Absatz 1 des Abkommens Gemeinschaften-Polen sowie die Artikel 45 Absatz 3 und 59 Absatz 1 des Abkommens Gemeinschaften-Slowakei lauten ähnlich wie die Artikel 45 Absatz 1 und 59 Absatz 1 des Abkommens Gemeinschaften-Bulgarien.

Niederländische Regelung

6. Nach Artikel 16a Absatz 1 der Vreemdelingenwet (Ausländergesetz) 1994 (im Folgenden: Vreemdelingenwet) wird ein Antrag auf Aufenthaltserlaubnis nur geprüft, wenn der Ausländer über eine gültige vorläufige Aufenthaltsgenehmigung verfügt. Nach den Absätzen 3 und 4 dieses Artikels sind bestimmte Gruppen von Ausländern davon ausgenommen, und nach Absatz 6 kann in ganz besonderen Einzelfällen von diesem Erfordernis abgesehen werden.

7. Die vorläufige Aufenthaltsgenehmigung muss vom Ausländer bei der niederländischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung in seinem Herkunftsland oder im Land seines ständigen Aufenthalts beantragt werden. Sie wird erteilt, wenn der Antragsteller die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erfuellt. Sofern sich die Umstände seit der Erteilung der Genehmigung nicht geändert haben und sich nicht erweist, dass die Genehmigung aufgrund unrichtiger Angaben erteilt wurde, kann der Inhaber einer vorläufigen Aufenthaltsgenehmigung nach der Einreise in die Niederlande eine Aufenthaltserlaubnis erhalten.

8. Ein Aufenthalt von kurzer Dauer, d. h. von bis zu drei Monaten, ist für bulgarische Staatsangehörige von der Erlangung eines Visums abhängig. Polnische und slowakische Staatsangehörige sind dagegen nach Artikel 8 der Vreemdelingenwet in Verbindung mit Artikel 46 Absatz 1 Buchstabe c des Vreemdelingenbesluit (Ausländerverordnung) 1994 berechtigt, sich in den Niederlanden für drei Monate frei aufzuhalten (im Folgenden: freier Zeitraum). Nach Artikel 46 Absatz 2 des Vreemdelingenbesluit 1994 endet der freie Zeitraum jedoch automatisch, wenn der Ausländer in dieser Zeit eine Aufenthaltserlaubnis beantragt.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

9. Die Anträge auf Aufenthaltserlaubnis, die die Klägerinnen der Ausgangsverfahren gestellt hatten, um in den Niederlanden eine Berufstätigkeit als Selbständige auszuüben, wurden vom Leiter der Regionalpolizeibehörde Groningen (Niederlande) mit der Begründung abgelehnt, dass sie nicht über die nach Artikel 16a Absatz 1 der Vreemdelingenwet erforderliche vorläufige Aufenthaltsgenehmigung verfügten. Die dagegen erhobenen Widersprüche wurden mit Entscheidungen des Minister voor Vreemdelingenzaken en Integratie, die in der Zeit vom 22. Januar bis 1. Mai 2001 ergingen, als unbegründet zurückgewiesen.

10. Die Rechtbank Den Haag, bei der Klage gegen diese Entscheidungen erhoben wurde, führt in ihrer Vorlageentscheidung zunächst aus, dass sich die Klägerinnen auf keine der in Artikel 16 Absätze 3, 4 und 6 der Vreemdelingenwet vorgesehenen Ausnahmen berufen könnten.

11. Sodann weist das Gericht darauf hin, dass der Gerichtshof in den Urteilen vom 27. September 2001 in den Rechtssachen C-63/99 (Gloszczuk, Slg. 2001, I-6369, Randnr. 86), C-235/99 (Kondova, Slg. 2001, I-6427, Randnr. 91) und C-257/99 (Barkoci und Malik, Slg. 2001, I-6557, Randnr. 83), die in Verfahren ergangen seien, in denen die Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs anwendbar gewesen seien, entschieden habe, dass es den Mitgliedstaaten nach den niederlassungsrechtlichen Vorschriften der Assoziierungsabkommen der Gemeinschaften grundsätzlich nicht verwehrt sei, den Zugang zu ihrem Hoheitsgebiet vom Erfordernis der vorherigen Erlangung einer vorläufigen Aufenthaltsgenehmigung abhängig zu machen.

12. Insbesondere habe der Gerichtshof im Urteil Barkoci und Malik in Nummer 4 des Tenors im Hinblick auf Bestimmungen, die den gleichen Wortlaut hätten wie die Artikel 45 Absatz 3 und 59 Absatz 1 des Abkommens Gemeinschaften-Slowakei, nämlich die Artikel 45 Absatz 3 und 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Tschechischen Republik andererseits, genehmigt durch Beschluss 94/910/EGKS, EG, Euratom des Rates und der Kommission vom 19. Dezember 1994 (ABl. L 360, S. 1, im Folgenden: Abkommen Gemeinschaften-Tschechische Republik), für Recht erkannt:

Nach der Klausel am Ende des Artikels 59 Absatz 1 Satz 1 dieses Europa-Abkommens hat eine Regelung, nach der ein tschechischer Staatsangehöriger vor seiner Abreise in den Aufnahmemitgliedstaat Einreisepapiere erlangen muss, deren Erteilung von der Überprüfung materieller Voraussetzungen abhängt, wie sie § 212 [der United Kingdom] Immigration Rules [House of Commons Paper 395] vorsieht, weder den Zweck noch das Ergebnis, diesem Staatsangehörigen die Ausübung der ihm in Artikel 45 Absatz 3 des Abkommens eingeräumten Rechte unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren, sofern die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats das ihnen bei der Behandlung von nach dem Abkommen an der Einreisestelle gestellten Anträgen auf Niederlassung zukommende Ermessen dahin ausüben, dass dem tschechischen Staatsangehörigen auf einer anderen Grundlage als den Immigration Rules eine Einreisegenehmigung gewährt werden kann, wenn sein Antrag diejenigen materiellen Voraussetzungen klar und offenkundig erfuellt, die angewandt worden wären, wenn er in der Tschechischen Republik ein Einreisepapier beantragt hätte.

13. Das Gericht weist darauf hin, dass der Gerichtshof aber in Randnummer 69 des Urteils Barkoci und Malik Folgendes ausgeführt habe:

[Es] braucht nicht geprüft zu werden, ob Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens es dem Aufnahmemitgliedstaat erlaubt, einem tschechischen Staatsangehörigen ohne Einreisepapiere die Einreise zu verweigern. Zu prüfen ist nur, ob das britische Vorgehen insgesamt - also die Anwendung des gesamten nationalen Zuwanderungsrechts einschließlich des Ermessens des Secretary of State [for the Home Department], im Einzelfall auf Einreisepapiere zu verzichten - mit der Klausel am Ende des Artikels 59 Absatz 1 Satz 1 vereinbar ist.

14. Das Gericht fragt sich daher, ob die Antwort in Nummer 4 des Tenors des Urteils Barkoci und Malik im Licht der Randnummer 69 dieses Urteils nicht ausschließlich unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs formuliert worden sei. Anders als nach diesen Rechtsvorschriften könne die zuständige Behörde nach niederländischem Recht den Klägerinnen über die in Artikel 16a der Vreemdelingenwet ausdrücklich vorgesehenen Fälle hinaus keine Aufenthaltserlaubnis erteilen, wenn sie nicht im Besitz einer vorläufigen Aufenthaltsgenehmigung seien.

15. Schließlich weist das Gericht darauf hin, dass sich Frau Panayotova und Frau Kalcheva, als sie in den Niederlanden ihre Anträge auf Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Niederlassung gestellt hätten, sich dort unrechtmäßig aufgehalten hätten, da sie nicht im Besitz des erforderlichen Visums gewesen seien. Bei den anderen Klägerinnen sei die Lage dagegen weniger eindeutig. Da sie für einen Aufenthalt in den Niederlanden von höchstens drei Monaten kein Visum benötigten und insoweit über den - in Randnummer 8 des vorliegenden Urteils erwähnten - freien Zeitraum verfügten, hätten sie sich vor Einreichung ihrer Anträge auf Aufenthaltserlaubnis möglicherweise rechtmäßig in den Niederlanden aufgehalten.

16. Unter diesen Umständen hat die Rechtbank Den Haag das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist die Antwort, die der Gerichtshof im Urteil vom 27. [September] 2001 in der Rechtssache C-257/99 (Barkoci und Malik) auf die vierte Frage gegeben hat, so auszulegen, dass es mit Artikel 45 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 59 Absatz 1 des Assoziierungsabkommens mit Bulgarien, Artikel 44 Absatz 3 in Verbindung mit Artikel 58 des Assoziierungsabkommens mit Polen und Artikel 45 Absatz 3 in Verbindung mit Artikel 59 des Assoziierungsabkommens mit der Slowakischen Republik unvereinbar ist, wenn die zuständige Behörde bei der Beurteilung eines in den Niederlanden gestellten Antrags auf Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Niederlassung nach dem Assoziierungsabkommen von jeder inhaltlichen Prüfung absieht, nur weil es an der vorläufigen Aufenthaltsgenehmigung fehlt? Macht es bei der Beantwortung dieser Frage einen Unterschied, ob die materiellen Voraussetzungen für die Einreise klar und offenkundig erfuellt sind?

2. Ist es für die Beantwortung der ersten Frage relevant - und falls ja, in welchem Sinne -, ob sich die Person, die einen Antrag auf Aufenthaltserlaubnis stellt, zur Zeit der Antragstellung aufgrund einer anderen Berechtigung als einer vorläufigen Aufenthaltsgenehmigung rechtmäßig in den Niederlanden aufhält, z. B. aufgrund des so genannten freien Zeitraums gemäß Artikel 8 der Vreemdelingenwet?

Zu den Vorlagefragen

17. Die beiden Fragen des vorlegenden Gerichts, die gemeinsam zu prüfen sind, gehen im Wesentlichen dahin, ob die einschlägigen Bestimmungen der Assoziierungsabkommen dahin auszulegen sind, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, wonach ein Antrag auf Aufenthaltserlaubnis, der im Inland zum Zweck der Niederlassung als Selbständiger gemäß den Assoziierungsabkommen gestellt wird, ohne weitere Prüfung abzulehnen ist, wenn der Antragsteller nicht bereits über eine vorläufige Aufenthaltsgenehmigung verfügt, die zuvor von den diplomatischen oder konsularischen Dienststellen dieses Mitgliedstaats im Herkunftsland des Antragstellers oder im Land seines ständigen Aufenthalts erteilt wurde, auch wenn sich der Antragsteller bei Einreichung seines Antrags aufgrund einer anderen als der Selbständigeneigenschaft in diesem Mitgliedstaat rechtmäßig aufhält und geltend macht, dass er die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen vorläufigen Aufenthaltsgenehmigung und der Aufenthaltserlaubnis als Selbständiger klar und offenkundig erfuellt.

18. Die unmittelbare Wirkung, die Artikel 45 Absatz 1 des Abkommens Gemeinschaften-Bulgarien, Artikel 44 Absatz 3 des Abkommens Gemeinschaften-Polen und Artikel 45 Absatz 3 des Abkommens Gemeinschaften-Slowakei zuzumessen ist, bedeutet, dass die bulgarischen, polnischen und slowakischen Staatsangehörigen, die diese Bestimmungen in Anspruch nehmen, das Recht haben, sich auf sie vor den Gerichten des Aufnahmemitgliedstaats zu berufen, auch wenn die Behörden dieses Staates nach Artikel 59 Absatz 1 des Abkommens Gemeinschaften-Bulgarien, Artikel 58 Absatz 1 des Abkommens Gemeinschaften-Polen und Artikel 59 Absatz 1 des Abkommens Gemeinschafaten-Slowakei die Befugnis behalten, auf diese Staatsangehörigen das nationale Einreise-, Aufenthalts- und Niederlassungsrecht anzuwenden (vgl. Urteile Gloszczuk, Randnr. 38, und Kondova, Randnr. 39, sowie vom 20. November 2001 in der Rechtssache C-268/99, Jany u. a., Slg. 2001, I-8615, Randnr. 28).

19. Das Niederlassungsrecht im Sinne der ersten drei in vorstehender Randnummer zitierten Bestimmungen setzt zwar voraus, dass als Folge dieses Rechts ein Einreise- und ein Aufenthaltsrecht zuerkannt werden, doch ergibt sich aus den drei letztgenannten Bestimmungen, dass das Einreise- und das Aufenthaltsrecht keine absoluten Rechte darstellen, da ihre Ausübung gegebenenfalls durch die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung dieser Staatsangehörigen beschränkt werden kann (vgl. Urteile Gloszczuk, Randnr. 51, Kondova, Randnr. 54, und Jany u. a., Randnr. 28).

20. Um mit der Voraussetzung im Sinne von Artikel 59 Absatz 1 des Abkommens Gemeinschaften-Bulgarien, Artikel 58 Absatz 1 des Abkommens Gemeinschaften-Polen und Artikel 59 Absatz 1 des Abkommens Gemeinschaften-Slowakei vereinbar zu sein, müssen die Beschränkungen des Niederlassungsrechts durch die Zuwanderungsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats jedoch geeignet sein, das angestrebte Ziel zu erreichen, und dürfen im Hinblick auf dieses Ziel keinen Eingriff in den Wesensgehalt der den bulgarischen, polnischen und slowakischen Staatsangehörigen durch die Artikel 45 Absatz 1, 44 Absatz 3 und 45 Absatz 3 dieser Abkommen gewährten Rechte darstellen, indem sie die Ausübung dieser Rechte unmöglich machen oder übermäßig erschweren (vgl. Urteile Gloszczuk, Randnr. 56, und Kondova, Randnr. 59).

21. Bestimmungen wie Artikel 45 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 59 Absatz 1 des Abkommens Gemeinschaften-Bulgarien, Artikel 44 Absatz 3 in Verbindung mit Artikel 58 Absatz 1 des Abkommens Gemeinschaften-Polen und Artikel 45 Absatz 3 in Verbindung mit Artikel 59 Absatz 1 des Abkommens Gemeinschaften-Slowakei stehen grundsätzlich einem System der vorherigen Kontrolle nicht entgegen, das die Erteilung einer Einreise- und Aufenthaltserlaubnis durch die Zuwanderungsbehörden von der Voraussetzung abhängig macht, dass der Antragsteller nachweist, dass er wirklich die Absicht hat, eine selbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen, ohne gleichzeitig eine unselbständige Beschäftigung auszuüben oder auf öffentliche Gelder zurückzugreifen, und dass er von Anfang an über ausreichende finanzielle Mittel für die Ausübung der fraglichen selbständigen Tätigkeit verfügt und vernünftige Erfolgsaussichten hat (vgl. Urteile Gloszczuk, Randnr. 86, Kondova, Randnr. 91, und Jany u. a., Randnr. 31).

22. Ein solches nationales System, wonach die genaue Art der vom Antragsteller ins Auge gefassten Tätigkeit vor dessen Abreise in den Aufnahmemitgliedstaat überprüft wird, verfolgt ein berechtigtes Ziel, da es die Möglichkeit eröffnet, die Ausübung des Einreise- und des Aufenthaltsrechts durch die Staatsangehörigen der betreffenden Länder, die sich auf diese Bestimmungen berufen, auf diejenigen zu beschränken, die aus den Bestimmungen Rechte herleiten können (vgl. Urteile Gloszczuk, Randnr. 58, Kondova, Randnr. 61, sowie Barkoci und Malik, Randnr. 62).

23. Ein solches Kontrollsystem kann insbesondere in Anbetracht der Tatsache gerechtfertigt sein, dass die Prüfung der materiellen Voraussetzungen und die damit verbundenen eingehenden Untersuchungen u. a. im Hinblick auf Erwägungen, die sowohl sprachlicher Natur sind als auch mit dem Zugang zu den Informationen über die Situation der ausländischen Staatsangehörigen, die sich in einem Mitgliedstaat niederlassen wollen, zusammenhängen, leichter im Herkunftsstaat durchgeführt werden können (vgl. Urteil Barkoci und Malik, Randnrn. 65 und 66).

24. Würde man von dem Aufnahmemitgliedstaat, der ein solches System der vorherigen Kontrolle eingeführt hat, verlangen, dass er außerdem seinen Behörden die Verpflichtung auferlegt, jeden im Inland nach den Assoziierungsabkommen gestellten Antrag zu prüfen, so würde dies u. a. die Gefahr einer Häufung von Anträgen mit sich bringen, die bei Aufenthalten zu touristischen oder anderen Zwecken, die als kurzfristig gelten, gestellt würden. Eine solche Situation wäre aber, worauf die niederländische, die griechische und die französische Regierung hingewiesen haben, dem von dem betreffenden Mitgliedstaat eingeführten System der obligatorischen vorherigen Kontrolle abträglich und würde in Anbetracht der mit der Prüfung der Anträge und der gegen Ablehnungsentscheidungen gegebenenfalls eingelegten Rechtsbehelfe verbundenen Fristen die Freiheit dieses Mitgliedstaats beeinträchtigen, die freie oder erleichterte Einreise in sein Hoheitsgebiet nur unter der Voraussetzung zu gewähren, dass der beabsichtigte Aufenthalt nur von kurzer Dauer ist. Ebenso würde daraus eine Beeinträchtigung der praktischen Wirksamkeit des Artikels 58 Absatz 1 des Abkommens Gemeinschaften-Polen und des Artikels 59 Absatz 1 der Abkommen Gemeinschaften-Bulgarien und Gemeinschaften-Slowakei folgen.

25. Da die Vorlageentscheidung keine näheren Angaben zu den materiellen Erfordernissen enthält, von denen die anwendbare niederländische Regelung die Erteilung der vorläufigen Aufenthaltsgenehmigung abhängig macht, ist es Sache des vorlegenden Gerichts, gegebenenfalls zu prüfen, ob diese Erfordernisse tatsächlich geeignet sind, die Erreichung des in Randnummer 22 des vorliegenden Urteils genannten Zieles zu gewährleisten (vgl. zu der zur Zeit der Ereignisse, die zum Urteil Jany u. a. geführt haben, geltenden niederländischen Regelung Randnr. 31 dieses Urteils).

26. Darüber hinaus ist klarzustellen, dass die Verfahrensvorschriften für die Erteilung einer solchen vorläufigen Aufenthaltsgenehmigung selbst gewährleisten müssen, dass die Ausübung des durch die Assoziierungsabkommen verliehenen Niederlassungsrechts weder unmöglich gemacht noch außergewöhnlich erschwert wird.

27. Daraus folgt insbesondere, dass die für derartige vorläufige Aufenthaltsgenehmigungen geltende Regelung auf einem Verfahrenssystem beruhen muss, das leicht zugänglich ist und das geeignet ist, den Betroffenen zu gewährleisten, dass ihr Antrag innerhalb angemessener Frist und objektiv bearbeitet wird, wobei es ferner möglich sein muss, dass die etwaige Versagung der Genehmigung im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens in Frage gestellt wird (vgl. analog Urteil vom 12. Juli 2001 in der Rechtssache C-157/99, Smits und Peerbooms, Slg. 2001, I-5473, Randnr. 90). In dieser Hinsicht ist daran zu erinnern, dass das Gemeinschaftsrecht eine effektive gerichtliche Kontrolle der von den nationalen Behörden nach den anwendbaren gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften getroffenen Entscheidungen verlangt und dass dieser Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes einen allgemeinen Grundsatz darstellt, der sich aus den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten ergibt und in den Artikeln 6 und 13 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten verankert ist (vgl. u. a. Urteile vom 15. Mai 1986 in der Rechtssache 222/84, Johnston, Slg. 1986, 1651, Randnrn. 18 und 19, sowie vom 19. Juni 2003 in der Rechtssache C-467/01, Eribrand, Slg. 2003, I-6471, Randnr. 61).

28. Nach allem steht es einem Mitgliedstaat, der sich für ein System entschieden hat, das die Gewährung eines Aufenthaltsrechts zum Zweck der Niederlassung auf der Grundlage der Bestimmungen der Assoziierungsabkommen von einem vor der Einreise einzuhaltenden Kontrollverfahren abhängig macht, grundsätzlich frei, anzuordnen, dass seine Zuwanderungsbehörden Anträge auf Aufenthaltserlaubnis zu diesem Zweck, die von einem bulgarischen, polnischen oder slowakischen Staatsangehörigen im Inland gestellt werden, ohne weitere Prüfung ablehnen, sofern der Antragsteller nicht die erforderliche vorläufige Aufenthaltsgenehmigung besitzt, die vor seiner Abreise in diesen Mitgliedstaat in seinem Herkunftsland oder im Land seines ständigen Aufenthalts bei den diplomatischen oder konsularischen Dienststellen dieses Mitgliedstaats hätte erlangt werden müssen.

29. Das vorlegende Gericht möchte jedoch wissen, ob eine solche Ablehnung auch dann mit den genannten Bestimmungen der Assoziierungsabkommen vereinbar ist, wenn sich der Betroffene bei Einreichung seines Antrags auf Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Niederlassung aufgrund einer anderen als der Selbständigeneigenschaft im Aufnahmemitgliedstaat rechtmäßig aufhält und geltend macht, dass er die materiellen Erfordernisse für die Erteilung der vorläufigen Aufenthaltsgenehmigung und der Aufenthaltserlaubnis als Selbständiger klar und offenkundig erfuellt.

30. Was erstens den Umstand angeht, dass sich die Betroffenen aufgrund des in den niederländischen Rechtsvorschriften vorgesehenen freien Zeitraums angeblich rechtmäßig in den Niederlanden aufgehalten haben, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es im Rahmen einer nationalen Regelung, die auf geeigneten Überprüfungsmaßnahmen vor der Abreise des ausländischen Staatsangehörigen in den Aufnahmemitgliedstaat zum Zweck der Niederlassung als Selbständiger beruht, keineswegs einer nach Abschluss dieser Überprüfungen erteilten Einreisegenehmigung entspricht, wenn der Ausländer, der keine solche Einreisegenehmigung besitzt, aufgrund einer anderen Berechtigung vorübergehend in diesem Staat aufgenommen wird; der Betroffene kann sich daher nicht erfolgreich allein darauf berufen, dass er in dieser Weise vorübergehend aufgenommen wurde, um geltend zu machen, dass er das Recht erworben habe, sich in diesem Mitgliedstaat als Selbständiger niederzulassen (vgl. analog Urteil Barkoci und Malik, Randnrn. 77 bis 79).

31. Im Übrigen ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes, dass es mit Artikel 58 Absatz 1 des Abkommens Gemeinschaften-Polen und demzufolge mit Artikel 59 Absatz 1 der Abkommen Gemeinschaften-Bulgarien und Gemeinschaften-Slowakei vereinbar ist, wenn die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats einen nach den Artikeln 44 Absatz 3, 45 Absatz 1 oder 45 Absatz 3 dieser Abkommen gestellten Antrag mit der Begründung ablehnen, dass der Aufenthalt des Antragstellers im Inland zur Zeit der Antragstellung illegal gewesen sei, weil er gegenüber diesen Behörden falsche Erklärungen abgegeben habe, um eine ursprüngliche Einreiseerlaubnis aufgrund einer anderen Berechtigung zu erhalten, oder eine ausdrückliche Voraussetzung für diese Einreise, die mit der erlaubten Dauer seines Aufenthalts in diesem Mitgliedstaat zusammenhing, nicht eingehalten habe (vgl. Urteil Gloszczuk, Randnr. 77).

32. Das Gleiche hat auch dann zu gelten, wenn sich herausstellt, dass der nach den genannten Bestimmungen gestellte Antrag unvereinbar ist mit den ausdrücklichen Voraussetzungen für die Einreise des Betroffenen in den Aufnahmemitgliedstaat, insbesondere was die erlaubte Dauer des Aufenthalts in diesem Staat angeht.

33. Wie in Randnummer 24 des vorliegenden Urteils festgestellt, könnten nämlich die bulgarischen, polnischen oder slowakischen Staatsangehörigen, wenn ihnen gestattet würde, einen Niederlassungsantrag nach den Assoziierungsabkommen im Aufnahmemitgliedstaat zu stellen, obwohl sie unter der ausdrücklichen Voraussetzung in diesen Mitgliedstaat eingereist sind, dass sie sich dort nur für höchstens drei Monate aufhalten, leicht die nationalen Vorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern umgehen und damit Artikel 58 Absatz 1 des Abkommens Gemeinschaften-Polen und Artikel 59 Absatz 1 der Abkommen Gemeinschaften-Bulgarien und Gemeinschaften-Slowakei ihre praktische Wirksamkeit nehmen.

34. Insoweit ist davon auszugehen, dass sich bulgarische, polnische oder slowakische Staatsangehörige, die sich nicht den einschlägigen Kontrollen der nationalen Behörden unterwerfen, nicht unter Verstoß gegen die Voraussetzungen, unter denen ihnen das Einreiserecht zuerkannt wurde, auf den Schutz der niederlassungsrechtlichen Bestimmungen der Assoziierungsabkommen berufen können, um sich diesen Voraussetzungen zu entziehen.

35. Was zweitens den Umstand angeht, dass der bulgarische, polnische oder slowakische Staatsangehörige, der im niederländischen Hoheitsgebiet auf der Grundlage der Assoziierungsabkommen einen Antrag auf Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Niederlassung stellt, geltend macht, dass er die materiellen Erfordernisse klar und offenkundig erfuellt, die im Rahmen des mit der niederländischen Regelung eingeführten Systems der vorherigen Kontrolle hätten geprüft werden müssen, so hat der Gerichtshof zwar in Randnummer 74 des Urteils Barkoci und Malik entschieden, dass es die Artikel 45 Absatz 3 und 59 Absatz 1 des Abkommens Gemeinschaften-Tschechische Republik den Zuwanderungsbehörden des Aufnahmemitgliedstaats nicht verwehren, von einem tschechischen Staatsangehörigen zu verlangen, dass er vor seiner Abreise in diesen Staat ein Einreisepapier erhält, das nach der Prüfung materieller Voraussetzungen für die Niederlassung, wie sie in § 212 der Immigration Rules vorgesehen sind, ausgestellt wird, soweit diese Behörden bei Einreiseanträgen zum Zweck der Niederlassung, die nach diesem Abkommen an der Einreisestelle gestellt werden, ihr Ermessen dahin ausüben, dass dem tschechischen Staatsangehörigen auf einer anderen Grundlage als den Immigration Rules eine Einreisegenehmigung gewährt werden kann, wenn sein Antrag diejenigen materiellen Voraussetzungen klar und offenkundig erfuellt, die angewandt worden wären, wenn er in der Tschechischen Republik ein Einreisepapier beantragt hätte.

36. In Randnummer 72 des Urteils Barkoci und Malik hat der Gerichtshof jedoch klargestellt, dass es, soweit die Zuwanderungsbehörden des Aufnahmemitgliedstaats eine Politik verfolgen, nach der nicht unabdingbar Einreisepapiere verlangt werden, mit der Logik des Systems einer vorherigen Kontrolle kohärent erscheint und nach dem Abkommen Gemeinschaften-Tschechische Republik gerechtfertigt ist, dass diese Behörden bei der Ausübung ihres Ermessens in Bezug auf die individuelle Situation des Antragstellers die Berechtigung eines aufgrund dieses Abkommens an der Einreisestelle gestellten Niederlassungsantrags einer Prüfung unterziehen, die nicht so eingehend ist wie die, die beim Antrag auf Erteilung eines Einreisepapiers eines tschechischen Staatsangehörigen in seinem Wohnsitzland erfolgt.

37. Wie das vorlegende Gericht und die beteiligten Regierungen in ihren Erklärungen vor dem Gerichtshof ausgeführt haben, verfügen in der niederländischen Rechtsordnung die Zuwanderungsbehörden im Unterschied zu der im Vereinigten Königreich geltenden Situation nicht über ein derartiges Ermessen. Denn ohne die von den niederländischen diplomatischen oder konsularischen Dienststellen im Herkunftsstaat des Betroffenen erteilte vorläufige Aufenthaltsgenehmigung sind diese Behörden nach dem nationalen Recht grundsätzlich nicht befugt, eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Niederlassung aufgrund der Assoziierungsabkommen zu erteilen und insoweit zu prüfen, ob die materiellen Voraussetzungen für eine solche Erteilung erfuellt sind.

38. Unbeschadet der Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, ein System der vorherigen Kontrolle einzuführen, bei dem auch unmittelbar im Inland gestellte Anträge geprüft werden können, entspricht es der Logik eines Systems der vorherigen Kontrolle, wie es im Königreich der Niederlande angewandt wird und im Hinblick auf die Assoziierungsabkommen zulässig ist, dass dieser Mitgliedstaat das System rechtlich so ausgestaltet, dass seine zuständigen Behörden dann, wenn das Erfordernis der vorherigen Einreichung eines Antrags auf vorläufige Aufenthaltsgenehmigung zum Zweck der Niederlassung im Herkunftsland des Betroffenen oder im Land seines ständigen Aufenthalts nicht erfuellt ist, bulgarischen, polnischen oder slowakischen Staatsangehörigen, die sich auf Artikel 45 Absatz 1 des Abkommens Gemeinschaften-Bulgarien, Artikel 44 Absatz 3 des Abkommens Gemeinschaften-Polen und Artikel 45 Absatz 3 des Abkommens Gemeinschaften-Slowakei berufen, die beantragte Aufenthaltserlaubnis versagen, und zwar unabhängig davon, ob die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen vorläufigen Aufenthaltsgenehmigung tatsächlich erfuellt sind (vgl. analog Urteile Gloszczuk, Randnr. 70, und Kondova, Randnr. 75).

39. Aus alledem ergibt sich, dass die Vorlagefragen wie folgt zu beantworten sind:

- Artikel 45 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 59 Absatz 1 des Abkommens Gemeinschaften-Bulgarien, Artikel 44 Absatz 3 in Verbindung mit Artikel 58 Absatz 1 des Abkommens Gemeinschaften-Polen und Artikel 45 Absatz 3 in Verbindung mit Artikel 59 Absatz 1 des Abkommens Gemeinschaften-Slowakei stehen der Regelung eines Mitgliedstaats grundsätzlich nicht entgegen, die ein System der vorherigen Kontrolle umfasst, das die Einreise in diesen Mitgliedstaat zum Zweck der Niederlassung als Selbständiger von der Erteilung einer vorläufigen Aufenthaltsgenehmigung durch die diplomatischen oder konsularischen Dienststellen dieses Mitgliedstaats im Herkunftsland des Betroffenen oder im Land seines ständigen Aufenthalts abhängig macht. Ein solches System kann die Erteilung dieser Genehmigung rechtsgültig von der Voraussetzung abhängig machen, dass der Betroffene nachweist, dass er wirklich die Absicht hat, eine selbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen, ohne gleichzeitig eine unselbständige Beschäftigung auszuüben oder auf öffentliche Gelder zurückzugreifen, und dass er von Anfang an über ausreichende finanzielle Mittel für die Ausübung der fraglichen selbständigen Tätigkeit verfügt und vernünftige Erfolgsaussichten hat. Die für derartige vorherige Aufenthaltsgenehmigungen geltende Regelung muss jedoch auf einem Verfahrenssystem beruhen, das leicht zugänglich ist und das geeignet ist, den Betroffenen zu gewährleisten, dass ihr Antrag innerhalb angemessener Frist und objektiv bearbeitet wird, wobei es ferner möglich sein muss, eine etwaige Versagung der Genehmigung im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens in Frage zu stellen;

- die genannten Bestimmungen der Assoziierungsabkommen sind so auszulegen, dass sie einer derartigen nationalen Regelung grundsätzlich auch dann nicht entgegenstehen, wenn danach die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats einen im Inland gestellten Antrag auf Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Niederlassung nach diesen Assoziierungsabkommen ablehnen, sofern der Antragsteller nicht die nach dieser Regelung verlangte vorläufige Aufenthaltsgenehmigung besitzt;

- in diesem Zusammenhang ist es unerheblich, dass der Antragsteller geltend macht, dass er die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der vorläufigen Aufenthaltsgenehmigung und der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Niederlassung klar und offenkundig erfuellt, oder dass er sich bei Antragstellung aufgrund einer anderen Berechtigung rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält, wenn sich herausstellt, dass der Antrag unvereinbar ist mit den ausdrücklichen Voraussetzungen für die Einreise des Betroffenen in diesen Mitgliedstaat, insbesondere was die erlaubte Aufenthaltsdauer angeht.

Kostenentscheidung:

Kosten

40. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

1. Artikel 45 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Bulgarien andererseits, genehmigt durch Beschluss 94/908/EGKS, EG, Euratom des Rates und der Kommission vom 19. Dezember 1994, Artikel 44 Absatz 3 in Verbindung mit Artikel 58 Absatz 1 des Europa-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Polen andererseits, genehmigt durch Beschluss 93/743/Euratom, EGKS, EG des Rates und der Kommission vom 13. Dezember 1993 und Artikel 45 Absatz 3 in Verbindung mit Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Slowakischen Republik andererseits, genehmigt durch Beschluss 94/909/EGKS, EG, Euratom des Rates und der Kommission vom 19. Dezember 1994, stehen der Regelung eines Mitgliedstaats grundsätzlich nicht entgegen, die ein System der vorherigen Kontrolle umfasst, das die Einreise in diesen Mitgliedstaat zum Zweck der Niederlassung als Selbständiger von der Erteilung einer vorläufigen Aufenthaltsgenehmigung durch die diplomatischen oder konsularischen Dienststellen dieses Mitgliedstaats im Herkunftsland des Betroffenen oder im Land seines ständigen Aufenthalts abhängig macht. Ein solches System kann die Erteilung dieser Genehmigung rechtsgültig von der Voraussetzung abhängig machen, dass der Betroffene nachweist, dass er wirklich die Absicht hat, eine selbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen, ohne gleichzeitig eine unselbständige Beschäftigung auszuüben oder auf öffentliche Gelder zurückzugreifen, und dass er von Anfang an über ausreichende finanzielle Mittel für die Ausübung der fraglichen selbständigen Tätigkeit verfügt und vernünftige Erfolgsaussichten hat. Die für derartige vorherige Aufenthaltsgenehmigungen geltende Regelung muss jedoch auf einem Verfahrenssystem beruhen, das leicht zugänglich ist und das geeignet ist, den Betroffenen zu gewährleisten, dass ihr Antrag innerhalb angemessener Frist und objektiv bearbeitet wird, wobei es ferner möglich sein muss, eine etwaige Versagung der Genehmigung im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens in Frage zu stellen.

2. Die genannten Bestimmungen der Assoziierungsabkommen sind so auszulegen, dass sie einer derartigen nationalen Regelung grundsätzlich auch dann nicht entgegenstehen, wenn danach die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats einen im Inland gestellten Antrag auf Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Niederlassung nach diesen Assoziierungsabkommen ablehnen, sofern der Antragsteller nicht die nach dieser Regelung verlangte vorläufige Aufenthaltsgenehmigung besitzt.

3. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, dass der Antragsteller geltend macht, dass er die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der vorläufigen Aufenthaltsgenehmigung und der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Niederlassung klar und offenkundig erfuellt, oder dass er sich bei Antragstellung aufgrund einer anderen Berechtigung rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält, wenn sich herausstellt, dass der Antrag unvereinbar ist mit den ausdrücklichen Voraussetzungen für die Einreise des Betroffenen in diesen Mitgliedstaat, insbesondere was die erlaubte Aufenthaltsdauer angeht.

Ende der Entscheidung

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