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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 18.12.2008
Aktenzeichen: C-337/07
Rechtsgebiete: Beschluss Nr. 1/80


Vorschriften:

Beschluss Nr. 1/80 Art. 7 Abs. 1
Beschluss Nr. 1/80 Art. 6 Abs. 1
Beschluss Nr. 1/80 Art. 6 Abs. 2
Beschluss Nr. 1/80 Art. 14 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

18. Dezember 2008

"Assoziierungsabkommen EWG-Türkei - Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats - Aufenthaltsrecht des Kindes eines türkischen Arbeitnehmers - Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zum regulären Arbeitsmarkt - Unverschuldete Arbeitslosigkeit - Anwendbarkeit des Assoziierungsabkommens auf türkische Flüchtlinge - Voraussetzungen für den Verlust erworbener Rechte"

Parteien:

In der Rechtssache C-337/07

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Verwaltungsgericht Stuttgart (Deutschland) mit Entscheidung vom 29. Juni 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Juli 2007, in dem Verfahren

Ibrahim Altun

gegen

Stadt Böblingen

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas, der Richter A. Ó Caoimh, J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter) und U. Lõhmus sowie der Richterin P. Lindh,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- von Herrn Altun, vertreten durch Rechtsanwalt P. Horrig,

- der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und J. Möller als Bevollmächtigte,

- der griechischen Regierung, vertreten durch G. Karipsiadis und T. Papadopoulou als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch V. Kreuschitz und G. Rozet als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. September 2008

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (im Folgenden: Beschluss Nr. 1/80). Der Assoziationsrat wurde durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichtet, das am 12. September 1963 in Ankara von der Republik Türkei einerseits und den Mitgliedstaaten der EWG und der Gemeinschaft andererseits unterzeichnet und durch den Beschluss 64/732/EWG des Rates vom 23. Dezember 1963 (ABl. 1964, Nr. 217, S. 3685) im Namen der Gemeinschaft geschlossen, gebilligt und bestätigt wurde.

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, den der türkische Staatsangehörige Ibrahim Altun mit der Stadt Böblingen wegen der Nichtverlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis und der Androhung seiner Abschiebung aus Deutschland führt.

Rechtlicher Rahmen

Beschluss Nr. 1/80

3 Art. 6 Abs. 1 und 2 des Beschlusses Nr. 1/80 lautet:

"(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, in diesem Mitgliedstaat

- nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;

- nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaats eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;

- nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.

(2) Der Jahresurlaub und die Abwesenheit wegen Mutterschaft, Arbeitsunfall oder kurzer Krankheit werden den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt. Die Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit, die von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind, sowie die Abwesenheit wegen langer Krankheit werden zwar nicht den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt, berühren jedoch nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche."

4 Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 bestimmt:

"Die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen,

- haben vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben;

- haben freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens fünf Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben.

Die Kinder türkischer Arbeitnehmer, die im Aufnahmeland eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, können sich unabhängig von der Dauer ihres Aufenthalts in dem betreffenden Mitgliedstaat dort auf jedes Stellenangebot bewerben, sofern ein Elternteil in dem betreffenden Mitgliedstaat seit mindestens drei Jahren ordnungsgemäß beschäftigt war."

5 Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses lautet:

"Dieser Abschnitt gilt vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind."

Genfer Flüchtlingskonvention

6 Das am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichnete Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (United Nations Treaty Series, Band 189, S. 150, Nr. 2545 [1954]) trat am 22. April 1954 in Kraft. Im Ausgangsrechtsstreit ist das Abkommen in der Fassung anwendbar, die sich aus dem am 31. Januar 1967 in New York unterzeichneten und am 4. Oktober 1967 in Kraft getretenen Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge ergibt (im Folgenden: Genfer Flüchtlingskonvention).

7 Nach Art. 1 Abschnitt A Ziff. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention findet der Ausdruck "Flüchtling" auf jede Person Anwendung, die "aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will; oder die sich als Staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will".

8 Nach Art. 5 der Genfer Flüchtlingskonvention bleiben "Rechte und Vergünstigungen, die unabhängig von diesem Abkommen den Flüchtlingen gewährt werden, ... von den Bestimmungen dieses Abkommens unberührt".

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

9 Der Kläger des Ausgangsverfahrens, Herr Ibrahim Altun, wurde am 1. Januar 1985 als Sohn von Herrn Ali Altun geboren. Herr Ali Altun, der ebenfalls türkischer Staatsangehöriger ist, reiste am 27. März 1996 als Asylbewerber nach Deutschland ein. Mit Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 19. April 1996 wurde er als Asylberechtigter anerkannt. Am 23. Mai 1996 erhielt er daraufhin eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis für Deutschland.

10 Nach verschiedenen Ortswechseln ist Herr Ali Altun seit dem 1. Januar 2000 in Böblingen wohnhaft.

11 Herr Ali Altun nahm erstmals im Juli 1999 bei einer Leiharbeitsfirma in Stuttgart eine Erwerbstätigkeit auf. Ab 1. April 2000 war er in einer Lebensmittel-Produktionsfirma beschäftigt, bis diese am 1. Juni 2002 Insolvenz anmeldete. Daraufhin wurde er aufgefordert, sich beim Arbeitsamt als arbeitslos zu melden; sein Arbeitsverhältnis endete förmlich zum 31. Juli 2002. Vom 1. Juni 2002 bis 26. Mai 2003 erhielt er Arbeitslosengeld.

12 Ab Juni 1999 betrieb Herr Ali Altun für seine Frau, seinen Sohn und seine Töchter ein Verfahren auf Familienzusammenführung. Herr Ibrahim Altun reiste am 30. November 1999 mit einem Visum der zuständigen Auslandsvertretung der Bundesrepublik Deutschland nach Deutschland ein und nahm bei seinem Vater Wohnsitz. Am 9. Dezember 1999 erhielt er eine bis zum 31. Dezember 2000 befristete Aufenthaltserlaubnis. Diese Erlaubnis wurde bis zum 31. Dezember 2002 und dann bis zum 8. Dezember 2003 verlängert.

13 Ab 26. September 2002 meldete sich Herr Ibrahim Altun beim Arbeitsamt als arbeitslos. Vom 1. September 2003 an nahm er an einem Förderlehrgang für arbeitslose Jugendliche teil, von dem er sich am 2. April 2004 wieder abmeldete.

14 Am 28. April 2003 wurde Herr Ibrahim Altun wegen versuchter Vergewaltigung eines 16-jährigen Mädchens festgenommen und befand sich bis zum 27. Mai 2003 in Untersuchungshaft. Mit Urteil des Amtsgerichts Böblingen vom 16. September 2003 wurde er zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt.

15 Am 20. November 2003 beantragte er, erneut seine Aufenthaltserlaubnis zu verlängern, was die Stadt Böblingen mit Bescheid vom 20. April 2004 ablehnte. Sie forderte ihn zudem auf, innerhalb von drei Monaten nach Bekanntgabe dieser Verfügung die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen; andernfalls werde er in die Türkei abgeschoben.

16 Die Stadt Böblingen führte aus, dass die von Herrn Ibrahim Altun begangene Tat eine schwere Straftat sei und nach nationalem Recht einen Grund bilde, die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis zu versagen. Der Betroffene könne auch nicht die Rechte aus Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 in Anspruch nehmen.

17 Nachdem sein Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid zurückgewiesen worden war, erhob Herr Ibrahim Altun Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart mit der Begründung, dass sein Aufenthaltsrecht nicht allein nach nationalem Recht zu beurteilen sei, sondern auch nach Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80.

18 Da das Verwaltungsgericht der Auffassung ist, dass die Entscheidung des Rechtsstreits unter diesen Umständen eine Auslegung des Gemeinschaftsrechts voraussetzt, hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Erfordert der Erwerb der Rechte aus Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80, dass der "Stammberechtigte", bei dem der Familienangehörige während des Zeitraums von drei Jahren seinen ordnungsgemäßen Wohnsitz hat, während dieses gesamten Zeitraums die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 erfüllt?

2. Genügt es für einen Familienangehörigen insoweit, um die Rechte aus Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 zu erwerben, wenn der "Stammberechtigte" in dieser Zeit zwei Jahre und sechs Monate bei verschiedenen Arbeitgebern erwerbstätig ist und anschließend sechs Monate unverschuldet arbeitslos ist und dies auch danach noch für einen längeren Zeitraum bleibt?

3. Kann sich auf Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 auch berufen, wer als Familienangehöriger eine Zuzugsgenehmigung erhalten hat zu einem solchen türkischen Staatsangehörigen, dessen Aufenthaltsrecht und damit dessen Zugang zum regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats allein auf der Gewährung politischen Asyls wegen politischer Verfolgung in der Türkei beruht?

4. Für den Fall, dass die Frage 3 mit ja zu beantworten ist: Kann sich ein Familienangehöriger auch dann auf Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 berufen, wenn die Gewährung politischen Asyls und darauf fußend das Aufenthaltsrecht und der Zugang zum regulären Arbeitsmarkt des "Stammberechtigten" (hier: des Vaters) auf unwahren Angaben beruht?

5. Für den Fall, dass die Frage 4 mit nein zu beantworten ist: Ist es in einem solchen Fall vor der Versagung der Rechte aus Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 an den Familienangehörigen erforderlich, dass die Rechte des "Stammberechtigten" (hier: des Vaters) zuvor förmlich zurückgenommen bzw. widerrufen wurden?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten und zur zweiten Frage

19 Mit der ersten und der zweiten Frage, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Kind eines türkischen Arbeitnehmers die Rechte aus Art. 7 Abs. 1 erster Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 in Anspruch nehmen kann, wenn der betreffende Arbeitnehmer während des Zeitraums von drei Jahren, in dem das Kind mit ihm zusammengelebt hat, zweieinhalb Jahre lang abhängig beschäftigt und anschließend sechs Monate lang arbeitslos war.

20 Nach ständiger Rechtsprechung hat Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 in den Mitgliedstaaten unmittelbare Wirkung, so dass sich die türkischen Staatsangehörigen, die die Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllen, unmittelbar auf die Rechte berufen können, die sie ihnen verleiht (Urteile vom 17. April 1997, Kadiman, C-351/95, Slg. 1997, I-2133, Randnr. 28, und vom 18. Juli 2007, Derin, C-325/05, Slg. 2007, I-6495, Randnr. 47).

21 Der Gerichtshof hat ferner entschieden, dass die Rechte, die Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 dem Kind eines türkischen Arbeitnehmers hinsichtlich der Beschäftigung in dem betreffenden Mitgliedstaat verleiht, notwendig das Bestehen eines entsprechenden Aufenthaltsrechts des Betroffenen voraussetzen, da dem Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt und auf tatsächliche Ausübung einer Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis sonst jede Wirkung genommen würde (vgl. u. a. Urteil Derin, Randnr. 47).

22 Wie sich bereits aus dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 erster Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 ergibt, hängt das Recht des Kindes eines türkischen Arbeitnehmers, sich im Aufnahmemitgliedstaat auf jedes Stellenangebot zu bewerben, von zwei Voraussetzungen ab: Der betreffende Arbeitnehmer muss dem regulären Arbeitsmarkt dieses Staates angehören, und das Kind muss dort sei mindestens drei Jahren seinen ordnungsgemäßen Wohnsitz haben. Klarzustellen ist, dass mit der ersten Voraussetzung nicht die "ordnungsgemäße Beschäftigung" im Sinne von Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 gemeint ist, sondern ausschließlich die "Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt".

23 Zur Zugehörigkeit des türkischen Arbeitnehmers zum regulären Arbeitsmarkt hat der Gerichtshof entschieden, dass dieser Begriff im Rahmen der Auslegung von Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 die Gesamtheit der Arbeitnehmer bezeichnet, die den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats nachkommen und somit das Recht haben, eine Berufstätigkeit in dessen Hoheitsgebiet auszuüben (Urteile vom 26. November 1998, Birden, C-1/97, Slg. 1998, I-7747, Randnr. 51, und vom 24. Januar 2008, Payir u. a., C-294/06, Slg. 2008, I-203, Randnr. 29).

24 Ein türkischer Arbeitnehmer gehört trotz einer vorübergehenden Unterbrechung seines Arbeitsverhältnisses für den Zeitraum, der angemessen ist, um eine andere Beschäftigung zu finden, weiterhin im Sinne von Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 dem regulären Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats an, und zwar unabhängig davon, welchen Grund die Abwesenheit des Betroffenen vom Arbeitsmarkt hat, sofern diese Abwesenheit vorübergehender Natur ist (Urteil vom 7. Juli 2005, Dogan, C-383/03, Slg. 2005, I-6237, Randnrn. 19 und 20).

25 Ein türkischer Arbeitnehmer ist erst dann vom regulären Arbeitsmarkt ausgeschlossen, wenn er objektiv keine Möglichkeit mehr hat, sich in den Arbeitsmarkt wiedereinzugliedern, oder den Zeitraum überschritten hat, der angemessen ist, um nach einer vorübergehenden Beschäftigungslosigkeit eine neue Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis zu finden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Februar 2000, Nazli, C-340/97, Slg. 2000, I-957, Randnr. 44, und Dogan, Randnr. 23).

26 Die Lage der unverschuldeten Arbeitslosigkeit, in der sich Herr Ali Altun befand, nachdem das Unternehmen, in dem er gearbeitet hatte, Insolvenz angemeldet hatte, kann nicht bereits seiner weiteren Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats entgegenstehen.

27 Die Ausführungen in den Randnrn. 23 bis 25 des vorliegenden Urteils zum Begriff der Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt im Sinne von Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 können auch für die Auslegung von Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses herangezogen werden.

28 Würde dieser Begriff unterschiedlich ausgelegt, je nachdem, ob er im Rahmen von Art. 6 oder von Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 betrachtet wird, könnte dies die Kohärenz des Systems beeinträchtigen, das der Assoziationsrat eingerichtet hat, um die Lage der türkischen Arbeitnehmer im Aufnahmemitgliedstaat schrittweise zu festigen.

29 Es ist daran zu erinnern, dass der Beschluss Nr. 1/80 die allmähliche Integration der türkischen Staatsangehörigen, die die Voraussetzungen einer der Bestimmungen dieses Beschlusses erfüllen und damit in den Genuss der darin vorgesehenen Rechte kommen, im Aufnahmemitgliedstaat fördern soll (Urteil Derin, Randnr. 53).

30 Was die Voraussetzung des Wohnsitzes angeht, verlangt Art. 7 Abs. 1 erster Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80, dass der Familienangehörige eines türkischen Arbeitnehmers bei diesem mindestens drei Jahre lang ununterbrochen seinen Wohnsitz hat.

31 Nach ständiger Rechtsprechung ist hierfür erforderlich, dass sich die Familienzusammenführung, die der Grund für die Einreise des Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers in den Aufnahmemitgliedstaat war, während einer bestimmten Zeit im tatsächlichen Zusammenleben des Betroffenen mit dem Arbeitnehmer in häuslicher Gemeinschaft manifestiert und dass dieses Zusammenleben so lange andauert, wie der Betroffene nicht selbst die Voraussetzungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt dieses Staates erfüllt (vgl. Urteile vom 16. März 2000, Ergat, C-329/97, Slg. 2000, I-1487, Randnr. 36, und Derin, Randnr. 51).

32 Daraus folgt, dass der türkische Arbeitnehmer, mit dem der Familienangehörige zusammenlebt, während der gesamten Dauer des Zusammenlebens, die erforderlich ist, damit Letzterer das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats erwirbt, dem regulären Arbeitsmarkt dieses Staates angehören muss.

33 Die beiden Voraussetzungen, die in Randnr. 22 des vorliegenden Urteils genannt sind, müssen gleichzeitig vorliegen.

34 Diese Auslegung von Art. 7 Abs. 1 erster Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 ergibt sich aus dem Wortlaut und den Zielen dieser Bestimmung wie auch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs.

35 Der Gerichtshof hat nämlich klargestellt, dass die durch Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 verliehenen Rechte von dem Familienangehörigen nach der Zeit, während deren er seinen Wohnsitz bei dem dem regulären Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats angehörenden türkischen Arbeitnehmer hatte, auch dann ausgeübt werden können, wenn dieser Arbeitnehmer nach der genannten Zeit nicht mehr dem Arbeitsmarkt dieses Mitgliedstaats angehört (Urteil vom 11. November 2004, Cetinkaya, C-467/02, Slg. 2004, I-10895, Randnr. 32).

36 Dass der Arbeitnehmer die Voraussetzung für die Gewährung des Rechts auf Zugang zum Arbeitsmarkt im Aufnahmemitgliedstaat nicht mehr erfüllt, nachdem der Familienangehörige seinerseits dieses Recht erworben hat, kann Letzteres nicht in Frage stellen.

37 Damit der Familienangehörige eines türkischen Arbeitnehmers gemäß Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt im Aufnahmemitgliedstaat erwirbt, muss der betreffende Arbeitnehmer demnach zumindest während der dreijährigen Dauer des Zusammenlebens die Voraussetzung der Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt erfüllt haben.

38 Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts hat der Kläger des Ausgangsverfahrens länger als drei Jahre mit seinem Vater zusammengelebt, nämlich vom 30. November 1999, als er nach Deutschland einreiste, bis zum 20. April 2004, als der Bescheid erlassen wurde, mit dem die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis versagt wurde. Weiter gibt das nationale Gericht an, dass Herr Ali Altun vor dem 20. April 2004 zweieinhalb Jahre lang erwerbstätig und ab Juni 2002 unverschuldet arbeitslos gewesen sei.

39 Die in Art. 7 Abs. 1 erster Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 aufgestellten Voraussetzungen bezüglich der Zugehörigkeit des türkischen Arbeitnehmers zum regulären Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats und der Dauer, während deren der Familienangehörige seinen ordnungsgemäßen Wohnsitz in diesem Mitgliedstaat haben muss, sind somit im vorliegenden Fall erfüllt.

40 Nach alledem ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass Art. 7 Abs. 1 erster Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 dahin auszulegen ist, dass das Kind eines türkischen Arbeitnehmers die Rechte aus dieser Bestimmung in Anspruch nehmen kann, wenn der betreffende Arbeitnehmer während des Zeitraums von drei Jahren, in dem das Kind mit ihm zusammengelebt hat, zweieinhalb Jahre lang erwerbstätig und anschließend sechs Monate lang arbeitslos war.

Zur dritten Frage

41 Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Tatsache, dass ein türkischer Arbeitnehmer das Aufenthaltsrecht in einem Mitgliedstaat und damit das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt in diesem Staat als politischer Flüchtling erworben hat, ausschließt, dass ein Angehöriger seiner Familie die Rechte aus Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 in Anspruch nehmen kann.

42 Nach ständiger Rechtsprechung hängt die Ausübung der Rechte, die den türkischen Staatsangehörigen nach dem Beschluss Nr. 1/80 zustehen, nicht davon ab, aus welchem Grund ihnen die Einreise- und Aufenthaltsgenehmigung im Aufnahmemitgliedstaat ursprünglich erteilt wurde (vgl. in diesem Sinne zu Art. 6 des Beschlusses Nr. 1/80 Urteile vom 16. Dezember 1992, Kus, C-237/91, Slg. 1992, I-6781, Randnrn. 21 und 22, sowie Payir u. a., Randnr. 40; zu Art. 7 des Beschlusses Urteil vom 5. Oktober 1994, Eroglu, C-355/93, Slg. 1994, I-5113, Randnr. 22).

43 So macht Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 das Recht der Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers auf Zugang zum Arbeitsmarkt im Aufnahmemitgliedstaat und damit einhergehend ihr Recht auf Aufenthalt in diesem Staat nicht davon abhängig, unter welchen Umständen der betreffende Arbeitnehmer das Einreise- und Aufenthaltsrecht erworben hat.

44 Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass Flüchtlinge bereits ausreichend durch die Rechte der Genfer Flüchtlingskonvention geschützt seien und dass keine Notwendigkeit bestehe, sie in den Geltungsbereich eines Assoziierungsabkommens mit ihrem Herkunftsstaat einzubeziehen. Eine solche "doppelte Vergünstigung" erschiene wenig sachgerecht.

45 In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass nach Art. 5 der Genfer Flüchtlingskonvention Rechte und Vergünstigungen, die den Flüchtlingen unabhängig von dieser Konvention gewährt werden, von deren Bestimmungen unberührt bleiben.

46 Der Beschluss Nr. 1/80 gewährt den Familienangehörigen türkischer Arbeitnehmer Rechte, auf die sie sich im Rahmen der Genfer Flüchtlingskonvention nicht berufen können.

47 Während nämlich Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 bestimmt, dass die Familienangehörigen türkischer Arbeitnehmer das Recht haben, sich auf Stellenangebote im Aufnahmemitgliedstaat zu bewerben, wenn bestimmte Voraussetzungen, insbesondere hinsichtlich der Dauer ihres Aufenthalts in diesem Staat, erfüllt sind, verleiht die Genfer Flüchtlingskonvention den Familienangehörigen politischer Flüchtlinge kein derartiges Recht.

48 Zwar lässt der Beschluss Nr. 1/80 die Befugnis der Mitgliedstaaten unberührt, Vorschriften sowohl über die Einreise türkischer Staatsangehöriger in ihr Hoheitsgebiet als auch über die Voraussetzungen für deren erste Beschäftigung zu erlassen (vgl. u. a. Urteil Payir u. a., Randnr. 36).

49 Würde aber die Anwendung des Beschlusses Nr. 1/80 abgelehnt, weil Herr Ali Altun den Status eines politischen Flüchtlings hatte, als ihm die Einreise- und Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland erteilt wurde, würden die Rechte in Frage gestellt, die er selbst und seine Familienangehörigen nach diesem Beschluss haben.

50 Auf die dritte Frage ist damit zu antworten, dass die Tatsache, dass ein türkischer Arbeitnehmer das Aufenthaltsrecht in einem Mitgliedstaat und damit das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt in diesem Staat als politischer Flüchtling erworben hat, nicht ausschließt, dass ein Angehöriger seiner Familie die Rechte aus Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 in Anspruch nehmen kann.

Zur vierten und zur fünften Frage

51 Mit der vierten und der fünften Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Rechte des Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers aus Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 in Frage gestellt werden können, wenn der betreffende Arbeitnehmer den Status eines politischen Flüchtlings durch unwahre Angaben erlangt hat.

52 Das vorlegende Gericht führt aus, seine Unsicherheit in diesem Punkt rühre daher, dass sich aus einer ganzen Reihe von Anhaltspunkten ergebe, dass die Angaben von Herrn Ali Altun im Rahmen seines Asylantrags nicht der Wahrheit entsprechen könnten.

53 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs setzt die Ordnungsmäßigkeit der Beschäftigung eines türkischen Staatsangehörigen im Aufnahmemitgliedstaat eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position des Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt dieses Mitgliedstaats und damit ein nicht bestrittenes Aufenthaltsrecht voraus (Urteile vom 20. September 1990, Sevince, C-192/89, Slg. 1990, I-3461, Randnr. 30, und vom 26. Oktober 2006, Güzeli, C-4/05, Slg. 2006, I-10279, Randnr. 38).

54 In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof festgestellt, dass Beschäftigungszeiten, die ein türkischer Staatsangehöriger aufgrund einer Aufenthaltserlaubnis zurückgelegt hat, die er allein durch eine Täuschung, die zu seiner Verurteilung geführt hat, erwirkt hat, nicht auf einer gesicherten Position beruhen, sondern als in einer nur vorläufigen Position zurückgelegt zu betrachten sind, da ihm während dieser Zeiten von Rechts wegen kein Aufenthaltsrecht zustand (vgl. u. a. Urteile vom 5. Juni 1997, Kol, C-285/95, Slg. 1997, I-3069, Randnr. 27, und vom 11. Mai 2000, Savas, C-37/98, Slg. 2000, I-2927, Randnr. 61).

55 Die Ausübung einer Beschäftigung durch einen türkischen Staatsangehörigen im Rahmen einer Aufenthaltserlaubnis, die aufgrund einer Täuschung erteilt wurde, die zu einer Verurteilung geführt hat, kann weder Rechte für den Betreffenden entstehen lassen noch bei ihm ein berechtigtes Vertrauen begründen (Urteil Kol, Randnr. 28).

56 Angesichts des Zusammenhangs, der zwischen den Rechten eines türkischen Arbeitnehmers aus dem Beschluss Nr. 1/80 und den Rechten besteht, auf die sich die Angehörigen seiner Familie, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen, nach Art. 7 des Beschlusses berufen können, kann eine solche Täuschung darüber hinaus Auswirkungen auf die Rechtssphäre dieser Familienangehörigen haben.

57 Diese Auswirkungen müssen allerdings in Bezug auf den Zeitpunkt beurteilt werden, zu dem die nationalen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats eine Entscheidung erlassen, mit der die Aufenthaltsgenehmigung des betreffenden Arbeitnehmers zurückgenommen wird.

58 Wenn die Rechte der Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers zu dem Zeitpunkt, zu dem seine Aufenthaltsgenehmigung zurückgenommen wird, im Entstehen begriffen sind, können die Mitgliedstaaten, soweit die in Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 aufgestellte Voraussetzung bezüglich der Dauer des tatsächlichen Zusammenlebens mit dem betreffenden Arbeitnehmer noch nicht erfüllt ist, gegenüber diesen Familienangehörigen die Konsequenzen aus der Täuschung durch den Arbeitnehmer ziehen.

59 Haben die Familienangehörigen dagegen ein eigenes Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt im Aufnahmemitgliedstaat und damit einhergehend ein Aufenthaltsrecht in diesem Staat erworben, können diese Rechte durch Unregelmäßigkeiten, die in der Vergangenheit das Aufenthaltsrecht des betreffenden Arbeitnehmers beeinträchtigt haben, nicht mehr in Frage gestellt werden.

60 Jede andere Lösung liefe dem Grundsatz der Rechtssicherheit zuwider, der nach ständiger Rechtsprechung insbesondere gebietet, dass Rechtsvorschriften, vor allem dann, wenn sie nachteilige Folgen für Einzelne haben können, klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen voraussehbar sein müssen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. Februar 1996, Van Es Douane Agenten, C-143/93, Slg. 1996, I-431, Randnr. 27, und vom 18. November 2008, Förster, C-158/07, Slg. 2008, I-0000, Randnr. 67).

61 Zudem würde das Recht der Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers auf Zugang zum Arbeitsmarkt nach Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 ausgehöhlt, wenn die zuständigen nationalen Behörden die Möglichkeit hätten, die Ausübung der dem türkischen Migranten unmittelbar durch den Beschluss verliehenen, genau bestimmten Rechte an Bedingungen zu knüpfen oder in irgendeiner Weise einzuschränken (Urteile Ergat, Randnr. 41, und vom 25. September 2008, Er, C-453/07, Slg. 2008, I-0000, Randnr. 27).

62 Es kann nur zwei Arten von Beschränkungen der Rechte geben, die Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 den Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers verleiht, die die Voraussetzungen dieses Absatzes erfüllen: Entweder stellt die Anwesenheit des türkischen Migranten im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats wegen seines persönlichen Verhaltens eine tatsächliche und schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit im Sinne von Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses dar, oder der Betroffene hat das Hoheitsgebiet dieses Staates für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen (vgl. u. a. Urteile Cetinkaya, Randnrn. 36 und 38, sowie Er, Randnr. 30).

63 Der abschließende Charakter der in der vorstehenden Randnummer genannten Beschränkungen wäre in Frage gestellt, wenn die nationalen Behörden die eigenen Rechte, die die Familienangehörigen des Wanderarbeitnehmers erworben haben, im Wege der Überprüfung oder einer Neubewertung der Umstände, unter denen dem Arbeitnehmer selbst das Einreise- und Aufenthaltsrecht gewährt wurde, Bedingungen unterwerfen oder sie einschränken oder entziehen könnten.

64 Auf die vierte und die fünfte Frage ist somit zu antworten, dass Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 dahin auszulegen ist, dass, wenn ein türkischer Arbeitnehmer den Status eines politischen Flüchtlings durch unwahre Angaben erlangt hat, die Rechte, die ein Angehöriger seiner Familie nach dieser Bestimmung hat, nicht in Frage gestellt werden können, wenn dieser Angehörige zu dem Zeitpunkt, zu dem die dem Arbeitnehmer erteilte Aufenthaltsgenehmigung zurückgenommen wird, die Voraussetzungen der genannten Bestimmung erfüllt.

Kostenentscheidung:

Kosten

65 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

1. Art. 7 Abs. 1 erster Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation, der von dem durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten Assoziationsrat erlassen wurde, ist dahin auszulegen, dass das Kind eines türkischen Arbeitnehmers die Rechte aus dieser Bestimmung in Anspruch nehmen kann, wenn der betreffende Arbeitnehmer während des Zeitraums von drei Jahren, in dem das Kind mit ihm zusammengelebt hat, zweieinhalb Jahre lang erwerbstätig und anschließend sechs Monate lang arbeitslos war.

2. Die Tatsache, dass ein türkischer Arbeitnehmer das Aufenthaltsrecht in einem Mitgliedstaat und damit das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt in diesem Staat als politischer Flüchtling erworben hat, schließt nicht aus, dass ein Angehöriger seiner Familie die Rechte aus Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 in Anspruch nehmen kann.

3. Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 ist dahin auszulegen, dass, wenn ein türkischer Arbeitnehmer den Status eines politischen Flüchtlings durch unwahre Angaben erlangt hat, die Rechte, die ein Angehöriger seiner Familie nach dieser Bestimmung hat, nicht in Frage gestellt werden können, wenn dieser Angehörige zu dem Zeitpunkt, zu dem die dem Arbeitnehmer erteilte Aufenthaltsgenehmigung zurückgenommen wird, die Voraussetzungen der genannten Bestimmung erfüllt.

Ende der Entscheidung

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