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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 12.09.2000
Aktenzeichen: C-359/97
Rechtsgebiete: Sechste Richtlinie über die Mehrwertsteuer


Vorschriften:

Sechste Richtlinie über die Mehrwertsteuer Art. 4 Abs. 5
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Die Gestattung der Benutzung einer Straßenanlage gegen eine Maut ist eine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne von Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern. Die Straßenanlage darf nämlich nur dann benutzt werden, wenn eine Maut entrichtet wird, deren Höhe u. a. von der Art des verwendeten Fahrzeugs und der zurückgelegten Entfernung abhängt. Damit besteht der notwendige unmittelbare Zusammenhang zwischen der erbrachten Leistung und dem empfangenen finanziellen Gegenwert.

(vgl. Randnrn. 45 und 46)

2 Für das Eingreifen von Artikel 4 Absatz 5 Unterabsatz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern, wonach Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht mehrwertsteuerpflichtig sind, soweit sie Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, müssen kumulativ zwei Voraussetzungen erfuellt sein, nämlich die Ausübung von Tätigkeiten durch eine öffentliche Einrichtung und die Vornahme dieser Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt. Was die zweite Voraussetzung angeht, so handelt es sich bei den Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt um solche, die Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Rahmen der eigens für sie geltenden rechtlichen Regelung ausüben; nicht dazu gehören Tätigkeiten, die sie unter den gleichen rechtlichen Bedingungen ausüben wie private Wirtschaftsteilnehmer.

(vgl. Randnrn. 49 und 50)

3 Außerhalb der besonderen Fälle, die Artikel 13 Teil B Buchstabe b der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ausdrücklich nennt, ist der Begriff "Vermietung von Grundstücken" eng auszulegen, da er eine Ausnahme vom durch die Richtlinie geschaffenen allgemeinen Mehrwertsteuersystem darstellt. Deshalb kann er nicht auf Verträge bezogen werden, die sich - wie Verträge über die Gestattung der Benutzung von Straßenanlagen gegen eine Maut - dadurch auszeichnen, dass die Zeitdauer der Grundstücksnutzung, die im Mietvertrag ein Hauptelement bildet, in der Parteivereinbarung ohne Beachtung bleibt.

(vgl. Randnrn. 67 und 68)

4 Obgleich weder die Sechste Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern noch die Regelung über die Eigenmittel der Gemeinschaften eine Verjährungsfrist für die Erhebung der Mehrwertsteuer vorsehen, kann es das grundlegende Erfordernis der Rechtssicherheit der Kommission verwehren, im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens, das auf die Nachzahlung von Eigenmitteln gerichtet ist, die Entscheidung über die Einleitung des gerichtlichen Verfahrensabschnitts unbegrenzt zu verzögern. Auch wenn sich Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1553/89 über die endgültige einheitliche Regelung für die Erhebung der Mehrwertsteuereigenmittel nicht auf den Fall eines anhängigen Vertragsverletzungsverfahren gemäß Artikel 169 EG-Vertrag bezieht, bringt diese Bestimmung doch die Erfordernisse der Rechtssicherheit im Haushaltswesen dadurch zum Ausdruck, dass sie jede Berichtigung nach mehr als vier Haushaltsjahren untersagt. Aus den gleichen Erwägungen der Rechtssicherheit erscheint es gerechtfertigt, die in dieser Vorschrift niedergelegte Regel analog anzuwenden, wenn die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einleitet, um die Nachzahlung von Mehrwertsteuereigenmitteln zu erwirken.

(vgl. Randnrn. 80 und 81, 84 und 85)


Urteil des Gerichtshofes vom 12. September 2000. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland. - Vertragsverletzung - Artikel 4 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie über die Mehrwertsteuer - Gestattung der Straßenbenutzung gegen eine Maut - Kein Mehrwertsteuer-Tatbestand - Verordnungen (EWG, Euratom) Nrn. 1552/89 und 1553/89 - Mehrwertsteuereigenmittel. - Rechtssache C-359/97.

Parteien:

In der Rechtssache C-359/97

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Michard und B. Doherty, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift: C. Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,

Klägerin,

gegen

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch J. E. Collins, Assistant Treasury Solicitor, als Bevollmächtigten, Beistand: G. Barling, QC, und D. Anderson, Barrister, Zustellungsanschrift: Britische Botschaft, 14, boulevard Roosevelt, Luxemburg,

Beklagter,

wegen Feststellung, dass das Vereinigte Königreich dadurch gegen seine Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag verstoßen hat, dass es entgegen den Artikeln 2 und 4 Absätze 1, 2 und 5 der Sechsten Richtlinie (77/388/EWG) des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) die für die Benutzung mautpflichtiger Straßen und Brücken im Vereinigten Königreich erhobene Maut nicht der Mehrwertsteuer unterworfen und infolge dieses Verstoßes der Kommission nicht die entsprechenden Beträge als Eigenmittel zuzüglich Verzugszinsen zur Verfügung gestellt hat,

erlässt

DER GERICHTSHOF

unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der Kammerpräsidenten J. C. Moitinho de Almeida (Berichterstatter), L. Sevón und R. Schintgen sowie der Richter P. J. G. Kapteyn, C. Gulmann, J.-P. Puissochet, P. Jann, H. Ragnemalm und V. Skouris und der Richterin F. Macken,

Generalanwalt: S. Alber

Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Hauptverwaltungsrätin, und H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der Parteien in der Sitzung vom 23. November 1999,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 27. Januar 2000,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 21. Oktober 1997 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EG-Vertrag (jetzt Artikel 226 EG) Klage erhoben auf Feststellung, dass das Vereinigte Königreich dadurch gegen seine Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag verstoßen hat, dass es entgegen den Artikeln 2 und 4 Absätze 1, 2 und 5 der Sechsten Richtlinie (77/388/EWG) des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1; im Folgenden: Sechste Richtlinie) die für die Benutzung mautpflichtiger Straßen und Brücken im Vereinigten Königreich erhobene Maut nicht der Mehrwertsteuer unterworfen und infolge dieses Verstoßes der Kommission nicht die entsprechenden Beträge als Eigenmittel zuzüglich Verzugszinsen zur Verfügung gestellt hat.

Rechtlicher Rahmen

2 Artikel 2 der Sechsten Richtlinie lautet:

"Der Mehrwertsteuer unterliegen:

1. Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt;

2. die Einfuhr von Gegenständen."

3 In Artikel 4 Absätze 1, 2 und 5 der Sechsten Richtlinie heißt es:

"(1) Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbstständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.

(2) Die in Absatz 1 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten sind alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfasst.

...

(5) Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Leistungen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben.

Falls sie jedoch solche Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, gelten sie für diese Tätigkeiten oder Leistungen als Steuerpflichtige, sofern eine Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

Die vorstehend genannten Einrichtungen gelten in jedem Fall als Steuerpflichtige in Bezug auf die in Anhang D aufgeführten Tätigkeiten, sofern der Umfang dieser Tätigkeiten nicht unbedeutend ist.

Die Mitgliedstaaten können die Tätigkeiten der vorstehend genannten Einrichtungen, die nach Artikel 13 oder 28 von der Steuer befreit sind, als Tätigkeiten behandeln, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen."

4 Die Tätigkeit der Gestattung der Benutzung einer Straßenanlage gegen eine Maut gehört unstreitig nicht zu den in Anhang D der Sechsten Richtlinie aufgeführten Tätigkeiten.

5 Artikel 13 Teil B der Sechsten Richtlinie bestimmt:

"Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:

...

b) die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken mit Ausnahme

1. der Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe entsprechend den gesetzlichen Begriffsbestimmungen der Mitgliedstaaten oder in Sektoren mit ähnlicher Zielsetzung, einschließlich der Vermietung in Ferienlagern oder auf als Campingplätze erschlossenen Grundstücken,

2. der Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen,

3. der Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen,

4. der Vermietung von Schließfächern.

Die Mitgliedstaaten können weitere Ausnahmen vom Geltungsbereich dieser Befreiung vorsehen;

..."

6 Artikel 1 der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1553/89 des Rates vom 29. Mai 1989 über die endgültige einheitliche Regelung für die Erhebung der Mehrwertsteuereigenmittel (ABl. L 155, S. 9), die ab 1. Januar 1989 an die Stelle der Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 2892/77 des Rates vom 19. Dezember 1977 über die Anwendung des Beschlusses vom 21. April 1970 über die Ersetzung der Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten durch eigene Mittel der Gemeinschaften auf die Mehrwertsteuereigenmittel in der Fassung der Verordnung (EGKS, EWG, Euratom) Nr. 3735/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 (ABl. L 356, S. 1) getreten ist, bestimmt:

"Die MWSt.-Eigenmittel ergeben sich aus der Anwendung des nach dem Beschluss 88/376/EWG, Euratom festgesetzten einheitlichen Satzes auf die gemäß dieser Verordnung festgelegte Grundlage."

7 Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1553/89 lautet:

"Die Grundlage für die MWSt.-Eigenmittel wird anhand der steuerbaren Umsätze im Sinne von Artikel 2 der Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, zuletzt geändert durch den Beschluss 84/386/EWG, festgelegt, wobei die steuerfreien Umsätze gemäß den Artikeln 13 bis 16 der genannten Richtlinie ausgenommen sind."

8 Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1552/89 des Rates vom 29. Mai 1989 zur Durchführung des Beschlusses 88/376/EWG, Euratom über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften (ABl. L 155, S. 1), die vom 1. Januar 1989 an gilt und mit der die Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 2891/77 des Rates vom 19. Dezember 1977 zur Durchführung des Beschlusses vom 21. April 1970 über die Ersetzung der Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten durch eigene Mittel der Gemeinschaften (ABl. L 336, S. 1) in der Fassung der Verordnung (EGKS, EWG, Euratom) Nr. 1990/88 des Rates vom 30. Juni 1988 (ABl. L 176, S. 1) aufgehoben wurde, bestimmt:

"Jeder Mitgliedstaat schreibt die Eigenmittel nach Maßgabe des Artikels 10 dem Konto gut, das zu diesem Zweck für die Kommission bei der Haushaltsverwaltung des Mitgliedstaats oder bei der von ihm bestimmten Einrichtung eingerichtet wurde."

9 Artikel 11 der Verordnung Nr. 1552/89 lautet:

"Bei verspäteter Gutschrift auf dem in Artikel 9 Absatz 1 genannten Konto hat der betreffende Mitgliedstaat Zinsen zu zahlen, deren Satz dem am Fälligkeitstag auf dem Geldmarkt des betreffenden Mitgliedstaats für kurzfristige Finanzierung geltenden Zinssatz - erhöht um 2 Prozentpunkte - entspricht. Dieser Satz erhöht sich um 0,25 Prozentpunkte für jeden Verzugsmonat. Der erhöhte Satz findet auf die gesamte Dauer des Verzugs Anwendung."

Vorprozessuales Verfahren

Zu dem die Sechste Richtlinie betreffenden Verfahren

10 Mit Schreiben vom 27. März 1987 teilte die Kommission dem Vereinigten Königreich mit, aus welchen Gründen die Maut ihrer Auffassung nach der Mehrwertsteuer zu unterwerfen ist.

11 Mit Schreiben vom 3. Juli 1987 erwiderten die Behörden des Vereinigten Königreichs, sie könnten das britische Mehrwertsteuersystem nicht ändern, bevor die Angelegenheit nicht in dem durch die Mehrwertsteuer-Richtlinien geschaffenen Ausschuss für Mehrwertsteuer geprüft worden sei.

12 Mit Schreiben vom 20. April 1988 teilte die Kommission der Regierung des Vereinigten Königreichs mit, ihrer Auffassung nach laufe es den Artikeln 2 und 4 der Sechsten Richtlinie zuwider, dass auf die Maut für die Benutzung von Straßen, Tunneln und Brücken im Vereinigten Königreich keine Mehrwertsteuer erhoben werde. Sie forderte die Regierung des Vereinigten Königreichs gemäß Artikel 169 EG-Vertrag auf, hierzu binnen zwei Monaten Stellung zu nehmen.

13 Mit Schreiben vom 21. Juli 1988 entgegneten die Behörden des Vereinigten Königreichs, gemäß Artikel 4 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie falle die Erhebung von Maut im Vereinigten Königreich nicht in den Anwendungsbereich der Sechsten Richtlinie.

14 Da die Kommission diese Ausführungen der Behörden des Vereinigten Königreichs nicht für zureichend hielt, übermittelte sie der Regierung des Vereinigten Königreichs mit Schreiben vom 10. August 1989 eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie insbesondere feststellte, dass das Vereinigte Königreich seinen Verpflichtungen aus der Sechsten Richtlinie nicht nachgekommen sei. Demgemäß forderte sie das Vereinigte Königreich auf, binnen zwei Monaten die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um seine Verpflichtungen zu erfuellen.

15 In ihrem Antwortschreiben vom 8. Dezember 1989 beharrten die Behörden des Vereinigten Königreichs auf ihrem Standpunkt, die Einrichtungen, die die Benutzung von Straßenanlagen gegen eine Maut gestatteten, seien Einrichtungen des öffentlichen Rechts und erhöben die Maut im Rahmen öffentlicher Gewalt, sodass ihnen die Befreiung gemäß Artikel 4 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie zugute komme.

Zum das System der Eigenmittel betreffenden Verfahren

16 Mit Schreiben vom 27. November 1987 wies die Kommission die Behörden des Vereinigten Königreichs auf die gemeinschaftsrechtliche Regelung über die Eigenmittel der Gemeinschaften hin. Sie forderte das Vereinigte Königreich auf, nachzuprüfen, ob nicht die für die Haushaltsjahre 1984, 1985 und 1986 als Mehrwertsteuereigenmittel gezahlten Beträge mangels Mehrwertsteuererhebung auf Maut zu niedrig gewesen seien, und gegebenenfalls der Kommission die Fehlbeträge zur Verfügung zu stellen.

17 Auf dieses Schreiben hin wurde keine Berechnung übermittelt.

18 Mit Aufforderungsschreiben vom 31. Januar 1989 leitete die Kommission das Verfahren gemäß Artikel 169 EG-Vertrag ein. In dem Schreiben forderte sie die Behörden des Vereinigten Königreichs insbesondere auf, die erforderlichen Berechnungen vorzunehmen, um die Höhe der von ihnen für die Haushaltsjahre 1984 bis 1986 nicht entrichteten Mehrwertsteuereigenmittel festzustellen, und ihr die Fehlbeträge zuzüglich Verzugszinsen ab 31. März 1988 zu überweisen. Weiter forderte sie sie auf, auch für die Jahre ab 1987 zu berechnen, in welcher Höhe Eigenmittel für jedes Jahr geschuldet seien, und ihr die entsprechenden Beträge spätestens am ersten Werktag im August des folgenden Jahres, gegebenenfalls zuzüglich Verzugszinsen, zur Verfügung zu stellen.

19 Mit Schreiben vom 23. März 1989 antworteten die Behörden des Vereinigten Königreichs, ihrer Ansicht nach seien die fraglichen Tätigkeiten gemäß Artikel 4 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie von der Mehrwertsteuer befreit.

20 Da die Kommission diese Antwort nicht für zureichend hielt, legte sie dem Vereinigten Königreich in ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 10. August 1989 (oben, Randnr. 14) auch einen Verstoß gegen die gemeinschaftliche Regelung über die Eigenmittel zur Last.

21 Da ihr die Ausführungen der Regierung des Vereinigten Königreichs in deren Schreiben vom 8. Dezember 1989 (oben, Randnr. 15) weder hinsichtlich des gerügten Verstoßes gegen die Sechste Richtlinie noch hinsichtlich der gerügten Missachtung der gemeinschaftlichen Regelung über die Eigenmittel zureichend erschienen, hat sie die vorliegende Klage erhoben.

Zur Zulässigkeit

22 Die Regierung des Vereinigten Königreichs weist darauf hin, dass die vorprozessuale Phase des vorliegenden Verfahrens länger als zehn Jahre gedauert habe und davon fast acht Jahre zwischen der Antwort des Vereinigten Königreichs auf die mit Gründen versehene Stellungnahme und der Klageerhebung verstrichen seien.

23 Dieser Zeitraum sei übermäßig lang, zumal die Kommission nicht nur die Feststellung begehre, dass das Vereinigte Königreich gegen die Sechste Richtlinie verstoßen habe, sondern außerdem beantrage, es zur Nachzahlung von Mehrwertsteuereigenmitteln ab dem Haushaltsjahr 1984 zuzüglich Verzugszinsen zu verurteilen.

24 Die Klage sei deshalb, soweit mit ihr eine Entscheidung für die Zeit vor der Urteilsverkündung begehrt werde, für unzulässig zu erklären.

25 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes könne eine überlange Dauer des vorprozessualen Verfahrens nach Artikel 169 EG-Vertrag die Verteidigungsrechte beeinträchtigen und deshalb eine Einrede der Unzulässigkeit begründen (Urteil vom 16. Mai 1991 in der Rechtssache C-96/89, Kommission/Niederlande, Slg. 1991, I-2461, Randnr. 16). Überdies würde das Vereinigte Königreich durch das Verhalten der Kommission, wenn diese mit ihrer Klage obsiegen würde, einen beträchtlichen Schaden erleiden, den es nicht hätte vermeiden können (Urteil vom 16. Mai 1991, Kommission/Niederlande, Randnr. 17).

26 Erstens seien die nachgeforderten Eigenmittel viel höher als bei Einleitung des Verfahrens binnen angemessener Frist. Zweitens habe das Vereinigte Königreich keine Möglichkeit, die zum Ausgleich des Defizits erforderliche Mehrwertsteuer nachträglich zu erheben oder im Nachhinein die Mehrwertsteuer von den Straßenbenutzern zu erlangen, die seit 1984 Mehrwertsteuer auf die Maut hätten entrichten müssen. Dies führe zu einer Belastung des Finanzministeriums. Drittens würden vom Vereinigten Königreich Verzugszinsen in beträchtlicher Höhe verlangt, die bei Verfahrenseinleitung binnen angemessener Frist weitgehend hätten vermieden werden können. Viertens sei es aus Gründen der Rechtssicherheit und wegen der berechtigten Erwartungen des Vereinigten Königreichs angesichts des langen Schweigens der Kommission missbräuchlich, dass zur Herbeiführung eines solchen Ergebnisses die vorliegende Klage erhoben worden sei. Schließlich hänge die fragliche Berechnung von Eigenmitteln von Annahmen ab, die ungenau und in keiner Weise nachprüfbar seien.

27 Hilfsweise macht das Vereinigte Königreich für den Fall, dass der Gerichtshof seine Einwendungen gegen die Zulässigkeit und Begründetheit der Klage zurückweist, geltend, die Wirkungen des Urteils seien zeitlich so zu beschränken, dass es für die - namentlich finanziellen - Folgen einer vertragswidrigen Nichterhebung von Mehrwertsteuer in der Vergangenheit nicht zu haften habe.

28 Nach der Rechtsprechung des Gerichshofes findet zwar Artikel 169 EG-Vertrag Anwendung, ohne dass die Kommission eine bestimmte Frist zu wahren hätte. Jedoch kann eine überlange Dauer des in Artikel 169 vorgesehenen Vorverfahrens es dem betroffenen Staat unter gewissen Umständen erschweren, die Argumente der Kommission zu widerlegen, und somit die Verteidigungsrechte beeinträchtigen (Urteil vom 16. Mai 1991, Kommission/Niederlande, Randnrn. 15 f.).

29 Im vorliegenden Fall hat die Regierung des Vereinigten Königreichs allerdings weder nachgewiesen noch auch nur behauptet, dass die ungewöhnliche Verfahrensdauer Auswirkungen auf die Art und Weise ihrer Verteidigung gehabt habe.

30 Überdies war die Kommission, wie sie unwidersprochen in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, von der Französischen Republik ersucht worden, ihre Entscheidung über die Erhebung einer Klage gegen die Französische Republik zu verschieben, um eine Prüfung der auf den Kanaltunnel anwendbaren Mehrwertsteuerregelung zu ermöglichen. Wie die Kommission ausgeführt hat, verzögerte dies die Erhebung von Klagen gegen die verschiedenen betroffenen Mitgliedstaaten, um eine einheitliche Haltung gegenüber allen zu ermöglichen. Mit dieser Vorgehensweise übte die Kommission das ihr gemäß Artikel 169 EG-Vertrag zustehende Ermessen nicht fehlerhaft aus.

31 Schließlich hätte die Regierung des Vereinigten Königreichs die von ihr geltend gemachten nachteiligen finanziellen Auswirkungen vermeiden können, wenn sie der Kommission die geforderten Beträge unter dem Vorbehalt zur Verfügung gestellt hätte, dass der Standpunkt der Kommission begründet ist (in diesem Sinn Urteil vom 16. Mai 1991, Kommission/Niederlande, Randnr. 17).

32 Der von der Regierung des Vereinigten Königreichs gestellte Antrag, die Klage für den vor dem Urteil liegenden Zeitraum für unzulässig zu erklären, ist demgemäß zurückzuweisen.

33 Ihr Hilfsantrag, die Urteilswirkungen zeitlich zu beschränken, setzt die Feststellung der von der Kommission gerügten Vertragsverletzung voraus. Vor der etwaigen Prüfung einer solchen zeitlichen Beschränkung ist deshalb die Begründetheit der Klage zu prüfen.

Zur Begründetheit

34 Mit ihrer Klage legt die Kommission dem Vereinigten Königreich zur Last, es habe dadurch gegen die Sechste Richtlinie verstoßen, dass es die als Gegenleistung für die Benutzung mautpflichtiger Straßen und Brücken erhobene Maut nicht der Mehrwertsteuer unterworfen habe, und es habe die Regelung über die Eigenmittel der Gemeinschaften missachtet, indem es nicht die Mehrwertsteuereigenmittel an den Gemeinschaftshaushalt überwiesen habe, die den Beträgen entsprächen, die als Mehrwertsteuer auf die fragliche Maut hätten erhoben werden müssen.

Zur ersten Rüge

35 Wird die Benutzung von Straßenanlagen gegen eine Maut gestattet, so liegt hierin nach Auffassung der Kommission eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Artikel 2 und 4 der Sechsten Richtlinie. Diese Tätigkeit sei eine Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger im Rahmen der Nutzung eines Gegenstands zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen im Sinne von Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Sechsten Richtlinie erbringe.

36 Dass diese Tätigkeit, wie im Vereinigten Königreich, gemäß einer besonderen Regelung von öffentlichen oder privaten Betreibern ausgeübt werde, könne die fraglichen Verrichtungen nicht dem Anwendungsbereich der Sechsten Richtlinie entziehen.

37 Gemäß Artikel 4 Absatz 5 Unterabsatz 1 der Sechsten Richtlinie gälten Einrichtungen des öffentlichen Rechts nur insoweit nicht als steuerpflichtig, als sie Tätigkeiten ausübten oder Leistungen erbrächten, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt oblägen. So verhalte es sich jedoch nicht bei der streitigen Tätigkeit, die nicht zu den kennzeichnenden, keinesfalls auf private Einrichtungen übertragbaren Aufgaben der öffentlichen Gewalt gehöre; die Regelung, wonach öffentlich-rechtliche Einrichtungen nicht steuerpflichtig seien, sei notwendig eng auszulegen.

38 Jedenfalls könne die in der genannten Bestimmung niedergelegte Ausnahme nur dann geltend gemacht werden, wenn die streitige Tätigkeit von einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung ausgeübt werde.

39 Es ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Sechste Richtlinie den Anwendungsbereich für die Mehrwertsteuer sehr weit fasst, indem sie in Artikel 2, der die steuerbaren Umsätze betrifft, neben der Einfuhr von Gegenständen die im Inland gegen Entgelt ausgeführten Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen nennt und in Artikel 4 Absatz 1 als Steuerpflichtigen definiert, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit selbstständig ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis (Urteil vom 26. März 1987 in der Rechtssache 235/85, Kommission/Niederlande, Slg. 1987, 1471, Randnr. 6).

40 Der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit erfasst nach Artikel 4 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfasst.

41 Diese Festlegungen zeigen klar, dass sich der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit auf einen weiten Bereich erstreckt und dass es sich dabei um einen objektiv festgelegten Begriff handelt, da die Tätigkeit an sich, unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis, betrachtet wird (Urteil vom 26. März 1987, Kommission/Niederlande, Randnr. 8).

42 Angesichts der Weite des durch den Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit festgelegten Anwendungsbereichs ist festzustellen, dass die fraglichen Betreiber im Vereinigten Königreich, soweit sie den Benutzern gegen Entgelt eine Straßenanlage zur Verfügung stellen, eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Sechsten Richtlinie ausüben.

43 Angesichts des objektiven Charakters des Begriffes der wirtschaftlichen Tätigkeit ist es unerheblich, dass die in der vorstehenden Randnummer genannte Tätigkeit in der Wahrnehmung von Aufgaben besteht, die aus Gründen des Gemeinwohls durch Gesetz zugewiesen und geregelt werden. Nach Artikel 6 der Sechsten Richtlinie sind nämlich bestimmte kraft Gesetzes ausgeübte Tätigkeiten ausdrücklich der Mehrwertsteuerregelung unterworfen (Urteil Kommission/Niederlande, Randnr. 10).

44 Der Begriff der Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne von Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie setzt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (u. a. Urteile vom 8. März 1988 in der Rechtssache 102/86, Apple and Pear Development Council, Slg. 1988, 1443, Randnr. 12, und vom 16. Oktober 1997 in der Rechtssache C-258/95, Fillibeck, Slg. 1997, I-5577, Randnr. 12) weiter voraus, dass zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem empfangenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht.

45 Wie die Kommission zutreffend ausgeführt hat, entspricht die Gestattung der Benutzung einer Straßenanlage gegen eine Maut dieser Festlegung. Die Straßenanlage darf nämlich nur dann benutzt werden, wenn eine Maut entrichtet wird, deren Höhe u. a. von der Art des verwendeten Fahrzeugs und der zurückgelegten Entfernung abhängt. Damit besteht der notwendige unmittelbare Zusammenhang zwischen der erbrachten Leistung und dem empfangenen finanziellen Gegenwert.

46 Demnach ist die Gestattung der Benutzung einer Straßenanlage gegen eine Maut eine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne von Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie.

47 Damit ist weiter zu prüfen, ob den fraglichen Betreibern, wie die Regierung des Vereinigten Königreichs vorträgt, hinsichtlich der Tätigkeit, die in der Gestattung der Benutzung einer Straßenanlage gegen eine Maut besteht, die in Artikel 4 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie vorgesehene Ausnahme zugute kommt.

48 Nach dem ersten Unterabsatz dieser Bestimmung gelten Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht als steuerpflichtig, soweit sie Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen.

49 Wie der Gerichtshof wiederholt festgestellt hat, ergibt sich aus dieser Bestimmung unter Berücksichtigung der Ziele der Richtlinie eindeutig, dass für die Nichteinbeziehung in die Steuerpflicht kumulativ zwei Voraussetzungen erfuellt sein müssen, nämlich die Ausübung von Tätigkeiten durch eine öffentliche Einrichtung und die Vornahme dieser Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt (u. a. Urteil vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-202/90, Ayuntamiento de Sevilla, Slg. 1991, I-4247, Randnr. 18).

50 Was die zweite Voraussetzung angeht, so handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteile vom 17. Oktober 1989 in den verbundenen Rechtssachen 231/87 und 129/88, Comune di Carpaneto Piacentino u. a., Slg. 1989, 3233, Randnr. 16, vom 15. Mai 1990 in der Rechtssache C-4/89, Comune di Carpaneto Piacentino u. a., Slg. 1990, I-1869, Randnr. 8, und vom 6. Februar 1997 in der Rechtssache C-247/95, Marktgemeinde Welden, Slg. 1997, I-779, Randnr. 17) bei den Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt im Sinne des Artikels 4 Absatz 5 Unterabsatz 1 der Sechsten Richtlinie um solche, die Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Rahmen der eigens für sie geltenden rechtlichen Regelung ausüben; nicht dazu gehören Tätigkeiten, die sie unter den gleichen rechtlichen Bedingungen ausüben wie private Wirtschaftsteilnehmer.

51 Im Lichte dieser Rechtsprechung ist das Vorbringen der Kommission (oben, Randnr. 37) zurückzuweisen, wonach eine Einrichtung Tätigkeiten "im Rahmen der öffentlichen Gewalt" nur ausübe, soweit diese Tätigkeiten zur öffentlichen Gewalt im engen Sinne dieses Begriffes gehörten, was bei der Gestattung der Benutzung einer Straßenanlage gegen eine Maut nicht der Fall sei.

52 Die Kommission, deren Rechtsauffassung der Gerichtshof somit nicht zustimmt, hat im vorliegenden Fall weder nachgewiesen noch auch nur nachzuweisen versucht, dass die in Frage stehenden Betreiber im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes unter den gleichen Bedingungen tätig sind wie ein privater Wirtschaftsteilnehmer. Demgegenüber hat das Vereinigte Königreich den Nachweis angetreten, dass diese Betreiber die fragliche Tätigkeit im Rahmen einer rechtlichen Regelung ausüben, die im Sinne dieser Rechtsprechung eigens für sie gilt.

53 Die Kommission hat es somit versäumt, Gesichtspunkte darzulegen, aus denen sich im Hinblick auf die Voraussetzung, dass eine Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübt worden sein muss, auf eine Vertragsverletzung schließen ließe.

54 Wie oben ausgeführt (Randnr. 49), entfällt die Steuerpflichtigkeit gemäß Artikel 4 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie aber nur dann, wenn die fragliche Tätigkeit nicht nur im Rahmen der öffentlichen Gewalt, sondern überdies durch eine öffentlich-rechtliche Einrichtung ausgeübt wird.

55 Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes, dass die Tätigkeit einer Privatperson nicht allein deswegen von der Mehrwertsteuer befreit ist, weil sie in der Vornahme von an sich der öffentlichen Gewalt vorbehaltenen Handlungen besteht (Urteile vom 26. März 1987, Kommission/Niederlande, Randnr. 21, und Ayuntamiento de Sevilla, Randnr. 19). Wie der Gerichtshof in Randnummer 20 des Urteils Ayuntamiento de Sevilla festgestellt hat, folgt daraus, dass die in Artikel 4 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie vorgesehene Befreiung nicht Platz greifen kann, wenn eine Gemeinde einem unabhängigen Dritten Aufgaben eines Steuereinnehmers überträgt. In Randnummer 22 des Urteils vom 26. März 1987, Kommission/Niederlande, hat der Gerichtshof weiter entschieden, dass die Notare und die Gerichtsvollzieher in den Niederlanden selbst dann, wenn man unterstellt, dass sie bei der Vornahme von Amtshandlungen aufgrund einer öffentlichen Bestallung Befugnisse der öffentlichen Gewalt ausüben, nicht in den Genuss der Befreiung nach Artikel 4 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie kommen können, da sie ihre Tätigkeiten mangels Eingliederung in die öffentliche Verwaltung nicht als Einrichtung des öffentlichen Rechts, sondern in Form einer selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit im Rahmen eines freien Berufes ausüben.

56 Im vorliegenden Fall wird aber die Tätigkeit, die in der Gestattung der Benutzung einer Straßenanlage gegen eine Maut besteht, im Vereinigten Königreich zumindest in manchen Fällen unstreitig nicht durch eine öffentlich-rechtliche Einrichtung, sondern durch Wirtschaftsteilnehmer des privaten Rechts ausgeübt. Soweit dies der Fall ist, kann die in Artikel 4 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie vorgesehene Befreiung nicht angewendet werden.

57 Die erste Rüge der Kommission ist demnach für die Fälle zurückzuweisen, in denen eine öffentlich-rechtliche Einrichtung im Vereinigten Königreich die Tätigkeit der Gestattung der Benutzung einer Straßenanlage ausübt.

58 Die Regierung des Vereinigten Königreichs wendet weiter ein, die Gestattung der Benutzung von Straßenanlagen gegen eine Maut sei eine "Vermietung von Grundstücken" im Sinne von Artikel 13 Teil B Buchstabe b der Sechsten Richtlinie und somit nach dieser Bestimmung von der Mehrwertsteuer befreit.

59 Eine weite Auslegung des Begriffes der Vermietung im Sinne von Artikel 13 Teil B Buchstabe b der Sechsten Richtlinie sei umso mehr geboten, als sich aus den aufgeführten Ausnahmen vom Anwendungsbereich der in der Bestimmung festgelegten Befreiung schließen lasse, dass so kurz andauernde Tätigkeiten wie die Benutzung eines Hotelzimmers für nur eine Nacht oder die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen dem ersten Anschein nach unter den Begriff der Vermietung oder Verpachtung fielen.

60 Da die Mehrwertsteuer eine Steuer auf die Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen sei, sei zu fragen, was als Hauptgegenleistung für die Zahlung erlangt werde. Sei das Recht zur Benutzung eines Grundstücks akzessorisch im Verhältnis zur erbrachten Dienstleistung, so liege eine steuerbare Tätigkeit vor. Bei der Entrichtung einer Maut sei aber die gewährte Hauptleistung das Recht, die mautpflichtige Straße zu benutzen, sodass die Tätigkeit unter die Befreiung nach Artikel 13 Teil B Buchstabe b falle.

61 Entgegen der Auffassung der Kommission setzten die Begriffe der Verpachtung und der Vermietung im Sinne von Artikel 13 Teil B Buchstabe b der Sechsten Richtlinie weder das Bestehen eines ausschließlichen Besitzrechts noch einer bestimmten Dauer der Wahrnehmung des Rechts zur Benutzung eines Gegenstands voraus. Jede andere Auslegung sei unvereinbar mit Artikel 13 Teil B Buchstabe b Nummer 2 der Sechsten Richtlinie, aus dem hervorgehe, dass die Vermietung von Abstellplätzen für Fahrzeuge dem ersten Anschein nach unter den Begriff der Verpachtung oder Vermietung im Sinne der Bestimmung falle. Ein solcher Vertrag setze nämlich weder eine ausschließliche Benutzung des Parkplatzes noch auch nur eines bestimmten Stellplatzes auf der Parkfläche voraus.

62 Im Vereinigten Königreich sei die private Maut immer als die Gegenleistung für die Erlaubnis ("licence") zur Durchquerung eines Grundstücks betrachtet worden, die gemäß Artikel 13 Teil B Buchstabe b von der Mehrwertsteuer befreit sei, da der Erlaubnisgeber einer bestimmten und vereinbarten Form der Beeinträchtigung seiner Rechte an seinem Grundstück zustimme. Die rechtliche Einordnung einer solchen Durchgangserlaubnis unterscheide sich, was die Mehrwertsteuer angehe, nicht von der Erlaubnis zur Nutzung eines Hotelzimmers oder der Vermietung eines Wohnhauses.

63 Nach ständiger Rechtsprechung stellen die in Artikel 13 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Befreiungen eigenständige Begriffe des Gemeinschaftsrechts dar (u. a. Urteile vom 15. Juni 1989 in der Rechtssache 348/87, Stichting Uitvoering Financiële Acties, Slg. 1989, 1737, Randnr. 11, vom 11. August 1995 in der Rechtssache C-453/93, Bulthuis-Griffioen, Slg. 1995, I-2341, Randnr. 18, und vom 5. Juni 1997 in der Rechtssache C-2/95, SDC, Slg. 1997, I-3017, Randnr. 21). Sie erfordern daher eine gemeinschaftsrechtliche Definition.

64 Ferner sind nach ständiger Rechtsprechung die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen nach Artikel 13 der Sechsten Richtlinie umschrieben sind, eng auszulegen, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Umsatzsteuer unterliegt (u. a. Urteile Stichting Uitvoering Financiële Acties, Randnr. 13, Bulthuis-Griffioen, Randnr. 19, SDC, Randnr. 20, und vom 7. September 1999 in der Rechtssache C-216/97, Gregg, Slg. 1999, I-4947, Randnr. 12).

65 Für die Abgrenzung der begrifflichen Tragweite von "Verpachtung" oder "Vermietung von Grundstücken" lässt sich dem Wortlaut von Artikel 13 Teil B Buchstabe b der Sechsten Richtlinie nichts entnehmen.

66 Zwar ist "Vermietung von Grundstücken" im Sinne dieser Bestimmung in verschiedener Hinsicht ein weiterer Begriff als in verschiedenen nationalen Rechtsordnungen. So bezieht sich die Vorschrift etwa, zur Festlegung einer Ausnahme von der Befreiung, auf den Beherbergungsvertrag ("Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe"), den bestimmte nationale Rechtsordnungen wegen des Hauptgewichts der vom Gastwirt erbrachten Dienstleistungen und seiner Kontrolle über die Raumnutzung durch den Gast nicht als Mietvertrag ansehen.

67 Außerhalb der besonderen Fälle, die Artikel 13 Teil B Buchstabe b der Sechsten Richtlinie ausdrücklich nennt, ist der Begriff "Vermietung von Grundstücken" jedoch eng auszulegen. Wie erwähnt (oben, Randnr. 64), stellt er nämlich eine Ausnahme vom durch die Richtlinie geschaffenen allgemeinen Mehrwertsteuersystem dar.

68 Deshalb kann er nicht auf Verträge bezogen werden, die sich - wie hier - dadurch auszeichnen, dass die Zeitdauer der Grundstücksnutzung, die im Mietvertrag ein Hauptelement bildet, in der Parteivereinbarung ohne Beachtung bleibt.

69 Bei der Gestattung einer Straßenbenutzung gilt nämlich das Interesse des Benutzers der ihm angebotenen Möglichkeit, eine bestimmte Strecke rasch und in größerer Sicherheit zurückzulegen. Dabei berücksichtigen die Parteien insbesondere für die Festlegung des Preises nicht, wie lange die Straßenbenutzung dauert.

70 Nach alledem ist festzustellen, dass das Vereinigte Königreich dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 2 und 4 der Sechsten Richtlinie verstoßen hat, dass es die Maut, die für die Benutzung mautpflichtiger Straßen und Brücken als Gegenleistung für die den Benutzern erbrachte Leistung erhoben wird, nicht der Mehrwertsteuer unterworfen hat, soweit die letztgenannte Leistung nicht von einer Einrichtung des öffentlichen Rechts im Sinne von Artikel 4 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie ausgeführt wird.

Zur zweiten Rüge

71 Die Kommission weist darauf hin, dass die Gemeinschaftsregelung über die Erhebung der Mehrwertsteuereigenmittel in der Verordnung Nr. 1553/89 enthalten ist, die vom 1. Januar 1989 an die Verordnung Nr. 2892/77 in geänderter Fassung abgelöst hat.

72 Wenn ein Steuerpflichtiger eine der in den Artikeln 2 und 4 der Sechsten Richtlinie genannten Tätigkeiten vornehme, so habe der Endverbraucher dieser Lieferung oder Dienstleistung die Mehrwertsteuer zu entrichten, und damit seien für den Mitgliedstaat, in dem die Mehrwertsteuer erhoben worden sei, die Vorschriften über die Zahlung der Mehrwertsteuereigenmittel anzuwenden.

73 Werde gegen die Sechste Richtlinie verstoßen und dadurch die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuereigenmittel verringert, so sei ihr der Betrag der auf die Steuer, die zu erheben gewesen wäre, entfallenden Eigenmittel gutzuschreiben, da sie andernfalls einen finanziellen Schaden erlitte, der durch den auf der Grundlage des nationalen Bruttosozialprodukts zu leistenden Beitrag ausgeglichen werden müsste. Damit würde ein solcher Verstoß den anderen Mitgliedstaaten einen finanziellen Schaden verursachen und verstoße daher gegen den Gleichheitsgrundsatz.

74 Verzugszinsen seien nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 1552/89 "bei verspäteter Gutschrift" zu entrichten und könnten unabhängig davon, aus welchem Grund die Gutschrift auf dem Konto der Kommission verspätet erfolgt sei, verlangt werden (siehe z. B. Urteil vom 22. Februar 1989 in der Rechtssache 54/87, Kommission/Italien, Slg. 1989, 385, Randnr. 12).

75 Sie habe der Regierung des Vereinigten Königreichs die für die Abstellung des Verstoßes erforderlichen Fristen eingeräumt und sie darauf hingewiesen, dass für die Mehrwertsteuereigenmittel, die das Vereinigte Königreich deshalb nicht gezahlt habe, weil es die Maut nicht der Mehrwertsteuer unterworfen habe, Verzugszinsen zu entrichten seien.

76 Gemäß Artikel 1 der Verordnung Nr. 1553/89 ergeben sich die Mehrwertsteuereigenmittel aus der Anwendung eines einheitlichen Satzes auf die gemäß dieser Verordnung festgelegte Grundlage. Nach ihrem Artikel 2 Absatz 1 wird diese Grundlage anhand der steuerbaren Umsätze im Sinne von Artikel 2 der Sechsten Richtlinie festgelegt.

77 Soweit die als Gegenleistung für die Nutzung bestimmter Straßenanlagen im Vereinigten Königreich erhobene Maut nicht der Mehrwertsteuer unterworfen wurde, wurden die entsprechenden Beträge auch bei der Festlegung der Grundlage für die Mehrwertsteuereigenmittel nicht berücksichtigt, sodass das Vereinigte Königreich im gleichen Umfang auch gegen die Regelung über die Eigenmittel der Gemeinschaften verstoßen hat.

78 Die Rechtsgrundlage für die von der Kommission geforderten Verzugszinsen ergibt sich aus Artikel 11 der Verordnung Nr. 1552/89. Wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, fallen die Verzugszinsen unabhängig davon an, aus welchem Grund die Gutschrift verspätet erfolgte (u. a. Urteil Kommission/Italien, Randnr. 12).

79 Es stellt sich allerdings die Frage, ob die Verpflichtung des Vereinigten Königreichs, gemäß der Regelung über die Eigenmittel der Gemeinschaften gegebenenfalls Nachzahlungen zu leisten, nicht in ihrem Umfang durch den Umstand beeinflusst wird, dass die vorliegende Klage erst mehr als sieben Jahre nach der Zustellung der mit Gründen versehenen Stellungnahme erhoben worden ist.

80 Obgleich weder die Sechste Richtlinie (Urteil vom 19. November 1998 in der Rechtssache C-85/97, SFI, Slg. 1998, I-7447, Randnr. 25) noch die Regelung über die Eigenmittel der Gemeinschaften eine Verjährungsfrist für die Erhebung der Mehrwertsteuer vorsehen, kann es das grundlegende Erfordernis der Rechtssicherheit der Kommission verwehren, im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens, das auf die Nachzahlung von Eigenmitteln gerichtet ist, die Entscheidung über die Einleitung des gerichtlichen Verfahrensabschnitts unbegrenzt zu verzögern (entsprechend Urteil vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 57/69, ACNA/Kommission, Slg. 1972, 933, Randnr. 32).

81 Insoweit ist zu beachten, dass die Mitgliedstaaten der Kommission gemäß Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1553/89 eine Übersicht zu übermitteln haben, aus der der Gesamtbetrag der für das vorhergehende Kalenderjahr berechneten Grundlage der Mehrwertsteuereigenmittel, auf die der einheitliche Satz im Sinne von Artikel 1 dieser Verordnung anzuwenden ist, hervorgeht.

82 Weiterhin werden nach Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1553/89 die Berichtigungen der Übersichten gemäß Artikel 7 Absatz 1 für die vorhergehenden Haushaltsjahre, aus welchen Gründen sie auch immer anfallen, im Einvernehmen zwischen der Kommission und dem betroffenen Mitgliedstaat vorgenommen. Kommt es zu keinem Einvernehmen mit dem Mitgliedstaat, so trifft die Kommission nach einer nochmaligen Prüfung die Maßnahmen, die sie für die ordnungsgemäße Anwendung der Verordnung Nr. 1553/89 für erforderlich hält.

83 Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1553/89 bestimmt:

"Nach dem 31. Juli des vierten Jahres, das auf ein Haushaltsjahr folgt, wird die Jahresübersicht gemäß Artikel 7 Absatz 1 nicht mehr berichtigt; hiervon ausgenommen sind die vor diesem Termin von der Kommission oder von dem betreffenden Mitgliedstaat mitgeteilten Punkte."

84 Auch wenn sich diese Bestimmung nicht auf den Fall eines anhängigen Vertragsverletzungsverfahren gemäß Artikel 169 EG-Vertrag bezieht, bringt sie doch die Erfordernisse der Rechtssicherheit im Haushaltswesen dadurch zum Ausdruck, dass sie jede Berichtigung nach mehr als vier Haushaltsjahren untersagt.

85 Aus den gleichen Erwägungen der Rechtssicherheit erscheint es gerechtfertigt, die in dieser Vorschrift niedergelegte Regel analog anzuwenden, wenn die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einleitet, um die Nachzahlung von Mehrwertsteuereigenmitteln zu erwirken.

86 Demgemäß kann die Kommission, die die vorliegende Klage erst am 21. Oktober 1997 erhoben hat, die Nachzahlung von Mehrwertsteuereigenmitteln zuzüglich Verzugszinsen nur ab dem Haushaltsjahr 1994 verlangen.

87 Nach alledem ist festzustellen, dass das Vereinigte Königreich dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Verordnungen Nrn. 1553/89 und 1552/89 verstoßen hat, dass es der Kommission nicht als Mehrwertsteuereigenmittel die Beträge zur Verfügung gestellt hat, die der Mehrwertsteuer, die auf die Maut für die Benutzung mautpflichtiger Straßen und Brücken hätte erhoben werden müssen, zuzüglich Verzugszinsen entsprechen

Zur Beschränkung der Wirkungen des Urteils

88 Die Regierung des Vereinigten Königreichs macht geltend, falls der Gerichtshof im Sinne des Vorbringens der Kommission entscheiden sollte, sei für jede Feststellung einer Vertragsverletzung festzulegen, dass sie nur für die Zukunft wirke.

89 Gegen die Befugnis des Gerichtshofes, die Wirkungen eines eine Vertragsverletzung feststellenden Urteils zeitlich zu beschränken, bestuenden keine Bedenken, da die Möglichkeit zur Beschränkung der Urteilswirkungen, die Artikel 174 EG-Vertrag (jetzt Artikel 231 EG) für Nichtigkeitsklagen ausdrücklich vorsehe, für nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) ergangene Urteile bereits anerkannt sei.

90 Die Voraussetzungen für eine solche Beschränkung lägen hier vor. Ein eine Vertragsverletzung feststellendes Urteil mit Wirkung für die Zeit vor seiner Verkündung würde das Vereinigte Königreich nämlich verpflichten, der Kommission einen beträchtlichen Betrag zuzüglich Verzugszinsen zu zahlen, den es aus seinen allgemeinen Mitteln decken müsste, da er nicht mehr von den Personen erhoben werden könnte, die die mautpflichtigen Straßen und Brücken im fraglichen Zeitraum benutzt hätten. Diese finanziellen Konsequenzen seien durch die lange Untätigkeit der Kommission nach der Antwort des Vereinigten Königreichs auf die mit Gründen versehene Stellungnahme noch erheblich verschärft worden. Aus dieser Untätigkeit habe das Vereinigte Königreich im Übrigen schließen dürfen, dass die Kommission seine Einwendungen gegen die mit Gründen versehene Stellungnahme als rechtlich zutreffend akzeptiert habe oder zumindest davon absehen würde, wegen der angeblichen Vertragsverletzung ein Verfahren gegen es einzuleiten. Die Erhebung von Mehrwertsteuer auf Maut sei im Vereinigten Königreich somit gutgläubig und auf der Grundlage einer aufrichtigen und in jeder Hinsicht sachgerechten Auslegung der einschlägigen Bestimmungen unterblieben, die der Kommission im vorprozessualen Verfahren vom Vereinigten Königreich auch mitgeteilt worden sei. Das Vereinigte Königreich beruft sich insoweit auf die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Hinzu komme, dass eine Berechnung der fraglichen Eigenmittel von unklaren und in keiner Hinsicht nachprüfbaren tatsächlichen Annahmen abhinge.

91 Es ist zunächst in Erinnerung zu bringen, dass eine Beschränkung der Wirkungen eines auf ein Auslegungsersuchen ergehenden Urteils nur ganz ausnahmsweise möglich ist. Der Gerichtshof hat diese Lösung nur unter ganz bestimmten Umständen angewandt, wenn die Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen bestand, die insbesondere auf eine große Anzahl von Rechtsverhältnissen zurückzuführen waren, die gutgläubig auf der Grundlage der als gültig betrachteten Regelung eingegangen worden waren, und wenn sich herausstellte, dass die Einzelnen und die nationalen Behörden durch eine objektive und bedeutende Ungewissheit über die Tragweite der Gemeinschaftsbestimmungen, zu der gegebenenfalls auch das Verhalten anderer Mitgliedstaaten oder der Kommission beigetragen hatte, zu einem mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbaren Verhalten veranlasst worden waren (Urteil vom 11. August 1995 in den Rechtssachen C-367/93 bis C-377/93, Roders u. a., Slg. 1995, I-2229, Randnr. 43).

92 Selbst wenn man annähme, dass sich aufgrund solcher Erwägungen die zeitlichen Wirkungen eines Urteils beschränken ließen, das gemäß Artikel 169 EG-Vertrag ergeht, genügt doch im vorliegenden Fall die Feststellung, dass die Behörden des Vereinigten Königreichs nicht schlüssig geltend machen könnten, sie seien durch eine objektive und bedeutende Ungewissheit über die Tragweite der Gemeinschaftsbestimmungen zu einem mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbaren Verhalten veranlasst worden.

93 Zum einen nämlich unterwirft die Mehrheit der Mitgliedstaaten, in denen es gebührenpflichtige Straßenanlagen gibt, die Maut für die Straßenbenutzung der Mehrwertsteuer. Zum anderen hatte das Vereinigte Königreich spätestens ab der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens, in dem ihm gerade zur Last gelegt wurde, die Mehrwertsteuerfreiheit der Maut sei mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die nun geltend gemachten Schäden und Schwierigkeiten zu vermeiden.

94 Auch wenn zwischen der Antwort des Vereinigten Königreichs auf die mit Gründen versehene Stellungnahme und der Erhebung der vorliegenden Klage zumindest dem ersten Anschein nach übermäßig viel Zeit verstrich, ist doch nicht vorgetragen worden, dass die Kommission in dieser Zeit zum Ausdruck gebracht hätte, dass sie das fragliche Vertragsverletzungsverfahren nicht weiter betreiben wolle. Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen ausgeführt hat, forderte sie die fraglichen Eigenmittel bei den Mitgliedstaaten, in denen die Maut für die Benutzung gebührenpflichtiger Straßenanlagen nicht der Mehrwertsteuer unterlag, vielmehr jedes Jahr neu an.

95 Was schließlich die Folgen der der Kommission zuzuschreibenden Verzögerungen angeht, so hätte sie das Vereinigte Königreich dadurch vermeiden können, dass es die angeforderten Beträge berechnet und der Kommission zur Verfügung gestellt hätte (in diesem Sinne insbesondere Urteil vom 16. Mai 1991, Kommission/Niederlande, Randnr. 39).

96 Der Antrag des Vereinigten Königreichs, die Wirkungen des vorliegenden Urteils zu beschränken, ist deshalb zurückzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

97 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Vereinigte Königreich mit seinem Vorbringen im Wesentlichen unterlegen ist, sind ihm dem Antrag der Kommission gemäß die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 2 und 4 der Sechsten Richtlinie (77/388/EWG) des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage und aus den Verordnungen (EWG, Euratom) des Rates vom 29. Mai 1989 Nrn. 1553/89 über die endgültige einheitliche Regelung für die Erhebung der Mehrwertsteuereigenmittel und 1552/89 zur Durchführung des Beschlusses 88/376/EWG, Euratom über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften verstoßen, dass es die Maut, die für die Benutzung mautpflichtiger Straßen und Brücken als Gegenleistung für die den Benutzern erbrachte Leistung erhoben wird, nicht der Mehrwertsteuer unterworfen hat, soweit die letztgenannte Leistung nicht von einer Einrichtung des öffentlichen Rechts im Sinne von Artikel 4 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie ausgeführt wird, und dass es der Kommission der Europäischen Gemeinschaften nicht als Mehrwertsteuereigenmittel die Beträge zur Verfügung gestellt hat, die der Mehrwertsteuer, die auf diese Maut hätte erhoben werden müssen, zuzüglich Verzugszinsen entsprechen.

2. Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland trägt die Kosten.

Ende der Entscheidung

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