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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 13.12.2001
Aktenzeichen: C-372/00
Rechtsgebiete: RL 96/48/EG


Vorschriften:

RL 96/48/EG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Dass eine bestimmte von einer Richtlinie betroffene Praxis in einem Mitgliedstaat nicht besteht, vermag diesen Staat nicht von seiner Verpflichtung zu entbinden, Rechts- oder Verwaltungsvorschriften zu erlassen, um eine ordnungsgemäße Umsetzung aller Bestimmungen dieser Richtlinie sicherzustellen. Nur wenn die Umsetzung einer Richtlinie aus geografischen Gründen gegenstandslos ist, lässt sie keine Verpflichtung entstehen.

( vgl. Randnrn. 11, 13 )


Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 13. Dezember 2001. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Irland. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinie 96/48/EG - Interoperabilität des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems. - Rechtssache C-372/00.

Parteien:

In der Rechtssache C-372/00

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Wolfcarius als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Irland, vertreten durch D. J. O'Hagan als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

eklagter,

wegen Feststellung, dass Irland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 96/48/EG des Rates vom 23. Juli 1996 über die Interoperabilität des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems (ABl. L 235, S. 6) verstoßen hat, dass es nicht die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um dieser Richtlinie nachzukommen,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter L. Sevón (Berichterstatter) und M. Wathelet,

Generalanwalt: L. A. Geelhoed

Kanzler: R. Grass

aufgrund des Berichts des Berichterstatters,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. Oktober 2001,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 10. Oktober 2000 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 226 EG Klage erhoben auf Feststellung, dass Irland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 96/48/EG des Rates vom 23. Juli 1996 über die Interoperabilität des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems (ABl. L 235, S. 6, im Folgenden: Richtlinie) verstoßen hat, dass es nicht die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um dieser Richtlinie nachzukommen.

2 Die Richtlinie bezweckt insbesondere die Förderung der Verknüpfung und Interoperabilität der einzelstaatlichen Hochgeschwindigkeitsbahnnetze sowie des Zugangs zu diesen Netzen.

3 Nach Artikel 23 Absatz 1 der Richtlinie erlassen die Mitgliedstaaten spätestens 30 Monate nach deren Inkrafttreten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um der Richtlinie nachzukommen, und setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.

4 Nach ihrem Artikel 25 tritt [die Richtlinie] einundzwanzig Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft". Da die Richtlinie am 17. September 1996 veröffentlicht wurde, ist sie am 8. Oktober 1996 in Kraft getreten und die Umsetzungsfrist am 8. April 1999 abgelaufen.

5 Die Kommission gab Irland gemäß dem Verfahren des Artikels 226 Absatz 1 EG zunächst Gelegenheit zur Äußerung und richtete dann mit Schreiben vom 27. Januar 2000 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an diesen Mitgliedstaat, in der sie ihn aufforderte, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um seinen Verpflichtungen aus der Richtlinie binnen zwei Monaten nach Bekanntgabe dieser Stellungnahme nachzukommen.

6 Irland erklärte mit Schreiben vom 14. April 2000, dass die Richtlinie bis zum 31. August 2000 umgesetzt werde. Da die Richtlinie zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht umgesetzt war, hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben.

7 Die Kommission trägt vor, Irland habe dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 10 Absatz 1 EG und Artikel 249 Absatz 3 EG sowie aus der Richtlinie verstoßen, dass es nicht die zur Umsetzung der Richtlinie erforderlichen Maßnahmen getroffen habe.

8 Irland räumt ein, dass es die Richtlinie nicht innerhalb der darin vorgeschriebenen Frist umgesetzt hat.

9 Die irische Regierung macht jedoch geltend, dass in Irland derzeit keine Hochgeschwindigkeitszüge in Betrieb seien und in absehbarer Zukunft auch nicht sein würden. Außerdem seien die technischen Spezifikationen für die Interoperabilität (TSI) im Sinne von Kapitel II der Richtlinie noch nicht gebilligt oder gar endgültig erlassen worden.

10 Hierzu ist festzustellen, dass die Richtlinie in Irland noch nicht umgesetzt worden ist, wie die irische Regierung eingeräumt hat.

11 Wie der Generalanwalt in Nummer 6 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist es unerheblich, dass in Irland keine Hochgeschwindigkeitszüge in Betrieb sind. Denn dass eine bestimmte von einer Richtlinie betroffene Praxis in einem Mitgliedstaat nicht besteht, vermag diesen Staat nicht von seiner Verpflichtung zu entbinden, Rechts- oder Verwaltungsvorschriften zu erlassen, um eine ordnungsgemäße Umsetzung aller Bestimmungen dieser Richtlinie sicherzustellen (Urteil vom 16. November 2000 in der Rechtssache C-214/98, Kommission/Griechenland, Slg. 2000, I-9601, Randnr. 22).

12 Wie die übrigen Rechtssubjekte in der Gemeinschaft müssen nämlich auch alle Rechtssubjekte in Irland ihre Rechte und Pflichten kennen, wenn gegebenenfalls einmal ein Hochgeschwindigkeitsbahnsystem in diesem Mitgliedstaat geschaffen und betrieben wird.

13 Nur wenn die Umsetzung einer Richtlinie aus geografischen Gründen gegenstandslos ist, lässt sie keine Verpflichtung entstehen (in diesem Sinn Urteil vom 7. Juli 1987 in der Rechtssache 420/85, Kommission/Italien, Slg. 1987, 2983, Randnr. 5). Dies ist in Irland nicht der Fall, wie der Karte 3.7 in Anhang I der Entscheidung Nr. 1692/96/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 1996 über gemeinschaftliche Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes (ABl. L 228, S. 1) zu entnehmen ist.

14 Was die TSI angeht, so ergibt sich aus dem Wortlaut der Richtlinie und insbesondere des Artikels 23 nicht, dass deren Ausarbeitung eine Vorbedingung für die Umsetzung der Richtlinie ist.

15 Folglich ist es für die Beurteilung des Vorliegens einer Vertragsverletzung durch Irland unerheblich, dass die TSI noch nicht erlassen worden sind.

16 Da die Richtlinie nicht fristgemäß umgesetzt worden ist, ist die Klage der Kommission als begründet anzusehen.

17 Demnach ist festzustellen, dass Irland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie verstoßen hat, dass es nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um dieser Richtlinie nachzukommen.

Kostenentscheidung:

Kosten

18 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung Irlands beantragt hat und dieses mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Irland hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 96/48/EG des Rates vom 23. Juli 1996 über die Interoperabilität des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems verstoßen, dass es nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um dieser Richtlinie nachzukommen.

2. Irland trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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