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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 16.03.2000
Aktenzeichen: C-395/96 P
Rechtsgebiete: Verordnung Nr. 4056/86/EWG, EGV


Vorschriften:

Verordnung Nr. 4056/86/EWG
EGV Art. 82
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Wie schon aus dem Wortlaut von Artikel 85 Absatz 1 Buchstaben a, b, d und e sowie von Artikel 86 Buchstaben a bis d des Vertrages (jetzt Artikel 81 Absatz 1 Buchstaben a, b, d und e EG sowie Artikel 82 Buchstaben a bis d EG) hervorgeht, kann dieselbe Praxis zu einer Zuwiderhandlung gegen beide Bestimmungen führen. Die gleichzeitige Anwendung der Artikel 85 und 86 des Vertrages kann daher nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Die mit diesen beiden Bestimmungen jeweils verfolgten Ziele sind jedoch voneinander zu unterscheiden. Artikel 85 des Vertrages gilt für Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen geeignet sind, ohne daß es auf die Marktstellung der betreffenden Unternehmen ankommt. Artikel 86 des Vertrages betrifft dagegen das Verhalten eines oder mehrerer Wirtschaftsteilnehmer, das in der mißbräuchlichen Ausnutzung einer wirtschaftlichen Machtstellung besteht, die es dem betreffenden Wirtschaftsteilnehmer erlaubt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Konkurrenten, seinen Abnehmern und letztlich den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten.

(vgl. Randnrn. 33-34)

2 Nach dem Wortlaut von Artikel 86 des Vertrages (jetzt Artikel 82 EG) kann eine beherrschende Stellung von mehreren "Unternehmen" eingenommen werden. Der Gerichtshof hat mehrfach entschieden, daß der Begriff "Unternehmen" in diesem den Wettbewerbsregeln gewidmeten Kapitel des Vertrages die wirtschaftliche Selbständigkeit der betreffenden Einheit voraussetzt. Folglich bedeutet der Begriff "mehrere Unternehmen" in Artikel 86 des Vertrages, daß eine beherrschende Stellung von zwei oder mehreren rechtlich voneinander unabhängigen wirtschaftlichen Einheiten eingenommen werden kann, sofern sie in wirtschaftlicher Hinsicht auf einem bestimmten Markt gemeinsam als kollektive Einheit auftreten oder handeln. In diesem Sinne ist der Begriff "kollektive beherrschende Stellung" zu verstehen.

Zur Feststellung des Vorliegens einer kollektiven Einheit müssen die wirtschaftlichen Bindungen oder Faktoren, die die betreffenden Unternehmen verbinden, geprüft werden. Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob es zwischen diesen Unternehmen wirtschaftliche Bindungen gibt, die es ihnen erlauben, gemeinsam unabhängig von ihren Konkurrenten, ihren Abnehmern und den Verbrauchern zu handeln. Der bloße Umstand, daß zwei oder mehrere Unternehmen durch eine Vereinbarung, einen Beschluß von Unternehmensvereinigungen oder eine abgestimmte Verhaltensweise im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) miteinander verbunden sind, kann für sich genommen keine ausreichende Grundlage für eine solche Feststellung sein. Dagegen kann die Durchführung einer Vereinbarung, eines Beschlusses oder einer abgestimmten Verhaltensweise (unabhängig davon, ob eine Freistellung gemäß Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages vorliegt) unbestreitbar dazu führen, daß sich die betreffenden Unternehmen hinsichtlich ihres Verhaltens auf einem bestimmten Markt so gebunden haben, daß sie auf diesem Markt gegenüber ihren Konkurrenten, ihren Geschäftspartnern und den Verbrauchern als kollektive Einheit auftreten.

Eine kollektive beherrschende Stellung kann sich somit aus der Natur und dem Wortlaut einer Vereinbarung, der Art ihrer Durchführung und folglich aus den daraus erwachsenden Bindungen oder verbindenden Faktoren zwischen Unternehmen ergeben. Das Vorliegen einer Vereinbarung oder anderer rechtlicher Bindungen ist jedoch für die Feststellung einer kollektiven beherrschenden Stellung nicht unerläßlich; diese Feststellung kann sich aus anderen verbindenden Faktoren ergeben und hängt von einer wirtschaftlichen Beurteilung und insbesondere einer Beurteilung der Struktur des fraglichen Marktes ab.

Im übrigen bedarf es zur Feststellung, daß zwei oder mehrere Unternehmen eine kollektive beherrschende Stellung einnehmen, grundsätzlich einer wirtschaftlichen Beurteilung der Stellung der betreffenden Unternehmen auf dem relevanten Markt, bevor geprüft wird, ob diese Unternehmen ihre Marktstellung mißbräuchlich ausgenutzt haben.

(vgl. Randnrn. 35-36, 38, 41-45)

3 Aus den Bestimmungen der Verordnung Nr. 4056/86 über die Einzelheiten der Anwendung der Artikel 85 und 86 des Vertrages auf den Seeverkehr ergibt sich, daß eine Linienkonferenz, für die gemäß der Definition des Rates die in dieser Verordnung vorgesehene Gruppenfreistellung erteilt werden kann, nach ihrem Wesen und in Anbetracht ihrer Ziele als kollektive Einheit eingestuft werden kann, die sich auf dem Markt sowohl den Nutzern als auch den Konkurrenten als solche darstellt. Folgerichtig hat der Rat daher mit dieser Verordnung die nötigen Bestimmungen erlassen, um zu verhindern, daß eine Linienkonferenz mit Artikel 86 des Vertrages (jetzt Artikel 82 EG) unvereinbare Wirkungen hat. Damit ist keine Vorentscheidung über die Frage verbunden, ob eine Linienkonferenz in einer konkreten Situation eine beherrschende Stellung auf einem bestimmten Markt einnimmt oder diese Stellung gar mißbräuchlich ausnutzt. Wie aus dem Wortlaut von Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4056/86 hervorgeht, ist es das Verhalten einer Konferenz in beherrschender Stellung, das mit Artikel 86 des Vertrages unvereinbare Wirkungen haben kann.

(vgl. Randnrn. 48-49)

4 Die Richtigkeit einer rechtlichen Würdigung der Kommission ist nicht nur im Licht der Tatsachen und Umstände zu beurteilen, die in dem dieser Würdigung gewidmeten Teil einer Entscheidung ausdrücklich erwähnt werden, sondern auch im Licht aller anderen unstreitigen Bestandteile dieser Entscheidung.

(vgl. Randnr. 56)

5 Das Gericht muß zwar grundsätzlich auf die im Rahmen eines Verfahrens vorgetragenen Argumente eingehen und eine Entscheidung über die Unzulässigkeit eines Antrags begründen, damit der Gerichtshof sie im Rahmen eines Rechtsmittels nachprüfen kann; von ihm kann jedoch nicht verlangt werden, daß es jedes Mal, wenn sich eine Partei im Laufe des Verfahrens auf ein neues Angriffs- oder Verteidigungsmittel beruft, das offensichtlich nicht den Anforderungen von Artikel 48 § 2 seiner Verfahrensordnung entspricht, in seinem Urteil entweder die Gründe erläutert, aus denen dieses Angriffs- oder Verteidigungsmittel unzulässig ist, oder es inhaltlich prüft. Die Tatsache, daß das Gericht nicht ausdrücklich über die Zulässigkeit eines Klagegrundes entscheidet, beeinträchtigt nicht die Lage des Klägers, wenn die Unzulässigkeit dieses Klagegrundes offenkundig ist.

(vgl. Randnrn. 106-108)

6 Es liegt ein Mißbrauch einer beherrschenden Stellung vor, wenn eine Linienkonferenz in beherrschender Stellung, die mehr als 90 % der Anteile am fraglichen Markt besitzt und nur einen einzigen Konkurrenten hat, eine selektive Senkung der Preise vornimmt, um sie gezielt denen eines Konkurrenten anzugleichen. Von dieser als Einsatz von "Kampfschiffen" bezeichneten Praxis profitiert die betreffende Linienkonferenz in doppelter Weise. Zum einen beseitigt sie das hauptsächliche oder sogar einzige Mittel, mit dem das Konkurrenzunternehmen zu ihr in Wettbewerb treten kann. Zum anderen erlaubt sie es der betreffenden Linienkonferenz, von den Nutzern für Dienste, die nicht von dieser Konkurrenz bedroht sind, weiterhin höhere Preise verlangen.

(vgl. Randnrn. 117, 119-120)

7 Die Anwendbarkeit von Artikel 85 des Vertrages (jetzt Artikel 81 EG) auf eine Vereinbarung steht der Anwendbarkeit von Artikel 86 des Vertrages (jetzt Artikel 82 EG) auf das Verhalten der Parteien dieser Vereinbarung nicht entgegen, sofern die Voraussetzungen für die Anwendung jeder Bestimmung vorliegen. Insbesondere beeinträchtigt eine Freistellung gemäß Artikel 85 Absatz 3 nicht die Anwendung von Artikel 86 des Vertrages. Die Tatsache, daß eine Praxis von Wirtschaftsteilnehmern, die einem wirksamen Wettbewerb ausgesetzt sind, zulässig ist, bedeutet daher nicht, daß die Anwendung der gleichen Praxis durch ein Unternehmen in beherrschender Stellung nie einen Mißbrauch dieser Stellung darstellen kann. Bei der Analyse des Verhaltens eines Unternehmens in beherrschender Stellung ist nämlich zu berücksichtigen, daß sich ein Unternehmen, das längere Zeit einen besonders hohen Marktanteil besitzt, in einer Machtposition befindet, die aus ihm für seine Geschäftspartner einen nicht zu umgehenden Partner macht.

(vgl. Randnrn. 130-132)

8 Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 4056/86 über die Einzelheiten der Anwendung der Artikel 85 und 86 des Vertrages auf den Seeverkehr verbietet ausdrücklich den Mißbrauch einer beherrschenden Stellung, ohne daß ein entsprechender vorheriger Beschluß erforderlich ist. Diese Formulierung ist eindeutig und steht voll und ganz im Einklang mit den die Wirksamkeit von Artikel 86 des Vertrages (jetzt Artikel 82 EG) und die Unmöglichkeit einer Freistellung betreffenden Grundsätzen. Denn für den Mißbrauch einer beherrschenden Stellung kann keine wie auch immer geartete Freistellung gewährt werden. Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung, der vorsieht, daß die Kommission die Gruppenfreistellung zurückziehen kann, wenn sie zu der Feststellung gelangt, daß in einem Einzelfall das Verhalten von Linienkonferenzen, die gemäß Artikel 3 der Verordnung freigestellt sind, mit Artikel 86 des Vertrages unvereinbare Wirkungen hat, schränkt folglich die Befugnis der Kommission, wegen Verstoßes gegen Artikel 86 des Vertrages Geldbußen festzusetzen, nicht ein und kann sie auch nicht einschränken.

(vgl. Randnrn. 135-136)

9 In der Mitteilung der Beschwerdepunkte müssen alle wesentlichen Tatsachen, auf die sich die Kommission in diesem Stadium des Verfahrens zur Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft stützt, klar angeführt werden. In der wichtigen Verfahrensgarantie, die die Mitteilung der Beschwerdepunkte darstellt, kommt ein tragender Grundsatz des Gemeinschaftsrechts zur Anwendung, der die Beachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in allen Verfahren verlangt. Folglich muß die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte eindeutig angeben, gegen welche Personen Geldbußen festgesetzt werden können.

Eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, in der als Urheber einer Zuwiderhandlung nur eine kollektive Einheit genannt wird, unterrichtet die Unternehmen, aus denen diese Einheit besteht, nicht hinreichend darüber, daß gegen sie individuelle Geldbußen festgesetzt werden, falls die Zuwiderhandlung bejaht werden sollte. Die fehlende Rechtspersönlichkeit der kollektiven Einheit spielt insoweit keine Rolle. Eine so formulierte Mitteilung der Beschwerdepunkte reicht auch nicht aus, um die betreffenden Unternehmen darauf aufmerksam zu machen, daß sich die Höhe der festgesetzten Geldbußen nach einer Würdigung der Teilnahme jedes Unternehmens an dem als Zuwiderhandlung eingestuften Verhalten richten wird.

(vgl. Randnrn. 142-145)


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 16. März 2000. - Compagnie maritime belge transports SA (C-395/96 P), Compagnie maritime belge SA (C-395/96 P) und Dafra-Lines A/S (C-396/96 P) gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Wettbewerb - Internationaler Seeverkehr - Linienkonferenzen - Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 - Artikel 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG) - Kollektive beherrschende Stellung - Vereinbarung zwischen nationalen Verwaltungen und Linienkonferenzen, die ein Ausschließlichkeitsrecht vorsieht - Linienkonferenz, die auf die Anwendung der Vereinbarung dringt - "Kampfschiffe" - Treuerabatte - Rechtliches Gehör - Geldbußen - Beurteilungskriterien. - Verbundene Rechtssachen C-395/96 P und C-396/96 P.

Parteien:

In den verbundenen Rechtssachen C-395/96 P und C-396/96 P

Compagnie maritime belge transports SA (C-395/96 P), Antwerpen (Belgien),

Compagnie maritime belge SA (C-395/96 P), Antwerpen,

und

Dafra-Lines A/S (C-396/96 P), Kopenhagen (Dänemark),

Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte M. und D. Waelbroeck, Brüssel, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts E. Arendt, 34, rue Philippe II, Luxemburg,

Rechtsmittelführerinnen,

betreffend ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (Dritte erweiterte Kammer) vom 8. Oktober 1996 in den Rechtssachen T-24/93 bis T-26/93 und T-28/93 (Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, Slg. 1996, II-1201) wegen Aufhebung dieses Urteils,

andere Verfahrensbeteiligte:

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigten im Beistand von Barrister J. Flynn, Zustellungsbevollmächtigter: C. Gómez de la Cruz, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,

Beklagte im ersten Rechtszug,

Grimaldi, Palermo (Italien),

und

Cobelfret, Antwerpen,

Prozeßbevollmächtigter: Solicitor M. Clough, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts A. May, 31, Grand-rue, Luxemburg,

Streithelferinnen im ersten Rechtszug,

Deutsche Afrika-Linien GmbH & Co., Hamburg (Deutschland), Nedlloyd Lijnen BV, Rotterdam (Niederlande),

Klägerinnen im ersten Rechtszug,

erläßt

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten D. A. O. Edward (Berichterstatter) sowie der Richter J. C. Moitinho de Almeida, L. Sevón, C. Gulmann und P. Jann,

Generalanwalt: N. Fennelly

Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der Beteiligten in der Sitzung vom 14. Mai 1998,

nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. Oktober 1998,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Mit Rechtsmittelschriften, die am 10. Dezember 1996 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen sind, haben die Compagnie maritime belge SA (im folgenden: CMB) und die Compagnie maritime belge transports SA (im folgenden: CMBT) in der Rechtssache C-395/96 P sowie die Dafra-Lines A/S (im folgenden: Dafra) in der Rechtssache C-396/96 P gemäß Artikel 49 der EG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 8. Oktober 1996 in den Rechtssachen T-24/93 bis T-26/93 und T-28/93 (Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, Slg. 1996, II-1201; im folgenden: angefochtenes Urteil) eingelegt, mit dem das Gericht ihre Klagen auf Nichtigerklärung der Entscheidung 93/82/EWG der Kommission vom 23. Dezember 1992 in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag (IV/32.448 und IV/32.450: Cewal, Cowac, Ukwal) und Artikel 86 EWG-Vertrag (IV/32.448 und IV/32.450: Cewal) (ABl. 1993, L 34, S. 20; im folgenden: streitige Entscheidung) abgewiesen hat.

2 CMB ist eine Holdinggesellschaft des CMB-Konzerns, der insbesondere im Bereich Reederei, Verwaltung und Betrieb von Seeverkehrsgeschäften tätig ist. Am 7. Mai 1991 wurde für Linien- und multimodale Dienste mit Wirkung vom 1. Januar 1991 eine eigene juristische Person, die CMBT, gegründet.

3 CMB ist Mitglied der Associated Central West Africa Lines (im folgenden: Cewal), einer Linienkonferenz, deren Sekretariat sich in Antwerpen befindet. In ihr sind Reedereien zusammengeschlossen, die einen regelmäßigen Liniendienst zwischen Häfen in Zaire (nunmehr Demokratische Republik Kongo) und Angola und den Nordseehäfen außer denen des Vereinigten Königreichs betreiben.

4 Dafra ist Mitglied von Cewal und gehört seit dem 1. Januar 1988 zum CMB-Konzern.

5 In der streitigen Entscheidung heißt es:

"Artikel 1

Die Linienkonferenzen Cewal, Cowac und Ukwal und ihre in der Liste in Anhang I aufgeführten Mitglieder haben gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstoßen, indem sie durch Vereinbarungen von Wettbewerbsverboten, denen zufolge sie davon absahen, als außenstehende Reedereien ("Außenseiter") im Verkehrsgebiet der jeweils anderen Konferenzen tätig zu werden, den Frachtverkehr zwischen Nordeuropa und Westafrika untereinander räumlich aufgeteilt haben.

Artikel 2

Im Hinblick auf die Ausschaltung des wichtigsten unabhängigen Wettbewerbs in dem betreffenden Frachtverkehr haben die Mitgliedsreedereien von Cewal ihre gemeinsame beherrschende Stellung mißbraucht, indem sie:

- an der Durchführung der vorerwähnten Kooperationsvereinbarung mit Ogefrem teilgenommen und wiederholt durch verschiedene Maßnahmen auf dessen strikte Einhaltung gedrungen haben,

- ihre Preise in Abweichung vom geltenden Frachttarif geändert haben, um für Schiffe, die am selben Tag oder in zeitlicher Nähe dazu ausliefen, gemeinsame Preise anbieten zu können, die den Preisen des außerhalb der Konferenz stehenden Anbieters entsprachen oder niedriger lagen (Maßnahme, die als "Kampfschiffeinsatz" bezeichnet wird), und

- hundertprozentige Treuevereinbarungen (auch in bezug auf fob-Waren) geschlossen haben, die über das von Artikel 5 [Nummer] 2 der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 erlaubte Maß hinausgingen und die von der oben beschriebenen Verwendung schwarzer Listen "unzuverlässiger" Verlader begleitet wurden.

Artikel 3

Die von dieser Entscheidung betroffenen Unternehmen haben die in Artikel 1 genannte Zuwiderhandlung abzustellen.

Die Mitgliedsunternehmen von Cewal haben außerdem die in Artikel 2 aufgeführten Zuwiderhandlungen abzustellen.

Artikel 4

Die von dieser Entscheidung betroffenen Unternehmen haben sich in Zukunft jeglicher Vereinbarung oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweise zu enthalten, die denselben oder einen ähnlichen Zweck verfolgen oder dieselben oder ähnliche Auswirkungen haben wie die in Artikel 1 beschriebenen Vereinbarungen oder Verhaltensweisen.

Artikel 5

Den Mitgliedern von Cewal wird empfohlen, die Bestimmungen in ihren Treueabmachungen so abzuändern, daß sie mit Artikel 5 [Nummer] 2 der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 vereinbar sind.

Artikel 6

Gegen die von dieser Entscheidung betroffenen Mitgliedsunternehmen von Cewal werden mit Ausnahme der Reedereien Compagnie Maritime Zaïroise (CMZ), Angonave, Portline und Scandinavian West Africa Lines (Swal) Geldbußen wegen der in Artikel 2 festgestellten Verstöße festgesetzt.

Diese Geldbußen betragen:

- Compagnie Maritime Belge: 9,6 Millionen (neun Millionen sechshunderttausend) ECU,

- Dafra Line: 200 000 (zweihunderttausend) ECU,

- Nedlloyd Lijnen BV: 100 000 (hunderttausend) ECU,

- Deutsche Afrika Linien-Woermann Linie: 200 000 (zweihunderttausend) ECU.

Artikel 7

Die Geldbußen sind innerhalb einer Frist von drei Monaten ab dem Tag der Bekanntgabe dieser Entscheidung in Ecu auf das Konto der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Nr. 310-0933000-43, Bank Bruxelles-Lambert, Rond-Point Robert Schuman 5, B-1040 Brüssel, einzuzahlen.

Nach Ablauf der genannten Frist werden auf den Betrag dieser Geldbußen Zinsen zu dem Satz fällig, den der Europäische Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit in seinen Ecu-Geschäften am ersten Arbeitstag des Monats des Erlasses dieser Entscheidung berechnet, zuzüglich 31/2 %, entsprechend 13,25 %.

Artikel 8

Diese Entscheidung ist an die Linienkonferenzen und ihre in Anhang I aufgeführten Mitglieder gerichtet...."

6 Mit Klageschrift, die am 19. März 1993 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhoben CMB und CMBT eine unter dem Aktenzeichen T-24/93 eingetragene Klage, mit der sie in erster Linie die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung begehrten.

7 Mit Klageschriften, die am 19. und 22. März 1993 bei der Kanzlei des Gerichts eingingen, erhoben Dafra, die Deutsche Afrika-Linien GmbH & Co. und die Nedlloyd Lijnen BV jeweils eine eigene Klage. Diese Klagen, die unter den Aktenzeichen T-25/93, T-26/93 und T-28/93 eingetragen wurden, richteten sich in erster Linie auf die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung.

8 Die Klägerinnen stützten ihre Anträge auf Nichtigerklärung auf vier Klagegründe:

- In der Rechtssache T-26/93 machte die Klägerin Verfahrensmängel als Klagegrund geltend.

- In den Rechtssachen T-24/93, T-25/93 und T-28/93 trugen die Klägerinnen vor, die streitigen Praktiken beeinträchtigten den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr nicht, und in den Rechtssachen T-24/93 und T-25/93 trugen sie vor, die betroffenen Märkte seien nicht Teil des Gemeinsamen Marktes.

- In den Rechtssachen T-24/93 bis T-26/93 bestritten die Klägerinnen, daß die streitigen Praktiken eine Verfälschung des Wettbewerbs im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) bezweckt oder bewirkt hätten.

- In allen Rechtssachen machten die Klägerinnen geltend, die streitigen Praktiken stellten keinen Mißbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 EWG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG) dar.

9 Das Gericht setzte die verhängten Geldbußen herab, wies jedoch die Klagen auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung ab.

10 Nur Dafra, CMB und CMBT haben gegen das angefochtene Urteil Rechtsmittel eingelegt.

11 Mit dem vorliegenden Rechtsmittel wenden sich Dafra, CMB und CMBT aus drei Gründen gegen das angefochtene Urteil:

- Sie bestreiten, daß die Mitglieder von Cewal eine kollektive beherrschende Stellung eingenommen hätten.

- Sie wenden sich gegen die drei Feststellungen des Gerichts zum Mißbrauch einer beherrschenden Stellung, die die Vereinbarung mit dem zairischen Office de gestion du fret maritime (Seefrachtverwaltungsamt; im folgenden: Ogefrem), "Kampfschiffe" und Treueabmachungen betreffen.

- Sie wenden sich gegen die festgesetzten Geldbußen.

Zu dem Rechtsmittelgrund, der das Vorliegen einer kollektiven beherrschenden Stellung betrifft

Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen

12 Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund wenden sich die Rechtsmittelführerinnen gegen den vom Gericht in den Randnummern 59 bis 68 des angefochtenen Urteils nach der Prüfung des Vorliegens einer kollektiven beherrschenden Stellung gezogenen Schluß, die Kommission habe in ihrer Entscheidung hinreichend dargetan, daß die Stellung der Cewal-Mitglieder auf dem relevanten Markt als kollektive Stellung zu beurteilen sei. Die Rechtsmittelführerinnen erheben insoweit drei Rügen.

13 Mit ihrer ersten Rüge machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, als es seine Erwägungen auf Gründe gestützt habe, die nicht Teil der streitigen Entscheidung seien.

14 Die Kommission habe in Randnummer 61 der streitigen Entscheidung die Ansicht vertreten, daß Cewal über eine beherrschende Stellung verfügt habe, und hinzugefügt: "Angesichts der Tatsache, daß ihre Mitglieder durch ein Konferenzabkommen aneinander gebunden sind, welches unter ihnen sehr enge Bindungen herstellt,... wird diese beherrschende Stellung gemeinsam ausgeübt" (siehe auch Randnr. 49 der streitigen Entscheidung). Wie aus Randnummer 67 des angefochtenen Urteils hervorgehe, sei das Gericht aber davon ausgegangen, daß zwischen den Reedern über die zwischen ihnen getroffenen Vereinbarungen, mit denen die Cewal-Konferenz gegründet worden sei, hinaus Bindungen bestanden hätten, die so geartet gewesen seien, daß sie auf dem Markt einheitlich vorgegangen seien. Zur Natur dieser Bindungen habe das Gericht keine Angaben gemacht.

15 Aus der streitigen Entscheidung gehe nicht hervor, daß nach Ansicht der Kommission neben dem Konferenzabkommen bestimmte wirtschaftliche Bindungen zwischen den Cewal-Mitgliedern bestanden hätten, so daß deren Marktposition gemeinsam zu beurteilen gewesen sei. Diese Bindungen hätten in der streitigen Entscheidung klar dargelegt werden müssen, und das Gericht könne die Erwägungen der Kommission nicht dadurch ersetzen, daß es aus der streitigen Entscheidung einzelne Elemente heranziehe, die für eine gemeinsame Beurteilung sprächen. Der streitigen Entscheidung lasse sich folglich keine Bestätigung für die Begründung des Gerichts in diesem Punkt entnehmen.

16 Mit ihrer zweiten Rüge machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, das Gericht habe, um die zur Rechtfertigung der Anwendung des Begriffes der kollektiven beherrschenden Stellung erforderlichen wirtschaftlichen Bindungen nachzuweisen, in Wirklichkeit abgestimmte Verhaltensweisen der Cewal-Mitglieder im Sinne von Artikel 85 des Vertrages "wiederverwendet". Diese Vorgehensweise stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Gerichtshofes, nach der eine kollektive beherrschende Stellung nur dann vorliege, wenn die fragliche Gruppe von Unternehmen in anderer Weise als durch bloße abgestimmte Verhaltensweisen oder Vereinbarungen im Sinne von Artikel 85 des Vertrages miteinander verbunden sei.

17 Dabei stützen sie sich insbesondere auf Nummer 65 der Schlußanträge des Generalanwalts in den Rechtssachen C-140/94 bis C-142/94 (DIP u. a., Urteil vom 17. Oktober 1995, Slg. 1995, I-3257), der dort anerkannt habe, daß die Teilnahme der betreffenden Unternehmen an einem Sachverhalt, der im wesentlichen, wenn überhaupt, eine gegen Artikel 85 des Vertrages verstoßende abgestimmte Verhaltensweise sei, als Beweis für das Vorliegen solcher enger wirtschaftlicher Bindungen nicht ausreiche.

18 In Randnummer 65 des angefochtenen Urteils habe das Gericht seine Schlußfolgerung, daß die Marktposition der Cewal-Mitglieder gemeinsam zu beurteilen sei, gerade darauf gestützt, daß es verschiedene Ausschüsse gegeben habe, denen die Cewal-Mitglieder angehört hätten, und daß diese Mitglieder übereingekommen seien, mit Hilfe einiger im Rahmen dieser Ausschüsse getroffener Vereinbarungen bestimmte von der Kommission als mißbräuchlich eingestufte Praktiken anzuwenden.

19 Das Gericht habe jedoch nicht erläutert, weshalb die Einsetzung dieser Ausschüsse zu wirtschaftlichen Bindungen geführt haben solle, wie sie im Urteil des Gerichts vom 10. März 1992 in den Rechtssachen T-68/89, T-77/89 und T-78/89 (SIV u. a./Kommission, Slg. 1992, II-1403, Randnr. 358) behandelt worden seien, aus dem hervorgehe, daß zwischen den betreffenden Unternehmen ausreichende wirtschaftliche Bindungen bestehen müßten.

20 Mit ihrer dritten Rüge machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, als es entschieden habe, daß die abgestimmten Verhaltensweisen der Cewal-Reedereien als Mißbrauch einer kollektiven beherrschenden Stellung geahndet werden könnten.

21 Abgestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen, die möglicherweise eine kollektive beherrschende Stellung einnähmen, dürften nicht als Mißbrauch der kollektiven beherrschenden Stellung "wiederverwendet" werden, sondern seien nach den für abgestimmte Verhaltensweisen geltenden Regeln zu behandeln. Artikel 86 des Vertrages betreffe nur das einseitige Verhalten von Unternehmen in beherrschender Stellung, während Artikel 85 des Vertrages das abgestimmte Verhalten betreffe. Insoweit sei auf die Urteile vom 14. Juli 1981 in der Rechtssache 172/80 (Züchner, Slg. 1981, 2021, Randnr. 10) und vom 5. Oktober 1988 in der Rechtssache 247/86 (Alsatel, Slg. 1988, 5987, Randnr. 20) zu verweisen.

22 Außerdem gehe aus dem Urteil vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76 (Hoffmann-La Roche/Kommission, Slg. 1979, 461, Randnr. 39) hervor, daß Artikel 86 des Vertrages nur für ein einseitig beschlossenes Verhalten von Unternehmen gelte und nicht für ein zwischen unabhängigen Unternehmen abgestimmtes Verhalten. Überdies habe der Gerichtshof im Urteil vom 11. April 1989 in der Rechtssache 66/86 (Ahmed Saeed Flugreisen und Silver Line Reisebüro, Slg. 1989, 803, Randnrn. 36 ff.) entschieden, daß Artikel 86 des Vertrages nur ausnahmsweise auf eine Vereinbarung zwischen zwei Unternehmen Anwendung finden könne.

23 Das Gericht habe somit einen Rechtsfehler begangen, als es entschieden habe, daß diese Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen als Verstoß gegen Artikel 86 des Vertrages angesehen werden könnten, obwohl sie nicht das Ergebnis eines einseitigen Verhaltens der Cewal-Mitglieder gewesen seien.

24 Die Rechtsmittelführerinnen berufen sich ferner darauf, daß das Gericht ihren dahin gehenden Klagegrund nicht geprüft habe oder daß das angefochtene Urteil zumindest widersprüchliche Ausführungen enthalte.

25 Die zutreffende Einstufung der angeblich mißbräuchlichen Praktiken sei nämlich unklar. In Randnummer 64 des angefochtenen Urteils äußere sich das Gericht in etwas widersprüchlicher Weise wie folgt: "Aufgrund der engen Beziehungen, die zwischen den Reedern einer Linienkonferenz bestehen, sind diese zusammen in der Lage, auf dem relevanten Markt gemeinsame Praktiken anzuwenden, die so geartet sind, daß sie einseitige Verhaltensweisen darstellen. Diese Verhaltensweisen können einen Verstoß gegen Artikel 86 [des Vertrages] darstellen..." Ebenso stelle das Gericht in Randnummer 65 des angefochtenen Urteils fest, daß in den Praktiken der Cewal-Mitglieder "der Wille zum Ausdruck kommt, gemeinsam in gleicher Weise auf dem Markt vorzugehen, um auf eine als bedrohlich angesehene Entwicklung der Wettbewerbssituation des Marktes, auf dem sie tätig sind, einseitig zu reagieren".

26 Eine Vorgehensweise sei entweder abgestimmt oder einseitig, könne aber nicht zugleich abgestimmt und einseitig sein.

27 Unter diesen Umständen müsse das angefochtene Urteil wegen mangelhafter Begründung aufgehoben werden.

Würdigung durch den Gerichtshof

Zu der Rüge, das Gericht habe seine Erwägungen auf Gründe gestützt, die nicht Teil der streitigen Entscheidung seien

28 Die erste Rüge beruht auf einer falschen Auslegung der Randnummern 64 bis 67 des angefochtenen Urteils.

29 In Randnummer 64 hat das Gericht festgestellt, daß Artikel 86 des Vertrages auf einseitige Verhaltensweisen einer Linienkonferenz Anwendung finden könne. In Randnummer 65 hat es festgestellt, daß in den den Cewal-Mitgliedern zur Last gelegten Praktiken angesichts der Angaben in der streitigen Entscheidung der Wille zum Ausdruck komme, gemeinsam in gleicher Weise auf dem Markt vorzugehen, um auf eine als bedrohlich angesehene Entwicklung der Wettbewerbssituation des Marktes, auf dem sie tätig seien, einseitig zu reagieren. Infolgedessen hat es in Randnummer 66 entschieden, daß die Kommission hinreichend dargetan habe, daß die Stellung der Cewal-Mitglieder auf dem relevanten Markt als kollektive Stellung zu beurteilen gewesen sei.

30 In Randnummer 67 ist das Gericht auf das Argument eingegangen, die Kommission habe die einen Verstoß gegen Artikel 85 des Vertrages begründenden Tatsachen "wiederverwendet". Dagegen sollten in dieser Randnummer keine weiteren als die bereits in Randnummer 65 festgestellten Bindungen angesprochen werden.

31 Folglich ist diese erste Rüge als unbegründet zurückzuweisen.

Zu den Rügen in bezug auf die angebliche "Wiederverwendung" abgestimmter Verhaltensweisen, die Möglichkeit des Mißbrauchs einer beherrschenden Stellung durch abgestimmte Verhaltensweisen und die hierfür im angefochtenen Urteil gegebene Begründung

32 Die zweite und die dritte Rüge, die zusammen zu prüfen sind, betreffen im wesentlichen die Frage, ob sich die Kommission zur Feststellung des Mißbrauchs einer beherrschenden Stellung allein auf Umstände oder Sachverhalte stützen kann, die als unter Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages fallende Vereinbarungen, Beschlüsse oder abgestimmte Verhaltensweisen nichtig wären, wenn keine Freistellung gemäß Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages vorliegt.

33 Wie schon aus dem Wortlaut von Artikel 85 Absatz 1 Buchstaben a, b, d und e sowie von Artikel 86 Buchstaben a bis d des Vertrages hervorgeht, kann dieselbe Praxis zu einer Zuwiderhandlung gegen beide Bestimmungen führen. Die gleichzeitige Anwendung der Artikel 85 und 86 des Vertrages kann daher nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Die mit diesen beiden Bestimmungen jeweils verfolgten Ziele sind jedoch voneinander zu unterscheiden.

34 Artikel 85 des Vertrages gilt für Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen geeignet sind, ohne daß es auf die Marktstellung der betreffenden Unternehmen ankommt. Artikel 86 des Vertrages betrifft dagegen das Verhalten eines oder mehrerer Wirtschaftsteilnehmer, das in der mißbräuchlichen Ausnutzung einer wirtschaftlichen Machtstellung besteht, die es dem betreffenden Wirtschaftsteilnehmer erlaubt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Konkurrenten, seinen Abnehmern und letztlich den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten (vgl. Urteil vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, Randnr. 30).

35 Nach dem Wortlaut von Artikel 86 des Vertrages kann eine beherrschende Stellung von mehreren "Unternehmen" eingenommen werden. Der Gerichtshof hat mehrfach entschieden, daß der Begriff "Unternehmen" in diesem den Wettbewerbsregeln gewidmeten Kapitel des Vertrages die wirtschaftliche Selbständigkeit der betreffenden Einheit voraussetzt (vgl. u. a. Urteil vom 25. November 1971 in der Rechtssache 22/71, Béguelin, Slg. 1971, 949).

36 Folglich bedeutet der Begriff "mehrere Unternehmen" in Artikel 86 des Vertrages, daß eine beherrschende Stellung von zwei oder mehreren rechtlich voneinander unabhängigen wirtschaftlichen Einheiten eingenommen werden kann, sofern sie in wirtschaftlicher Hinsicht auf einem bestimmten Markt gemeinsam als kollektive Einheit auftreten oder handeln. In diesem Sinne ist der im vorliegenden Urteil im weiteren verwendete Begriff "kollektive beherrschende Stellung" zu verstehen.

37 Die Feststellung, daß eine beherrschende Stellung vorliegt, enthält für sich allein keinen Vorwurf gegenüber dem betreffenden Unternehmen, sondern bedeutet nur, daß dieses unabhängig von den Ursachen einer solchen Stellung eine besondere Verantwortung dafür trägt, daß es durch sein Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt nicht beeinträchtigt (vgl. Urteil Michelin/Kommission, Randnr. 57).

38 Gleiches gilt für Unternehmen, die eine kollektive beherrschende Stellung einnehmen. Zur Feststellung, daß zwei oder mehrere Unternehmen eine kollektive beherrschende Stellung einnehmen, bedarf es grundsätzlich einer wirtschaftlichen Beurteilung der Stellung der betreffenden Unternehmen auf dem relevanten Markt, bevor geprüft wird, ob diese Unternehmen ihre Marktstellung mißbräuchlich ausgenutzt haben.

39 Im Rahmen einer Analyse gemäß Artikel 86 des Vertrages ist daher zu prüfen, ob die betreffenden Unternehmen zusammen gegenüber ihren Konkurrenten, ihren Geschäftspartnern und den Verbrauchern auf einem bestimmten Markt eine kollektive Einheit darstellen. Erst wenn dies bejaht wurde, ist zu prüfen, ob diese kollektive Einheit tatsächlich eine beherrschende Stellung einnimmt und ob sie diese mißbraucht.

40 Im angefochtenen Urteil hat das Gericht diese drei Gesichtspunkte - kollektive Stellung, beherrschende Stellung und Mißbrauch einer solchen Stellung - sorgfältig voneinander getrennt.

41 Zur Feststellung des Vorliegens einer kollektiven Einheit im soeben dargestellten Sinne müssen die wirtschaftlichen Bindungen oder Faktoren, die die betreffenden Unternehmen verbinden, geprüft werden (vgl. u. a. Urteile vom 27. April 1994 in der Rechtssache C-393/92, Almelo, Slg. 1994, I-1477, Randnr. 43, und vom 31. März 1998 in den Rechtssachen C-68/94 und C-30/95, Frankreich u. a./Kommission, Slg. 1998, I-1375, Randnr. 221).

42 Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob es zwischen den betreffenden Unternehmen wirtschaftliche Bindungen gibt, die es ihnen erlauben, gemeinsam unabhängig von ihren Konkurrenten, ihren Abnehmern und den Verbrauchern zu handeln (vgl. hierzu Urteil Michelin/Kommission).

43 Der bloße Umstand, daß zwei oder mehrere Unternehmen durch eine Vereinbarung, einen Beschluß von Unternehmensvereinigungen oder eine abgestimmte Verhaltensweise im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages miteinander verbunden sind, kann für sich genommen keine ausreichende Grundlage für eine solche Feststellung sein.

44 Dagegen kann die Durchführung einer Vereinbarung, eines Beschlusses oder einer abgestimmten Verhaltensweise (unabhängig davon, ob eine Freistellung gemäß Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages vorliegt) unbestreitbar dazu führen, daß sich die betreffenden Unternehmen hinsichtlich ihres Verhaltens auf einem bestimmten Markt so gebunden haben, daß sie auf diesem Markt gegenüber ihren Konkurrenten, ihren Geschäftspartnern und den Verbrauchern als kollektive Einheit auftreten.

45 Eine kollektive beherrschende Stellung kann sich somit aus der Natur und dem Wortlaut einer Vereinbarung, der Art ihrer Durchführung und folglich aus den daraus erwachsenden Bindungen oder verbindenden Faktoren zwischen Unternehmen ergeben. Das Vorliegen einer Vereinbarung oder anderer rechtlicher Bindungen ist jedoch für die Feststellung einer kollektiven beherrschenden Stellung nicht unerläßlich; diese Feststellung kann sich aus anderen verbindenden Faktoren ergeben und hängt von einer wirtschaftlichen Beurteilung und insbesondere einer Beurteilung der Struktur des fraglichen Marktes ab.

46 Gemäß Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 des Rates vom 22. Dezember 1986 über die Einzelheiten der Anwendung der Artikel 85 und 86 des Vertrages auf den Seeverkehr (ABl. L 378, S. 4) ist eine Linienkonferenz "eine Gruppe von zwei oder mehr Unternehmen der Seeschiffahrt, die internationale Liniendienste für die Beförderung von Ladung in einem bestimmten Fahrtgebiet oder in bestimmten Fahrtgebieten innerhalb fester geographischer Grenzen zur Verfügung stellt und die eine Vereinbarung oder Abmachung gleich welcher Art getroffen hat, in deren Rahmen sie auf der Grundlage einheitlicher oder gemeinsamer Frachtraten und etwaiger sonstiger vereinbarter Bedingungen hinsichtlich der Bereitstellung von Liniendiensten arbeitet".

47 Nach der achten Begründungserwägung dieser Verordnung spielen solche Konferenzen "eine stabilisierende Rolle, indem sie den Verladern zuverlässige Dienste gewährleisten. Im allgemeinen tragen sie dazu bei, ein Angebot regelmäßiger, ausreichender und wirksamer Seeverkehrsdienste unter angemessener Berücksichtigung der Interessen aller Benutzer sicherzustellen. Ohne eine Zusammenarbeit, welche die Linienreedereien auf den genannten Linienkonferenzen hinsichtlich der Tarife und gegebenenfalls hinsichtlich des Transportkapazitätsangebots oder der Aufteilung der Transportmengen und der Einnahmen entwickeln, können diese Ergebnisse nicht erreicht werden. Zumeist sind die Konferenzen einem tatsächlichen Wettbewerb durch Liniendienste, die nicht Mitglieder der Konferenzen sind, sowie in bestimmten Fällen durch Trampdienste und durch andere Verkehrsträger ausgesetzt. Ferner übt die Mobilität der Flotten, welche die Angebotsstruktur im Seeverkehr kennzeichnet, einen ständigen Wettbewerbsdruck auf die Konferenzen aus, die in der Regel nicht die Möglichkeit haben, den Wettbewerb für einen wesentlichen Teil der betreffenden Seeverkehrsdienste auszuschalten."

48 Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, daß eine Linienkonferenz, für die gemäß der Definition des Rates die in der Verordnung Nr. 4056/86 vorgesehene Gruppenfreistellung erteilt werden kann, nach ihrem Wesen und in Anbetracht ihrer Ziele als kollektive Einheit eingestuft werden kann, die sich auf dem Markt sowohl den Nutzern als auch den Konkurrenten als solche darstellt. Folgerichtig hat der Rat daher mit der Verordnung Nr. 4056/86 die nötigen Bestimmungen erlassen, um zu verhindern, daß eine Linienkonferenz mit Artikel 86 des Vertrages unvereinbare Wirkungen hat (vgl. insbesondere Artikel 8 dieser Verordnung).

49 Damit ist keine Vorentscheidung über die Frage verbunden, ob eine Linienkonferenz in einer konkreten Situation eine beherrschende Stellung auf einem bestimmten Markt einnimmt oder diese Stellung gar mißbräuchlich ausnutzt. Wie aus dem Wortlaut von Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4056/86 hervorgeht, ist es das Verhalten einer Konferenz in beherrschender Stellung, das mit Artikel 86 des Vertrages unvereinbare Wirkungen haben kann.

50 Im Licht dieser Erwägungen ist die Begründetheit der zweiten und der dritten Rüge zu prüfen.

51 Schon an dieser Stelle ist festzustellen, daß sich die Rechtsmittelführerinnen mit ihrem Rechtsmittel weder gegen die Definition des relevanten Marktes gewandt noch die als Beleg für die beherrschende Stellung der Cewal-Konferenz auf diesem Markt (den Beweis für das Vorliegen einer kollektiven Stellung unterstellt) angeführten Gesichtspunkte in Abrede gestellt haben.

52 Die Kommission hat zwar im Abschnitt II der streitigen Entscheidung unter Punkt A ("Anwendbarkeit von Artikel 86 auf Schiffahrtskonferenzen") in Randnummer 49 lediglich festgestellt, daß Artikel 8 der Verordnung Nr. 4056/86 bei Mißbrauch einer beherrschenden Stellung durch Linienkonferenzen die Möglichkeit der Rücknahme der Gruppenfreistellung vorsehe, daß das Gericht die Linienkonferenzen als Beispiele für Vereinbarungen zwischen voneinander unabhängigen Wirtschaftseinheiten angeführt habe, die zu wirtschaftlichen Bindungen führten, mit denen diese Einheiten gemeinsam eine beherrschende Stellung gegenüber den übrigen Marktteilnehmern erlangen könnten, und daß es sich bei der Vereinbarung zwischen den Mitgliedern von Cewal um eine Vereinbarung dieser Art handele. Gemäß Randnummer 50 der Entscheidung steht die Tatsache, daß bestimmte Tätigkeitsbereiche von Cewal gruppenweise freigestellt sind, einer Anwendung von Artikel 86 auf andere Tätigkeiten der Konferenz nicht im Wege.

53 Es trifft zu, daß das Gericht in Randnummer 65 des angefochtenen Urteils eine Reihe von Gesichtspunkten genannt hat, die zwar in der streitigen Entscheidung zu finden sind, aber in deren Randnummern 49 und 50 nicht ausdrücklich erwähnt werden.

54 Daraus folgt jedoch nicht, daß dem Gericht die Annahme unterstellt werden muß, ohne die von ihm in Randnummer 65 des angefochtenen Urteils genannten speziellen Gesichtspunkte wäre die Kommission nicht zu der Feststellung berechtigt gewesen, daß Cewal eine kollektive Einheit darstellte, die auf dem relevanten Markt eine beherrschende Stellung einnehmen konnte. Vielmehr soll mit der Begründung in Randnummer 65 des angefochtenen Urteils in Beantwortung der Argumente der Klägerinnen dargelegt werden, daß die Durchführung der Cewal-Vereinbarung zur Folge hatte, daß die Mitglieder der Konferenz auf dem Markt als kollektive Einheit auftraten.

55 Ferner haben die Rechtsmittelführerinnen weder die Richtigkeit der vom Gericht in Randnummer 65 des angefochtenen Urteils genannten und bereits in der streitigen Entscheidung zu findenden Gesichtspunkte in Abrede gestellt noch behauptet, daß sie ihren Standpunkt zu dieser Frage im Verwaltungsverfahren nicht hätten vortragen können.

56 Die Richtigkeit einer rechtlichen Würdigung, wie sie die Kommission in den Randnummern 49 und 50 der streitigen Entscheidung vornimmt, ist nicht nur im Licht der Tatsachen und Umstände zu beurteilen, die in dem dieser Würdigung gewidmeten Teil einer Entscheidung ausdrücklich erwähnt werden, sondern auch im Licht aller anderen unstreitigen Bestandteile dieser Entscheidung.

57 Folglich hat das Gericht keinen Rechtsfehler begangen, als es feststellte, daß die Kommission im vorliegenden Fall rechtlich hinreichend dargetan habe, daß die Cewal-Vereinbarung, so wie sie durchgeführt worden sei, es erlaube, das Verhalten der Mitglieder der damit gebildeten Konferenz kollektiv zu beurteilen.

58 Unter diesen Umständen braucht nicht über die Frage entschieden zu werden, ob das Verhalten der Mitglieder einer Linienkonferenz im Rahmen der Anwendung von Artikel 86 des Vertrages stets kollektiv zu beurteilen ist.

59 Daher sind die zweite und die dritte Rüge und somit der erste Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

Zu dem Rechtsmittelgrund, der den angeblichen Mißbrauch der beherrschenden Stellung von Cewal betrifft

60 Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, keine der drei Zuwiderhandlungen, die ihnen sowohl die Kommission als auch das Gericht zur Last lege, könne als solche eingestuft werden.

Zum Mißbrauch in bezug auf die Kooperationsvereinbarung (im folgenden: Ogefrem-Vereinbarung)

Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen

61 Die Rechtsmittelführerinnen werfen dem Gericht vor, es habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör und ihr Recht auf einen fairen Prozeß verletzt, das angefochtene Urteil widersprüchlich begründet und einige ihrer Argumente nicht erwähnt.

62 In bezug auf die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und des Rechts auf einen fairen Prozeß behaupten die Rechtsmittelführerinnen, das Gericht habe ihre Rechte dadurch verletzt, daß es den in der streitigen Entscheidung hinsichtlich des Ogefrem enthaltenen Vorwurf durch einen neuen Vorwurf ersetzt habe.

63 In den Randnummern 63 bis 72 und 115 der streitigen Entscheidung habe ihnen die Kommission vorgeworfen, die Artikel 1 bis 6 der Ogefrem-Vereinbarung nicht gekündigt und das Ogefrem daran erinnert zu haben, daß die ihnen eingeräumte Ausschließlichkeit eingehalten werden müsse. Das Gericht habe diesen doppelten Vorwurf durch einen neuen Vorwurf ersetzt, der dahin gehe, daß sie von ihrem Vetorecht keinen angemessenen Gebrauch gemacht hätten.

64 Es gebe einen grundlegenden Unterschied zwischen der Aufforderung an eine Behörde, tätig zu werden, und der förmlichen Einlegung eines "Vetos" gegen eine Maßnahme dieser Behörde, da ein Vetorecht dann vorliege, wenn die über dieses Recht verfügende Person die Maßnahme blockieren könne. Die Rechtsmittelführerinnen hätten nie die Möglichkeit gehabt, zu diesem neuen Vorwurf Stellung zu nehmen. Zudem werde er durch keinen tatsächlichen Gesichtspunkt untermauert.

65 Dieser neue Vorwurf habe es dem Gericht erlaubt, die Doppelnatur des Vorwurfs außer acht zu lassen, den die Kommission gegenüber den Mitgliedern von Cewal erhoben habe.

66 Zum ersten Vorwurf, daß Cewal die Artikel 1 bis 6 der Ogefrem-Vereinbarung nicht gekündigt habe, stellen die Rechtsmittelführerinnen fest, nach Ansicht des Gerichts habe die Zuwiderhandlung im September 1989 geendet. Da die Vereinbarung nie gekündigt worden sei, könne daraus geschlossen werden, daß das Gericht, anders als die Kommission, die Vereinbarung als solche nicht als mißbräuchliche Praxis angesehen oder zumindest nicht geprüft habe, ob dieser Teil des Vorwurfs eine mißbräuchliche Praxis darstelle. Das Gericht hätte jedenfalls die Geldbuße hinsichtlich dieser mißbräuchlichen Praxis für nichtig erklären müssen.

67 Wäre das Gericht dagegen der Auffassung gewesen, daß die Bestimmungen über die Ausschließlichkeit als solche eine mißbräuchliche Praxis darstellten, hätte es auf ihr Vorbringen eingehen müssen, daß ihnen die Ausschließlichkeit von der Republik Zaire und damit durch Hoheitsakt eingeräumt worden sei.

68 Zum zweiten Vorwurf, der die Forderungen der Cewal-Mitglieder nach strikter Einhaltung der Ogefrem-Vereinbarung betrifft, tragen die Rechtsmittelführerinnen vor, der Unterschied zwischen der Aufforderung an eine Behörde, tätig zu werden, und der förmlichen Einlegung des Vetos gegen eine Maßnahme dieser Behörde habe es dem Gericht erlaubt, ihr Vorbringen zu diesem Vorwurf zurückzuweisen.

69 Hilfsweise vertreten die Rechtsmittelführerinnen die Ansicht, auch wenn das Gericht den Vorwurf der Kommission nicht verändert habe, hätte es auf ihr Vorbringen eingehen müssen, daß die bloße Ermunterung einer Regierung, tätig zu werden, nicht als mißbräuchliche Praxis eingestuft werden könne.

70 Mit ihrem zweiten Argument machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, da die Cewal-Mitglieder nach Ansicht des Gerichts nicht beschuldigt worden seien, die Ogefrem-Vereinbarung nicht gekündigt oder eine Regierung zum Tätigwerden angehalten zu haben, habe das Gericht den Standpunkt der Kommission, daß die Cewal-Mitglieder durch aktive Mitwirkung an der Durchführung der Vereinbarung und durch die wiederholte Forderung nach deren strikter Einhaltung gegen Artikel 86 des Vertrages verstoßen hätten, nicht als berechtigt ansehen können, ohne sich zu widersprechen.

71 Mit ihrem dritten Argument machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, die Tatsache, daß sie nicht auf die Ausübung ihrer ausschließlichen Rechte verzichtet hätten, könne keinen Mißbrauch im Sinne von Artikel 86 des Vertrages darstellen.

Würdigung durch den Gerichtshof

72 Zunächst ist zu prüfen, ob das Gericht den in der streitigen Entscheidung enthaltenen Vorwurf in bezug auf das Ogefrem durch einen neuen Vorwurf ersetzt hat, der dahin geht, daß die Rechtsmittelführerinnen von ihrem Vetorecht keinen angemessenen Gebrauch gemacht hätten.

73 Aus Artikel 2 der streitigen Entscheidung geht hervor, daß die Mitgliedsreedereien der Linienkonferenz Cewal nach Ansicht der Kommission ihre gemeinsame beherrschende Stellung mißbrauchten, indem sie an der Durchführung der Ogefrem-Vereinbarung teilnahmen und wiederholt durch verschiedene Maßnahmen auf deren strikte Einhaltung drangen.

74 In Randnummer 109 des angefochtenen Urteils hat das Gericht die Auffassung vertreten, die Kommission habe zu Recht den Standpunkt eingenommen, daß die Cewal-Mitglieder gegen Artikel 86 des Vertrages verstoßen hätten, indem sie aktiv an der Durchführung der Ogefrem-Vereinbarung mitgewirkt und wiederholt deren strikte Einhaltung im Rahmen eines Planes zur Verdrängung des einzigen unabhängigen Reeders eingefordert hätten, dessen Marktzugang vom Ogefrem zugelassen worden sei.

75 Auch wenn das Gericht in Randnummer 108 des angefochtenen Urteils den Gebrauch des Vetorechts erwähnt, kann sich dies nur auf die Cewal nach der Ogefrem-Vereinbarung zustehende Befugnis beziehen, die Zustimmung zu Ausnahmen von der ihr eingeräumten Ausschließlichkeit zu versagen. Wie der Generalanwalt in Nummer 58 seiner Schlußanträge ausführt, hat diese Bezugnahme keinen Einfluß auf die Einstufung des Mißbrauchs, den sowohl das Gericht als auch die Kommission in der Beharrlichkeit sehen, mit der Cewal die strikte Einhaltung ihres Exklusivrechts verlangte.

76 Mit der Bezugnahme auf das Vetorecht wird nämlich nicht ein Mißbrauch beschrieben, sondern auf die Argumentation der Klägerinnen eingegangen, daß ihnen ihr Verhalten von den zairischen Behörden aufgezwungen worden sei.

77 Was das übrige Vorbringen zu diesem Punkt anbelangt, so konnte in Anbetracht dessen, daß weder die Kommission noch das Gericht in der Ogefrem-Vereinbarung einen Verstoß gegen Artikel 86 des Vertrages sah, das Gericht zu dem Ergebnis kommen, daß der Verstoß im September 1989 geendet habe, auch wenn diese Vereinbarung selbst weiter in Kraft blieb.

78 Das Gericht hat auch die durch die Ogefrem-Vereinbarung eingeräumte Ausschließlichkeit als solche nicht als Mißbrauch angesehen. Es brauchte daher das Vorbringen der Klägerinnen nicht zu prüfen, daß die Gewährung einer solchen Ausschließlichkeit einen Hoheitsakt dargestellt habe.

79 Daher ist zu klären, ob das Gericht auf das Vorbringen der Klägerinnen hätte eingehen müssen, daß die bloße Ermunterung einer Regierung, tätig zu werden, nicht als mißbräuchliche Praxis eingestuft werden könne.

80 Aus den Randnummern 104 und 105 des angefochtenen Urteils geht hervor, daß Artikel 1 Absatz 1 der Ogefrem-Vereinbarung für sämtliche im Rahmen des Betätigungsgebiets der Konferenz zu befördernden Waren eine Ausschließlichkeit zugunsten der Cewal-Mitglieder vorsah. In Artikel 1 Absatz 2 wurden Ausnahmen mit Zustimmung beider Parteien ausdrücklich für möglich erklärt. Das Ogefrem erteilte einseitig einem unabhängigen Reeder seine Zulassung für grundsätzlich 2 % des gesamten zairischen Verkehrsaufkommens, wobei dieser Anteil jedoch in der Folge zunahm. Daraufhin unternahmen die Cewal-Mitglieder beim Ogefrem Schritte, um die Verdrängung von Grimaldi und Cobelfret (im folgenden: G & C) vom Markt zu erreichen. Sie erinnerten das Ogefrem u. a. an dessen Verpflichtungen und verlangten deren strikte Einhaltung.

81 Insoweit ist zu prüfen, ob die Tatsache, daß die Rechtsmittelführerinnen im Rahmen einer Vereinbarung mit den zairischen Behörden auf die Einhaltung dieser Vereinbarung drangen, einer bloßen Ermunterung einer Regierung, tätig zu werden, gleichgestellt werden kann. Bejahendenfalls ist zu klären, ob eine solche Ermunterung selbst ein mißbräuchliches Verhalten darstellen kann.

82 Es besteht unbestreitbar ein Unterschied zwischen einer an eine Behörde gerichteten Forderung, eine bestimmte vertragliche Verpflichtung einzuhalten, und einem bloßen Anhalten oder "Ermuntern" der Behörde zum Tätigwerden. Im letztgenannten Fall handelt es sich nämlich nur um einen Versuch, die betreffende Behörde bei der Ausübung des ihr zustehenden Ermessens zu beeinflussen. Eine Forderung nach Einhaltung einer bestimmten vertraglichen Verpflichtung dient dagegen zur Geltendmachung von Rechten, zu deren Beachtung die betreffende Behörde verpflichtet sein soll.

83 Die Tatsache, daß die Rechtsmittelführerinnen auf die Einhaltung der Ogefrem-Vereinbarung drangen, kann folglich einem bloßen Anhalten der zairischen Regierungsbehörden zum Tätigwerden nicht gleichgestellt werden. Daher braucht nicht geprüft zu werden, ob und unter welchen Umständen ein bloßes Anhalten einer Regierung zum Handeln ein mißbräuchliches Verhalten im Sinne von Artikel 86 des Vertrages darstellen kann.

84 Wie bereits ausgeführt, sahen das Gericht und die Kommission den Mißbrauch darin, daß Cewal von den zairischen Behörden beharrlich die strikte Einhaltung ihres Exklusivrechts verlangte.

85 Das Vorliegen einer beherrschenden Stellung bedeutet, daß das beherrschende Unternehmen oder die beherrschenden Unternehmen unabhängig von den Ursachen einer solchen Stellung eine besondere Verantwortung dafür trifft, daß durch sein oder ihr Verhalten ein wirksamer und unverfälschter Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt nicht beeinträchtigt wird (Urteil Michelin/Kommission, Randnr. 57).

86 Im vorliegenden Fall steht fest, daß Cewal versuchte, sich auf eine in der Ogefrem-Vereinbarung vorgesehene Ausschließlichkeitsklausel zu berufen, um den einzigen Konkurrenten vom Markt zu verdrängen. Ein solches Verhalten war nach dieser Vereinbarung keineswegs geboten, da in deren Artikel 1 Absatz 2 Ausnahmen ausdrücklich für zulässig erklärt wurden, um den Anforderungen von Artikel 86 des Vertrages zu genügen.

87 Somit ist das zweite Argument zurückzuweisen, während das dritte Argument, wonach den Rechtsmittelführerinnen vorgeworfen worden sein soll, nicht auf ihre ausschließlichen Rechte verzichtet zu haben, unerheblich ist.

88 Folglich sind das erste, das zweite und das dritte Argument zurückzuweisen, das die Rechtsmittelführerinnen zur Stützung ihres die Ogefrem-Vereinbarung betreffenden Rechtsmittelgrundes angeführt haben.

Zum Mißbrauch in bezug auf den Einsatz von "Kampfschiffen" ("fighting ships")

Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen

89 Die Rechtsmittelführerinnen machen erstens geltend, das Gericht sei nicht auf ihren Klagegrund eingegangen, daß die Kommission die Definition der ihnen zur Last gelegten mißbräuchlichen Praxis gegenüber der Mitteilung der Beschwerdepunkte geändert habe, so daß die streitige Entscheidung wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör hätte für nichtig erklärt werden müssen.

90 Auf der Grundlage der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der streitigen Entscheidung hätten sie angenommen, daß die ihnen zur Last gelegte mißbräuchliche Praxis im Festmachen eines Schiffes neben dem Schiff des "Außenseiters", im gleichzeitigen Angebot niedrigerer als der vom Außenseiter verlangten Tarife und in der Umlegung der von den "Kampfschiffen" erlittenen Verluste auf alle Mitglieder der Konferenz bestanden habe. Sie hätten ferner angenommen, daß ihnen vorgeworfen werde, Verluste hingenommen und somit Vernichtungspreise angewandt zu haben, statt sich, wie es die normale Praxis sei, den Tarifen eines Konkurrenten anzupassen, um mit ihm in fairen Wettbewerb zu treten.

91 Die Kommission habe in ihrer Klagebeantwortung vor dem Gericht darauf hingewiesen, daß die Voraussetzung der bewußten Ausrichtung eines Ablegezeitpunkts an dem des Konkurrenzschiffs nicht unerläßlich sei. Auch die Voraussetzung, daß die angewandten Tarife unter denen des Konkurrenten lägen, sei kein wesentliches Merkmal des Einsatzes von "Kampfschiffen". Zudem müßten die angewandten Frachttarife bei einer Konferenz in beherrschender Stellung nicht unbedingt zu betrieblichen Verlusten der Mitgliedsgesellschaften der Konferenz führen.

92 Schließlich habe die Kommission die Relevanz des Begriffes der Vernichtungspreise in Abrede gestellt.

93 Erst in diesem Verfahrensstadium sei den Rechtsmittelführerinnen klar geworden, daß die Kommission ihre Definition der ihnen zur Last gelegten mißbräuchlichen Praxis geändert habe. Aus diesem Grund hätten sie in ihrer Erwiderung vorgetragen, daß die Cewal-Mitglieder bei einer Auslegung der streitigen Entscheidung auf der Grundlage dieser neuen Definition wegen einer Praxis zur Rechenschaft gezogen würden, die ihnen in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht vorgeworfen worden sei. Folglich hätte diese Entscheidung wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und von Artikel 190 EG-Vertrag (jetzt Artikel 253 EG) für nichtig erklärt werden müssen.

94 Das Gericht sei nach der Prüfung einiger Auszüge aus der streitigen Entscheidung zu dem Ergebnis gekommen, daß sie auf derselben Definition beruhe, wie sie die Kommission in ihrer Klagebeantwortung vorgetragen habe. Es sei jedoch nicht auf den Klagegrund eingegangen, daß die Entscheidung in diesem Fall wegen Verletzung des Anspruchs der Klägerinnen auf rechtliches Gehör für nichtig hätte erklärt werden müssen. Deshalb müsse das angefochtene Urteil aufgehoben werden.

95 Zweitens müsse das angefochtene Urteil wegen falscher Auslegung der streitigen Entscheidung aufgehoben werden. Das Gericht sei zu Unrecht zu dem Ergebnis gekommen, daß die Entscheidung auf einer neuen Definition der angeblich mißbräuchlichen Praxis beruhe. Die Kommission selbst habe in ihrem XXII. Bericht über die Wettbewerbspolitik von 1992 eine andere Auslegung der streitigen Entscheidung vorgenommen, wonach zu dem den Cewal-Mitgliedern zur Last gelegten Einsatz von "Kampfschiffen" die drei in der Mitteilung der Beschwerdepunkte genannten Bestandteile gehörten. Durch eine falsche Auslegung der streitigen Entscheidung habe das Gericht seinerseits unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und des Rechts auf einen fairen Prozeß die Art des gegen sie erhobenen Vorwurfs verändert.

96 Drittens tragen die Rechtsmittelführerinnen vor, entgegen der neuen Definition liege eine mißbräuchliche Praxis nicht vor. Es sei unstreitig, daß Unternehmen in beherrschender Stellung das Recht hätten, auf den Wettbewerb durch konkurrierende Unternehmen zu reagieren. Das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, als es der Auffassung nicht gefolgt sei, daß ein beherrschendes Unternehmen auf den Preiswettbewerb durch ein neues Unternehmen, das in seinen Markt eindringen wolle, mit einem Plan zur Verdrängung dieses Unternehmens durch selektive Preisnachlässe reagieren könne, solange die angebotenen Preise nicht mißbräuchlich in dem vom Gerichtshof im Urteil vom 3. Juli 1991 in der Rechtssache C-62/86 (AKZO/Kommission, Slg. 1991, I-3359) definierten Sinne seien.

97 Zudem habe weder die Kommission noch das Gericht dargetan, daß die Voraussetzungen für die Praxis der Vernichtungspreise hier vorlägen. Der Gerichtshof habe im Urteil AKZO/Kommission strenge Kriterien für die Einstufung von "Vernichtungspreisen" als Mißbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 des Vertrages aufgestellt. Nach diesen Kriterien müßten Preise unterhalb der Gestehungskosten festgelegt werden. Da die von den Cewal-Mitgliedern im vorliegenden Fall angewandten Preise nicht unter den Kosten gelegen hätten, könne ihnen nicht vorgeworfen werden, Vernichtungspreise angewandt zu haben. Die bloße Tatsache, daß dieser Preiswettbewerb dazu gedient habe, einen Konkurrenten vom Markt zu verdrängen, könne nicht zur Rechtswidrigkeit eines legitimen Wettbewerbs führen.

98 Sollten diese Rügen zurückgewiesen werden, sei jedenfalls die Definition der mißbräuchlichen Praxis neu, so daß gegen die Rechtsmittelführerinnen keine Geldbuße verhängt werden dürfe.

Würdigung durch den Gerichtshof

99 Zur ersten Rüge, daß das Gericht auf den in der Erwiderung vorgebrachten Klagegrund nicht eingegangen sei, geht aus Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts hervor, daß neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden können, es sei denn, daß sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.

100 Das Angriffsmittel der Rechtsmittelführerinnen war vor dem Gericht nur zulässig, wenn sich der angebliche Unterschied zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der streitigen Entscheidung im Laufe des Verfahrens vor dem Gericht herausgestellt hat.

101 Insoweit ist Punkt 23 der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu entnehmen, daß den Rechtsmittelführerinnen zur Last gelegt wurde, gemeinsam von den üblichen Cewal-Tarifen abweichende Kampfpreise festgesetzt zu haben, die "nicht nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten (d. h. gemäß den Kosten), sondern unterhalb der von G & C angebotenen Preise festgesetzt [wurden], wobei die daraus entstehenden Verluste auf die Cewal-Mitglieder umgelegt wurden". Weiter führt die Kommission auf Seite 20 dieser Mitteilung aus, ein solches Verhalten (Festsetzung von Vernichtungspreisen) zur Verdrängung eines Konkurrenten vom Markt stelle einen Mißbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 des Vertrages dar.

102 In Artikel 2 der streitigen Entscheidung wird festgestellt, daß die Rechtsmittelführerinnen ihre beherrschende Stellung mißbraucht hätten, indem sie ihre Preise in Abweichung vom geltenden Frachttarif geändert hätten, um für Schiffe, die am selben Tag oder in zeitlicher Nähe dazu ausliefen, Preise anbieten zu können, die den Preisen des außerhalb der Konferenz stehenden Anbieters entsprochen oder niedriger gelegen hätten. In Randnummer 73 der streitigen Entscheidung führte die Kommission aus, die aus diesem System der Preisfestsetzung entstehenden Einnahmeverluste gegenüber dem Konferenztarif seien auf sämtliche Cewal-Mitglieder umgelegt worden. In Randnummer 74 fügte sie hinzu, angesichts der Häufigkeit der Abfahrten von Cewal-Schiffen sei der Einsatz von "Kampfschiffen" ohne Änderung der Fahrtenpläne möglich gewesen.

103 Auf den ersten Blick besteht tatsächlich ein Unterschied zwischen der Definition der mißbräuchlichen Ausnutzung in der Mitteilung der Beschwerdepunkte und in der streitigen Entscheidung. In ersterer ist von Preisen unterhalb der von G & C angebotenen Preise und von Verlusten die Rede, während in letzterer von Preisen in gleicher Höhe oder unterhalb der von G & C angebotenen Preise und von Einnahmeverlusten gesprochen wird.

104 Dieser Unterschied ergibt sich jedoch aus einem einfachen Vergleich des Wortlauts beider Schriftstücke und hätte ins Auge fallen müssen, als die streitige Entscheidung übermittelt wurde. Es kann nicht behauptet werden, daß es sich dabei um rechtliche oder tatsächliche Gründe handele, die erst während des Verfahrens vor dem Gericht zutage getreten seien.

105 Daher ist zu klären, ob das Gericht über diesen Klagegrund befinden mußte, der erstmals in der Erwiderung geltend gemacht wurde.

106 Das Gericht muß zwar grundsätzlich auf die im Rahmen eines Verfahrens vorgetragenen Argumente eingehen und eine Entscheidung über die Unzulässigkeit eines Antrags begründen, damit der Gerichtshof sie im Rahmen eines Rechtsmittels nachprüfen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache C-259/96 P, Rat/De Nil und Impens, Slg. 1998, I-2915, Randnr. 32).

107 Es kann jedoch vom Gericht nicht verlangt werden, daß es jedes Mal, wenn sich eine Partei im Laufe des Verfahrens auf ein neues Angriffs- oder Verteidigungsmittel beruft, das offensichtlich nicht den Anforderungen von Artikel 48 § 2 seiner Verfahrensordnung entspricht, in seinem Urteil entweder die Gründe erläutert, aus denen dieses Angriffs- oder Verteidigungsmittel unzulässig ist, oder es inhaltlich prüft.

108 Die Tatsache, daß das Gericht nicht ausdrücklich über die Zulässigkeit dieses Klagegrundes entschieden hat, beeinträchtigte jedenfalls nicht die Lage der Rechtsmittelführerinnen, da die Unzulässigkeit des Klagegrundes offenkundig war.

109 In bezug auf die zweite Rüge der Rechtsmittelführerinnen, die die Auslegung der streitigen Entscheidung durch das Gericht betrifft, ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission in ihrer Klagebeantwortung ausführte, es sei nicht notwendig, daß ein "Kampfschiff" ein speziell gechartertes Schiff sei, daß die Preise unter denen des Konkurrenten lägen und daß der Einsatz zu tatsächlichen Verlusten führe.

110 Wie das Gericht festgestellt hat, bestehen insoweit keine Unterschiede zwischen der streitigen Entscheidung und der Klagebeantwortung. Mit der Klagebeantwortung wird nämlich gegenüber der Entscheidung keineswegs eine neue Definition des Mißbrauchs in bezug auf die "Kampfschiffe" eingeführt; die Klagebeantwortung und die Entscheidung entsprechen sich vielmehr, so daß diese Rüge als unbegründet zurückzuweisen ist.

111 Die dritte Rüge der Rechtsmittelführerinnen betrifft die Frage, ob das angeblich mißbräuchliche Verhalten, so wie es in der streitigen Entscheidung und in der Klagebeantwortung definiert wird, als solches eingestuft werden kann.

112 Nach ständiger Rechtsprechung enthält Artikel 86 des Vertrages keine erschöpfende Aufzählung der Arten der nach dem Vertrag verbotenen mißbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung (Urteil vom 21. Februar 1973 in der Rechtssache 6/72, Europemballage und Continental Can/Kommission, Slg. 1973, 215, Randnr. 26).

113 Ferner ist unstreitig, daß unter bestimmten Umständen ein Mißbrauch vorliegen kann, wenn ein Unternehmen in beherrschender Stellung diese dergestalt verstärkt, daß der erreichte Beherrschungsgrad den Wettbewerb wesentlich behindert (Urteil Europemballage und Continental Can/Kommission, Randnr. 26).

114 Zudem ist der sachliche Anwendungsbereich der besonderen Verantwortung, die ein Unternehmen in beherrschender Stellung trägt, anhand der spezifischen Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu ermitteln, die eine Situation geschwächten Wettbewerbs erkennen lassen (Urteil vom 14. November 1996 in der Rechtssache C-333/94 P, Tetra Pak/Kommission, Slg. 1996, I-5951, Randnr. 24).

115 Der Seeverkehrsmarkt ist ein sehr spezialisierter Sektor. Aufgrund des spezifischen Charakters dieses Marktes hat der Rat mit der Verordnung Nr. 4056/86 eine Wettbewerbsregelung geschaffen, die sich von der für andere Wirtschaftssektoren geltenden Regelung unterscheidet. Die den Linienkonferenzen auf unbestimmte Zeit erteilte Genehmigung, sich über die Festlegung der Preise im Seeverkehr abzustimmen, hat in Anbetracht der geltenden Regelungen und der Wettbewerbspolitik Ausnahmecharakter.

116 Nach der achten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 4056/86 wurde den Linienkonferenzen die Genehmigung zur Festlegung von Preisen wegen ihrer stabilisierenden Rolle und ihres Beitrags zur Sicherstellung eines Angebots regelmäßiger, ausreichender und wirksamer Seeverkehrsdienste erteilt. Daraus kann sich für den Fall, daß eine einzige Linienkonferenz auf einem bestimmten Markt eine beherrschende Stellung einnimmt, ergeben, daß es für den Nutzer dieser Dienste wenig vorteilhaft wäre, auf einen unabhängigen Konkurrenten zurückzugreifen, es sei denn, dieser könnte interessantere Preise als die Linienkonferenz bieten.

117 Nimmt eine Linienkonferenz in beherrschender Stellung eine selektive Senkung der Preise vor, um sie gezielt denen eines Konkurrenten anzugleichen, so profitiert sie davon folglich in doppelter Weise. Zum einen beseitigt sie das hauptsächliche oder sogar einzige Mittel, mit dem das Konkurrenzunternehmen zu ihr in Wettbewerb treten kann. Zum anderen kann sie von den Nutzern für Dienste, die nicht von dieser Konkurrenz bedroht sind, weiterhin höhere Preise verlangen.

118 Vorliegend bedarf es weder einer allgemeinen Stellungnahme zu der Frage, unter welchen Umständen eine Linienkonferenz berechtigt ist, von Fall zu Fall unter ihrem angekündigten Tarif liegende Preise zu verlangen, um gegen einen Konkurrenten vorzugehen, der interessantere Preise bietet, noch einer Prüfung der genauen Bedeutung des Begriffes "einheitliche oder gemeinsame Frachtraten" in Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung Nr. 4056/86.

119 Es genügt der Hinweis, daß es hier um das Verhalten einer Linienkonferenz geht, die mehr als 90 % der Anteile am fraglichen Markt besitzt und nur einen einzigen Konkurrenten hat. Die Rechtsmittelführerinnen haben im übrigen nie ernsthaft bestritten und in der mündlichen Verhandlung sogar eingeräumt, daß das ihnen zur Last gelegte Verhalten dazu diente, G & C vom Markt zu verdrängen.

120 Daher ist davon auszugehen, daß das Gericht keinen Rechtsfehler begangen hat, als es die Vorwürfe der Kommission für berechtigt erklärte, daß mit dem gegen G & C praktizierten Einsatz von "Kampfschiffen" eine beherrschende Stellung mißbraucht worden sei. Zudem ist festzustellen, daß es sich vorliegend keineswegs um eine neue Definition einer mißbräuchlichen Praxis handelt.

121 Die Rügen in bezug auf die "Kampfschiffe" sind somit als unzulässig oder unbegründet zurückzuweisen.

Zum Mißbrauch in bezug auf die Treuevereinbarungen

Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen

122 Cewal wird vorgeworfen, hundertprozentige Treueabmachungen (auch in bezug auf fob-Waren) geschlossen zu haben, die über das nach Artikel 5 Nummer 2 der Verordnung Nr. 4056/86 erlaubte Maß hinausgegangen und von der Verwendung "schwarzer Listen" unzuverlässiger Verlader begleitet worden seien. Die Rechtsmittelführerinnen tragen insoweit vier Argumente vor.

123 Erstens behaupten sie, Artikel 5 Nummer 2 der Verordnung Nr. 4056/86 lasse Treuerabatte zu, es sei denn, daß sie von einem beherrschenden Unternehmen "auferlegt" würden. Das Gericht habe diese Bestimmung nicht richtig ausgelegt. Es habe nämlich die Ansicht vertreten, daß eine Treueabmachung als einseitig "auferlegt" angesehen werden könne, wenn sich die Linienkonferenz wie im vorliegenden Fall in einer beherrschenden Stellung befinde.

124 Zweitens habe das Gericht einen Rechtsfehler begangen, als es in Randnummer 184 des angefochtenen Urteils zu dem Ergebnis gekommen sei, daß die Erstreckung der Treuevereinbarungen auf fob-Verkäufe dem Verkäufer eine Treuepflicht auferlege, obwohl er für den Versand der Waren gar nicht verantwortlich sei. In der Verordnung Nr. 4056/86 würden hundertprozentige Treuevereinbarungen freigestellt. Artikel 5 Nummer 2 der Verordnung müsse deshalb dahin ausgelegt werden, daß er auch Treuevereinbarungen unter Einbeziehung von fob-Verkäufen freistelle.

125 Drittens habe das Gericht mit der Feststellung in Randnummer 185 des angefochtenen Urteils, es könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Aufstellung "schwarzer Listen" durch die Verordnung Nr. 4056/86 freigestellt sei, einen Rechtsfehler begangen. Ein Rabattsystem für Verlader, die ausschließlich die Dienste der Mitglieder einer Linienkonferenz in Anspruch nähmen, könne in der Praxis ohne eine Liste "unzuverlässiger Verlader" oder ein vergleichbares System zur namentlichen Erfassung derjenigen, die die Dienste eines Konkurrenten in Anspruch genommen hätten, nicht funktionieren. Die Verwendung solcher Listen müsse zwangsläufig durch die Verordnung Nr. 4056/86 freigestellt sein.

126 Viertens habe das Gericht, selbst wenn es zu Recht angenommen haben sollte, daß im Fall von Unternehmen in beherrschender Stellung jede Treuevereinbarung als im Sinne von Artikel 5 Nummer 2 Buchstabe b Ziffer i "auferlegt" anzusehen sei, gegen die Artikel 7 und 8 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4056/86 verstoßen. Die einzige Folge einer Nichtbeachtung der Auflagen gemäß Artikel 5 sei nämlich, daß Cewal eine mit der Freistellung verbundene Auflage - und nicht eine Voraussetzung für die Freistellung selbst - nicht erfuellt habe.

127 Die Bedeutung dieser Unterscheidung bestehe darin, daß bei Nichterfuellung einer Voraussetzung die Freistellung schon deshalb nicht oder nicht mehr gelte, während die Nichtbeachtung einer Auflage nur den Entzug der Freistellung ohne rückwirkende Kraft zur Folge haben könne.

128 Die gewährte Freistellung sei ihnen nie entzogen worden. Aus der Existenz eines förmlichen Verfahrens zum Entzug der Freistellung sei zu schließen, daß wegen eines von einer Gruppenfreistellung gedeckten Verhaltens vor deren Entzug keine Geldbuße festgesetzt werden dürfe. Nachdem die Kommission die Freistellung zurückgezogen habe, könne sie gemäß Artikel 10 der Verordnung Nr. 4056/86 alle geeigneten Maßnahmen treffen, um Zuwiderhandlungen gegen Artikel 86 des Vertrages abzustellen. Zu solchen Maßnahmen könne die Festsetzung einer Geldbuße jedoch nicht gehören, da mit der Geldbuße ein vergangenes Verhalten geahndet werden solle.

Würdigung durch den Gerichtshof

129 Mit diesen vier Rügen machen die Rechtsmittelführerinnen zum einen geltend, daß die Behauptung einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 86 des Vertrages nicht auf eine Praxis gestützt werden könne, die Gegenstand einer besonderen Bestimmung (Artikel 5 Nr. 2) der Verordnung Nr. 4056/86 sei, mit der eine Freistellung gewährt werde. Zum anderen müsse die Kommission jedenfalls vor der Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 86 des Vertrages den betreffenden Unternehmen die gewährte Gruppenfreistellung entziehen.

130 Diese Argumentation beruht auf einer falschen Auslegung der Bestimmungen und einer Verkennung ihrer Systematik. Wie in Randnummer 33 des vorliegenden Urteils erwähnt, steht die Anwendbarkeit von Artikel 85 des Vertrages auf eine Vereinbarung der Anwendbarkeit von Artikel 86 des Vertrages auf das Verhalten der Parteien dieser Vereinbarung nicht entgegen, sofern die Voraussetzungen für die Anwendung jeder Bestimmung vorliegen. Insbesondere beeinträchtigt eine Freistellung gemäß Artikel 85 Absatz 3 nicht die Anwendung von Artikel 86 des Vertrages (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. April 1995 in der Rechtssache C-310/93 P, BPB Industries und British Gypsum/Kommission, Slg. 1995, I-865, Randnr. 11).

131 Die Tatsache, daß eine Praxis von Wirtschaftsteilnehmern, die einem wirksamen Wettbewerb ausgesetzt sind, zulässig ist, bedeutet daher nicht, daß die Anwendung der gleichen Praxis durch ein Unternehmen in beherrschender Stellung nie einen Mißbrauch dieser Stellung darstellen kann.

132 Bei der Analyse des Verhaltens eines Unternehmens in beherrschender Stellung ist nämlich zu berücksichtigen, daß sich ein Unternehmen, das längere Zeit einen besonders hohen Marktanteil besitzt, in einer Machtposition befindet, die aus ihm für seine Geschäftspartner einen nicht zu umgehenden Partner macht (Urteil Hoffmann-La Roche/Kommission, Randnr. 41).

133 Was speziell die "Auferlegung" von Treuevereinbarungen - so der in Artikel 5 Nummer 2 Buchstabe b Ziffer i der Verordnung Nr. 4056/86 verwendete Begriff - anbelangt, so kann ein beherrschendes Unternehmen dem Nutzer seiner Dienste in der Praxis eine Treuevereinbarung "auferlegen", ohne ausdrücklich auf dem Abschluß einer solchen Vereinbarung als Voraussetzung für den Zugang zu seinen Diensten bestehen zu müssen.

134 Folglich bedurfte es zur Analyse des Verhaltens von Cewal gemäß Artikel 86 des Vertrages keiner Klärung der Voraussetzungen, unter denen Treueabmachungen im Fall einer im normalen Wettbewerb stehenden Linienkonferenz als "auferlegt" im Sinne von Artikel 5 Nummer 2 Buchstabe b Ziffer i der Verordnung Nr. 4056/86 eingestuft werden können.

135 Zur vierten Rüge ist festzustellen, daß Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 4056/86 den Mißbrauch einer beherrschenden Stellung ausdrücklich verbietet, ohne daß ein entsprechender vorheriger Beschluß erforderlich ist. Wie der Generalanwalt in Nummer 164 seiner Schlußanträge festgestellt hat, ist diese Formulierung eindeutig und steht voll und ganz im Einklang mit den die Wirksamkeit von Artikel 86 des Vertrages und die Unmöglichkeit einer Freistellung betreffenden Grundsätzen. Denn nach ständiger Rechtsprechung kann für den Mißbrauch einer beherrschenden Stellung keine wie auch immer geartete Freistellung gewährt werden (vgl. Urteil Ahmed Saeed Flugreisen und Silver Line Reisebüro, Randnr. 32).

136 Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4056/86, der vorsieht, daß die Kommission die Gruppenfreistellung zurückziehen kann, wenn sie zu der Feststellung gelangt, daß in einem Einzelfall das Verhalten von Konferenzen, die gemäß Artikel 3 der Verordnung freigestellt sind, mit Artikel 86 des Vertrages unvereinbare Wirkungen hat, schränkt folglich die Befugnis der Kommission, wegen Verstoßes gegen Artikel 86 des Vertrages Geldbußen festzusetzen, nicht ein und kann sie auch nicht einschränken.

137 Demnach ist der zweite Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

Zu dem Rechtsmittelgrund, der die Geldbußen betrifft

Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen

138 Die Rechtsmittelführerinnen tragen zunächst vor, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, als es alle von der Kommission zur Bestimmung der Höhe der festgesetzten Geldbußen herangezogenen Faktoren akzeptiert habe.

139 Mit ihrer zweiten Rüge machen sie geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, als es das Recht der Kommission bestätigt habe, gegen sie individuelle Geldbußen festzusetzen, obwohl die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte die Verhängung von Geldbußen gegen Cewal und nicht gegen eines ihrer Mitglieder angedroht habe.

140 Dadurch, daß die Geldbußen nicht gegen Cewal, sondern gegen einige ihrer Mitglieder festgesetzt worden seien, seien überdies ihre grundlegenden Verfahrensrechte verletzt worden. Die Höhe der Geldbuße müsse nämlich anhand des Umsatzes von Cewal und nicht anhand des Umsatzes ihrer Mitglieder berechnet werden. Außerdem wäre es Sache der Mitglieder von Cewal gewesen, über die Methode zur Aufteilung der Geldbuße - und sei es nur gemäß ihrem Anteil an der Konferenz - zu entscheiden; von der Geldbuße seien aber 95 % gegen CMB festgesetzt worden.

Würdigung durch den Gerichtshof

141 Zunächst ist die zweite Rüge zu prüfen.

142 Nach ständiger Rechtsprechung müssen in der Mitteilung der Beschwerdepunkte alle wesentlichen Tatsachen, auf die sich die Kommission in diesem Verfahrensstadium stützt, klar angeführt werden. In der wichtigen Verfahrensgarantie, die die Mitteilung der Beschwerdepunkte darstellt, kommt ein tragender Grundsatz des Gemeinschaftsrechts zur Anwendung, der die Beachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in allen Verfahren verlangt (Urteil vom 7. Juni 1983 in den Rechtssachen 100/80 bis 103/80, Musique Diffusion française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825, Randnrn. 10 und 14).

143 Folglich muß die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte eindeutig angeben, gegen welche Personen Geldbußen festgesetzt werden können.

144 Eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, in der als Urheber einer Zuwiderhandlung nur eine kollektive Einheit wie Cewal genannt wird, unterrichtet die Unternehmen, aus denen diese Einheit besteht, nicht hinreichend darüber, daß gegen sie individuelle Geldbußen festgesetzt werden, falls die Zuwiderhandlung bejaht werden sollte. Entgegen den Ausführungen des Gerichts spielt die fehlende Rechtspersönlichkeit von Cewal insoweit keine Rolle.

145 Eine so formulierte Mitteilung der Beschwerdepunkte reicht auch nicht aus, um die betreffenden Unternehmen darauf aufmerksam zu machen, daß sich die Höhe der festgesetzten Geldbußen nach einer Würdigung der Teilnahme jedes Unternehmens an dem als Zuwiderhandlung eingestuften Verhalten richten wird.

146 Folglich hat das Gericht einen Rechtsfehler begangen, als es das Recht der Kommission bestätigt hat, gegen die Mitglieder von Cewal individuelle Geldbußen festzusetzen, die aufgrund einer Würdigung ihrer Teilnahme am streitigen Verhalten ermittelt wurden, obwohl die Mitteilung der Beschwerdepunkte nur an Cewal gerichtet war.

147 In Anbetracht dessen ist dieser letzte Rechtsmittelgrund für begründet zu erklären und somit das die streitige Entscheidung bestätigende angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es die gegen die Rechtsmittelführerinnen festgesetzten Geldbußen betrifft.

148 Ist das Rechtsmittel begründet, so hebt der Gerichtshof gemäß Artikel 54 Absatz 1 der EG-Satzung des Gerichtshofes die Entscheidung des Gerichts auf. Er kann sodann den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen. Die Akten sind so vollständig, daß der Gerichtshof selbst endgültig entscheiden kann; die Sache braucht daher nicht an das Gericht zurückverwiesen zu werden.

149 Folglich sind die Artikel 6 und 7 der streitigen Entscheidung in bezug auf die gegen die Rechtsmittelführerinnen festgesetzten Geldbußen für nichtig zu erklären.

150 Die übrigen von den Rechtsmittelführerinnen zur Stützung dieses Rechtsmittelgrundes angeführten Rügen brauchen somit nicht geprüft zu werden.

Kostenentscheidung:

Kosten

151 Gemäß Artikel 122 Absatz 1 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er selbst den Rechtsstreit endgültig entscheidet. Nach Artikel 69 § 3 der Verfahrensordnung, der gemäß Artikel 118 auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, kann der Gerichtshof die Kosten teilen oder beschließen, daß jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt oder wenn ein außergewöhnlicher Grund gegeben ist.

152 Da nur der die Geldbußen betreffende Rechtsmittelgrund begründet ist, haben CMB, CMBT und Dafra ihre eigenen Kosten, drei Viertel der Kosten der Kommission und sämtliche Kosten von G & C zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 8. Oktober 1996 in den Rechtssachen T-24/93 bis T-26/93 und T-28/93 (Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission) wird aufgehoben, soweit es die gegen die Compagnie maritime belge transports SA, die Compagnie maritime belge SA und die Dafra-Lines A/S festgesetzten Geldbußen bestätigt.

2. Die Artikel 6 und 7 der Entscheidung 93/82/EWG der Kommission vom 23. Dezember 1992 in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag (IV/32.448 und IV/32.450: Cewal, Cowac, Ukwal) und Artikel 86 EWG-Vertrag (IV/32.448 und IV/32.450: Cewal) werden in bezug auf die Compagnie maritime belge transports SA, die Compagnie maritime belge SA und die Dafra-Lines A/S für nichtig erklärt.

3. Im übrigen wird das Rechtsmittel zurückgewiesen.

4. Die Compagnie maritime belge transports SA, die Compagnie maritime belge SA und die Dafra-Lines A/S tragen ihre eigenen Kosten, drei Viertel der Kosten der Kommission der Europäischen Gemeinschaften und sämtliche Kosten von Grimaldi und Cobelfret.

Ende der Entscheidung

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