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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 05.05.1998
Aktenzeichen: C-403/96 P
Rechtsgebiete: EG-Satzung, Beschluss 91/658/EWG, Verordnung (EWG) Nr. 1897/92, EGV


Vorschriften:

EG-Satzung Art. 49
Beschluss 91/658/EWG
Verordnung (EWG) Nr. 1897/92
EGV Art. 173 Abs. 4
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

3 Bezeichnet ein gegen ein Urteil des Gerichts eingelegtes Rechtsmittel die beanstandeten Teile des angefochtenen Urteils sowie die rechtlichen Argumente, die den Antrag auf Nichtigerklärung konkret stützen, genau, so macht der Umstand, daß diese Argumente bereits im ersten Rechtszug vorgetragen worden sind, sie nicht unzulässig.

4 Das unmittelbare Betroffensein des Klägers als Voraussetzung der Zulässigkeit einer von einer natürlichen oder juristischen Person erhobenen Nichtigkeitsklage gegen eine Entscheidung, die an eine andere Person gerichtet ist, erfordert es, daß die beanstandete Maßnahme der Gemeinschaft sich auf die Rechtsstellung des Klägers unmittelbar auswirkt und ihren Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, diese Durchführung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Gemeinschaftsregelung ergibt, ohne daß dabei weitere Vorschriften angewandt werden. Das gleiche gilt, wenn für die Adressaten nur eine rein theoretische Möglichkeit besteht, dem Gemeinschaftsakt nicht nachzukommen, weil ihr Wille, diesem Akt nachzukommen, keinem Zweifel unterliegt.

Was die Durchführung eines Darlehens angeht, das die Gemeinschaft der Sowjetunion und ihren Republiken gewährt hat, um die Einfuhr von Agrarerzeugnissen und Nahrungsmitteln sowie Waren des medizinischen Bedarfs zu ermöglichen, so ist ein Unternehmen, das den Zuschlag für einen Auftrag über die Lieferung von Weizen erhalten hat, in diesem Sinn von einer an den Finanzmakler der Republik, der das Darlehen gewährt wird, gerichteten Entscheidung der Kommission unmittelbar betroffen, mit der die Anerkennung der Konformität von Änderungen der zwischen diesem Unternehmen und dem beauftragten Bevollmächtigten der Republik geschlossenen Verträge mit den anwendbaren Gemeinschaftsvorschriften abgelehnt wird, da die Möglichkeit des Beauftragten, die Lieferverträge gemäß den von der Kommission beanstandeten Bedingungen zu erfuellen und somit auf die Gemeinschaftsfinanzierung zu verzichten, rein theoretisch war, so daß die Entscheidung, die die Kommission in Ausübung ihrer eigenen Zuständigkeit getroffen hat, dem Unternehmen jede wirkliche Möglichkeit genommen hat, den Auftrag auszuführen oder für die nach den vereinbarten Bedingungen durchgeführten Lieferungen Bezahlung zu erhalten.


Urteil des Gerichtshofes vom 5. Mai 1998. - Glencore Grain Ltd, ehemals Richco Commodities Ltd gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Nothilfe der Gemeinschaft für die Staaten der ehemaligen Sowjetunion - Darlehen - Dokumentenakkreditiv - Nichtigkeitsklage - Zulässigkeit - Unmittelbares Betroffensein. - Rechtssache C-403/96 P.

Entscheidungsgründe:

1 Die Glencore Grain Ltd, ehemals Richco Commodities Ltd (im folgenden: Rechtsmittelführerin) hat mit Rechtsmittelschrift, die am 23. Dezember 1996 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 24. September 1996 in der Rechtssache T-491/93 (Richco/Kommission, Slg. 1996, II-1131; im folgenden: angefochtenes Urteil) eingelegt, mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung der an die Vnesheconombank gerichteten Entscheidung der Kommission vom 1. April 1993 abgewiesen hat.

Rechtlicher Rahmen

2 Der Rat erließ am 16. Dezember 1991 den Beschluß 91/658/EWG über ein mittelfristiges Darlehen für die Sowjetunion und ihre Republiken (ABl. L 362, S. 89).

3 Artikel 1 Absatz 1 lautet:

"Die Gemeinschaft gewährt der UdSSR und deren Republiken ein mittelfristiges Darlehen über einen Kapitalbetrag von höchstens 1 250 Millionen ECU in drei aufeinanderfolgenden Tranchen mit einer Hoechstlaufzeit von drei Jahren, um die Einfuhr von Agrarerzeugnissen und Nahrungsmitteln sowie Waren des medizinischen Bedarfs... zu ermöglichen."

4 Artikel 2 des Beschlusses 91/658 bestimmt zu diesem Zweck:

"[D]ie Kommission [wird] ermächtigt, im Namen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die erforderlichen Gelder aufzunehmen, die der UdSSR und deren Republiken in Form eines Darlehens zur Verfügung gestellt werden."

5 Artikel 3 lautet:

"Das Darlehen nach Artikel 2 wird von der Kommission verwaltet."

6 Ferner heisst es in Artikel 4:

"(1) Die Kommission wird ermächtigt, in Abstimmung mit den Behörden der UdSSR und ihrer Republiken... die wirtschaftlichen und finanziellen Bedingungen des Darlehens, die Regeln für die Bereitstellung der Gelder und die erforderlichen Garantien für die Darlehenstilgung aufzustellen.

...

(3) Die Einfuhr der Erzeugnisse, die durch das Darlehen finanziert wird, erfolgt zu Weltmarktpreisen. Der freie Wettbewerb muß für den Kauf und die Lieferung der Erzeugnisse gewährleistet sein, die den international anerkannten Qualitätsnormen entsprechen müssen."

7 Am 9. Juli 1992 erließ die Kommission die Verordnung (EWG) Nr. 1897/92 mit den Modalitäten für die Abwicklung eines mittelfristigen Darlehens für die Sowjetunion und ihre Republiken aufgrund des Beschlusses 91/658/EWG des Rates (ABl. L 191, S. 22).

8 In Artikel 2 der Verordnung heisst es:

"Die Darlehen werden auf der Grundlage von Abkommen zwischen den Republiken und der Kommission gewährt, die als Bedingungen für die Auszahlung der Darlehen die in Artikel 3 bis 7 festgelegten Bestimmungen enthalten."

9 Artikel 4 der Verordnung Nr. 1897/92 lautet:

"(1) Die Darlehen dienen nur zur Finanzierung von Käufen und Lieferungen im Rahmen von Verträgen, vorausgesetzt die Kommission hat anerkannt, daß diese Verträge dem Beschluß 91/658/EWG und den Abkommen gemäß Artikel 2 entsprechen.

(2) Die Republiken oder die von ihnen bezeichneten Finanzmakler legen der Kommission die Verträge zur Anerkennung vor."

10 Artikel 5 stellt die Bedingungen auf, an die die Anerkennung gemäß Artikel 4 gebunden ist. Zu diesen Bedingungen gehören die beiden folgenden Punkte:

"1. Die Auftragsvergabe erfolgt unter den Bedingungen des freien Wettbewerbs...

2. Der Vertrag bietet die günstigsten Preisbedingungen, die normalerweise auf dem Weltmarkt erzielt werden."

11 Am 9. Dezember 1992 schlossen die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, die Russische Föderation als Nachfolgerin der UdSSR und deren Finanzmakler, die Vnesheconombank (im folgenden: VEB), gemäß der Verordnung Nr. 1897/92 ein "Memorandum of Understanding" (im folgenden: Rahmenvereinbarung), aufgrund dessen die Europäische Gemeinschaft der Russischen Föderation das im Beschluß 91/658 vorgesehene Darlehen gewähren sollte. So war vorgesehen, daß die Gemeinschaft als Darlehensgeber der VEB als Darlehensnehmer, gesichert durch die Russische Föderation, ein mittelfristiges Darlehen von 349 Millionen ECU als Darlehensbetrag für höchstens drei Jahre gewähren sollte.

12 Nummer 6 des Rahmenabkommens sah vor:

"Der Darlehensbetrag abzueglich der Provisionen und der der EWG entstandenen Kosten ist dem Darlehensnehmer auszuzahlen und entsprechend den Bestimmungen und Bedingungen des Darlehensvertrages ausschließlich zur Deckung unwiderruflicher Dokumentenakkreditive zu verwenden, die der Darlehensnehmer in der international üblichen Form gemäß Lieferverträgen eröffnet hat, vorbehaltlich der Anerkennung dieser Verträge und Akkreditive durch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften als dem Beschluß des Rates vom 16. Dezember 1991 und der vorliegenden Vereinbarung entsprechend."

13 Nummer 7 enthält die Voraussetzungen, von denen die Anerkennung der Konformität des Vertrages abhängig war. Insbesondere heisst es dort, daß die Lieferanten von den zu diesem Zweck von der Regierung der Russischen Föderation benannten russischen Einrichtungen ausgewählt werden sollten.

14 Am 9. Dezember 1992 schlossen die Kommission und die VEB den in der Verordnung Nr. 1897/92 und der Rahmenvereinbarung vorgesehenen Darlehensvertrag (im folgenden: Darlehensvertrag). Dieser Vertrag legt genau den Mechanismus der Auszahlung des Darlehens fest. Er sieht eine Möglichkeit vor, auf die im Ziehungszeitraum (15. Januar 1993 bis 15. Juli 1993) zurückgegriffen werden kann und mit der bezweckt ist, die für die Bezahlung von Lieferungen genehmigten Beträge vorzuschießen.

15 Am 15. Januar 1993 schloß die Kommission gemäß Artikel 2 des Beschlusses 91/658 als Darlehensgeber im Namen der Gemeinschaft einen Darlehensvertrag mit einem vom Crédit Lyonnais geführten Bankenkonsortium.

Sachverhalt und Verfahren vor dem Gericht

16 Das Gericht hat im angefochtenen Urteil folgendes festgestellt:

"8 Die Klägerin, eine internationale Handelsgesellschaft, wurde zusammen mit anderen Unternehmen im Rahmen einer von der Firma Exportkhleb, der von der Russischen Föderation mit den Verhandlungen über den Ankauf von Weizen beauftragten staatlichen Gesellschaft, veranstalteten informellen Ausschreibung angesprochen.

9 Die Klägerin schloß mit Exportkhleb am 28. November 1992 einen Kaufvertrag, mit dem sie sich verpflichtete, eine Menge von 700 000 t Müllereiweizen zum Preis von 140 USD/t cif frei Ostsee-Aussenhafen zu liefern. Nach diesem Vertrag sollte die Ware vor dem 28. Februar 1993 verladen werden.

10 Nach Unterzeichnung des Darlehensvertrages... beantragte die VEB bei der Kommission die Genehmigung der zwischen Exportkhleb und den Ausfuhrunternehmen geschlossenen Verträge, zu denen der mit der Klägerin geschlossene Vertrag gehörte.

11 Nachdem die Kommission von der Klägerin bestimmte unerläßliche zusätzliche Auskünfte erhalten hatte, die insbesondere den Wechselkurs ECU/USD betrafen, der in dem Vertrag nicht festgesetzt worden war, erteilte sie schließlich am 27. Januar 1993 ihre Genehmigung in Form eines an die VEB gerichteten Bestätigungsschreibens. Die Klägerin trägt vor, durch dieses Bestätigungsschreiben sei der Vertrag in zwei Punkten geändert worden, nämlich bezueglich der Dauer der Verladung, die die Kommission von Amts wegen bis zum 31. März 1993 verlängert habe, und in bezug auf den Wechselkurs ECU/USD. Durch den am 28. Januar 1993 unterzeichneten Vertragszusatz Nr. 2 kamen Exportkhleb und die Klägerin schließlich überein, den Wechselkurs anhand des offiziellen Kurses vom 15. Januar 1993 festzusetzen, wodurch sich der Preis auf 115,86 ECU/t erhöhte.

12 Nach dem Vorbringen der Klägerin trat das Dokumentenakkreditiv erst am 22. Februar 1993, eine Woche vor Ablauf des in den Verträgen vorgesehenen Verladezeitraums (28. Februar 1993), in Kraft.

13 Zwar sei ein bedeutender Teil der Ware geliefert oder verladen worden, es habe sich jedoch klar abgezeichnet, daß nicht die gesamte Ware vor dem 28. Februar 1993 würde geliefert werden können.

14 Die Firma Exportkhleb berief am 19. Februar 1993 alle Exporteure zu einer Sitzung in Brüssel ein, die am 22. und 23. Februar 1993 abgehalten wurde. Im Laufe dieser Sitzung verlangte Exportkhleb von den Exporteuren neue Preisangebote für die Lieferung der von ihr so genannten "vorhersehbaren Restmenge", d. h. der Mengen, bei denen vernünftigerweise vorhersehbar war, daß sie nicht vor dem 28. Februar 1993 geliefert würden. Nach dem Vorbringen der Klägerin stieg der Weizenpreis auf dem Weltmarkt von November 1992, dem Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags, bis zum Februar 1993, dem Zeitpunkt der neuen Verhandlungen, erheblich an.

15 In Verhandlungen, in denen sich die Unternehmen dem niedrigsten Gebot von 155 USD/t anpassen mussten, das nach dem Vorbringen der Klägerin den damaligen Weltmarktpreis wiederspiegelte, wurde eine Einigung zwischen Exportkhleb und ihren Vertragspartnern über die Aufteilung der von den einzelnen Unternehmen zu liefernden neuen Mengen erzielt. Der Klägerin wurde ein Zuschlag über 450 000 t Müllereiweizen erteilt, zu liefern im Zeitraum März/April 1993. Nach dem neuen, von den Parteien festgelegten Wechselkurs betrug der vereinbarte Preise 132 ECU.

16 Nach dem Vorbringen der Klägerin wurde auf Verlangen von Exportkhleb wegen der Dringlichkeit, die sich aus den Schwierigkeiten bei der Nahrungsmittelversorgung in Rußland ergab, beschlossen, diese Änderungen durch einen einfachen Zusatz zum ursprünglichen Vertrag (Zusatz Nr. 3) mit dem Datum des 23. Februar 1993 formell niederzulegen. Bei der Abfassung dieses Zusatzes wurde vereinbart, die zu liefernde Menge Weizen auf 430 200 t zu verringern, um - so die Klägerin - zu verhindern, daß der neue Gesamtpreis höher als der ursprünglich vorgesehene Gesamtpreis würde.

17 Am 9. März 1993 teilte die Firma Exportkhleb der Kommission mit, daß der mit der Klägerin geschlossene Vertrag geändert worden sei.

18 Am 12. März 1993 wies der Leiter der Generaldirektion Landwirtschaft (GD VI), Herr Legras, Exportkhleb darauf hin, daß die Kommission, da der Hoechstwert der von Exportkhleb geschlossenen Verträge bereits durch das Bestätigungsschreiben der Kommission festgesetzt worden sei und sämtliche für Weizen verfügbaren Kredite bereits vergeben seien, einem solchen Antrag nur stattgeben könne, wenn der Gesamtwert der Verträge beibehalten würde, was durch eine entsprechende Kürzung der noch zu liefernden Mengen erreicht werden könne. Der Antrag auf Genehmigung der Änderungen könne von der Kommission nur berücksichtigt werden, wenn er von der VEB offiziell gestellt werde.

19 Nach Ansicht der Klägerin wurden diese Informationen als Bestätigung des grundsätzlichen Einverständnisses der Kommission ausgelegt.

20 Die Unterlagen mit den neuen Angeboten und den Vertragsänderungen seien der Kommission von der VEB offiziell am 23. und 26. März 1993 übersandt worden. Die Klägerin führt aus, sie sei am 7. April 1993 durch Exportkhleb von der Weigerung der Kommission unterrichtet worden, die Änderungen des ursprünglich geschlossenen Vertrages zu genehmigen; diese Weigerung sei in einem Schreiben des für Agrarfragen zuständigen Kommissionsmitglieds an die VEB vom 1. April 1993 ausgesprochen worden.

21 Im Kern teilte das Kommissionsmitglied R. Steichen in seinem Schreiben vom 1. April 1993 mit, daß die Kommission nach Prüfung der Änderungen der zwischen Exportkhleb und bestimmten Lieferanten geschlossenen Verträge diejenigen anerkennen könne, die sich auf den Aufschub der Fälligkeit von Lieferung und Zahlung bezögen. Hingegen sei "der Umfang der Preiserhöhungen... so groß, daß wir sie nicht als eine notwendige Anpassung betrachten können, sondern als eine wesentliche Änderung der ursprünglich ausgehandelten Verträge". Er fuhr fort: "Das gegenwärtige Niveau der Preise auf dem Weltmarkt (Ende März 1993) unterscheidet sich nämlich nicht signifikant von demjenigen in dem Zeitpunkt, zu dem die Preise ursprünglich vereinbart wurden (Ende November 1992)." Herr Steichen erinnerte daran, daß die Notwendigkeit, zum einen den freien Wettbewerb zwischen potentiellen Lieferanten und zum anderen möglichst günstige Kaufbedingungen zu gewährleisten, einer der wichtigsten Faktoren für die Genehmigung von Verträgen durch die Kommission sei. Er stellte fest, daß im vorliegenden Fall die Änderungen unmittelbar mit den betroffenen Unternehmen vereinbart worden seien, ohne daß diese dem Wettbewerb mit anderen Lieferanten ausgesetzt worden seien. Sodann schloß er: "Die Kommission kann derart wichtige Änderungen, die durch einfache Zusätze zu den bestehenden Verträgen vorgenommen werden, nicht genehmigen." Er erklärte sich bereit, die Änderungen in bezug auf den Aufschub von Lieferungen und Zahlungen zu genehmigen, vorbehaltlich der Einhaltung des üblichen Verfahrens. Hingegen führte er aus: "Wenn es für notwendig erachtet wurde, die Preise oder die Mengen zu ändern, so hätten neue Verträge ausgehandelt werden müssen, die der Kommission in Anwendung des üblichen vollständigen Verfahrens (einschließlich der Einreichung mindestens dreier Angebote) zur Genehmigung hätten vorgelegt werden müssen."

...

22 Unter diesen Umständen hat die Klägerin mit Klageschrift, die am 5. Juli 1993 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben...

23 Der Gerichtshof hat das Verfahren mit Beschluß vom 27. September 1993 gemäß dem Beschluß 93/350/Euratom, EGKS, EWG des Rates vom 8. Juni 1993 zur Änderung des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 144, S. 21) an das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften verwiesen.

24... Die Kommission hat mit Schriftsatz, der am 30. September 1993 bei der Kanzlei eingegangen ist, eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben."

17 Aus dem angefochtenen Urteil geht hervor, daß die Klägerin beantragt hat,

"- die an die VEB gerichtete Entscheidung oder zumindest die Handlung der Kommission vom 1. April 1993 für nichtig zu erklären;

- die Gemeinschaft zu verurteilen, an sie 7 374 023,78 ECU, und zwar 6 615 990,36 ECU als Unterschiedsbetrag zwischen dem vereinbarten und dem gezahlten Preis und 758 033,42 ECU für den Zinsverlust, nebst Zinsen ab Klageerhebung zu zahlen;

- der Kommission die Kosten aufzuerlegen" (Randnr. 27).

18 Die Kommission hat eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben; sie hat darin beantragt,

"- die Nichtigkeitsklage für unzulässig zu erklären;

- die Schadensersatzklage für unzulässig zu erklären;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen" (Randnr. 28 des angefochtenen Urteils).

Das angefochtene Urteil

Zur Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage

19 Das Gericht hat die gegen die Entscheidung der Kommission vom 1. April 1993 (im folgenden: streitige Entscheidung) gerichtete Nichtigkeitsklage aus folgenden Gründen abgewiesen:

"47 Nach Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages kann jede natürliche oder juristische Person gegen diejenigen Entscheidungen Klage erheben, die, obwohl sie als eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung ergangen sind, sie unmittelbar und individuell betreffen.

48 Es ist daher zu prüfen, ob die Klägerin von dem Schreiben, das die Kommission am 1. April 1993 an die VEB richtete, unmittelbar und individuell betroffen ist.

49 Das Gericht stellt vorab fest, daß die Kommission nicht bestritten hat, daß die Klägerin individuell betroffen sei. Aufgrund der Umstände des vorliegenden Falles ist das Gericht der Ansicht, daß nur die Frage zu prüfen ist, ob die Klägerin von der streitigen Entscheidung unmittelbar betroffen ist.

50 Hierzu ist festzustellen, daß die Regelungen der Gemeinschaft und die zwischen der Gemeinschaft und der Russischen Föderation geschlossenen Abkommen eine Zuständigkeitsverteilung zwischen der Kommission und dem von der Russischen Föderation mit dem Ankauf von Weizen beauftragten Bevollmächtigten vorsehen. Es ist nämlich Sache dieses Bevollmächtigten, im vorliegenden Fall der Exportkhleb, im Wege der Ausschreibung den Vertragspartner auszuwählen, die Vertragsbedingungen auszuhandeln und den Vertrag zu schließen. Der Kommission ist dabei nur die Rolle zugewiesen, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Gemeinschaftsfinanzierung erfuellt sind, und gegebenenfalls im Hinblick auf die Auszahlung des Darlehens zu bestätigen, daß die Verträge dem Beschluß 91/658 und den mit der Russischen Föderation geschlossenen Abkommen entsprechen. Es ist daher nicht Aufgabe der Kommission, den Handelsvertrag anhand anderer als dieser Kriterien zu beurteilen.

51 Somit unterhält ein Unternehmen, an das ein Auftrag vergeben wird, rechtliche Beziehungen nur mit seinem Vertragspartner, der Exportkhleb, die von der Russischen Föderation zum Kauf von Weizen bevollmächtigt ist. Die Kommission unterhält rechtliche Beziehungen nur zum Darlehensnehmer, d. h. dem Finanzmakler der Russischen Föderation, der VEB, die ihr die Handelsverträge zum Zweck der Anerkennung der Konformität übersendet und Adressat der entsprechenden Entscheidung der Kommission ist.

52 Daher berührt das Handeln der Kommission nicht die Rechtsgültigkeit des zwischen der Klägerin und Exportkhleb geschlossenen Handelsvertrags und ändert den Inhalt des Vertrages insbesondere in bezug auf die zwischen den Parteien vereinbarten Preise nicht. Somit bleibt die von den Parteien am 23. Februar 1993 vorgenommene Änderung ihres Vertrages vom 28. November 1992 unabhängig von der Entscheidung der Kommission, die Übereinstimmung der Vereinbarungen mit den anwendbaren Bestimmungen nicht anzuerkennen, mit dem zwischen den Parteien vereinbarten Inhalt wirksam.

53 Der Umstand, daß die Kommission Kontakte zur Klägerin oder zu Exportkhleb unterhielt, kann an dieser Beurteilung der Rechte und rechtlichen Pflichten nichts ändern, die sich für jede Partei aus den anwendbaren Regelungen und Vertragsbestimmungen ergeben. Im Hinblick auf die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage ist überdies festzustellen, daß der Schriftwechsel, auf den sich die Klägerin beruft, nicht belegt, daß die Kommission etwa ihre Befugnisse überschritten hätte, die dahin gingen, die Konformität des ursprünglichen Vertrages oder der Vertragsänderung mit den maßgeblichen Bestimmungen zu prüfen und gegebenenfalls anzuerkennen. So hatten die angeführten Kontakte zwischen der Kommission und der Klägerin im Januar 1993 ausschließlich den Zweck, zu erreichen, daß die Parteien in ihren Vertrag eine für die Anerkennung der Konformität unerläßliche Bedingung aufnehmen; es blieb jedoch den Parteien überlassen, ihren Vertrag zu ändern, wenn sie in den Genuß der vorgesehenen Finanzierung kommen wollten. Auch lässt sich aus dem Umstand, daß die Kommission die Klägerin von der Entwicklung des Vorgangs insbesondere durch Übermittlung einer Kopie des an die VEB gerichteten Bestätigungsschreibens informierte, nicht ableiten, daß die Klägerin von der streitigen Entscheidung unmittelbar betroffen ist.

54 Zwar kann die VEB, wenn sie von der Kommission eine Entscheidung erhält, mit der die Unvereinbarkeit des Vertrages mit den anwendbaren Bestimmungen festgestellt wird, kein Dokumentenakkreditiv ausstellen, für das die Garantie der Gemeinschaft erteilt werden kann; doch berührt diese Entscheidung weder die Gültigkeit des zwischen der Klägerin und Exportkhleb geschlossenen Vertrages noch dessen Inhalt. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß die Entscheidung der Kommission nicht eine Entscheidung der nationalen russischen Behörden ersetzt, da die Kommission nur für die Prüfung der Konformität der Verträge im Hinblick auf die Gemeinschaftsfinanzierung zuständig ist.

55 Im übrigen ist in bezug auf die unmittelbare Geltung der Verordnung Nr. 1897/92, auf die sich die Klägerin beruft, festzustellen, daß in Artikel 5 dieser Verordnung in - wie sich aus der Verwendung des Adverbs "insbesondere" ergibt - nicht erschöpfender Weise die Bedingungen aufgeführt sind, die Verträge erfuellen müssen, damit sie für die Gemeinschaftsfinanzierung in Betracht kommen; ausserdem verweist Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung ausdrücklich auf die Bestimmungen der zwischen der Russischen Föderation und der Kommission geschlossenen Abkommen. In Abschnitt 5.1 des Darlehensvertrags, in dem genau angegeben ist, nach welchen Modalitäten die Gemeinschaftsfinanzierung gewährt wird, ist vom uneingeschränkten Ermessen der Kommission die Rede. Unter diesen Umständen erscheint das Vorbringen der Klägerin unbegründet.

56 Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht, um darzutun, daß sie von der streitigen Entscheidung unmittelbar betroffen ist, auf den Umstand berufen, daß die Handelsverträge eine aufschiebende Bestimmung enthalten, nach der die Erfuellung des Vertrages und die Zahlung des Preises davon abhängig sein soll, daß die Kommission die Erfuellung der Voraussetzungen für die Auszahlung des Gemeinschaftsdarlehens bestätigt. Durch eine solche Bestimmung wollen die Vertragsparteien nämlich einen Zusammenhang zwischen dem von ihnen geschlossenen Vertrag und einem zukünftigen ungewissen Ereignis in dem Sinn herstellen, daß die Wirksamkeit ihres Vertrages vom Eintritt dieses Ereignisses abhängen soll. Die Zulässigkeit einer Klage gemäß Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages kann aber nicht vom Willen der Parteien abhängig gemacht werden. Das Vorbringen der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

57 Aufgrund dieser Umstände ist das Gericht der Ansicht, daß die Klägerin von der an die VEB gerichteten Entscheidung der Kommission vom 1. April 1993 nicht im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages unmittelbar betroffen ist. Daher ist die gegen diese Entscheidung gerichtete Nichtigkeitsklage für unzulässig zu erklären."

Zur Zulässigkeit der Schadensersatzklage

20 Das Gericht hat die Klage auf Ersatz des der Klägerin angeblichen entstandenen Schadens aus folgenden Gründen für zulässig erklärt:

"63 Die Argumente, mit denen die angebliche Rechtmässigkeit der Entscheidung und eine Vertragsverletzung einer der russischen Parteien geltend gemacht werden, gehören zur Begründetheit und können nicht die Unzulässigkeit der Schadensersatzklage begründen.

64 Nach ständiger Rechtsprechung ist die Schadensersatzklage nach den Artikeln 178 und 215 Absatz 2 des Vertrages als ein selbständiger Rechtsbehelf mit Eigenfunktion im System der Klagemöglichkeiten geschaffen worden (Urteil des Gerichtshofes [vom 26. Februar 1986 in der Rechtssache 175/84,] Krohn/Kommission, [Slg. 1986, 753,] Randnr. 26). Daher kann grundsätzlich die Unzulässigkeit einer Nichtigkeitsklage nicht zur Unzulässigkeit einer Klage auf Ersatz eines angeblich entstandenen Schadens führen.

65 Es ist jedoch als Ausnahme von dem aufgestellten Grundsatz entschieden worden, daß die Unzulässigkeit der Nichtigkeitsklage dann zur Unzulässigkeit der Schadensersatzklage führt, wenn mit der Schadensersatzklage in Wirklichkeit die Aufhebung einer bestandskräftig gewordenen Einzelfallentscheidung begehrt wird (Urteil des Gerichtshofes Krohn/Kommission, a. a. O., Randnr. 33, und Urteil des Gerichts vom 15. März 1995 in der Rechtssache T-514/93, Cobrecaf u. a./Kommission, Slg. 1995, II-621, Randnr. 59) und sie somit einen Verfahrensmißbrauch darstellt. Die Beweislast für einen solchen Verfahrensmißbrauch obliegt der Partei, die sich darauf beruft.

66 Im vorliegenden Fall ist die Kommission dieser Obliegenheit nicht nachgekommen. Zum einen trägt sie nämlich nur vor, daß die Klägerin nur den gleichen Preis zu erzielen suche, wie sie ihn erhalten hätte, wenn die Kommission die Vertragsänderung als konform anerkannt hätte. Zum anderen lässt sich, wie der Gerichtshof in seinem angeführten Urteil [vom 10. Juli 1985 in der Rechtssache 118/83,] CMC u. a./Kommission [Slg. 1985, 2325,] in bezug auf eine Ausschreibung im Rahmen des Abkommens von Lomé entschieden hat, in einer Situation wie im vorliegenden Fall nicht ausschließen, daß durch Handlungen oder durch das Verhalten von Dienststellen oder einzelnen Beamten der Kommission Dritte geschädigt werden. Wer immer glaubt, durch solche Handlungen einen Schaden erlitten zu haben, muß daher Klage erheben können, sofern er die haftungsbegründenden Voraussetzungen, d. h. das Vorliegen eines durch ein rechtswidriges der Gemeinschaft zurechenbares Handeln oder Verhalten verursachten Schadens, darlegt (Urteil des Gerichtshofes CMC u. a./Kommission, a. a. O., Randnr. 31)."

21 Nach allem hat das Gericht für Recht erkannt und entschieden:

"1. Die Nichtigkeitsklage wird als unzulässig abgewiesen.

2. Die Einrede der Unzulässigkeit wird zurückgewiesen, soweit sie gegen die Klage auf Ersatz des von der Klägerin behaupteten Schadens gerichtet ist.

3. Das Verfahren wegen dieser Schadensersatzklage wird in der Sache fortgesetzt.

4. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten."

Das Rechtsmittel

22 Die Rechtsmittelführerin stützt ihr Rechtsmittel auf zwei Gründe, einen Verstoß gegen Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages und einen Widerspruch in der Begründung des angefochtenen Urteils.

Zum ersten Rechtsmittelgrund

23 Der erste Rechtsmittelgrund gliedert sich in zwei Teile.

24 Zum einen rügt die Rechtsmittelführerin, das Gericht sei von der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes und seiner eigenen ständigen Rechtsprechung abgewichen, indem es festgestellt habe, sie sei von der streitigen Entscheidung nicht unmittelbar betroffen.

25 Erstens sei das Gericht zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Entscheidung nicht eine Entscheidung der russischen Behörden ersetze (Randnr. 54 des angefochtenen Urteils). Die Rechtsmittelführerin stützt sich hierfür auf die Artikel 4 und 5 der Verordnung Nr. 1897/92, die die Anerkennung von Lieferverträgen betreffen, sowie auf die Artikel 1 und 4 des von ihr mit Exportkhleb geschlossenen Liefervertrags, die durch die beklagenswerte finanzielle Situation der russischen Behörden gerechtfertigt seien, die es diesen nicht ermöglicht habe, ihre Zahlungsverpflichtungen ohne Gemeinschaftsfinanzierung zu erfuellen.

26 Dieser Vertrag wurde gemäß seinem Artikel 1 geschlossen

"vorbehaltlich der Genehmigung durch die EWG-Behörden und der Vereinbarung zwischen der bevollmächtigten Bank der Russischen Föderation und der bevollmächtigten Bank der EWG-Behörden".

27 Artikel 4 lautet:

"Die Zahlung jeder Warenladung erfolgt gemäß den Bestimmungen des Darlehens, das der Russischen Föderation von der EWG gewährt wird, [zwischen der] bevollmächtigten Bank der EWG und der bevollmächtigten Bank der Russischen Föderation. Der vorliegende Vertrag hängt davon ab, daß bei der betreffenden avisierenden Bank eine geeignete Verpflichtungserklärung des Inhabers des Deckungskontos (bevollmächtigte Bank der EWG) vorgelegt wird."

28 Um ihre Verpflichtungen gegenüber der Rechtsmittelführerin einhalten zu können, seien die russischen Behörden daher im Hinblick auf die Gemeinschaftsfinanzierung tatsächlich und rechtlich völlig von der Anerkennung durch die Kommission abhängig. Deshalb habe die Entscheidung der Kommission, als sie es mit Schreiben vom 1. April 1993 abgelehnt habe, die am 23. Februar 1993 vereinbarten Änderungen zu genehmigen, die Entscheidung der russischen Behörden, den höheren Preis zu zahlen, ersetzt, so daß die Behörden den von der Rechtsmittelführerin gelieferten Weizen nur zum alten Preis und nicht zu dem im geänderten Vertrag vereinbarten neuen Preis hätten bezahlen können.

29 Zweitens habe das Gericht nicht berücksichtigt, daß den russischen Behörden im Ermangelung der Gemeinschaftsfinanzierung kein Ermessensspielraum in bezug auf die Erfuellung ihrer Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Rechtsmittelführerin verblieben sei (vgl. Urteile vom 13. Mai 1971 in den Rechtssachen 41/70 bis 44/70, International Fruit Company u. a./Kommission, Slg. 1971, 411, vom 23. November 1971 in der Rechtssache 62/70, Bock/Kommission, Slg. 1971, 897, und vom 17. Januar 1985 in der Rechtssache 11/82, Piraiki-Patraiki u. a./Kommission, Slg. 1985, 207).

30 Drittens rügt die Rechtsmittelführerin, daß das Gericht der Rechtsprechung des Gerichtshofes und seiner eigenen Rechtsprechung in bezug auf die Zulässigkeit von Klagen gegen Entscheidungen der Kommission über staatliche Beihilfen, die von einem "vorgesehenen Begünstigten der Beihilfe" erhoben werden, nicht gefolgt sei.

31 Ebenso wie ein Mitgliedstaat, der beabsichtige, eine Beihilfe zu gewähren, mit einem vorgesehenen Begünstigten vereinbaren könne, die Beihilfe nur dann zu gewähren, wenn die Kommission die angemeldete Beihilfe genehmige, hätten sich die russischen Behörden vertraglich verpflichtet, an die Rechtsmittelfürherin den neuen höheren Preis zu zahlen, wenn die Kommission diesen Preis im Hinblick auf eine Gemeinschaftsfinanzierung genehmige. Auch sei die Stellung der Rechtsmittelführerin, die im Verfahren über die Anerkennung durch die Kommission ständig mit dieser in Kontakt gestanden habe, mit derjenigen des Begünstigten eines Beihilfevorhabens vergleichbar. Zu Unrecht habe das Gericht in Randnummer 53 des angefochtenen Urteils diesem Umstand keine Bedeutung beigemessen.

32 Zum anderen habe das Gericht zu Unrecht entschieden, daß das Vorhandensein der aufschiebenden Bestimmung, die die Erfuellung des Vertrages und die Zahlung des Preises betroffen habe, nicht dazu geführt habe, daß die Rechtsmittelführerin von der streitigen Entscheidung unmittelbar betroffen sei (Randnr. 56 des angefochtenen Urteils). Vielmehr liege der aufschiebenden Bestimmung unmittelbar der Umstand zugrunde, daß der Vertrag zwischen der Rechtsmittelführerin und Exportkhleb von der Kommission habe anerkannt werden müssen, um für die Gemeinschaftsfinanzierung in Betracht zu kommen, und daß seine Erfuellung daher tatsächlich und rechtlich von dieser Anerkennung abhängig gewesen sei.

33 Die Kommission bestreitet die Zulässigkeit des Rechtsmittels mit der Begründung, daß nahezu das gesamte Vorbringen der Rechtsmittelführerin nur eine Wiederholung des Vorbringens vor dem Gericht darstelle. Nach ständiger Rechtsprechung genüge jedoch ein Rechtsmittel, das nur die bereits vor dem Gericht geltend gemachten Klagegründe oder Argumente wiederhole oder wörtlich wiedergebe, nicht den Erfordernissen des Artikels 51 der EG-Satzung des Gerichtshofes und des Artikels 112 § 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung des Gerichtshofes.

34 Zur Begründetheit macht die Kommission geltend, daß sich die Rechtsmittelführerin darauf berufe, daß der mit Exportkhleb geschlossene Kaufvertrag eine aufschiebende Bedingung enthalte. Abgesehen davon, daß diese Bestimmung unterschiedlich ausgelegt werden könne, könne ihre Weigerung, die Gemeinschaftsfinanzierung zu genehmigen, nicht dazu führen, daß die finanziellen Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag nicht eingehalten werden müssten. Ein etwaiger - rein privatrechtlicher - Rechtsstreit zwischen der Rechtsmittelführerin und Exportkhleb müsse nach dem Vertrag selbst vor der Handelskammer Moskau ausgetragen werden.

35 Ferner könne die Befugnis eines einzelnen, Klage gegen eine Handlung eines Gemeinschaftsorgans zu erheben, keinesfalls von privatrechtlichen Vereinbarungen abhängig gemacht werden, die dieser einzelne mit einem Dritten geschlossen habe, oder von Handlung einer der Parteien oder beider Parteien im Zusammenhang mit der Durchführung des Vertrages.

36 Im übrigen seien die russischen Behörden nicht mit einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe im Rahmen der Durchführung einer Politik der Gemeinschaft betraut gewesen. Ihre Entscheidung, den Kaufvertrag zu schließen, und sodann ihre Entscheidung, die Zahlung des später vereinbarten Preisunterschieds zu verweigern, zielten in keiner Weise auf die Durchführung einer Handlung der Gemeinschaft ab, sondern zeitigten nur privatrechtliche Auswirkungen auf die Beziehung zwischen Exportkhleb und der Rechtsmittelführerin. Dies stelle einen erheblichen Unterschied zu der Situation dar, die dem erwähnten Urteil International Fruit Company u. a./Kommission zugrunde gelegen habe. In der letztgenannten Rechtssache habe das nationale Ausführungsorgan, an das die angefochtene Entscheidung der Kommission gerichtet gewesen sei, nur eine vermittelnde Rolle zwischen dieser und dem Kläger gespielt und über keinen Ermessensspielraum verfügt.

37 Zur Rechtsprechung zu staatlichen Beihilfen, auf die sich die Rechtsmittelführerin beruft, führt die Kommission aus, wenn sie eine einem Unternehmen gewährte Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erkläre, sei dieses Unternehmen von einer solchen Entscheidung stets unmittelbar betroffen, unabhängig davon, ob der Mitgliedstaat dies in dem mit ihm geschlossenen Vertrag zur Bedingung gemacht habe.

38 Zu der von der Kommission erhobenen Einrede der Unzulässigkeit ist darauf hinzuweisen, daß das Rechtsmittel die beanstandeten Teile des angefochtenen Urteils sowie die rechtlichen Argumente, die den Antrag auf Nichtigerklärung konkret stützen, genau bezeichnen muß (vgl. insbes. Beschluß vom 26. April 1993 in der Rechtssache C-244/92 P, Kupka-Floridi/Wirtschafts- und Sozialausschuß, Slg. 1993, I-2041, Randnr. 9). Daß diese Argumente bereits im ersten Rechtszug vorgetragen worden sind, macht sie daher nicht unzulässig.

39 Die Einrede der Unzulässigkeit ist somit zurückzuweisen.

40 Nach Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages kann jede natürliche oder juristische Person gegen die an sie ergangenen Entscheidungen sowie gegen diejenigen Entscheidungen Klage erheben, die, obwohl sie als Verordnung oder als eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung ergangen sind, sie unmittelbar und individuell betreffen.

41 Im vorliegenden Fall war die streitige Entscheidung formal an die VEB gerichtet.

42 Das Gericht hat nur die Frage behandelt, ob die Rechtsmittelführerin von der streitigen Entscheidung unmittelbar betroffen ist, nachdem die Kommission nicht bestritten hatte, daß die Klägerin individuell betroffen sei.

43 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist ein einzelner nur dann unmittelbar betroffen, wenn die beanstandete Maßnahme der Gemeinschaft sich auf seine Rechtsstellung unmittelbar auswirkt und ihren Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, ihr Erlaß vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Gemeinschaftsregelung ergibt, ohne daß weitere Durchführungsvorschriften angewandt werden (vgl. in diesem Sinne insbes. Urteile International Fruit Company u. a./Kommission, Randnrn. 23 bis 29, vom 6. März 1979 in der Rechtssache 92/78, Simmenthal/Kommission, Slg. 1979, 777, Randnrn. 25 und 26, vom 29. März 1979 in der Rechtssache 113/77, NTN Toyo Bearing Company u. a./Rat, Slg. 1979, 1185, Randnrn. 11 und 12, in der Rechtssache 118/77, ISO/Rat, Slg. 1979, 1277, Randnr. 26, in der Rechtssache 119/77, Nippon Seiko u. a./Rat und Kommission, Slg. 1979, 1303, Randnr. 14, in der Rechtssache 120/77, Koyo Seiko u. a./Rat und Kommission, Slg. 1979, 1337, Randnr. 25, in der Rechtssache 121/77, Nachi Fujikoshi u. a./Rat, Slg. 1979, 1363, Randnr. 11, vom 11. Juli 1985 in den Rechtssachen 87/77, 130/77, 22/83, 9/84 und 10/84, Salerno u. a./Kommission und Rat, Slg. 1985, 2523, Randnr. 31, vom 17. März 1987 in der Rechtssache 333/85, Mannesmann Röhrenwerke und Benteler/Rat, Slg. 1987, 1381, Randnr. 14, vom 14. Januar 1988 in der Rechtssache 55/86, Arposol/Rat, Slg. 1988, 13, Randnrn. 11 bis 13, vom 26. April 1988 in der Rechtssache 207/86, Apesco/Kommission, Slg. 1988, 2151, Randnr. 12, und vom 26. Juni 1990 in der Rechtssache C-152/88, Sofrimport/Kommission, Slg. 1990, I-2477, Randnr. 9).

44 Das gleiche gilt, wenn für die Adressaten nur eine rein theoretische Möglichkeit besteht, dem Gemeinschaftsakt nicht nachzukommen, weil ihr Wille, diesem Akt nachzukommen, keinem Zweifel unterliegt (vgl. in diesem Sinne Urteile Bock/Kommission, Randnrn. 6 bis 8, Piraiki-Patraiki u. a./Kommission, Randnrn. 8 bis 10, und vom 31. März 1998 in den Rechtssachen C-68/94 und C-30/95, Frankreich u. a./Kommission, Slg. 1998, I-0000, Randnr. 51).

45 Nach allem oblag es im vorliegenden Fall dem Gericht, zu prüfen, ob die streitige Entscheidung für sich allein Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerin hatte, weil die zuständigen russischen Behörden möglicherweise keinen Ermessensspielraum in bezug auf die Möglichkeit hatten, den Vertrag entsprechend den zwischen den Parteien im Vertragszusatz vereinbarten, jedoch von der Kommission beanstandeten Bedingungen unter Verzicht auf die Gemeinschaftsfinanzierung zu erfuellen.

46 In diesem Zusammenhang hat das Gericht nur festgestellt, daß die Kommission "nur für die Prüfung der Konformität der Verträge im Hinblick auf die Gemeinschaftsfinanzierung zuständig" gewesen sei (Randnr. 53) und daß ihre Entscheidung "nicht die Rechtsgültigkeit des zwischen der Klägerin und Exportkhleb geschlossenen Handelsvertrags [berührt,] den Inhalt des Vertrages insbesondere in bezug auf die zwischen den Parteien vereinbarten Preise nicht [ändert und somit] die am 23. Februar 1993 vorgenommene Änderung ihres Vertrages vom 28. November 1992... mit dem zwischen den Parteien vereinbarten Inhalt wirksam [bleibt]" (Randnr. 52). Der Umstand, daß der Vertrag "eine aufschiebende Bestimmung [enthält], nach der die Erfuellung des Vertrages und die Zahlung des Preises davon abhängig sein soll, daß die Kommission die Erfuellung der Voraussetzungen für die Auszahlung des Gemeinschaftsdarlehens bestätigt", beruhe auf dem Willen der Parteien selbst, von dem die Zulässigkeit der Klage gemäß Artikel 173 Absatz 4 nicht abhängen könne (Randnr. 56).

47 Mehrere vom Gericht festgestellte objektive, erhebliche und übereinstimmende Umstände zeigen aber, daß die Rechtsmittelführerin von der streitigen Entscheidung unmittelbar betroffen war.

48 Nach dem angefochtenen Urteil war die VEB in ihrer Eigenschaft als Finanzmakler der Russischen Föderation gemäß der Rahmenvereinbarung und dem von ihr mit der Kommission geschlossenen Darlehensvertrag an der Durchführung der Gemeinschaftsfinanzierung der Einfuhren von Agrarerzeugnissen und Nahrungsmitteln sowie Waren des medizinischen Bedarfs in die Russische Föderation im Sinne des Beschlusses 91/658 beteiligt.

49 Zudem erweist sich, daß das Wirksamwerden des in Rede stehenden Liefervertrags unter der aufschiebenden Bedingung stand, daß die Kommission den Vertrag als den Bedingungen für die Auszahlung des Gemeinschaftsdarlehens entsprechend anerkannte, und daß keine Zahlung getätigt werden konnte, solange der im Vertrag bezeichneten Bank keine ordnungsgemässe Erstattungszusage der Kommission vorlag.

50 Dieser Umstand findet Bestätigung im sozioökonomischen Kontext des Abschlusses des Liefervertrags, der, wie sich aus der dritten und vierten Begründungserwägung des Beschlusses 91/658 ergibt, durch die wirtschaftlich und finanziell kritische Situation gekennzeichnet war, in der sich die vom Beschluß begünstigte Republik befand, sowie durch die Verschärfung ihrer Lage bei Nahrungsmitteln und Waren des medizinischen Bedarfes. Unter diesen Umständen durfte davon ausgegangen werden, daß der Liefervertrag nur nach Maßgabe der Verpflichtungen, die die Gemeinschaft in ihrer Eigenschaft als Darlehensgeberin der VEB übernommen hatte, geschlossen werden konnte, sofern die Handelsverträge als der Gemeinschaftsregelung entsprechend anerkannt wurden.

51 Daher spiegelt die Aufnahme der aufschiebenden Bedingung in den Vertrag, obwohl sie von den Parteien gewollt war, nur, wie der Generalanwalt in Nummer 69 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, die objektive wirtschaftliche Abhängigkeit des Liefervertrags von der Gewährung des zwischen der Gemeinschaft und der betroffenen Republik vereinbarten Darlehens wider, da die Bezahlung der Getreidelieferungen nur mit den finanziellen Mitteln erfolgen konnte, die den Käufern von der Gemeinschaft über das System der Eröffnung unwiderruflicher Dokumentenakkreditive zur Verfügung gestellt wurden.

52 Die Möglichkeit, daß Exportkhleb, die Lieferverträge gemäß den von der Kommission beanstandeten Preisbedingungen erfuellen und somit auf die Gemeinschaftsfinanzierung verzichten würde, war rein theoretisch und konnte daher im Licht der Tatsachenfeststellungen des Gerichts nicht ausreichen, um auszuschließen, daß die Rechtsmittelführerin von der streitigen Entscheidung unmittelbar betroffen war.

53 Somit zeigt sich, daß die streitige Entscheidung, mit der es die Kommission in Ausübung ihrer eigenen Zuständigkeit abgelehnt hat, den Zusatz zu dem zwischen Exportkhleb und der Rechtsmittelführerin geschlossenen Vertrag zu genehmigen, der Rechtsmittelführerin jede wirkliche Möglichkeit genommen hat, den ihr erteilten Auftrag auszuführen oder für die nach den vereinbarten Bedingungen durchgeführten Lieferungen Bezahlung zu erhalten.

54 Daher berührte die streitige Entscheidung, obwohl sie an die VEB als Finanzmakler der Russischen Föderation gerichtet war, die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerin unmittelbar.

55 Nach allem ist dem Gericht ein Rechtsfehler unterlaufen, als es anhand der von ihm festgestellten Tatsachen zu der Ansicht gelangt ist, daß die Rechtsmittelführerin von der streitigen Entscheidung nicht im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages unmittelbar betroffen sei.

56 Das Rechtsmittel ist daher begründet, soweit es dagegen gerichtet ist, daß die Nichtigkeitsklage mit dem angefochtenen Urteil als unzulässig abgewiesen wird.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund

57 Nach allem braucht über den zweiten Rechtsmittelgrund nicht entschieden zu werden.

Kostenentscheidung:

Zur Zurückverweisung der Rechtssache an das Gericht

58 Artikel 54 Absatz 1 der EG-Satzung des Gerichtshofes lautet: "Ist das Rechtsmittel begründet, so hebt der Gerichtshof die Entscheidung des Gerichts auf. Er kann sodann den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen."

59 Im vorliegenden Fall hält der Gerichtshof den Rechtsstreit nicht für entscheidungsreif; er ist daher zur Entscheidung über die Begründetheit an das Gericht zurückzuverweisen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 24. September 1996 in der Rechtssache T-491/93 (Richco/Kommission) wird aufgehoben, soweit mit ihm die Nichtigkeitsklage der Société Glencore Grain Ltd, ehemals Richco Commodities Ltd, als unzulässig abgewiesen wird.

2. Die Rechtssache wird zur Entscheidung über die Begründetheit an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.

3. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Ende der Entscheidung

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