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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 28.11.2002
Aktenzeichen: C-417/00
Rechtsgebiete: EGV, Verordnung (EWG) Nr. 3887/92, Verordnung (EG) Nr. 229/95, Verordnung (EG) Nr. 1648/95, Verordnung (EWG) Nr. 1765/92, Verordnung (EG) Nr. 762/94, Verordnung (EWG) Nr. 3508/92


Vorschriften:

EGV Art. 234
Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 Art. 9 Abs. 2
Verordnung (EG) Nr. 229/95
Verordnung (EG) Nr. 1648/95
Verordnung (EWG) Nr. 1765/92
Verordnung (EG) Nr. 762/94
Verordnung (EWG) Nr. 3508/92
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung Nr. 3887/92 mit Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen ist dahin auszulegen, dass sich die in dieser Vorschrift vorgesehenen Sanktionen nicht auf den Fall beschränken, dass der Betriebsinhaber bei der Beantragung von Beihilfen fehlerhafte oder falsche Angaben gemacht hat, sondern auch dann Anwendung finden, wenn er es unterlassen hat, der zuständigen Behörde förderungsrelevante Veränderungen zu melden. Was die in den Unterabsätzen 1 und 2 dieser Bestimmung vorgesehenen Sanktionen anbelangt, so führt eine Differenz zwischen der angegebenen und der bei Kontrollen der zuständigen Behörden tatsächlich ermittelten Fläche für sich genommen zur Verhängung einer Sanktion, und es ist unerheblich, auf welchen Gründen die Abweichung beruht. Die Sanktionen in Unterabsatz 3, der vorsieht, dass Betriebsinhaber, die absichtlich oder aufgrund grober Fahrlässigkeit falsche Angaben gemacht haben, von der Beihilfegewährung ausgeschlossen werden, sind, um den Zweck von Artikel 9 Absatz 2 zu erreichen, Unregelmäßigkeiten und Betrugsfälle wirksam zu vermeiden und zu ahnden, nicht nur bei falschen Angaben anzuwenden, die zum Zeitpunkt des Beihilfeantrags gemacht wurden, sondern auch dann, wenn die in diesem Antrag gemachten Angaben aufgrund einer Veränderung der ursprünglichen Situation nicht mehr mit der nach Einreichung des Antrags festgestellten Sachlage übereinstimmen.

( vgl. Randnrn. 40-41, 49-50, 56 und Tenor )


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 28. November 2002. - Agrargenossenschaft Pretzsch eG gegen Amt für Landwirtschaft und Flurneuordnung Anhalt. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt - Deutschland. - Gemeinsame Agrarpolitik - Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 - Integriertes Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen - Durchführungsbestimmungen - Beihilfen für Flächenstilllegung - Flächenstilllegungserklärung - Unterlassene Mitteilung der Verringerung der Stilllegungsfläche nach Stellung des Beihilfeantrags - Sanktionen. - Rechtssache C-417/00.

Parteien:

In der Rechtssache C-417/00

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (Deutschland) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Agrargenossenschaft Pretzsch e. G.

gegen

Amt für Landwirtschaft und Flurneuordnung Anhalt

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 mit Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen (ABl. L 391, S. 36) in der durch die Verordnungen (EG) Nrn. 229/95 der Kommission vom 3. Februar 1995 (ABl. L 27, S. 3) und 1648/95 der Kommission vom 6. Juli 1995 (ABl. L 156, S. 27) geänderten Fassung

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer R. Schintgen in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Sechsten Kammer sowie der Richter C. Gulmann und V. Skouris und der Richterinnen F. Macken (Berichterstatterin) und N. Colneric,

Generalanwalt: P. Léger

Kanzler: R. Grass

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- der Agrargenossenschaft Pretzsch e. G., vertreten durch Rechtsanwältin C. Columbus,

- des Amtes für Landwirtschaft und Flurneuordnung Anhalt, vertreten durch W. Nahrstedt als Bevollmächtigten,

- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und L. Bernheim als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Niejahr als Bevollmächtigten,

aufgrund des Berichts des Berichterstatters,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. Juli 2002,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt hat mit Beschluss vom 7. September 2000, beim Gerichtshof eingegangen am 13. November 2000, gemäß Artikel 234 EG zwei Fragen nach der Auslegung von Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 mit Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen (ABl. L 391, S. 36) in der durch die Verordnungen (EG) Nrn. 229/95 der Kommission vom 3. Februar 1995 (ABl. L 27, S. 3) und 1648/95 der Kommission vom 6. Juli 1995 (ABl. L 156, S. 27) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 3887/92) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Agrargenossenschaft Pretzsch e. G. (im Folgenden: Klägerin) und dem Amt für Landwirtschaft und Flurneuordnung Anhalt (im Folgenden: Beklagter), der in Deutschland für die Durchführung des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen (im Folgenden: integriertes System) zuständigen Behörde, wegen der finanziellen Sanktion, die gemäß Artikel 9 Absatz 2 Unterabsatz 3 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 3887/92 gegen die Klägerin verhängt wurde.

Rechtlicher Rahmen

Die Verordnung (EWG) Nr. 1765/92

3 Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1765/92 des Rates vom 30. Juni 1992 zur Einführung einer Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen (ABl. L 181, S. 12) sieht vor, dass die Erzeuger landwirtschaftlicher Kulturpflanzen der Gemeinschaft unter den in den Artikeln 2 bis 13 dieser Verordnung festgelegten Bedingungen eine Ausgleichszahlung beantragen können.

4 Nach Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 1765/92 wird die Ausgleichszahlung für die Fläche gewährt, die mit landwirtschaftlichen Kulturpflanzen bebaut ist oder die nach Artikel 7 dieser Verordnung stillgelegt wurde.

5 Gemäß Artikel 7 Absatz 4 der Verordnung Nr. 1765/92 können die stillgelegten Flächen für die Erzeugung von Rohstoffen genutzt werden, die in der Gemeinschaft zu nicht in erster Linie für Lebensmittel- oder Futtermittelzwecke bestimmten Erzeugnissen verarbeitet werden, sofern eine wirksame Kontrolle gewährleistet ist.

Die Verordnung (EG) Nr. 762/94

6 Die Verordnung (EG) Nr. 762/94 der Kommission vom 6. April 1994 (ABl. L 90, S. 8) enthält Durchführungsbestimmungen zur Flächenstilllegung gemäß der Verordnung Nr. 1765/92.

7 Nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 762/94 ist unter Flächenstilllegung die Brachlegung von Flächen zu verstehen, die im Vorjahr für Erntezwecke bebaut wurden.

8 Gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 762/94 dürfen die stillgelegten Flächen weder einer anderen landwirtschaftlichen Erzeugung als derjenigen dienen, die in Artikel 7 Absatz 4 der Verordnung Nr. 1765/92 vorgesehen ist, noch einem Erwerbszweck zugeführt werden, der mit dem Anbau von Kulturpflanzen unvereinbar ist.

9 In Artikel 3 Absatz 4 der Verordnung Nr. 762/94 heißt es:

Um für die Ausgleichsregelung gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 1765/92 in Frage zu kommen, müssen die stillgelegten Flächen

- vom Antragsteller in den beiden dem Antrag vorangegangenen Jahren bewirtschaftet worden sein, es sei denn, es liegen besondere Umstände vor, die nach vom betroffenen Mitgliedstaat festgelegten objektiven Kriterien ausreichend begründet sind und die sich beispielsweise aus der Bewirtschaftungsform, einer neuen Niederlassung oder der Aufstockung durch Erbschaft ergeben;

- während eines spätestens am 15. Januar beginnenden und frühestens am 31. August endenden Zeitraums aus der Produktion genommen werden. Die Mitgliedstaaten legen jedoch zum einen die Bedingungen fest, unter denen die Erzeuger ab 15. Juli die Aussaat für eine Ernte im folgenden Jahr vornehmen dürfen, und zum anderen die Bedingungen, unter denen es erlaubt ist, die Flächen in den Mitgliedstaaten, die herkömmlicherweise die Wandertierhaltung betreiben, ab 15. Juli als Weideland zu nutzen...."

Die Verordnung (EWG) Nr. 3508/92

10 Nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EWG) Nr. 3508/92 des Rates vom 27. November 1992 zur Einführung eines integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen (ABl. L 355, S. 1) ist das integrierte System im Sektor der pflanzlichen Produktion für die Stützungsregelung für Erzeuger von bestimmten landwirtschaftlichen Kulturpflanzen gemäß der Verordnung Nr. 1765/92 anwendbar.

11 Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3508/92 lautet:

Ein Betriebsinhaber kann eine oder mehrere Gemeinschaftsregelungen gemäß dieser Verordnung nur in Anspruch nehmen, wenn er für jedes Jahr einen Beihilfeantrag ,Flächen abgibt, der folgende Angaben enthält:

- landwirtschaftlich genutzte Parzellen, einschließlich Futterflächen, landwirtschaftlich genutzte Parzellen, die Gegenstand einer Flächenstilllegungsregelung sind, und Brachflächen;

- gegebenenfalls alle sonstigen erforderlichen Angaben, die entweder in den Vorschriften über die Gemeinschaftsregelungen oder von dem betreffenden Mitgliedstaat vorgesehen sind."

12 Nach Artikel 6 Absatz 4 der Verordnung Nr. 3508/92 kann der Beihilfeantrag Flächen" in bestimmten Punkten abgeändert werden, sofern diese Änderungen spätestens zu den in den Artikeln 10, 11 und 12 der Verordnung Nr. 1765/92 genannten Zeitpunkten bei den zuständigen Behörden eingehen.

13 Gemäß Artikel 6 Absatz 5 der Verordnung Nr. 3508/92 gilt der erforderlichenfalls nach Absatz 4 geänderte Beihilfeantrag Flächen" als Beihilfeantrag gemäß der in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung vorgesehenen Regelung.

Die Verordnung Nr. 3887/92

14 In Artikel 4 der Verordnung Nr. 3887/92 heißt es:

(1) Unbeschadet der in den Verordnungen über die einzelnen Sektoren festgelegten Bedingungen muss jeder Beihilfeantrag ,Flächen alle erforderlichen Informationen enthalten, insbesondere

- die Identifizierung des Betriebsinhabers;

- die zweckdienlichen Angaben zur Identifizierung aller landwirtschaftlich genutzten Parzellen des Betriebs, ihre Fläche, Lage und Nutzung, gegebenenfalls mit Hinweis darauf, ob es sich um eine bewässerte Parzelle handelt, sowie die jeweilige Beihilferegelung;

- eine Bestätigung des Betriebsinhabers, von den geltenden Bedingungen für die Gewährung der betreffenden Beihilfen Kenntnis genommen zu haben.

Unter ,Nutzung ist die Art der Kultur bzw. der Pflanzendecke oder das Fehlen jeglicher Kultur zu verstehen.

...

(2) a) Nach Ablauf der Einreichungsfrist kann der Beihilfeantrag ,Flächen nur geändert werden, wenn die Änderungen den zuständigen Behörden spätestens zu den in den Artikeln 10, 11 und 12 der Verordnung (EWG) Nr. 1765/92 des Rates genannten Daten zugehen.

Änderungen des Beihilfeantrags ,Flächen, die sich auf die landwirtschaftlich genutzten Parzellen beziehen, können nur in ausreichend begründeten Einzelfällen (Todesfall, Heirat, Kauf oder Verkauf, Abschluss eines Pachtvertrags usw.) vorgenommen werden. Die Mitgliedstaaten legen für solche Fälle entsprechende Bedingungen fest. Jedoch darf eine Parzelle nicht den Parzellen zugerechnet werden, die als stillgelegte Flächen oder als Futterfläche ausgewiesen sind, außer in begründeten mit den betreffenden Vorschriften übereinstimmenden Fällen und unter der Bedingung, dass diese Parzellen bereits als Flächenstilllegung oder Futterflächen im Beihilfeantrag eines anderen Betriebsinhabers enthalten waren und dieser Antrag entsprechend berichtigt wurde.

Hinsichtlich der Nutzung oder der betreffenden Beihilferegelungen können in jedem Fall Änderungen vorgenommen werden. Jedoch darf eine Parzelle nicht den Parzellen zugerechnet werden, die als Teil einer Flächenstilllegungsmaßnahme oder als Futterfläche ausgewiesen sind.

..."

15 Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung Nr. 3887/92 sieht Folgendes vor:

Wird festgestellt, dass die in einem Beihilfeantrag ,Flächen angegebene Fläche über der ermittelten Fläche liegt, so wird der Beihilfebetrag auf der Grundlage der bei der Kontrolle tatsächlich ermittelten Fläche berechnet. Außer in Fällen höherer Gewalt wird die tatsächlich ermittelte Fläche jedoch um das Doppelte der festgestellten Differenz gekürzt, wenn diese über 3 % oder über 2 ha liegt und bis zu 20 % der ermittelten Fläche beträgt.

Liegt die festgestellte Differenz über 20 % der ermittelten Fläche, so wird keinerlei Beihilfe für Flächen gewährt.

Handelt es sich jedoch um falsche Angaben, die absichtlich oder aufgrund grober Fahrlässigkeit gemacht wurden, so wird der betreffende Betriebsinhaber ausgeschlossen

- von der Gewährung der betreffenden Beihilfe für das betreffende Kalenderjahr und

- im Fall absichtlich gemachter falscher Angaben von der Gewährung jeglicher Beihilfe nach Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3508/92 im folgenden Kalenderjahr entsprechend der Fläche, für die sein Beihilfeantrag abgelehnt wurde.

Die vorgenannten Kürzungen kommen nicht zur Anwendung, wenn der Betriebsinhaber den Nachweis erbringt, dass er sich bei der Flächenbestimmung korrekt auf von der zuständigen Behörde anerkannte Angaben gestützt hat.

Stillgelegte Flächen, die der Erzeugung von Rohstoffen für die Herstellung von Erzeugnissen für Nicht-Nahrungsmittelzwecke dienen und für welche der Betriebsinhaber nicht alle vorgeschriebenen Verpflichtungen erfuellt hat, gelten für die Anwendung dieses Artikels als bei der Kontrolle nicht vorgefundene Flächen.

Als ermittelte Fläche im Sinne dieses Artikels gilt die Fläche, bei der alle vorgeschriebenen Bedingungen erfuellt sind."

Der Ausgangsrechtsstreit und die Vorlagefragen

16 Am 3. Mai 1996 beantragte die Klägerin beim Beklagten gemäß der Verordnung Nr. 1765/92 eine Ausgleichszahlung für die Stilllegung einer 191,71 ha großen Parzelle.

17 In ihrem Antragsformular verpflichtete sie sich, der zuständigen Behörde alle Tatsachen, die der Bewilligung oder dem Belassen der Beihilfezahlungen entgegenstehen, jede Abweichung von den Antragsangaben, jeden Wechsel der Nutzungsberechtigung während der gesamten Dauer der von ihr übernommenen Verpflichtungen sowie jede Nichteinhaltung der Beihilfevoraussetzungen, auch in Fällen höherer Gewalt, unverzüglich mitzuteilen.

18 Am 11. Dezember 1996 wurde sie vom Beklagten darüber informiert, dass sie gemäß Artikel 9 Absatz 2 Unterabsatz 3 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 3887/92 für das Antrags- und das Folgejahr von der Gewährung der Beihilfe für die stillgelegte Fläche ausgeschlossen worden sei, weil sie nach den vor Ort getroffenen Feststellungen 14,90 ha dieser Fläche als Weide genutzt habe, ohne dies dem Beklagten mitzuteilen. Der Beklagte ging davon aus, dass die Klägerin gewusst habe, dass eine als stillgelegt gemeldete Parzelle für bestimmte Zeit nicht als Weide genutzt werden dürfe, und dass sie es vorsätzlich unterlassen habe, ihn von der geänderten Nutzung zu unterrichten.

19 Wie sich aus dem Vorlagebeschluss ergibt, legte die Klägerin im Laufe des Verfahrens dar, dass seit März/April 1995 Baumaßnahmen an zwei Stallanlagen sowie an einem Güllebecken geplant gewesen seien. Mit den Bauarbeiten an dem Stall, in dem die später auf die Stilllegungsfläche getriebenen Kühe gestanden hätten, sei Ende Mai 1996 begonnen worden. Die Tiere seien dann auf der benachbarten Hofanlage untergebracht worden. Da jedoch der Bau eines auf der Hoffläche vorgesehenen Güllebeckens um vier Wochen vorgezogen worden sei, habe sich die Notwendigkeit ergeben, die Kühe vorübergehend auf die in der Nähe des Betriebes gelegene stillgelegte Parzelle zu treiben. Nach den Bauplanungen sei zwar eine vorübergehende Inanspruchnahme der Hoffläche beabsichtigt gewesen, nicht aber eine Unterbringung der Kühe auf der Stilllegungsfläche.

20 In ihrer Klage vor dem Verwaltungsgericht Dessau (Deutschland) machte die Klägerin geltend, das Auftreiben der Kühe auf die Stilllegungsfläche sei nicht als förderungsschädliche landwirtschaftliche Erzeugung anzusehen. Die in Artikel 9 Absatz 2 Unterabsatz 3 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 3887/92 vorgesehene Sanktion knüpfe nur an absichtlich falsche Angaben über die Größe der Stilllegungsfläche bei Stellung des Beihilfeantrags an. Auf den Ausgangsrechtsstreit, der eine Verringerung der Stilllegungsfläche und somit das Versäumnis betreffe, diese nach Antragstellung eingetretene Änderung der zuständigen Behörde anzuzeigen, sei diese Vorschrift dagegen nicht anwendbar.

21 Das Verwaltungsgericht Dessau wies die Klage durch Urteil vom 14. Juli 1999 mit der Begründung ab, dass die Klägerin falsche Angaben über die Stilllegungsfläche gemacht habe. Es sei mit dem Wortlaut des Artikels 9 Absatz 2 Unterabsatz 3 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 3887/92 und mit Sinn und Zweck dieser Vorschrift ohne weiteres vereinbar, Angaben im Beihilfeantrag nicht nur dann als falsch anzusehen, wenn sie zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht mit den wirklichen Verhältnissen übereinstimmten, sondern auch dann, wenn sie falsch geworden seien, insbesondere weil der Antragsteller trotz einer Veränderung der zum Zeitpunkt der Antragstellung bestehenden Sachlage den Antrag nicht berichtigt habe. Falsche Angaben im Sinne der genannten Vorschrift würden auch durch Aufrechterhaltung eines Beihilfeantrags trotz nachträglicher Änderung förderungsrelevanter Umstände gemacht.

22 Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Dessau ist der Klägerin auch die für die verhängte Sanktion erforderliche Absicht vorzuwerfen. Sie habe spätestens Ende Juni 1996 erkannt, dass eine förderungsschädliche Nutzung der Stilllegungsfläche vorliege, und die Kühe daraufhin umgehend von der fraglichen Parzelle getrieben. In Kenntnis ihrer Meldepflicht habe sie der zuständigen Behörde gleichwohl keine Mitteilung von der Verringerung der Stilllegungsfläche gemacht.

23 Die Klägerin, deren Berufung zum Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt zugelassen wurde, erhebt weiterhin Anspruch auf einen ungekürzten Stilllegungsausgleich für die fragliche Parzelle. Der Beklagte beantragt dagegen, die erstinstanzliche Entscheidung zu bestätigen.

24 Da das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt zur Entscheidung über den bei ihm anhängigen Rechtsstreit eine Auslegung von Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung Nr. 3887/92 für erforderlich hält, hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Artikel 9 Absatz 2 Unterabsatz 3 der Verordnung Nr. 3887/92 dahin auszulegen, dass falsche Angaben" an ein schuldhaftes positives Tun im Rahmen der Beihilfebeantragung anknüpfen und demzufolge das Unterlassen, der Bewilligungsbehörde erst nach Antragstellung eingetretene förderungsrelevante Veränderungen zu melden, nicht sanktioniert ist?

2. Setzen die so genannten schlichten" Differenzfälle des Artikels 9 Absatz 2 Unterabsatz 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 3887/92 das Machen falscher Angaben" bereits bei Antragstellung voraus, oder kommt es allein auf einen Vergleich der Antragsangaben mit dem Ergebnis der Vor-Ort-Kontrolle an?

Zu den Vorlagefragen

25 Mit seinen beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung Nr. 3887/92 dahin auszulegen ist, dass sich die in dieser Vorschrift vorgesehenen Sanktionen auf den Fall beschränken, dass der Betriebsinhaber bei der Beantragung von Beihilfen fehlerhafte oder falsche Angaben gemacht hat, während sie keine Anwendung finden, wenn er es unterlassen hat, der zuständigen Behörde förderungsrelevante Veränderungen zu melden.

Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

26 Die Klägerin macht geltend, eine Auslegung von Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung Nr. 3887/92, die sich an Wortlaut und Systematik des in dieser Vorschrift aufgestellten Grundsatzes orientierte, führe dazu, den Anwendungsbereich der Sanktion auf fehlerhafte Angaben zum Zeitpunkt der Antragstellung bei der zuständigen Behörde zu begrenzen.

27 Speziell zu den in Artikel 9 Absatz 2 Unterabsatz 3 der Verordnung Nr. 3887/92 vorgesehenen Sanktionen trägt sie vor, falsche Angaben setzten zumindest ein Verhalten voraus, durch das im Wege der Einwirkung auf das intellektuelle Vorstellungsbild eines anderen eine Fehlvorstellung über die Realitäten erregt werden kann". In dem Versäumnis, die zuständige Behörde von einer Veränderung der fraglichen Situation zu unterrichten, könne kein solches Verhalten gesehen werden. Nichts spreche dafür, dass sie die Absicht gehabt habe, durch Täuschung ihr nicht zustehende Stilllegungsprämien zu erlangen.

28 Ihre Gleichstellung mit einem Antragsteller, der schon in seinem Beihilfeantrag falsche Angaben mache, um sich auf diese Weise Stilllegungsprämien zu verschaffen, entspreche daher nicht dem Zweck von Artikel 9 Absatz 2 Unterabsatz 3 der Verordnung Nr. 3887/92.

29 Sowohl der Beklagte als auch die französische Regierung und die Kommission halten die Unterabsätze 1 und 2 von Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung Nr. 3887/92 auch dann für anwendbar, wenn der Betriebsinhaber bei der Antragstellung zutreffende Angaben gemacht und sich die Situation erst danach geändert hat.

30 Die französische Regierung und die Kommission tragen vor, die strenge Haftung des Antragstellers entspreche der Zielsetzung des gesamten Sanktionssystems, das dazu diene, Unregelmäßigkeiten und Betrugsfälle zu vermeiden oder zu ahnden.

31 Nach Ansicht des Beklagten, der französischen Regierung und der Kommission sind die in Artikel 9 Absatz 2 Unterabsatz 3 der Verordnung Nr. 3887/92 vorgesehenen Sanktionen auch dann anwendbar, wenn das absichtliche oder grob fahrlässige Fehlverhalten des Antragstellers zeitlich nach der Beantragung der Beihilfe liegt. Zur wirksamen Bekämpfung von Betrugsfällen und anderen schweren Unregelmäßigkeiten müsse diese Vorschrift alle Fälle erfassen, in denen dem Betriebsinhaber ein absichtliches oder grob fahrlässiges Fehlverhalten vorzuwerfen sei, unabhängig vom Zeitpunkt des Fehlverhaltens.

32 Die französische Regierung vertritt die Auffassung, wenn der Beihilfeempfänger es unterlasse, die bei seiner Parzelle eingetretene Änderung zu melden, so führe dies zwangsläufig zu einer Abweichung der in seinem Antrag angegebenen Fläche von der bei einer Kontrolle tatsächlich festgestellten Fläche und damit zu der Situation, auf die sich Artikel 9 der Verordnung Nr. 3887/92 beziehe.

Würdigung durch den Gerichtshof

33 Nach der ersten, der siebten und der neunten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 3887/92 soll diese und insbesondere ihr Artikel 9 dafür sorgen, dass die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik wirksam durchgeführt werden kann, die Einhaltung der Bestimmungen über gemeinschaftliche Beihilfen wirksam geprüft werden kann und Vorschriften zur wirksamen Vermeidung und Ahndung von Unregelmäßigkeiten und Betrugsfällen erlassen werden können.

34 Nach Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung Nr. 3887/92 wird die Beihilfe für Flächen in vollem Umfang gewährt, wenn die im Beihilfeantrag angegebene Fläche der bei einer Kontrolle durch die zuständigen Behörden ermittelten Fläche entspricht und alle vorgeschriebenen Bedingungen erfuellt sind.

35 Um die in Randnummer 33 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Ziele unter Berücksichtigung der besonderen Merkmale der verschiedenen gemeinschaftlichen Beihilferegelungen zu erreichen, sind in der genannten Vorschrift für den Fall, dass die in einem Beihilfeantrag Flächen" angegebene Fläche über der bei einer Kontrolle ermittelten Fläche liegt und damit die nach dem integrierten System vorgeschriebenen Bedingungen nicht erfuellt sind, je nach Schwere der Unregelmäßigkeit gestaffelte Sanktionen vorgesehen.

36 Wird gutgläubig und ohne grobe Fahrlässigkeit eine geringfügig überhöhte Fläche angegeben, so sieht Artikel 9 Absatz 2 Unterabsatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 3887/92 lediglich eine Korrektur des Beihilfebetrags vor. Dieser wird dann auf der Grundlage der bei der Kontrolle tatsächlich ermittelten Fläche berechnet.

37 Wenn die Differenz zwischen der angegebenen und der bei der Kontrolle ermittelten Fläche über 3 % oder über 2 ha liegt und bis zu 20 % der ermittelten Fläche beträgt, dann wird die tatsächlich ermittelte Fläche gemäß Artikel 9 Absatz 2 Unterabsatz 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 3887/92 um das Doppelte der festgestellten Differenz gekürzt.

38 Gemäß Artikel 9 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 3887/92 wird keinerlei Beihilfe für Flächen gewährt, wenn der Betriebsinhaber die Fläche, für die die Beihilfen beantragt werden, in seinem Antrag um mehr als 20 % zu hoch angegeben hat.

39 Schließlich ergibt sich aus Artikel 9 Absatz 2 Unterabsatz 3 der Verordnung Nr. 3887/92, dass Betriebsinhaber, die absichtlich oder grob fahrlässig falsche Angaben gemacht haben, jedenfalls von der Gewährung der fraglichen Beihilfen im betreffenden Kalenderjahr und im Fall absichtlich gemachter falscher Angaben sogar von der Gewährung von Beihilfen im folgenden Kalenderjahr ausgeschlossen sind. Diese Sanktionen sind von der Höhe der festgestellten Differenz zwischen den angegebenen und den bei einer Kontrolle ermittelten Flächen unabhängig (Urteil vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-354/95, National Farmers' Union u. a., Slg. 1997, I-4559, Randnr. 62).

40 Diesen Vorschriften der Verordnung Nr. 3887/92 ist zu entnehmen, dass eine Differenz zwischen der angegebenen und der bei Kontrollen der zuständigen Behörden tatsächlich ermittelten Fläche für sich genommen zur Verhängung einer Sanktion führt.

41 Wie die Kommission zu Recht ausführt, ist es für die Verhängung von Sanktionen gemäß den Unterabsätzen 1 und 2 von Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung Nr. 3887/92 unerheblich, aus welchen Gründen die Angaben im Beihilfeantrag vom Ergebnis der Kontrolle durch die zuständigen Behörden abweichen.

42 Es ist zwar richtig, dass die in Artikel 9 Absatz 2 Unterabsätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 3887/92 vorgesehenen Sanktionen je nach Schwere der Unregelmäßigkeit gestaffelt sind, doch sind diese Vorschriften auch dann anzuwenden, wenn der Betriebsinhaber bei der Antragstellung zutreffende Angaben gemacht und sich die Situation erst danach geändert hat.

43 Diese Auslegung der genannten Vorschriften der Verordnung Nr. 3887/92 steht im Einklang mit den Verpflichtungen, die den Antragsteller nach dieser Verordnung treffen.

44 Zum einen ergibt sich aus Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 1 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 3887/92, dass zu den Angaben, die der Beihilfeantrag Flächen" enthalten muss, eine Bestätigung des Betriebsinhabers gehört, von den geltenden Bedingungen für die Gewährung der betreffenden Beihilfen Kenntnis genommen zu haben.

45 Es handelt sich bei der Durchführung der gemäß dem integrierten System gewährten Beihilfen um Verfahren, die eine Vielzahl von Anträgen betreffen. Ein wirksamer Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft setzt in einem solchen Kontext voraus, dass die Beihilfeempfänger aktiv an der korrekten Durchführung dieser Verfahren mitwirken und die Verantwortung für die Richtigkeit der ihnen im Rahmen des integrierten Systems ausgezahlten Beträge übernehmen (in diesem Sinne auch Urteil vom 16. Mai 2002 in der Rechtssache C-63/00, Schilling und Nehring, Slg. 2002, I-4483, Randnrn. 34 und 37).

46 Zum anderen kann der Beihilfeantrag Flächen" nach Ablauf der Einreichungsfrist nur unter bestimmten, in Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 3887/92 abschließend aufgezählten, und ausreichend begründeten Umständen wie z. B. Todesfall, Heirat oder Kauf oder Verkauf der betreffenden landwirtschaftlich genutzten Parzelle geändert werden.

47 Diese Vorschrift sowie Artikel 6 Absätze 4 und 5 der Verordnung Nr. 3508/92 zeigen jedoch, dass ein Beihilfeantrag Flächen" während eines bestimmten Zeitraums geändert und später als der nach dem integrierten System vorgesehene Antrag berücksichtigt werden kann.

48 In Anbetracht des Vorstehenden ist daher festzustellen, dass nach Artikel 9 Absatz 2 Unterabsätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 3887/92 ein Vergleich zwischen den Angaben im Beihilfeantrag und dem Ergebnis der vor Ort durchgeführten Kontrollen vorzunehmen ist, ohne dass es darauf ankommt, ob eine etwaige Differenz zwischen den Flächenangaben bereits bestand, als der Antrag gestellt wurde.

49 Artikel 9 Absatz 2 Unterabsatz 3 der Verordnung Nr. 3887/92 könnte zwar dahin ausgelegt werden, dass er sich nur auf falsche Angaben bezieht, die zum Zeitpunkt der Stellung des Beihilfeantrags absichtlich oder aufgrund grober Fahrlässigkeit gemacht wurden, doch ergibt sich sowohl aus dem Zweck dieser Vorschrift als auch aus der Systematik des gesamten Artikels 9 Absatz 2, dass einer solchen restriktiven Auslegung nicht gefolgt werden kann.

50 Um den Zweck von Artikel 9 Absatz 2 zu erreichen, Unregelmäßigkeiten und Betrugsfälle wirksam zu vermeiden und zu ahnden, muss Unterabsatz 3 dieser Vorschrift nämlich nicht nur bei falschen Angaben Anwendung finden, die zum Zeitpunkt des Beihilfeantrags absichtlich oder aufgrund grober Fahrlässigkeit gemacht wurden, sondern auch dann, wenn die in diesem Antrag gemachten Angaben aufgrund einer Veränderung der ursprünglichen Situation nicht mehr mit der nach Einreichung des Antrags festgestellten Sachlage übereinstimmen.

51 Unterlässt der Antragsteller es, die bei der Parzelle, für die er Beihilfen beantragt hat, eingetretenen Änderungen den zuständigen Behörden zu melden, so führt dies, wie die französische Regierung zutreffend ausgeführt hat, zwangsläufig zu einer Abweichung der im Antrag angegebenen Fläche von der bei einer Kontrolle tatsächlich festgestellten Fläche und damit genau zu der Situation, auf die sich Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung Nr. 3887/92 bezieht. Das Festhalten am ursprünglichen Beihilfeantrag trotz einer späteren Änderung der Umstände, die sich auf die Gewährung der Beihilfen auswirken können, stellt folglich für sich genommen eine Unregelmäßigkeit im Sinne der genannten Vorschrift dar.

52 Im Übrigen sind, wie der Gerichtshof in Randnummer 37 des Urteils Schilling und Nehring festgestellt hat, die nationalen Behörden gemäß den Bestimmungen der Verordnungen Nrn. 3508/92 und 3887/92 nicht verpflichtet und auch gar nicht in der Lage, durch Kontrollen sämtliche Angaben in den bei ihnen eingereichten Beihilfeanträgen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Im Rahmen des integrierten Systems obliegt es den Betriebsinhabern, Beihilfeanträge nur für Flächen zu stellen, die die erforderlichen Bedingungen für die Gewährung der betreffenden Beihilfen erfuellen, und die zuständigen Behörden über jede nach Antragstellung eintretende Änderung der Sachlage zu informieren.

53 Der von der Klägerin befürworteten Auslegung von Artikel 9 Absatz 2 Unterabsatz 3 der Verordnung Nr. 3887/92, wonach keine Sanktion verhängt werden kann, wenn bei der Stellung des Beihilfeantrags kein Fehler begangen wurde, so dass Änderungen der Sachlage, die Einfluss auf die Gewährung oder das Belassen der beantragten Beihilfen haben, unerheblich wären, kann daher nicht gefolgt werden.

54 Eine solche Auslegung würde dazu führen, dass ein Antragsteller versucht sein könnte, einen Beihilfeantrag zu stellen, der alle nach dem integrierten System vorgeschriebenen Bedingungen erfuellt, und die Angaben in diesem Antrag nicht zu berichtigen, wenn sie nach Antragstellung unzutreffend geworden sind, da gegen ihn keine Sanktion verhängt werden könnte.

55 Zur Frage, welche der in Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung Nr. 3887/92 vorgesehenen Sanktionen auf die Umstände des Ausgangsverfahrens anwendbar ist, ist darauf hinzuweisen, dass es dem vorlegenden Gericht obliegt, die Schwere der begangenen Unregelmäßigkeit und insbesondere die Frage zu beurteilen, ob der Antragsteller es im Sinne von Absatz 3 dieser Vorschrift absichtlich oder aufgrund grober Fahrlässigkeit unterlassen hat, der zuständigen Behörde förderungsrelevante Veränderungen zu melden.

56 Nach alledem ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, dass Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung Nr. 3887/92 dahin auszulegen ist, dass sich die in dieser Vorschrift vorgesehenen Sanktionen nicht auf den Fall beschränken, dass der Betriebsinhaber bei der Beantragung von Beihilfen fehlerhafte oder falsche Angaben gemacht hat, sondern auch dann Anwendung finden, wenn er es unterlassen hat, der zuständigen Behörde förderungsrelevante Veränderungen zu melden.

Kostenentscheidung:

Kosten

57 Die Auslagen der französischen Regierung und der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

auf die ihm vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 7. September 2000 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 mit Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen in der durch die Verordnungen (EG) Nrn. 229/95 der Kommission vom 3. Februar 1995 und 1648/95 der Kommission vom 6. Juli 1995 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass sich die in dieser Vorschrift vorgesehenen Sanktionen nicht auf den Fall beschränken, dass der Betriebsinhaber bei der Beantragung von Beihilfen fehlerhafte oder falsche Angaben gemacht hat, sondern auch dann Anwendung finden, wenn er es unterlassen hat, der zuständigen Behörde förderungsrelevante Veränderungen zu melden.

Ende der Entscheidung

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