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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 14.07.1993
Aktenzeichen: C-56/90
Rechtsgebiete: EWGV, Richtlinie 76/160/EWG


Vorschriften:

EWGV Art. 5
EWGV Art.189
Richtlinie 76/160/EWG Art. 4
Richtlinie 76/160/EWG Art. 3
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Ein zur Durchführung einer Richtlinie verpflichteter Mitgliedstaat kann daraus, daß die Kommission gegenüber einer von diesem Mitgliedstaat an sie gerichteten Mitteilung darüber, wie er diese Durchführung zu bewerkstelligen gedenke, zunächst untätig geblieben ist, nicht den Schluß ziehen, daß die Kommission, die weder nach Artikel 5 des Vertrages noch nach einer Bestimmung der Richtlinie verpflichtet war, innerhalb einer bestimten Frist zu reagieren, mit dem Inhalt dieser Mitteilung einverstanden gewesen sei. Es ist Sache der Kommission, über den Zeitpunkt zu entscheiden, zu dem sie Einwendungen vorbringen will, und sie ist durch nichts daran gehindert, später ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten.

2. Der Begriff der "Badegewässer" in Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe a zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 76/160 über die Qualität der Badegewässer ist unter Berücksichtigung des Zieles der Richtlinie, wie es in deren Begründungserwägungen umschrieben ist, so zu verstehen, daß er sich auf jeden Fall auf die Gewässer der Badeplätze erstreckt, die über bestimmte Einrichtungen wie Umkleidekabinen, Toiletten oder Ausschilderungen des Badebereichs verfügen und von Bademeistern überwacht werden.

3. Nach der Richtlinie 76/160 über die Qualität der Badegewässer, deren Artikel 4 Absatz 1 die Mitgliedstaaten verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, daß ihre Gewässer innerhalb von zehn Jahren nach Bekanntgabe der Richtlinie den in dieser festgesetzten chemisch-physikalischen und mikrobiologischen Werten entsprechen, haben die Mitgliedstaaten dafür Sorge zu tragen, daß die vorgeschriebenen Ergebnisse innerhalb der gesetzten Frist erreicht werden, ohne daß sie sich, von den in der Richtlinie ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen abgesehen, auf besondere Umstände berufen können, um die Nichterfuellung dieser Verpflichtung zu rechtfertigen.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 14. JULI 1993. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN VEREINIGTES KOENIGREICH GROSSBRITANNIEN UND NORDIRLAND. - RICHTLINIE 76/160/EWG - BADEGEWAESSER. - RECHTSSACHE C-56/90.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission hat mit Klageschrift, die am 7. März 1990 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag Klage auf Feststellung erhoben, daß das Vereinigte Königreich dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 4 der Richtlinie 76/160/EWG des Rates vom 8. Dezember 1975 über die Qualität der Badegewässer (ABl. 1976, L 31, S. 1; im folgenden: Richtlinie) sowie aus den Artikeln 5 und 189 EWG-Vertrag verstossen hat, daß es nicht alle notwendigen Maßnahmen getroffen hat, um sicherzustellen, daß die Qualität der Badegewässer des Badegebiets von Blackpool und des an Formby und Southport angrenzenden Badegebiets den gemäß Artikel 3 der Richtlinie festgelegten Grenzwerten entspricht.

2 Gemäß ihrem Artikel 1 Absatz 1 betrifft die Richtlinie die Qualitätsanforderungen an Badegewässer mit Ausnahme von Wasser für therapeutische Zwecke und Wasser für Schwimmbecken.

3 Nach Absatz 2 Buchstaben a und b des gleichen Artikels versteht man im Sinne dieser Richtlinie unter:

"a) 'Badegewässer' die fließenden oder stehenden Binnengewässer oder Teile dieser Gewässer sowie Meerwasser, in denen das Baden

° von den zuständigen Behörden eines jeden Mitgliedstaats ausdrücklich gestattet ist oder

° nicht untersagt ist und in denen üblicherweise eine grosse Anzahl von Personen badet;

b) 'Badegebiet' die Stelle, an der sich Badegewässer befinden."

4 Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, die auf Badegewässer anwendbaren Werte für die im Anhang der Richtlinie aufgeführten chemisch-physikalischen und mikrobiologischen Parameter festzulegen; diese Werte dürfen nicht weniger streng sein als die in Spalte I des Anhangs angegebenen Werte (Artikel 2 und 3).

5 Nach Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie muß die Qualität der Badegewässer binnen zehn Jahren nach Bekanntgabe der Richtlinie an den betroffenen Mitgliedstaat den gemäß Artikel 3 der Richtlinie festgelegten Grenzwerten entsprechen; für das Vereinigte Königreich lief diese Frist am 31. Dezember 1985 ab. In den Badegebieten, die die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten nach der Bekanntgabe der Richtlinie geschaffen haben und die speziell zum Baden eingerichtet sind, müssen die im Anhang der Richtlinie vorgesehenen Werte jedoch vom Beginn des Badebetriebs an eingehalten werden, wobei für innerhalb von zwei Jahren nach der Bekanntgabe geschafffene Bedegebiete besondere Bestimmungen gelten.

6 Nach Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie werden die Badegewässer im Rahmen der Anwendung von Artikel 4 als den obenerwähnten Parametern entsprechend angesehen, wenn die gemäß der im Anhang vorgesehenen Häufigkeit an derselben Schöpfstelle vorgenommenen Probenahmen erweisen, daß sie bei einem in dieser Vorschrift näher bestimmten Prozentsatz der Proben den Werten der Parameter für die betreffende Wasserqualität entsprechen.

7 Nach Artikel 12 Absatz 1 der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft zu setzen, um der Richtlinie binnen zwei Jahren nach ihrer Bekanntgabe nachzukommen. Für das Vereinigte Königreich lief diese Frist am 31. Dezember 1977 ab.

8 Schließlich gestatten es eine Reihe von Bestimmungen, von den in der Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen abzuweichen:

° Artikel 4 Absatz 3 erlaubt es den Mitgliedstaaten, in Ausnahmefällen Abweichungen von der Zehnjahresfrist zuzulassen, innerhalb deren die Staaten dafür zu sorgen haben, daß die Qualität der Badegewässer den im Anhang angegebenen Parametern entspricht. Die Begründung einer solchen Ausnahme muß auf einem Plan zur Bewirtschaftung der Gewässer in dem betreffenden Gebiet beruhen und der Kommission spätestens binnen sechs Jahren nach Bekanntgabe der Richtlinie mitgeteilt werden.

° Nach Artikel 5 Absatz 2 bleiben Überschreitungen der in Artikel 3 vorgesehenen Werte bei der Berechnung der Prozentsätze, zu denen die Proben diesen Werten entsprechen müssen, unberücksichtigt, sofern sie die Folge von Überschwemmungen, Naturkatastrophen oder aussergewöhnlichen Witterungsbedingungen sind.

° Artikel 8 gestattet Abweichungen bei bestimmten im Anhang aufgeführten Parametern, wenn aussergewöhnliche meteorologische oder geographische Verhältnisse vorliegen oder wenn die Badegewässer eine natürliche Anreicherung mit bestimmten Stoffen über die im Anhang festgelegten Grenzwerte hinaus erfahren. Nimmt ein Mitgliedstaat eine Abweichung vor, so teilt er der Kommission dies unverzueglich unter Angabe der Gründe und der Dauer mit.

9 Die Kommission hat im Laufe des schriftlichen Verfahrens vor dem Gerichtshof ihre Rüge betreffend das Badegebiet von Formby Point zurückgenommen.

10 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und des Vorbringens der Parteien wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur Zulässigkeit

11 Das Vereinigte Königreich führt aus, es habe der Kommission am 19. Oktober 1979 die für die Feststellung der in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallenden Badegewässer maßgeblichen Kriterien mitgeteilt. Die fragliche Mitteilung sei den zuständigen Behörden am 9. Juli 1979 zur Durchführung der Richtlinie in England und Wales zugesandt worden. Auf der Grundlage dieser Mitteilung, die u. a. eingehende Hinweise zu der Frage enthalten habe, welche Anzahl von Personen als bedeutend im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe a zweiter Gedankenstrich der Richtlinie anzusehen sei, seien 27 Gewässer als in deren Geltungsbereich fallend festgestellt und der Kommission mit Schreiben vom 18. Dezember 1979 mitgeteilt worden. Das Vereinigte Königreich habe betont, daß das Verzeichnis, das die streitigen Gewässer nicht umfasst habe, nicht endgültig sei, da eine Reihe von örtlichen Behörden keine Gelegenheit zur Äusserung gehabt hätten; gegebenenfalls würden der Kommission zu Beginn des folgenden Jahres zusätzliche Informationen zugeleitet werden.

12 Am 18. Juli 1980 richtete die Kommission an das Vereinigte Königreich eine mit Gründen versehene Stellungnahme betreffend die angebliche Nichtdurchführung der Richtlinie in Nordirland und Schottland. Das Vereinigte Königreich antwortete der Kommission mit Schreiben vom 18. September 1980, in diesem Teil des Vereinigten Königreichs entspreche kein einziges Gewässer den festgelegten Kriterien; was das Verzeichnis der Badegewässer in England und Wales angehe, so seien keine zusätzliche Maßnahmen für notwendig erachtet worden.

13 Das Vereinigte Königreich macht geltend, da die Kommission im Anschluß an diese Entgegnung keine Einwendungen erhoben habe, sei es zu der Annahme berechtigt gewesen, die Kommission sei mit der Art und Weise der Durchführung der Richtlinie einverstanden. Die Kommission habe dadurch, daß sie erst viel später Bedenken gegen den Ausschluß der streitigen Gewässer vom Anwendungsbereich der Richtlinie erhoben habe, Rechtsunsicherheit geschaffen und Artikel 5 des Vertrages verletzt, der sie zur Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten verpflichte. Die Klage müsse daher als unzulässig abgewiesen werden.

14 Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden.

15 Das Vereinigte Königreich konnte aus der anfänglichen Untätigkeit der Kommission nicht den Schluß ziehen, diese sei mit den ihr mitgeteilten Kriterien und der Art und Weise, in der sie angewandt worden seien, einverstanden. Weder Artikel 5 des Vertrages noch die Bestimmungen der Richtlinie verpflichteten die Kommission, innerhalb einer bestimmten Frist zu der Art und Weise der Durchführung von Artikel 1 der Richtlinie seitens des Vereinigten Königreichs Stellung zu nehmen. Die Kommission war daher berechtigt, ihre Einwendungen zu dem ihr angemessen erscheinenden Zeitpunkt vorzubringen, und durch nichts daran gehindert, anschließend das vorliegende Verfahren nach Artikel 169 EWG-Vertrag einzuleiten.

16 Mit einer zweiten Unzulässigkeitseinrede macht das Vereinigte Königreich geltend, es sei ihm materiell unmöglich gewesen, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, daß die Qualität der streitigen Gewässer nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 2. Februar 1988 festgesetzten Zweimonatsfrist den Anforderungen der Richtlinie entsprechen würden.

17 Auch dieses Vorbringen kann keinen Erfolg haben.

18 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. Urteil vom 2. Februar 1988 in der Rechtssache 293/85, Kommission/Belgien, Slg. 1988, 305, Randnr. 14) ist die Frage, ob die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme festgesetzte Frist angemessen ist, unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu beantworten.

19 Es genügt, festzustellen, daß die Kommission das Vereinigte Königreich auf die Lage bei den Badegewässern von Blackpool sowie den an Formby und Southport angrenzenden Badegewässern jeweils mit Schreiben vom 3. April und 30. Juli 1986, also fast zwei Jahre vor dem Datum der mit Gründen versehenen Stellungnahme, aufmerksam gemacht hat. Unter diesen Umständen ist die umstrittene Frist als angemessen anzusehen. Im übrigen konnte das Vereinigte Königreich in jedem Fall das Baden in den betroffenen Gebieten untersagen. Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, sind andere Mitgliedstaaten bei bestimmten Gewässern, deren Qualität nicht den Anforderungen der Richtlinie entsprach, in dieser Weise vorgegangen.

20 Schließlich trägt das Vereinigte Königreich vor, die Klage sei deswegen unzulässig, weil die Richtlinie nicht dazu verpflichte, ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen, sondern sich darauf beschränke, den Mitgliedstaaten aufzugeben, alle erforderlichen Schritte zu unternehmen, um den in ihr niedergelegten Verpflichtungen nachzukommen.

21 Dieses Vorbringen betrifft die materiell-rechtliche Seite des Falles. Seine Berechtigung ist daher im Rahmen der Prüfung der Begründetheit der Klage zu untersuchen.

22 Nach alledem ist die Klage zulässig.

Zur Begründetheit

Zu den Gewässern von Ainsdale

23 Das Vereinigte Königreich bestreitet das Vorbringen der Kommission hinsichtlich der Qualität der Gewässer von Ainsdale, einer zwischen Southport und Formby Point gelegenen Ortschaft.

24 Die Kommission macht in diesem Zusammenhang geltend, das Vereinigte Königreich habe in einem Schreiben vom 6. Juni 1988 in Beantwortung der mit Gründen versehenen Stellungnahmen vom 2. Februar 1988 eingeräumt, daß eine Verbesserung der Qualität der Gewässer von Ainsdale notwendig sei, um die in der Richtlinie festgesetzten Werte zu erreichen, und somit anerkannt, daß diese Werte nicht beachtet worden seien.

25 Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen.

26 Die Kommission hat die Ergebnisse der Probenahme nicht bestritten, auf die sich das Vereinigte Königreich in seiner Klagebeantwortung zum Beweis dafür beruft, daß sich die Qualität der Gewässer von Ainsdale verbessert habe und den Anforderungen der Richtlinie entspreche.

27 Da die Kommission hiernach keinerlei Vertragsverstoß hinsichtlich der Gewässer von Ainsdale nachgewiesen hat, ist die Klage abzuweisen, soweit sie diese Gewässer betrifft.

Zu den Gewässern von Blackpool und den an Southport angrenzenden Gewässern

28 Das Vereinigte Königreich bestreitet nicht, daß die Qualität der Badegewässer von Blackpool und der an Southport angrenzenden Badegewässer nach wie vor nicht in Einklang mit der Richtlinie steht. Es trägt jedoch vor, ihm könne kein Vertragsverstoß zur Last gelegt werden. Erstens sei, was die genannten Gewässer betreffe, weder die Zehnjahresfrist, binnen deren die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 4 Absatz 1 sicherzustellen hätten, daß die Qualität der Badegewässer den Anforderungen der Richtlinie entspreche, noch die in Artikel 4 Absatz 3 festgesetzte Frist von sechs Jahren abgelaufen, innerhalb deren die zugebilligten Abweichungen von der Zehnjahresfrist mitzuteilen seien. Weiterhin könne die Nichteinhaltung der Sechsjahresfrist des Artikels 4 Absatz 3, selbst wenn sie nachgewiesen sei, das Vereinigte Königreich nicht daran hindern, aufgrund dieser Bestimmung Abweichungen zuzulassen. Schließlich verpflichte die Richtlinie nicht zur Erzielung eines bestimmten Ergebnisses, sondern fordere von den Mitgliedstaaten lediglich, alle für die Erreichung der vorgesehenen Standards erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wie dies das Vereinigte Königreich getan habe.

Zu den in Artikel 4 Absätze 1 und 3 der Richtlinie festgesetzten Fristen

29 Das Vereinigte Königreich macht geltend, die Definition des Begriffes "Badegewässer" in Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe a zweiter Gedankenstrich der Richtlinie sei zu unbestimmt, als daß die Mitgliedstaaten erkennen könnten, welche Gewässer hierunter fielen; dieser Begriff, dessen Inhalt daher einer Präzisierung bedürfe, räume den Mitgliedstaaten ein gewisses Ermessen ein.

30 In Ausübung dieser Befugnis habe das Vereinigte Königreich die in der Mitteilung vom 19. Oktober 1979 niedergelegten Kriterien festgelegt und auf dieser Grundlage ein Verzeichnis der in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallenden Badegewässer aufgestellt. Später habe es sich als notwendig erwiesen, diese Kriterien dahin gehend zu revidieren, daß nicht nur auf die Anzahl der Badenden, sondern auch auf das Vorhandensein bestimmter Einrichtungen in den Badegebieten abgestellt werde, wie insbesondere Toiletten, Umkleidekabinen, Parkplätze und Überwachung durch Bademeister.

31 Nach Angaben des Vereinigten Königreichs wurden 1985 350 diesen Kriterien entsprechende Gewässerflächen festgestellt, zu denen später weitere Gewässer hinzugetreten seien. Die streitigen Gewässer entsprächen den neuen Kriterien und gehörten daher zu den in dieser Weise festgestellten Badegewässern.

32 Aus Gründen der Rechtssicherheit müsse Artikel 4 Absätze 1 und 3 der Richtlinie dahin ausgelegt werden, daß bei nach den neuen Kriterien festgestellten Badegewässern sowohl die Zehnjahresfrist für die Anpassung der Gewässer an die im Anhang der Richtlinie angegebenen Grenzwerte als auch die Sechsjahresfrist für die Mitteilung der bewilligten Ausnahmen von der genannten Zehnjahresfrist zu dem Zeitpunkt zu laufen beginne, in dem die Gewässer als Badegewässer im Sinne der Richtlinie festgestellt worden seien, und nicht im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Richtlinie.

33 In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, daß gemäß Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie unter "Badegewässer" die fließenden oder stehenden Binnengewässer oder Teile dieser Gewässer sowie Meerwasser zu verstehen sind, in denen das Baden nicht verboten ist und üblicherweise eine grosse Anzahl von Personen badet. Diese Wendungen müssen im Licht des Zieles der Richtlinie ausgelegt werden, wie es in deren ersten beiden Begründungserwägungen umschrieben wird, wonach es "zum Schutz der Umwelt und der Volksgesundheit... erforderlich [ist], die Verunreinigung der Badegewässer herabzusetzen und sie vor weiterer Qualitätsverminderung zu bewahren", und "eine Überwachung der Badegewässer... notwendig [ist], um im Rahmen des Gemeinsamen Marktes die Ziele der Gemeinschaft hinsichtlich der Verbesserung der Lebensbedingungen, einer harmonischen Entwicklung des Wirtschaftslebens in der gesamten Gemeinschaft und einer stetigen und ausgewogenen Wirtschaftsausweitung zu erreichen".

34 Diese Ziele würden nicht erreicht, wenn die Gewässer von Badeplätzen, die über bestimmte Einrichtungen wie Umkleidekabinen, Toiletten oder Ausschilderungen des Badebereichs verfügen und von Bademeistern überwacht werden, lediglich deswegen, weil die Zahl der Badenden eine bestimmte Schwelle nicht überschreitet, vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen werden könnten. Derartige Einrichtungen sowie der Einsatz von Bademeistern liefern vielmehr den Nachweis dafür, daß das Badegebiet von einer bedeutenden Zahl von Badenden aufgesucht wird, deren Gesundheit geschützt werden muß.

35 Die Badegebiete von Blackpool und Southport sind seit langer Zeit Badeplätze, die den oben genannten Kriterien entsprechen. Sie hätten daher von der Bekanntgabe der Richtlinie an als Badegebiete im Sinne der Richtlinie behandelt werden müssen.

36 Hieraus folgt, daß das Vereinigte Königreich sich nicht auf die Mitteilung vom 19. Oktober 1979 oder auf das im Laufe des Jahres 1979 gemäß den in dieser Mitteilung niedergelegten Kriterien aufgestellte Verzeichnis der Badegewässer berufen kann, um die Nichteinhaltung der in Artikel 4 Absätze 1 und 3 der Richtlinie vorgesehenen Fristen im Fall der streitigen Gewässer zu rechtfertigen. Wie sich bereits aus dem Wortlaut dieser Bestimmungen ergibt, laufen diese Fristen vom Tag der Bekanntgabe der Richtlinie an.

37 Was das auf die angebliche Rechtsunsicherheit gestützte Vorbringen betrifft, so genügt der Hinweis darauf, daß das Vereinigte Königreich, wie oben unter Randnummer 15 festgestellt, aus der Tatsache, daß die Kommission keine Einwendungen gegen jene Kriterien oder das genannte Verzeichnis erhoben hat, nicht ableiten konnte, daß das Organ sie als in Einklang mit den Anforderungen der Richtlinie stehend angesehen hätte.

Zu den Folgen der Nichteinhaltung der in Artikel 4 Absatz 3 festgesetzten Frist

38 Das Vereinigte Königreich macht weiterhin geltend, die Auffassung, daß ein Mitgliedstaat das Recht verliere, Ausnahmen von der in Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie festgesetzten Zehnjahresfrist zu bewilligen, wenn er die in Artikel 4 Absatz 4 der Richtlinie vorgesehene Frist nicht einhalte, stehe jedenfalls in Widerspruch zum Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Das treffe um so mehr zu, als eine solche Auslegung dazu führen würde, einen Mitgliedstaat, der keinen triftigen Grund für die Bewilligung einer Ausnahme anführen könne, ebenso zu behandeln wie einen Mitgliedstaat, der eine Ausnahme zu Recht bewillige, dies jedoch nicht rechtzeitig mitgeteilt habe.

39 Hierzu genügt die Feststellung, daß die in Rede stehende Frist sicherstellen soll, daß die Badegewässer ungeachtet der Ausnahmebewilligung so weit wie möglich ° insbesondere im Wege der Initiativen, die die Kommission gemäß Artikel 4 Absatz 3 ergreifen kann ° innerhalb der in Artikel 4 Absatz 1 vorgesehenen Zehnjahresfrist in Einklang mit der Richtlinie gebracht werden. Dieses Ziel würde jedoch vereitelt, wenn man sich der Auslegung des Vereinigten Königreichs anschlösse.

Zur Natur der von der Richtlinie auferlegten Verpflichtungen

40 Nach Auffassung des Vereinigten Königreichs fordert die Richtlinie von den Mitgliedstaaten lediglich, alle durchführbaren Maßnahmen zur Einhaltung der gemäß Artikel 3 der Richtlinie festgesetzten Grenzwerte zu treffen. Im Vereinigten Königreich seien die in diesem Zusammenhang notwendigen Untersuchungen vorgenommen worden; es seien Arbeiten im Gang, die es gestatten würden, 1995 die in Rede stehenden Badegewässer so herzurichten, daß sie den Anforderungen der Richtlinie genügten. Derartige Arbeiten gingen zwangsläufig langsam vonstatten, namentlich weil dafür Sorge getragen werden müsse, daß sie möglichst wenig Nachteile für die Bevölkerung und das städtische Leben mit sich brächten. Ergänzend bemerkt das Vereinigte Königreich, die Kommission habe ihm nicht die Maßnahmen genannt, die es in die Lage versetzen würden, eine raschere Durchführung der Richtlinie hinsichtlich der streitigen Gewässer zu gewährleisten.

41 Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden.

42 Aus Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie geht klar hervor, daß die Mitgliedstaaten alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen haben, um sicherzustellen, daß die Badegewässer innerhalb von zehn Jahren, von der Bekanntgabe der Richtlinie an gerechnet, den gemäß Artikel 3 festgesetzten Grenzwerten entsprechen. Diese Frist ist länger als die für die Durchführung der Richtlinie gesetzte Frist, die zwei Jahre vom Tag der Bekanntmachung an beträgt (Artikel 12 Absatz 1), um es den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, der vorgenannten Anforderung zu genügen.

43 Die einzigen Ausnahmen von der den Mitgliedstaaten obliegenden Verpflichtung, das Erforderliche zu unternehmen, damit ihre Badegewässer den Anforderungen der Richtlinie entsprechen, sind die in den ° oben zusammenfassend dargestellten ° Bestimmungen der Artikel 4 Absatz 3, 5 Absatz 2 und 8 vorgesehenen Ausnahmen. Hieraus folgt, daß die Richtlinie die Mitgliedstaaten verpflichtet, für die Erreichung bestimmter Ziele Sorge zu tragen, und daß sich die Staaten, von den genannten Ausnahmen abgesehen, nicht auf besondere Umstände berufen können, um die Nichterfuellung dieser Verpflichtung zu rechtfertigen.

44 Infolgedessen kann das Vorbringen des Vereinigten Königreichs, es habe alle durchführbaren Maßnahmen getroffen, nicht über die ausdrücklich erlaubten Abweichungen hinaus einen zusätzlichen Rechtfertigungsgrund für die Nichterfuellung der Verpflichtung liefern, dafür zu sorgen, daß die fraglichen Gewässer wenigstens den Anforderungen des Anhangs der Richtlinie entsprechen.

45 Das Vereinigte Königreich macht geltend, wenn man dieser Auslegung folge, würde jede Abweichung von den im Anhang der Richtlinie festgelegten Grenzwerten einen Verstoß gegen Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie darstellen, selbst wenn der betroffene Mitgliedstaat alle durchführbaren Schritte unternommen hätte, um derartige Abweichungen zu vermeiden.

46 Selbst wenn anzunehmen wäre, daß die absolute materielle Unmöglichkeit, die von der Richtlinie auferlegten Verpflichtungen zu erfuellen, die Nichterfuellung rechtfertigen könne, so hat das Vereinigte Königreich, wie der Generalanwalt in Nummer 56 seiner Schlussanträge dargelegt hat, doch nicht nachzuweisen vermocht, daß vorliegend eine solche Unmöglichkeit gegeben wäre.

47 Nach alledem hat das Vereinigte Königreich dadurch gegen seine Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag verstossen, daß es nicht alle erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um sicherzustellen, daß die Qualität der Badegewässer von Blackpool und der an Southport angrenzenden Badegewässer den gemäß Artikel 3 der Richtlinie 76/160/EWG des Rates vom 8. Dezember 1975 festgesetzten Grenzwerten entspricht.

Kostenentscheidung:

Kosten

48 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Vereinigte Königreich mit seinem Vorbringen im wesentlichen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1) Das Vereinigte Königreich hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag verstossen, daß es nicht alle erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um sicherzustellen, daß die Qualität der Badegewässer von Blackpool und der an Southport angrenzenden Badegewässer den gemäß Artikel 3 der Richtlinie 76/160/EWG des Rates vom 8. Dezember 1975 über die Qualität der Badegewässer festgesetzten Grenzwerten entspricht.

2) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3) Das Vereinigte Königreich trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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