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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 19.05.1999
Aktenzeichen: C-6/97
Rechtsgebiete: Entscheidung 97/270/EG


Vorschriften:

Entscheidung 97/270/EG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Der Begriff der Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 Absatz 1 EG) umfasst nicht nur positive Leistungen wie Subventionen, sondern auch Maßnahmen, die in verschiedener Form die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat, und die somit zwar keine Subventionen im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen aber nach Art und Wirkung gleichstehen.

Eine Maßnahme, mit der die staatlichen Stellen eines Mitgliedstaats bestimmten Unternehmen eine Abgabenbefreiung gewähren, die zwar nicht mit der Übertragung staatlicher Mittel verbunden ist, aber die Begünstigten besser stellt als die übrigen Abgabepflichtigen, ist eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag.

2 Eine Steueranrechnungsregelung für Güterkraftverkehrsunternehmer eines Mitgliedstaats wirkt sich negativ auf die Wettbewerber der Begünstigten - d. h. auf die Güterkraftverkehrsunternehmer aus anderen Mitgliedstaaten, die Beförderungen im Werksverkehr oder gewerblich durchführen - aus, sofern diese Unternehmer, auch wenn ihnen nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaats ein Ausgleich zu gewähren ist, in Ermangelung einer Regelung über die Modalitäten der Gewährung nicht mit Erfolg einen Anspruch auf diesen Ausgleich geltend machen können.

3 Ein Mitgliedstaat kann sich zwar darauf berufen, daß es völlig unmöglich gewesen sei, eine Gemeinschaftsentscheidung richtig durchzuführen, nach der er eine rechtswidrig gewährte Beihilfe zurückzufordern hat; diese Voraussetzung ist jedoch nicht erfuellt, wenn sich der betreffende Mitgliedstaat darauf beschränkt, die mit der Durchführung der Entscheidung verbundenen rechtlichen oder praktischen Schwierigkeiten geltend zu machen, ohne gegenüber den betroffenen Unternehmen irgendwelche Schritte zur Rückforderung der Beihilfe zu unternehmen.


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 19. Mai 1999. - Italienische Republik gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Staatliche Beihilfe - Begriff - Steueranrechnung - Rückforderung - Absolute Unmöglichkeit. - Rechtssache C-6/97.

Entscheidungsgründe:

1 Die Italienische Republik hat mit Klageschrift, die am 10. Januar 1997 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 EG) Klage erhoben auf Nichtigerklärung der Entscheidung 97/270/EG der Kommission vom 22. Oktober 1996 über die von Italien eingeführte Steueranrechnung im gewerblichen Güterkraftverkehr (C 45/95 ex NN 48/95) (ABl. 1997, L 106, S. 22; nachstehend: streitige Entscheidung).

2 Die Italienische Republik führte für die Steuerjahre 1993 und 1994 eine Steueranrechnungsregelung für die italienischen Güterkraftverkehrsunternehmer und einen Ausgleich für die Verkehrsunternehmer aus anderen Mitgliedstaaten nach Maßgabe des Kraftstoffverbrauchs für in Italien zurückgelegte Wegstrecken ein, deren Einzelheiten in den Gesetzen Nr. 162 vom 27. Mai 1993 (GURI Nr. 123 vom 28. Mai 1993), Nr. 84 vom 22. März 1995 (GURI Nr. 68 vom 22. März 1995) sowie dem Decreto legge Nr. 402 vom 26. September 1995 (GURI Nr. 226 vom 27. September 1995) geregelt sind.

3 Die Steueranrechnung war dahin gehend ausgestaltet, daß die italienischen Güterkraftverkehrsunternehmer nach ihrer Wahl einen Abzug von den Beträgen vornehmen konnten, die sie als Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Mehrwertsteuer sowie als vom Arbeitslohn ihrer Arbeitnehmer einzubehaltende Lohnsteuer und als Ausgleichszahlungen im Rahmen selbständiger Arbeit schuldeten. Betroffen von dieser Regelung waren die italienischen Güterkraftverkehrsunternehmer, die in das gemäß Gesetz Nr. 298 vom 6. Juni 1974 erstellte Register eingetragen waren.

4 Die Höhe der Steueranrechnung wurde als Prozentsatz der tatsächlichen Ausgaben für Kraftstoffe und Schmiermittel, ohne Mehrwertsteuer, festgesetzt, unterlag jedoch bestimmten Obergrenzen, die vom zulässigen Gesamtgewicht der Fahrzeuge abhingen, die in folgende Gruppen eingeteilt waren: bis 6 000 kg, zwischen 6 000 kg und 11 500 kg, zwischen 11 500 kg und 24 000 kg und über 24 000 kg. Bei den Hoechstwerten wurde davon ausgegangen, daß Fahrzeuge der vier Gruppen mit 1 Liter Dieselkraftstoff 8, 6, 3,5 bzw. 2,2 Kilometer zurücklegen konnten.

5 Ferner sah die Regelung für ihren jeweiligen Anwendungszeitraum einen Ausgleich für Verkehrsunternehmen aus anderen Mitgliedstaaten vor, dessen Höhe sich nach dem Verbrauch des Dieselkraftstoffs bemaß, der für die in Italien zurückzulegende Wegstrecke erforderlich war. Die für diesen Ausgleich bereitgestellten Mittel betrugen für das Jahr 1993 30 Milliarden LIT, für das erste Halbjahr 1994 15 Milliarden LIT und für das zweite Halbjahr 1994 8 Milliarden LIT.

6 Die Kommission teilte den italienischen Behörden mit Schreiben vom 4. Dezember 1995 (ABl. 1996, C 3, S. 2) ihre Entscheidung mit, gegen diese Steuerregelung das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 Absatz 2 EG) zu eröffnen. Im selben Schreiben forderte die Kommission die Italienische Republik auf, ihr alle für die Prüfung der Zulässigkeit der Beihilfe erforderlichen Unterlagen und Informationen zukommen zu lassen und die Zahlung jeder weiteren Beihilfe in Form der Steueranrechnung unverzueglich auszusetzen.

7 Mit Schreiben vom 26. März 1996 legte die Italienische Republik ihre Stellungnahme vor. Sie wies u. a. darauf hin, daß die Ministerialverordnungen über die Modalitäten der Gewährung des Ausgleichs für die Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten noch nicht in ihrer endgültigen Fassung vorlägen, daß sie aber, um der Anordnung der Kommission nachzukommen, keinesfalls erlassen würden.

8 Nach Abschluß des Verfahrens erließ die Kommission am 22. Oktober 1996 die streitige Entscheidung, deren Artikel 1, 2 und 3 lauten:

"Artikel 1

Die von Italien eingeführte Beihilfenregelung für gewerbliche Güterkraftverkehrsunternehmen in Form von Steueranrechnungen nach Maßgabe der Gesetze Nr. 162 vom 27. Mai 1993 (GURI Nr. 123 vom 28. 5. 1993) und Nr. 84 vom 22. März 1995 (GURI Nr. 68 vom 22. 3. 1995) sowie des Gesetzesdekrets Nr. 402 vom 26. September 1995 (GURI Nr. 226 vom 27. 9. 1995) ist rechtswidrig, da sie unter Verletzung der Verfahrensregeln nach Artikel 92 Absatz 3 in Kraft gesetzt wurde; sie ist ferner gemäß Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt, da sie weder eine der für Ausnahmen nach Artikel 92 Absätze 2 und 3 erforderlichen Bedingungen noch die Bedingungen der Verordnung (EWG) Nr. 1107/70 erfuellt.

Artikel 2

Italien stellt die Zahlung der in Artikel 1 genannten Beihilfe ein, unterlässt die Verabschiedung neuer Gesetze und Regelungen, mit denen Beihilfen der in Artikel 1 beschriebenen Art eingeführt werden, und zieht die geleistete Beihilfe wieder ein. Die Rückzahlung erfolgt nach Maßgabe der Verfahrensregeln und Durchführungsbestimmungen des italienischen Rechts einschließlich Zinsen, deren Höhe mit dem zur Bewertung regionaler Beihilferegelungen verwendeten Bezugssatz berechnet wird; die Verzinsung erfolgt über den Zeitraum zwischen der Leistung der Beihilfe und dem Zeitpunkt der tatsächlichen Rückzahlung.

Artikel 3

Italien unterrichtet die Kommission innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntgabe dieser Entscheidung über die Maßnahmen, die es ergriffen hat, um derselben Folge zu leisten."

9 Die Italienische Republik führt zur Begründung ihrer Klage lediglich einen Grund an, mit dem sie einen Verstoß gegen die Artikel 92 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 EG) und 93 EG-Vertrag geltend macht und der sich in zwei Rügen gliedert, von denen die eine hilfsweise erhoben wird.

10 In erster Linie macht die Italienische Republik geltend, die Steuervergütungsregelung sei keine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe, da keine - unmittelbare oder mittelbare - Gewährung staatlicher Mittel vorgesehen sei, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtige und damit den Wettbewerb verfälsche oder zu verfälschen drohe. Hilfsweise macht sie geltend, die Rückforderung der Beihilfe gemäß Artikel 2 der streitigen Entscheidung sei absolut unmöglich.

Zum Charakter einer staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 92 EG-Vertrag

11 Ausgehend von der Feststellung in der ersten Begründungserwägung des Teils IV der streitigen Entscheidung, daß "Artikel 92... nicht nach den Gründen oder Zielen solcher Maßnahmen [unterscheidet], sondern... auf deren Wirkungen ab[hebt]", macht die Italienische Republik geltend, sie hätte in rechtmässiger Weise die gleiche Wirkung wie die durch die streitige Anrechnung erzielte durch eine Senkung der Verbrauchsteuer auf Kraftstoff erreichen können, was zu einer entsprechenden Herabsetzung der Mehrwertsteuer und des Preises für Dieselkraftstoff an der Tankstelle geführt hätte. Eine solche Regelung sei jedoch nicht eingeführt worden, da sie bei Anwendung auf sämtliche - gewerbliche und private - Dieselkraftstoffverbraucher zu einer nicht hinnehmbaren Verringerung des Steueraufkommens geführt hätte, während bei einer Differenzierung beim Verkauf von Dieselkraftstoff zwischen Güterkraftverkehrsunternehmern und anderen Abnehmern (namentlich den Eigentümern von Kraftfahrzeugen) eine befriedigende Lösung zur Verhinderung von Betrügereien nicht möglich gewesen wäre, da bei der Gewährung der Mittel zwischen beiden Gruppen nicht zu unterscheiden sei.

12 Im Gegensatz zu der Feststellung in der zweiten Begründungserwägung des Teils IV der streitigen Entscheidung sei die Steueranrechnung zugunsten der Güterkraftverkehrsunternehmer weder eine vorübergehende noch eine endgültige Befreiung von einer allgemeinen Steuerregelung. Form und Inhalt der Einkommen- und Körperschaftsteuer, der Bruttoertragsteuer und der Mehrwertsteuer sowie der von den Arbeitnehmern einzubehaltenden Lohnsteuer und der Ausgleichszahlungen im Rahmen selbständiger Arbeit seien unverändert geblieben. Der Abzug der streng an die in Italien gekaufte Menge Dieselkraftstoff und Mineralöl geknüpften steuerlichen Vergütung stelle nämlich nur einen Buchungsvorgang in Form eines Kassenausgleichs dar, d. h. eine indirekte Erstattung der auf den Kraftstoff entrichteten Steuer.

13 Nach Ansicht der Kommission bringt es der im Vertrag verwendete und in der Rechtsprechung des Gerichtshofes bestätigte ausserordentlich weite Begriff der Beihilfe mit sich, daß eine Untersuchung, um welche Art von Maßnahme es sich nach nationalem Recht oder nach den Grundsätzen der Rechnungsführung des betreffenden Unternehmens handele, ohne Bedeutung sei, sofern nicht bestritten sei, daß diese Maßnahme zu einer Verringerung der Einnahmen zu Lasten des Staatshaushalts (im vorliegenden Fall handele es sich genau genommen um Steuereinnahmen) führe und in einem entsprechenden Vorteil bestimmter Unternehmen zum Ausdruck komme.

14 Nach Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

15 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes umfasst der Begriff der Beihilfe nicht nur positive Leistungen wie Subventionen, sondern auch Maßnahmen, die in verschiedener Form die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat, und die somit zwar keine Subventionen im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen aber nach Art und Wirkung gleichstehen (vgl. Urteile vom 23. Februar 1961 in der Rechtssache 30/59, De Gezamenlijke Steenkolenmijnen in Limburg/Hohe Behörde, Slg. 1961, 3, 43, und vom 1. Dezember 1998 in der Rechtssache C-200/97, Ecotrade, Slg. 1998, I-7907, Randnr. 34).

16 Ein Maßnahme, mit der die staatlichen Stellen bestimmten Unternehmen eine Abgabenbefreiung gewähren, die zwar nicht mit der Übertragung staatlicher Mittel verbunden ist, aber die Begünstigten finanziell besser stellt als die übrigen Abgabepflichtigen, ist eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag (Urteil vom 15. März 1994 in der Rechtssache C-387/92, Banco Exterior de España, Slg. 1994, I-877, Randnr. 14).

17 Im vorliegenden Fall genügt die Feststellung, daß die nationale Regelung, die Gegenstand der streitigen Entscheidung ist, die Steuerlast der gewerblichen Güterkraftverkehrsunternehmer mindern sollte. Da sie die Voraussetzung der Spezifizität, eines der Merkmale des Begriffes der staatlichen Beihilfe (vgl. Urteil Ecotrade, Randnr. 40), erfuellt, ist somit ohne Bedeutung, ob andere Steuerregelungen, die dem betreffenden Sektor ebenfalls zugute gekommen wären, nicht als Beihilfe im Sinne des Artikels 92 EG-Vertrag eingestuft worden wären.

18 Die Italienische Republik trägt weiter vor, in Italien seien die Verbrauchsteuern auf Dieselkraftstoff ebenso wie die Verbrauchsteuern auf die anderen Mineralöle stets ein wesentlicher Bestandteil der Staatseinnahmen gewesen und immer sehr hoch festgesetzt worden - absolut gesehen seien sie sogar die höchsten in der ganzen Gemeinschaft gewesen. Sie verweist dazu auf die in der fünften Begründungserwägung des Teils IV der streitigen Entscheidung wiedergegebenen Zahlen, aus denen sich ergebe, daß die Verbrauchsteuern auf Dieselkraftstoff in den Nachbarländern deutlich unter den in Italien festgesetzten Steuern gelegen hätten.

19 Im Gegensatz zu der Feststellung in der siebten Begründungserwägung, daß unterschiedliche gesetzliche Regelungen, die zu Wettbewerbsverzerrungen führten, nicht eine ausgleichende staatliche Beihilfe rechtfertigten, macht die Italienische Republik geltend, durch die eingeführte Regelung sei die für den gesamten betroffenen Sektor unerläßliche Gleichbehandlung vor dem Gesetz wiederhergestellt worden (durch ein Erstattungssystem, das flexibler sei als eine Verringerung der Steuerlast, aber genau die gleichen Wirkungen habe).

20 Nach Ansicht der Kommission kann eine unterschiedliche steuerliche Belastung einer Tätigkeit allein nicht die Gewährung einer staatlichen Beihilfe rechtfertigen. Im vorliegenden Fall habe die Steueranrechnungsregelung durch die Gewährung einer vorübergehenden Befreiung von einer allgemeinen Steuerregelung zu einem Anstieg des Netto-cash-flow eines einzigen Wirtschaftssektors, nämlich der in Italien niedergelassenen gewerblichen Güterkraftverkehrsunternehmer, geführt. Es handele sich somit nicht um eine Befreiung, die durch das Wesen oder Sinn und Zweck der Regelung gerechtfertigt sei.

21 Versucht ein Mitgliedstaat, die Wettbewerbsbedingungen eines bestimmten Wirtschaftssektors denen in anderen Mitgliedstaaten durch einseitige Maßnahmen anzunähern, so kann dies nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes diesen Maßnahmen nicht den Charakter von Beihilfen nehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Dezember 1969 in den Rechtssachen 6/69 und 11/69, Kommission/Frankreich, Slg. 1969, 523, Randnr. 21). Daher ist zu prüfen, ob die Steueranrechnung sich negativ auf die Wettbewerber der Begünstigten ausgewirkt hat, d. h. auf die Güterkraftverkehrsunternehmer aus anderen Mitgliedstaaten, die Beförderungen im Werksverkehr oder gewerblich durchführen.

22 Dazu macht die Italienische Republik geltend, für Unternehmen, die Beförderungen im Werksverkehr durchführten, sei keine Erstattung vorgesehen, so daß der Preis für Dieselkraftstoff in voller Höhe zu den Vertriebskosten der Erzeugnisse hinzukomme. Dieser Teil der Gesamtkosten wirke sich jedoch nur am Rande aus, da er nur ein bescheidener Nebenposten im allgemeineren Rahmen der Gesamtkosten der Haupttätigkeit des Unternehmens sei und mit Sicherheit in keiner unmittelbaren Verbindung zu den Produktionskosten zu Lasten der anderen Unternehmen stehe, die im Rahmen des Gemeinsamen Marktes als Wettbewerber aufträten. Da die betreffenden Tätigkeiten nicht homogen seien, sei der von der Kommission in der sechzehnten Begründungserwägung des Teils IV der streitigen Entscheidung verlangte Vergleich zwischen den jeweiligen Rahmenbedingungen der im Wettbewerb stehenden Wirtschaftstätigkeiten nicht möglich, ohne möglicherweise ausgeuebte andere Tätigkeiten der Unternehmen einzubeziehen.

23 Zur Auswirkung der steuerlichen Vergütung auf den Wettbewerb der Güterkraftverkehrsunternehmen in der Gemeinschaft führt die Italienische Republik aus, daß im Gegensatz zu der Feststellung in der neunten Begründungserwägung die Regelung über die Ermittlung der Höhe der Steueranrechnung, insbesondere unter Berücksichtigung der für jede Fahrzeuggruppe vorgesehenen Hoechstgrenze, Fahrzeuge mit der höchsten Nutzlast, die sich auf den internationalen Märkten am häufigsten miteinander in Wettbewerb befänden, nicht begünstige. Die italienischen Verkehrsunternehmer, die sich ins Ausland begäben, bewegten sich nicht nur dort mit dem an Ort und Stelle gekauften billigeren Kraftstoff; ebenso wie die nichtitalienischen Verkehrsunternehmer kehrten sie nach Italien mit vollem Tank zurück, und der im Ausland gekaufte Dieselkraftstoff bleibe bei der Ermittlung der steuerlichen Vergütung ausser Betracht. Am stärksten begünstigt würden durch die Regelung somit die italienischen Verkehrsunternehmer, die keine Beförderungen ins Ausland durchführten.

24 Die Kommission weist darauf hin, daß das Gleichgewicht im Wettbewerb zwischen dem gewerblichen Güterkraftverkehr und dem Werkverkehr durch eine Beihilfe gestört werden könne, die für die eine Gruppe die Kosten senke, die sonst alle in gleicher Weise bei ihrer Gewinnrechnung berücksichtigen müssten. Dies gelte ganz offensichtlich sowohl für die Diskriminierung zwischen dem gewerblichen Güterkraftverkehr und dem Werkverkehr als auch für die Diskriminierung zwischen grossen und kleinen Verkehrsunternehmen (wegen der Hoechstzahl von Fahrzeugen, für die nach dem italienischen Gesetz eine Steueranrechnung zulässig sei).

25 Die vierzehnte Begründungserwägung des Teils IV der streitigen Entscheidung enthält folgende Feststellung: "Die gewerblichen italienischen Strassengüterverkehrsunternehmen stehen sowohl mit Strassengüterverkehrsunternehmen anderer Mitgliedstaaten als auch mit Unternehmen, die Werkverkehr durchführen, und mit Transporteuren anderer Verkehrsträger im Wettbewerb."

26 Nach der fünfzehnten Begründungserwägung entfielen auf den Werkverkehr 1992 19,2 % des von italienischen Güterkraftverkehrsunternehmen abgewickelten Inlandsverkehrs und 3,8 % des grenzueberschreitenden Verkehrs. Zum Wettbewerb mit gewerblichen Güterkraftverkehrsunternehmen aus anderen Mitgliedstaaten heisst es in der siebzehnten Begründungserwägung, daß der gewerbliche italienische Güterkraftverkehr 1992 nach Tonnenkilometern zu ungefähr 16,2 % grenzueberschreitend gewesen sei.

27 Die Italienische Republik räumt ein, daß die streitige Steueranrechnungsregelung sich auf den Wettbewerb zwischen italienischen und ausländischen Güterkraftverkehrsunternehmern negativ auswirkt. Zu der Behauptung, die Fahrzeuge mit der höchsten Nutzlast, d. h. die auf dem internationalen Markt am stärksten dem Wettbewerb ausgesetzten Fahrzeuge, zögen keinen grösseren Nutzen aus der Regelung, da sie sich in Italien mit im Ausland gekauftem Dieselkraftstoff bewegten, der bei der Ermittlung der steuerlichen Vergütung ausser Betracht bleibe, genügt die Feststellung, daß diese Behauptung durch nichts belegt worden ist.

28 Zu der Feststellung in der elften Begründungserwägung, daß die Modalitäten des Ausgleichs weder festgelegt noch angewandt worden seien, macht die Italienische Republik geltend, daß der Erlaß der Durchführungsverordnung über die Zahlung des Zuschusses an nichtitalienische Verkehrsunternehmer durch die Eröffnung des Vertragsverletzungsverfahrens blockiert worden sei. Die Tatsache, daß die Regelung über das Ausgleichsverfahren nicht fristgerecht erlassen worden sei, hindere die Betroffenen jedoch nicht, noch jetzt einen Erstattungsantrag auf der Grundlage der geltenden Rechtsvorschriften zu stellen. Daß bis jetzt kein entsprechender Antrag gestellt worden sei, zeige, daß die ausländischen Wirtschaftsteilnehmer im Grunde kein Interesse an der Regelung hätten; sie könnten in Italien Beförderungen durchführen, nachdem sie ihre Fahrzeuge mit dem billigeren Kraftstoff aus dem Herkunftsland vollgetankt hätten.

29 Die Kommission verweist darauf, daß die genannten Verordnungen zwar nicht erlassen worden seien, die Steuervergütung aber trotzdem den italienischen Güterkraftverkehrsunternehmen in der Zwischenzeit auf der Grundlage der geltenden Rechtsvorschriften gewährt worden sei. Die italienische Regierung habe sich somit darauf beschränkt, entsprechend der Anordnung in Artikel 2 der streitigen Entscheidung keine weiteren Bestimmungen zu erlassen, dabei die geltende diskriminierende Regelung beibehalten und durch die auf diese Weise getroffene "Wahl" der Rechtsvorschriften tatsächlich die Regelung angewandt, derentwegen die Kommission bereits ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet habe. Die Haltung der Verkehrsunternehmer aus den anderen Mitgliedstaaten, die keinen Erstattungsantrag eingereicht hätten, erkläre sich somit gerade aus dem Fehlen einer Regelung.

30 Hierzu ist festzustellen, daß in Ermangelung einer Regelung über die Modalitäten für die Gewährung des angekündigten Ausgleichs die Güterkraftverkehrsunternehmer aus den anderen Mitgliedstaaten jedenfalls nicht mit Erfolg einen Anspruch auf einen solchen Ausgleich geltend machen konnten.

31 Somit ist das Vorbringen, die streitige Steueranrechnungsregelung habe nicht den Charakter einer Beihilfe gehabt, zurückzuweisen.

Zur Unmöglichkeit der Rückforderung der Beihilfe

32 Zu der Verpflichtung gemäß Artikel 2 der streitigen Entscheidung, die gewährte Beihilfe zurückzufordern, macht die Italienische Republik geltend, die Rückforderung der Beträge von den Verkehrsunternehmern, in welcher Form auch immer, würde einen Sozialkonflikt heraufbeschwören, an dessen Ende der Staat nur als Verlierer dastehen könne; zudem bereiteten die erforderlichen technischen Maßnahmen für die Rückforderung der streitigen Beträge Schwierigkeiten, die wegen der grossen Zahl der betroffenen Personen und der Notwendigkeit einer Aufteilung der Steuervergütung zwischen den verschiedenen Steuern und Steuersätzen zu Recht als unüberwindbar angesehen werden könnten.

33 Erstens hat der Vertreter der italienischen Regierung in der Sitzung zu diesem letzten Argument eingeräumt, daß die italienische Finanzverwaltung in der Lage sei, die einzelnen italienischen Güterkraftverkehrsunternehmer zu ermitteln, denen die Steuervergütung gewährt worden sei, und von diesen aussergerichtlich oder gerichtlich die Rückzahlung zu verlangen.

34 Zweitens genügt zu dem ersten Argument der Hinweis, daß die italienische Regierung keinen Versuch unternommen hat, die angerechneten Steuern nachzufordern, und daß daher die Unmöglichkeit der Durchführung der Entscheidung über die Nachforderung nicht nachgewiesen ist (vgl. Urteil vom 29. Januar 1998 in der Rechtssache C-280/95, Kommission/Italien, Slg. 1998, I-259, Randnr. 15).

35 Somit ist die Klage abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

36 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Italienische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist und die Kommission einen entsprechenden Antrag gestellt hat, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Italienische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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