Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 10.04.2003
Aktenzeichen: C-65/01
Rechtsgebiete: Richtlinie 89/655/EWG


Vorschriften:

Richtlinie 89/655/EWG Anhang I
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Eine nationale Regelung, die entsprechend dem Ansatz der Richtlinie 89/655 über Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Benutzung von Arbeitsmitteln durch Arbeitnehmer bei der Arbeit (Zweite Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit) die notwendige Anpassung der Sicherheitsvorschriften an den technischen Fortschritt vorsieht, ohne jedoch die in der Richtlinie vorgeschriebenen Mindestvorschriften in Kraft zu setzen, setzt die Richtlinie nicht mit der erforderlichen Klarheit und Genauigkeit um.

( vgl. Randnrn. 45, 47, 48 )


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 10. April 2003. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Italienische Republik. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinie 89/655/EWG - Mangelhafte Umsetzung. - Rechtssache C-65/01.

Parteien:

In der Rechtssache C-65/01

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Aresu als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Italienische Republik, vertreten durch U. Leanza als Bevollmächtigten, im Beistand von D. Del Gaizo, Avvocato dello Stato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

eklagte,

wegen Feststellung, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 4 Absatz 1 und den Ziffern 2.1 Satz 6, 2.2 Satz 2, 2.3 Sätze 2 bis 4 sowie 2.8 Satz 2 zweiter bis fünfter Gedankenstrich des Anhangs I der Richtlinie 89/655/EWG des Rates vom 30. November 1989 über Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Benutzung von Arbeitsmitteln durch Arbeitnehmer bei der Arbeit (Zweite Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) (ABl. L 393, S. 13) in der Fassung der Richtlinie 95/63/EG des Rates vom 5. Dezember 1995 (ABl. L 335, S. 28) verstoßen hat, dass sie nicht die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um die zwingenden Mindestvorschriften in innerstaatliches Recht umzusetzen, und somit nicht den Schutz der Arbeitnehmer gewährleistet,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-P. Puissochet, des Richters C. Gulmann, der Richterinnen F. Macken und N. Colneric (Berichterstatterin) und des Richters J. N. Cunha Rodrigues,

Generalanwalt: J. Mischo,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des Berichts des Berichterstatters,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. September 2002

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 14. Februar 2001 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 226 EG Klage erhoben auf Feststellung, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 4 Absatz 1 und den Ziffern 2.1 Satz 6, 2.2 Satz 2, 2.3 Sätze 2 bis 4 sowie 2.8 Satz 2 zweiter bis fünfter Gedankenstrich des Anhangs I der Richtlinie 89/655/EWG des Rates vom 30. November 1989 über Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Benutzung von Arbeitsmitteln durch Arbeitnehmer bei der Arbeit (Zweite Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) (ABl. L 393, S. 13) in der Fassung der Richtlinie 95/63/EG des Rates vom 5. Dezember 1995 (ABl. L 335, S. 28, im Folgenden: Richtlinie 89/655) verstoßen hat, dass sie nicht die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um die zwingenden Mindestvorschriften in innerstaatliches Recht umzusetzen, und somit nicht den Schutz der Arbeitnehmer gewährleistet.

Rechtlicher Rahmen

Die Gemeinschaftsregelung

2 Artikel 4 Absatz 1 Buchstaben a und b der Richtlinie 89/655 bestimmt:

Unbeschadet des Artikels 3 hat der Arbeitgeber sich Arbeitsmittel zu beschaffen bzw. Arbeitsmittel zu benutzen, die,

a) sofern sie den Arbeitnehmern erstmalig nach dem 31. Dezember 1992 im Unternehmen bzw. Betrieb zur Verfügung gestellt werden,

...

ii) den Mindestvorschriften im Sinne des Anhangs I entsprechen, wenn keine andere Gemeinschaftsrichtlinie anwendbar ist oder wenn eine etwaige andere Gemeinschaftsrichtlinie nur teilweise anwendbar ist;

b) sofern sie den Arbeitnehmern am 31. Dezember 1992 im Unternehmen bzw. Betrieb bereits zur Verfügung stehen, spätestens vier Jahre nach diesem Zeitpunkt den Mindestvorschriften im Sinne des Anhangs I entsprechen."

3 Ziffer 2.1 des Anhangs I der Richtlinie 89/655 bestimmt im dritten Absatz, d. h. in den Sätzen 4, 5 und 6:

Vom Hauptbedienungsstand aus muss sich das Bedienungspersonal erforderlichenfalls vergewissern können, dass sich keine Personen in den Gefahrenzonen aufhalten. Ist dies nicht möglich, muss der Inbetriebsetzung automatisch ein sicheres System wie z. B. ein akustisches und/oder optisches Warnsignal vorgeschaltet sein. Gefährdete Arbeitnehmer müssen die Zeit und/oder die Möglichkeit haben, sich den Gefahren in Verbindung mit dem Inbetriebsetzen bzw. Abschalten des Arbeitsmittels rasch zu entziehen."

4 Ziffer 2.2 des Anhangs I der Richtlinie 89/655 lautet:

Die Inbetriebsetzung eines Arbeitsmittels darf nur durch absichtliche Betätigung eines hierfür vorgesehenen Betätigungssystems möglich sein.

Dies gilt auch

- für die Wiederinbetriebsetzung nach einem Stillstand, ungeachtet der Ursache für diesen Stillstand,

- für die Steuerung einer wesentlichen Änderung des Betriebszustandes (zum Beispiel der Geschwindigkeit, des Druckes usw.),

sofern diese Wiederinbetriebsetzung oder diese Änderung für die gefährdeten Arbeitnehmer nicht völlig gefahrlos erfolgen kann.

Diese Anforderung gilt nicht für die Wiederinbetriebsetzung oder die Änderung des Betriebszustandes bei der normalen Befehlsabfolge im Automatikbetrieb."

5 Ziffer 2.3 des Anhangs I der Richtlinie 89/655 sieht vor:

Jedes Arbeitsmittel muss mit einem Betätigungssystem zum sicheren Abschalten des gesamten Arbeitsmittels ausgerüstet sein.

Jeder Arbeitsplatz muss mit einem Betätigungssystem ausgerüstet sein, mit dem sich entsprechend der Gefahrenlage das gesamte Arbeitsmittel oder nur bestimmte Teile abschalten lassen, um das Arbeitsmittel in einen sicheren Zustand zu versetzen. Der Befehl zum Abschalten des Arbeitsmittels muss den Befehlen zur Inbetriebsetzung übergeordnet sein. Nach Abschaltung des Arbeitsmittels oder seiner gefährlichen Teile muss die Energieversorgung des Antriebs unterbrochen werden."

6 In Bezug auf Schutzeinrichtungen für bewegliche Teile eines Arbeitsmittels, bei denen die Gefahr eines mechanischen Kontakts besteht, durch den Unfälle verursacht werden können, findet sich in Ziffer 2.8 Satz 2 zweiter bis fünfter Gedankenstrich des genannten Anhangs die folgende Regelung:

Die Schutzeinrichtungen

...

- dürfen keine zusätzlichen Gefahren verursachen;

- dürfen nicht auf einfache Weise umgangen oder unwirksam gemacht werden können;

- müssen ausreichend Abstand zur Gefahrenzone haben;

- dürfen die Beobachtung des Arbeitszyklus nicht mehr als notwendig einschränken;

..."

Die nationale Regelung

7 Artikel 2087 des italienischen Codice civile (Zivilgesetzbuch) bestimmt:

Der Unternehmer ist verpflichtet, beim Betrieb des Unternehmens die Maßnahmen zu treffen, die nach der besonderen Art der Arbeit, nach der Erfahrung und dem Stand der Technik zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit und zum Persönlichkeitsschutz der Arbeitnehmer notwendig sind."

8 Das Decreto legislativo Nr. 626 vom 19. September 1994 zur Durchführung der Richtlinien 89/391/EWG, 89/654/EWG, 89/655/EWG, 89/656/EWG, 90/269/EWG, 90/270/EWG, 90/394/EWG und 90/679/EWG zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (GURI Nr. 265 vom 12. November 1994, Supplemento ordinario Nr. 141, S. 5) in der Fassung des Decreto legislativo Nr. 242 vom 19. März 1996 (GURI Nr. 104 vom 6. Mai 1996, Supplemento ordinario Nr. 75, S. 5, im Folgenden: Decreto legislativo Nr. 626/94) bestimmt in Artikel 4 Absatz 5:

Der Arbeitgeber, der Betriebsleiter und der Vorarbeiter, die die in Artikel 1 genannten Tätigkeiten [nämlich ,alle privaten oder öffentlichen Tätigkeitsbereiche mit den dort vorgesehenen Ausnahmen] im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse und Zuständigkeitsbereiche ausüben, leiten oder beaufsichtigen, treffen alle für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer erforderlichen Maßnahmen und insbesondere

...

b) die notwendigen Vorbeugemaßnahmen im Zusammenhang mit Veränderungen in der Organisations- und Produktionsstruktur, die für den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer und die Sicherheit der Arbeit im Hinblick auf den Stand der technischen Entwicklung, der Unfallverhütung und des Arbeitsschutzes von Bedeutung sind."

9 Das Decreto del Presidente della Repubblica Nr. 547 vom 27. April 1955 (GURI Nr. 158 vom 12. Juli 1955, Supplemento ordinario, S. 3) in der der durch die Decreti legislativi Nr. 626/94 in der Fassung vom 19. September 1994 und Nr. 242 vom 19. März 1996 geänderten Fassung (im Folgenden: DPR Nr. 547/55) bestimmt in den Artikeln 43, 44, 48, 49, 69, 71, 77, 80, 133, 157, 165, 209, 220 und 374:

Artikel 43

Teile wie Führungsschlitten, Schubstangen, Exzenter, Kurbeln oder Ähnliche, die der Umwandlung einer Drehbewegung in eine oszillierende Bewegung oder umgekehrt dienen, sind angemessen zu schützen.

Der Schutz kann - außer bei Vorliegen besonderer Gefahren - bei Geräten zum Bearbeiten von Stein, Marmor oder Ähnlichem unterbleiben, wenn sich die beweglichen Teile an unzugänglichen Stellen befinden oder die Antriebskraft nicht mehr als eine Pferdestärke oder die Geschwindigkeit nicht mehr als 60 Umdrehungen pro Minute beträgt.

Artikel 44

Teile von Bäumen, die zu mehr als einem Viertel ihres Durchmessers aus der Maschine oder der Halterung herausragen, sind bis auf dieses Maß zurückzustutzen oder mit einer Schutzvorrichtung zu versehen, die an einem unbeweglichen Teil zu befestigen ist.

...

Artikel 48

Es ist verboten, in Bewegung befindliche Teile der Maschinen von Hand zu reinigen, zu ölen oder zu schmieren, sofern dies nicht aus besonderen technischen Gründen erforderlich ist; in diesem Fall sind geeignete Hilfsmittel zu verwenden, um jede Gefahr auszuschließen.

Die Arbeitnehmer sind durch deutlich sichtbare Hinweise von dem in diesem Artikel enthaltenen Verbot in Kenntnis zu setzen.

Artikel 49

Es ist verboten, an in Bewegung befindlichen Teilen Reparaturen oder Regulierungen vorzunehmen.

Falls solche Maßnahmen während der Bewegung notwendig werden, sind entsprechende Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz der Unversehrtheit des Arbeitnehmers zu treffen.

Die Arbeitnehmer sind durch deutlich sichtbare Hinweise von dem in Absatz 1 enthaltenen Verbot in Kenntnis zu setzen.

...

Artikel 69

Wenn es aus technischen oder arbeitsbedingten Gründen nicht möglich ist, die beweglichen Teile oder die gefährlichen Arbeitsbereiche der Maschinen wirksam zu schützen oder abzutrennen, sind andere Maßnahmen zu treffen, um die Gefahr zu beseitigen oder zu vermindern, wie der Einsatz von geeigneten Werkzeugen, Zuführungsautomaten, zusätzlichen Vorrichtungen zum Abschalten der Maschine und Inbetriebsetzungssystemen mit simultaner Mehrfachsteuerung.

...

Artikel 71

Wenn in den Fällen der Artikel 69 und 70 von den nicht oder nicht vollständig geschützten beweglichen Teilen Personen erfasst, mitgerissen oder eingeklemmt werden können und wenn diese Teile eine beträchtliche Trägheit aufweisen, müssen die Vorrichtungen zum Anhalten der Maschine nicht nur einen Schalter in unmittelbarer Reichweite der Hände oder anderer Körperteile des Arbeitnehmers, sondern auch ein wirksames Bremssystem umfassen, das das Anhalten in kürzester Zeit ermöglicht.

...

Artikel 77

Die Schalter für die Inbetriebsetzung der Maschinen müssen so angeordnet sein, dass ein unbeabsichtigtes Anlassen oder Einschalten verhindert wird, oder mit Vorrichtungen versehen sein, die denselben Zweck erfuellen.

...

Artikel 80

Jedem Anlassen komplexer Maschinen, die von mehreren Arbeitnehmern bedient werden, die auf verschiedene Arbeitsplätze verteilt und für denjenigen, der die Maschine in Betrieb zu setzen hat, nicht völlig sichtbar sind, muss ein vereinbartes akustisches Signal vorangehen.

...

Artikel 133

Walzwerke und Kalander, von denen aufgrund ihrer Ausmaße, Kraft, Geschwindigkeit oder sonstigen Bedingungen besonders schwere, spezifische Gefahren ausgehen, insbesondere Walzwerke (Mischer) für Gummi, Kalander für Gummifolien und Ähnliches, sind mit einer Vorrichtung für das sofortige Anhalten der Walzen zu versehen, die über eine Schaltervorrichtung verfügt, die so gestaltet und angeordnet ist, dass das Anhalten auch durch bloßen leichten Druck irgendeines Körperteils des Arbeitnehmers bewirkt werden kann, falls dessen Hände von den in Bewegung befindlichen Walzen erfasst werden sollten.

Die Anhaltevorrichtung nach dem vorstehenden Absatz muss neben der Bremse auch ein System für die gleichzeitige Umkehrung der Bewegung der Walzen vor ihrem endgültigen Halt umfassen.

...

Artikel 157

Spulen von Drahtziehmaschinen müssen mit einer unmittelbar vom Arbeitnehmer zu betätigenden Vorrichtung versehen sein, die erforderlichenfalls das sofortige Anhalten der Maschine ermöglicht.

...

Artikel 165

Buchdruckpressen mit Drucktiegeln und ähnliche Maschinen, die nicht mit einer automatischen Zuführungsvorrichtung versehen sind, müssen mit einer Vorrichtung versehen sein, mit der der Arbeitnehmer durch eine einfache Handbewegung den automatischen Stillstand der Maschine herbeiführen kann, wenn er sich zwischen dem festen Tisch und der beweglichen Platte in Gefahr befindet; statt dieser Vorrichtung können die Pressen mit einer anderen geeigneten Sicherheitsvorrichtung ausgestattet werden, deren Wirksamkeit anerkannt ist.

...

Artikel 209

Bei jeder Be- und Entladestelle an senkrechten Fördervorrichtungen mit beweglichen Fächern ist eine Vorrichtung zum schnellen Anhalten des Geräts anzubringen.

...

Artikel 220

Schrägaufzüge müssen, jedenfalls wenn sie, auch gelegentlich, für die Personenbeförderung benutzt werden, mit Sicherheitsvorrichtungen versehen sein, die im Fall des Bruches oder der Lockerung der Antriebsteile das sofortige Anhalten der Fahrzeuge oder Züge bewirken, wenn dies im Hinblick auf die Länge oder Neigung der Strecke, die Betriebsgeschwindigkeit oder andere besondere Bedingungen der Anlage notwendig ist.

Können die in Absatz 1 genannten Sicherheitsvorkehrungen aus technischen Gründen, die mit den Besonderheiten der Anlage oder ihres Betriebes zusammenhängen, nicht getroffen werden, müssen die Antriebsteile und die Fahrzeugbefestigungen einen Sicherheitskoeffizienten von mindestens 8 aufweisen; in diesem Fall ist es verboten, den Schrägaufzug für die Personenbeförderung zu benutzen.

Jedenfalls müssen die Antriebsteile und die Befestigungen wie auch die Sicherheitsvorrichtungen monatlich überprüft werden.

...

Artikel 374

...

Anlagen, Maschinen, Geräte, Ausrüstungen, Werkzeuge, Instrumente einschließlich der Schutzeinrichtungen müssen die nach den Erfordernissen der Arbeitssicherheit gebotene Beständigkeit und Tauglichkeit aufweisen und in einem guten Erhaltungs- und Funktionszustand gehalten werden."

Vorverfahren

10 Da die Kommission der Auffassung war, dass die Richtlinie 89/655 nicht innerhalb der vorgesehenen Frist vollständig in das italienische Recht umgesetzt worden war, leitete sie ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Nachdem sie der Italienischen Republik eine Frist zur Äußerung - insbesondere in Bezug auf die Mindestvorschriften in Anhang I der genannten Richtlinie - gesetzt hatte, gab die Kommission am 4. August 1999 eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie den Mitgliedstaat aufforderte, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um der Stellungnahme innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung nachzukommen.

11 Die Italienische Republik äußerte sich auf diese Stellungnahme hin nicht. Da die Kommission bei der Prüfung der Rechtsvorschriften, die ihr zu Beginn des Vorverfahrens von den italienischen Behörden übermittelt worden waren, zu dem Ergebnis gelangte, dass die Richtlinie 89/655 nicht befriedigend umgesetzt worden war, hat sie die vorliegende Klage erhoben.

Zur Klage

12 Nach Kenntnisnahme von dem Vorbringen der Italienischen Republik in der Klagebeantwortung hat die Kommission die Rüge in Bezug auf Ziffer 2.3 Satz 2 des Anhangs I der Richtlinie 89/655 fallen gelassen.

Zur Nichtumsetzung von Ziffer 2.1 Satz 6 des Anhangs I der Richtlinie 89/655

Vorbringen der Parteien

13 Die italienische Regierung macht geltend, Ziffer 2.1 Satz 6 des Anhangs I der Richtlinie 89/655 sei durch Artikel 80 des DPR Nr. 547/55 umgesetzt worden.

14 Die Kommission verkenne den Zusammenhang, der zwischen den drei Sätzen bestehe, die den dritten Absatz von Ziffer 2.1 des Anhangs I der Richtlinie 89/655 bildeten. Der Satz, auf den die Kommission den Vorwurf der Vertragsverletzung stütze - Satz 6 der genannten Ziffer - stelle angesichts des Umstands, dass er als dritter und letzter Satz in den genannten Absatz eingefügt worden sei, nur eine Ergänzung der ersten beiden Sätze dar und solle lediglich klarstellen, was Sinn und Zweck des in Satz 2 dieses Absatzes vorgeschriebenen Warnsignals sein müsse.

15 Artikel 80 des DPR Nr. 547/55 betreffe Maschinen, die von mehreren Arbeitnehmern (gefährdete Personen) bedient würden, die für die Bedienungskraft, die die Maschine in Betrieb zu setzen habe, nicht völlig sichtbar seien. Nach Auffassung der italienischen Regierung sind in Ziffer 2.1 Absatz 3 des Anhangs I der Richtlinie 89/655 solche Maschinen gemeint, wenn dort von Arbeitsmitteln mit einem Hauptbedienungsstand" die Rede sei; es müsse sich nämlich notwendigerweise um Arbeitsmittel handeln, deren Betrieb mehrere Arbeits- oder Bedienungsstände erfordere, d. h. gerade um diejenigen Arbeitsmittel, die Gegenstand von Artikel 80 des DPR Nr. 547/55 seien.

16 Die italienische Regierung weist darauf hin, dass diese Bestimmung nicht nur eine allgemeine Ankündigung verlange, sondern vielmehr ein vereinbartes" akustisches Signal. Durch ein solches Signal würden die gefährdeten Personen über den Beginn eines Vorgangs unterrichtet, der nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums - dessen Länge den Betreffenden bekannt und der Gefährlichkeit des mit dem Vorgang verbundenen Geschehens angepasst sei - zur tatsächlichen Inbetriebsetzung des Arbeitsmittels führe. Aufgrund dieser Kenntnis könnten sich die gefährdeten Personen den entsprechenden Gefahren entziehen, wenn die Warnmaßnahmen ordnungsgemäß durchgeführt worden seien.

17 Nach Auffassung der italienischen Regierung kann Ziffer 2.1 Satz 6 des Anhangs I der Richtlinie 89/655 nicht in einer Weise ausgelegt werden, bei der die Sätze 4 und 5 dieser Bestimmung außer Acht blieben.

18 Die Kommission macht geltend, die italienische Regierung gehe von einer offensichtlich unzutreffenden Voraussetzung aus, wenn sie annehme, dass das Erfordernis einer Warnung, dessen Nichtumsetzung ihr zur Last gelegt werde, lediglich Sinn und Zweck des akustischen Warnsignals" klarstellen solle, das bei der Inbetriebnahme einer Maschine vorgesehen sei, wenn sich die Bedienungskraft nicht vergewissern könne, dass sich niemand in der Gefahrenzone aufhalte. Es treffe nicht zu, dass Ziffer 2.1 Satz 6 des Anhangs I der Richtlinie 89/655 eine Art Ergänzung der Sätze 4 und 5 dieser Bestimmung sei; es handle sich auch nicht um eine Klarstellung des Inhalts dieser Sätze. Vielmehr komme gerade Satz 6 dadurch, dass er vorschreibe, dass die gefährdeten Personen die Möglichkeit haben müssten, sich der Gefahr rasch zu entziehen, die entscheidende Stellung eines Grunderfordernisses zu, das unbedingt eingehalten werden müsse.

19 Artikel 80 des DPR Nr. 547/55 verlange lediglich ein vereinbartes akustisches Signal". Damit werde nicht Ziffer 2.1 Satz 6 des Anhangs I der Richtlinie 89/655 umgesetzt, sondern Satz 5 dieser Vorschrift. Im Fall einer unzureichenden Umsetzung von Satz 6 könnten jedoch leicht Situationen eintreten, in denen die gefährdeten Arbeitnehmer bei Warnsignalen vor dem Inbetriebsetzen oder Abschalten von Arbeitsmitteln nicht die Möglichkeit hätten, sich rasch in Sicherheit zu bringen. Das Erfordernis, dass die gefährdeten Arbeitnehmer die Möglichkeit haben müssten, sich Gefahrensituationen rasch zu entziehen, fehle in der italienischen Regelung völlig. Diese sehe als einzige Verpflichtung das vereinbarte akustische Signal" vor. Diese Verpflichtung reiche nicht aus, um die schwerwiegende Lücke zu schließen, die sich aus dem Fehlen des allgemeinen Erfordernisses ergebe, dass für die Betroffenen die Möglichkeit bestehen müsse, sich Gefahrensituationen sofort zu entziehen.

Würdigung durch den Gerichtshof

20 Nach ständiger Rechtsprechung ist es für die Umsetzung einer Richtlinie in das Recht eines Mitgliedstaats unerlässlich, dass das fragliche nationale Recht tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie gewährleistet, dass die sich aus diesem Recht ergebende Rechtslage hinreichend bestimmt und klar ist und dass die Begünstigten in die Lage versetzt werden, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen (vgl. insbesondere Urteile vom 23. März 1995 in der Rechtssache C-365/93, Kommission/Griechenland, Slg. 1995, I-499, Randnr. 9, und vom 10. Mai 2001 in der Rechtssache C-144/99, Kommission/Niederlande, Slg. 2001, I-3541, Randnr. 17).

21 Anhand dieser Grundsätze ist zu prüfen, ob die Bestimmungen des italienischen Rechts den Anforderungen der Richtlinie 89/655 genügen.

22 Nach der Mindestvorschrift in Ziffer 2.1 Satz 6 des Anhangs I der Richtlinie 89/655 müssen in den Gefahrenzonen [g]efährdete Arbeitnehmer... die Zeit und/oder die Möglichkeit haben, sich den Gefahren in Verbindung mit dem Inbetriebsetzen bzw. Abschalten des Arbeitsmittels rasch zu entziehen". Dieses Erfordernis tritt neben die Notwendigkeit eines akustischen und/oder optischen Warnsignals" nach Ziffer 2.1 Satz 5 des Anhangs I der Richtlinie 89/655.

23 Wenn in Artikel 80 des DPR Nr. 547/55 verlangt wird, dass dem Anlassen komplexer Maschinen ein vereinbartes akustisches Signal" vorangehen muss, so liegt darin eine Umsetzung von Ziffer 2.1 Satz 5 des Anhangs I der Richtlinie 89/655; die Bestimmung genügt jedoch nicht den Anforderungen von Satz 6 der genannten Ziffer.

24 Somit ist festzustellen, dass die Italienische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus Ziffer 2.1 Satz 6 des Anhangs I der Richtlinie 89/655 verstoßen hat.

Zur Nichtumsetzung von Ziffer 2.2 Satz 2 des Anhangs I der Richtlinie 89/655

Vorbringen der Parteien

25 Die italienische Regierung macht geltend, Ziffer 2.2 Satz 2 des Anhangs I der Richtlinie 89/655 sei durch Artikel 77 des DPR Nr. 547/55 umgesetzt worden.

26 Artikel 77 des DPR Nr. 547/55 verlange im Wesentlichen, dass an der Maschine eine Vorrichtung (d. h. eine koordinierte Gesamtheit physischer Elemente zur Erreichung eines bestimmten Ergebnisses) für die Inbetriebsetzung angebracht sei, bestehend aus einem (von der Bedienungskraft physisch betätigten) Bauteil, das durch seine physische Beschaffenheit und seiner Platzierung auf der Maschine ein unbeabsichtigtes Einschalten verhindere, sowie aus einem logischen" System, durch das ein unbeabsichtigtes Inbetriebsetzen funktionell" ausgeschlossen werde.

27 Artikel 77 des DPR Nr. 547/55 erreiche die in Ziffer 2.2 Satz 1 des Anhangs I der Richtlinie 89/655 festgelegten Ziele. Die genannte nationale Bestimmung schreibe lediglich negativ (Verhinderung einer unbeabsichtigten Inbetriebsetzung) das vor, was die Richtlinie positiv verlange (Vornahme einer absichtlichen Betätigung); außerdem handle es sich um eine ganz allgemein gefasste Bestimmung, die nicht auf die in Ziffer 2.2 Satz 2 des Anhangs I der Richtlinie 89/655 aufgeführten besonderen Umstände beschränkt sei.

28 Die Kommission trägt vor, Artikel 77 des DPR Nr. 547/55 beziehe sich mit äußerst unklaren und allgemein gehaltenen Formulierungen auf die Platzierung der Schalter auf den Maschinen, während die Richtlinie 89/655 das Erfordernis einer absichtlichen Betätigung für die Wiederinbetriebsetzung oder die Änderung des Betriebszustands einer Maschine aufstelle. Die italienische Vorschrift und die Gemeinschaftsbestimmung hätten somit einen unterschiedlichen Inhalt, und der Zweck der Richtlinie werde von der italienischen Vorschrift nicht mit der erforderlichen Wirksamkeit verfolgt. Unter Verweisung auf das Urteil vom 9. April 1987 in der Rechtssache 363/85 (Kommission/Italien, Slg. 1987, 1733, Randnr. 7) macht die Kommission geltend, Artikel 77 des DPR Nr. 547/55 sei zu vage und zu allgemein gehalten, um das in der Richtlinie 89/655 festgelegte Mindestschutzniveau angemessen umzusetzen. Die Umsetzung eines besonderen Schutzerfordernisses, wie es in Ziffer 2.2 Satz 2 des Anhangs I dieser Richtlinie aufgestellt werde, durch eine allgemeine Vorschrift wie Artikel 77 des DPR Nr. 547/55 sei unzureichend, da dies zu einer erheblichen Beeinträchtigung der tatsächlichen Sicherheit der betroffenen Arbeitnehmer führen könne. Die Betroffenen seien nämlich unter solchen Umständen nicht in der Lage, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese gegebenenfalls vor den zuständigen Gerichten geltend zu machen.

Würdigung durch den Gerichtshof

29 Nach der Mindestvorschrift in Ziffer 2.2 Satz 2 des Anhangs I der Richtlinie 89/655 dürfen die Wiederinbetriebsetzung nach einem Stillstand, ungeachtet der Ursache für diesen Stillstand, und die Steuerung einer wesentlichen Änderung des Betriebszustands (z. B. der Geschwindigkeit, des Druckes usw.) nur durch absichtliche Betätigung eines hierfür vorgesehenen Betätigungssystems möglich sein, sofern die Wiederinbetriebsetzung oder die Änderung für die gefährdeten Arbeitnehmer nicht völlig gefahrlos erfolgen kann.

30 Artikel 77 des DPR Nr. 547/55 sieht vor, dass die Schalter für die Inbetriebsetzung der Maschinen so angeordnet sein müssen, dass ein unbeabsichtigtes Anlassen oder Einschalten verhindert wird, oder mit Vorrichtungen versehen sein müssen, die denselben Zweck erfuellen.

31 Diese allgemein gehaltene Vorschrift stellt keine hinreichend genaue und klare Umsetzung der in Ziffer 2.2 Satz 2 des Anhangs I der Richtlinie 89/655 aufgestellten Erfordernisse dar. Sie lässt insbesondere wesentliche Änderungen des Betriebszustands der Maschine gänzlich unerwähnt.

32 Damit ist festzustellen, dass die Italienische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus Ziffer 2.2 Satz 2 des Anhangs I der Richtlinie 89/655 verstoßen hat.

Zur Nichtumsetzung von Ziffer 2.3 Sätze 3 und 4 des Anhangs I der Richtlinie 89/655

Vorbringen der Parteien

33 Die italienische Regierung macht geltend, Ziffer 2.3 Sätze 3 und 4 des Anhangs I der Richtlinie 89/655 sei durch die allgemein gefassten Bestimmungen der Artikel 69 und 71 sowie durch die Artikel 133, 157, 165, 209 und 220 des DPR Nr. 547/55 umgesetzt worden.

34 Artikel 69 des DPR Nr. 547/55 sehe vor, dass in Fällen, in denen Gefahren bestehen blieben, weil ein wirksamer Schutz oder eine Abtrennung der arbeitenden Teile oder der gefährlichen Arbeitsbereiche nicht möglich sei, andere Maßnahmen zu treffen seien, wie der Einsatz von geeigneten Werkzeugen, Zuführungsautomaten oder zusätzlichen Vorrichtungen zum Abschalten der Maschinen, durch die die normalen Abschaltmechanismen ergänzt würden, wobei die erstgenannten Maßnahmen zur Beseitigung und die letzteren zur Verringerung der Gefahr bestimmt seien.

35 Artikel 71 des DPR Nr. 547/55 enthalte noch strengere Vorschriften, die sich nicht nur auf Vorrichtungen zum Anhalten der Maschine bezögen, sondern auch die Platzierung der Steuerungseinheit und die Eigenschaften des Bremsvorgangs beträfen, der durch die Bedienung der Steuerung auslösbar sein müsse.

36 In den Artikeln 133, 157, 165, 209 und 220 des DPR Nr. 547/55 werde der in Ziffer 2.3. Satz 2 des Anhangs I der Richtlinie 89/655 aufgestellte Grundsatz weiter konkretisiert und den besonderen Gefahrenarten angepasst, die mit dem Betrieb der in diesen Bestimmungen jeweils geregelten Maschinen verbunden seien.

37 Die Kommission macht geltend, dass keine der von der italienischen Regierung angeführten Bestimmungen Ziffer 2.3 Sätze 3 und 4 des Anhangs I der Richtlinie 89/655 umsetze. Die Richtlinie beruhe in diesem Punkt auf einem Lösungsansatz, der detaillierte technische Erfordernisse vorsehe, um alle Gefahrenarten abzudecken; sie verpflichte die Mitgliedstaaten, diese Vorgaben genau und detailliert umzusetzen, um Unsicherheiten bei der praktischen Anwendung der nationalen Vorschriften zur Gewährleistung der Sicherheit der Arbeitnehmer zu vermeiden. Nach Auffassung der Kommission entsprechen die italienischen Bestimmungen nicht den Anforderungen an Klarheit und Genauigkeit, die an eine ordnungsgemäße Umsetzung von Ziffer 2.3 Sätze 3 und 4 des Anhangs I der Richtlinie 89/655 zu stellen seien.

Würdigung durch den Gerichtshof

38 Nach den Mindestvorschriften in Ziffer 2.3 Sätze 3 und 4 des Anhangs I der Richtlinie 89/655 muss der Befehl zum Ausschalten des Arbeitsmittels den Befehlen zur Inbetriebsetzung übergeordnet sein; nach Abschaltung des Arbeitsmittels oder seiner gefährlichen Teile muss die Energieversorgung des Antriebs unterbrochen werden.

39 Im vorliegenden Fall enthält keine der von der Italienischen Republik angeführten nationalen Bestimmungen diese genauen technischen Erfordernisse. Die genannten Bestimmungen setzen nur Ziffer 2.3 Sätze 1 und 2 des Anhangs I der Richtlinie 89/655 um.

40 Damit ist festzustellen, dass die Italienische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus Ziffer 2.3 Sätze 3 und 4 des Anhangs I der Richtlinie 89/655 verstoßen hat.

Zur Nichtumsetzung von Ziffer 2.8 Satz 2 zweiter bis fünfter Gedankenstrich des Anhangs I der Richtlinie 89/655

Vorbringen der Parteien

41 Die italienische Regierung macht geltend, Ziffer 2.8 Satz 2 dritter bis fünfter Gedankenstrich des Anhangs I der Richtlinie 89/655 sei durch die allgemein gefasste Bestimmung des Artikels 374 Absatz 2 des DPR Nr. 547/55, die strafbewehrt sei, sowie durch vier besondere Bestimmungen, nämlich die Artikel 43, 44, 48 und 49 dieses Dekrets, umgesetzt worden.

42 Außerdem trägt die italienische Regierung vor, nach dem nationalen Recht stelle die Anwendung der allgemein geltenden Rechtsvorschriften in Fragen der Sicherheit - wie etwa der verschiedenen Dekrete zur Unfallverhütung - lediglich einen Mindeststandard dar, der für die von den Vorschriften betroffenen Arbeitgeber in dem Sinne verbindlich sei, dass bei einem Zurückbleiben hinter diesem Standard eine Straftat vorliege. Dieser Grundsatz sei in Artikel 2087 des Codice civile verankert und werde auch in Artikel 4 Absatz 5 Buchstabe b des Decreto legislativo Nr. 626/94 übernommen. Außerdem hätten diejenigen, die den in Artikel 374 des DPR Nr. 547/55 niedergelegten Grundsatz durchzuführen hätten, die besten Lösungen im Bereich der Sicherheit zu ermitteln und anzuwenden, die zum jeweiligen Zeitpunkt verfügbar seien. Insofern seien die genannten Bestimmungen nur scheinbar allgemein gefasst.

43 Die italienische Regierung räumt ein, dass sie einen anderen Ansatz als die Richtlinie 89/655 gewählt habe, sie macht jedoch geltend, dass mit den nationalen Rechtsvorschriften der gleiche Sicherheitszweck erreicht werde, wie ihn die Richtlinie verfolge. Durch diesen Ansatz würden zudem Fortschritte im Sicherheitsbereich gefördert, die sich aus der Entwicklung der Präventionstechnik ergäben.

44 Nach Auffassung der Kommission stellt keine der fünf von der italienischen Regierung angeführten Bestimmungen des DPR Nr. 547/55 eine ordnungsgemäße Umsetzung der technischen Erfordernisse der Richtlinie 89/655 dar. Das Vorgehen der italienischen Behörden laufe darauf hinaus, einen Regelungsrahmen aufzubauen, der einerseits Spezialbestimmungen enthalte, deren Inhalt objektiv von den Erfordernissen in Ziffer 2.8 Satz 2 dritter bis fünfter Gedankenstrich des Anhangs I der Richtlinie 89/655 abweiche, und andererseits drei allgemeine Grundsätze aufstelle, die das von der Richtlinie geforderte Mindestschutzniveau nicht in klarer und eindeutiger Weise gewährleisteten. Das italienische System beruhe auf einer Logik, die zwar anerkennenswert sei, sich jedoch nicht mit der der Richtlinie vereinbaren lasse, den Betroffenen ein geringeres Maß an Klarheit und Genauigkeit biete und schließlich deren Möglichkeit beeinträchtige, von ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und sie vor den nationalen Gerichten geltend zu machen.

Würdigung durch den Gerichtshof

45 Die Mindestvorschriften in Ziffer 2.8 Satz 2 zweiter bis fünfter Gedankenstrich des Anhangs I der Richtlinie 89/655 betreffen Schutzeinrichtungen für bewegliche Teile von Arbeitsmitteln, bei denen die Gefahr eines mechanischen Kontakts besteht, durch den Unfälle verursacht werden können. Solche Schutzeinrichtungen dürfen keine zusätzlichen Gefahren verursachen, nicht auf einfache Weise umgangen oder unwirksam gemacht werden können und die Beobachtung des Arbeitszyklus nicht mehr als notwendig einschränken. Sie müssen außerdem ausreichend Abstand zur Gefahrenzone haben.

46 Im vorliegenden Fall enthalten die von der Italienischen Republik angeführten speziellen Bestimmungen - die Artikel 43, 44, 48 und 49 des DPR Nr. 547/55 - keine Verpflichtung zur Einhaltung der in der vorstehenden Randnummer wiedergegebenen Erfordernisse.

47 Was die allgemein gefassten nationalen Bestimmungen angeht, d. h. die Artikel 2087 des Codice civile, 4 Absatz 5 Buchstabe b des Decreto legislativo Nr. 626/94 und 374 des DPR Nr. 547/55, so enthält keine dieser Vorschriften eine hinreichend genaue und klare Umsetzung der genannten Erfordernisse.

48 Die italienische Regierung kann die ihr zur Last gelegte Vertragsverletzung nicht mit dem Argument rechtfertigen, die von ihr erlassene Regelung berücksichtige die Notwendigkeit der Anpassung der Sicherheitsvorschriften an den technischen Fortschritt. Ein solches Vorgehen, das sich im Übrigen bereits aus der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (ABl. L 183, S. 1) ergibt, befreit einen Mitgliedstaat nicht von der Verpflichtung, die nach der Richtlinie 89/655 erforderlichen Mindestvorschriften in Kraft zu setzen.

49 Damit ist festzustellen, dass die Italienische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus Ziffer 2.8 Satz 2 zweiter bis fünfter Gedankenstrich des Anhangs I der Richtlinie 89/655 verstoßen hat.

50 Indem sie die Mindestvorschriften in Anhang I der Richtlinie 89/655 nicht vollständig umgesetzt hat, hat die Italienische Republik auch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 4 Absatz 1 dieser Richtlinie verstoßen, der auf diese Mindestvorschriften verweist.

51 Folglich ist festzustellen, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 4 Absatz 1 und den Ziffern 2.1 Satz 6, 2.2 Satz 2, 2.3 Sätze 3 und 4 sowie 2.8 Satz 2 zweiter bis fünfter Gedankenstrich des Anhangs I der Richtlinie 89/655 verstoßen hat, dass sie nicht die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um zwingende Mindestvorschriften dieser Richtlinie in innerstaatliches Recht umzusetzen.

Kostenentscheidung:

Kosten

52 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission beantragt hat, die Italienische Republik zur Tragung der Kosten zu verurteilen, und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Italienische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 4 Absatz 1 und den Ziffern 2.1 Satz 6, 2.2 Satz 2, 2.3 Sätze 3 und 4 sowie 2.8 Satz 2 zweiter bis fünfter Gedankenstrich des Anhangs I der Richtlinie 89/655/EWG des Rates vom 30. November 1989 über Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Benutzung von Arbeitsmitteln durch Arbeitnehmer bei der Arbeit (Zweite Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) in der Fassung der Richtlinie 95/63/EG des Rates vom 5. Dezember 1995 verstoßen, dass sie nicht die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um zwingende Mindestvorschriften dieser Richtlinie in innerstaatliches Recht umzusetzen.

2. Die Italienische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

Zurück